Gericht bestätigt: US-Überwachungsprogramm verfassungswidrig
Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter und wohl bekannteste Whistleblower Edward Snowden enthüllte vor rund sieben Jahren, wie US-Bürger von der NSA massenhaft und anlasslos überwacht werden. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2011 führte der damalige Präsident George W. Bush eine Telefonüberwachung ein – geheim und ohne Gerichtsbeschluss. Telefondaten aller US-Anschlüsse wurden ohne Anlass jahrelang gespeichert. Die Öffentlichkeit erfuhr davon erst im Jahr 2013 durch Snowden, woraufhin das Programm vorübergehend ausgesetzt wurde, um Einschränkungen vorzunehmen. Danach überließ der Geheimdienst die Speicherung von Kommunikationsdaten den Telefongesellschaften, Anfang 2019 wurde das Programm dann endgültig eingestellt.
Anlass für die Entscheidung des Gerichts war ein Verfahren gegen mehrere Personen, die aus Somalia stammen und von den USA aus eine somalische Terrororganisation unterstützt hatten. Verurteilt wurden sie schon 2013, bei den Ermittlungen wurden auch Beweise aus der Metadatensammlung der NSA verwendet, die auf die Telefonüberwachung zurückgeht. Ein Bundesberufungsgericht aus San Francisco entschied nun, dass diese Datensammlung gegen den vierten Zusatzartikel der Verfassung verstoße, welcher Schutz vor staatlichen Übergriffen auf Bürger gewähren soll. Das Gericht kommt außerdem – wie auch schon ein Berufungsgericht vor fünf Jahren – zum Ergebnis, dass das Programm gegen den Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) verstoße, ein Gesetz zur Regelung von Auslandsaufklärung und Spionageabwehr. Das Urteil führt jedoch nicht dazu, dass die vier Angeklagten einen neuen Prozess bekommen: Die Verfassungswidrigkeit der Überwachung führt nicht zur Unverwertbarkeit aller Beweise des Verfahrens, da ausreichend Beweise vorhanden sind, die nicht durch die Metadatenbank gewonnen werden konnten. Daher hätten die Täter auch ohne die illegalen Beweise überführt werden können.
Die Entscheidung des Gerichts stellt den amerikanischen Auslandsgeheimdienst trotzdem vor ein gewaltiges Problem. Denn das jahrelange Sammeln von Daten war nicht nur gesetzes- und verfassungswidrig: Genau dieser Fall wurde immer wieder von Vertretern des Geheimdienstes genutzt, um die Verwendung des Überwachungsprogramms nach der Enthüllung durch Snowden zu rechtfertigen: Die Telefonüberwachung sei besonders wichtig für die Sicherheit der USA und die Bekämpfung des Terrorismus. Diese Aussagen machen nun keinen Sinn mehr, da das Verfahren auch ohne Beweise aus der entsprechenden Datenbank zu einer Verurteilung der Angeklagten geführt hätte.
Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der anlasslosen Telefonüberwachung ist politisch gesehen von großer Bedeutung für die USA und könnte Edward Snowden, der momentan im Exil in Russland lebt, auf seinem Weg zur Begnadigung helfen.