Top-Urteil

Lippenstiftform als dreidimensionale Marke

20. Juli 2021
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Frau benutzt Labello Urteil des EuG vom 14.07.2021, Az.: T‑488/20

Eine französische Kosmetikfirma wollte die Form ihrer Lippenstifte als dreidimensionale Marke bei der EUIPO eintragen lassen. Dies wurde vom Amt jedoch abgelehnt, da sich die Form des Lippenstifts nicht ausreichend von denen anderer unterscheide. Das EuG entschied jedoch, dass die infragestehende Form Unterscheidungskraft hat. Auch wenn es sich nur um eine Variante einer Form handelt, welche grundsätzlich nicht genügt, um eine ausreichend starke Unterscheidungskraft zu belegen, kann dies in Branchen, die bereits eine Vielzahl von Warenformen kennen, ausreichend sein.

Gericht der Europäischen Union

Urteil vom 14.07.2021

Az.: T‑488/20

 

 

In der Rechtssache T‑488/20,

Guerlain mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt […],

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch: […] und […] als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 2. Juni 2020 (Sache R 2292/2019‑1) über die Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in Form eines länglichen, kegelförmigen und zylindrischen Lippenstifts als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten […] sowie des Richters […] und der Richterin […] (Berichterstatterin),

Kanzler: […] Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 5. August 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 19. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der schriftlichen Frage des Gerichts an die Parteien vom 10. Februar 2021 zur Beantwortung in der mündlichen Verhandlung,

auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2021

folgendes

Urteil

Anträge der Parteien

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

dem EUIPO die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer aufzuerlegen.

Das EUIPO beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Zweitens ist in Bezug auf das Vorbringen der Klägerin zum sehr gelungenen ästhetischen Erscheinungsbild der in Rede stehenden Form festzustellen, dass nach der Rechtsprechung der Umstand, dass Waren ein Qualitätsdesign aufweisen, nicht zwangsläufig bedeutet, dass eine in der dreidimensionalen Form dieser Waren bestehende Marke von vornherein eine Unterscheidung dieser Waren von denen anderer Unternehmen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ermöglicht (Urteil vom 5. Februar 2020, Form eines Schnürsenkels, T‑573/18, EU:T:2020:32, Rn. 65).

Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass der ästhetische Aspekt einer Marke in Form der Verpackung einer Ware – hier ihres Behältnisses – neben anderen Gesichtspunkten berücksichtigt werden kann, um einen Unterschied gegenüber der Norm und der Branchenüblichkeit zu ermitteln, sofern dieser ästhetische Aspekt so verstanden wird, dass er auf die objektive und ungewöhnliche visuelle Wirkung verweist, die durch die spezifische Gestaltung der Marke entsteht (Urteil vom 12. Dezember 2019, EUIPO/Wajos, C‑783/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1073, Rn. 32).

Folglich darf die Berücksichtigung des ästhetischen Erscheinungsbilds der angemeldeten Marke nicht einer Bewertung der Schönheit oder der fehlenden Schönheit der in Rede stehenden Ware gleichkommen, die definitionsgemäß subjektiv wäre, sondern zielt darauf ab, im Einklang mit der oben in Rn. 43 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob die Marke in der Lage ist, eine objektive und in den Augen der maßgeblichen Verkehrskreise ungewöhnliche visuelle Wirkung hervorzurufen.

Zudem können nach der Rechtsprechung die Norm und die Branchenüblichkeit nicht allein auf die statistisch am häufigsten vorkommende Form reduziert werden, sondern umfassen alle Formen, denen der Verbraucher gewöhnlich auf dem Markt begegnet (Urteil vom 25. November 2020, Brasserie St Avold/EUIPO [Form einer dunklen Flasche], T‑862/19, EU:T:2020:561, Rn. 56).

Daher ist unter Berücksichtigung der Bilder, die von der Beschwerdekammer als Norm und Branchenüblichkeit zugrunde gelegt wurden, mit der Klägerin festzustellen, dass die in Rede stehende Form für einen Lippenstift ungewöhnlich ist und sich von jeder anderen Form auf dem Markt unterscheidet.

Die Beschwerdekammer hat lediglich festgestellt, dass kein erhebliches Abweichen von der Norm oder der Branchenüblichkeit vorliege. Indes reicht zwar gemäß der oben in Rn. 19 angeführten Rechtsprechung der bloße Umstand, dass eine Form eine „Variante“ der üblichen Formen einer Warengattung ist, nicht aus, um zu belegen, dass diese Form Unterscheidungskraft hat, doch bedeutet die Tatsache, dass eine Branche durch eine große Vielfalt an Warenformen gekennzeichnet ist, nicht, dass eine etwaige neue Form zwangsläufig als eine dieser Warenformen wahrgenommen wird.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. Juni 2020 (Sache R 2292/2019-1) wird aufgehoben.

2.Das EUIPO trägt die Kosten einschließlich der Kosten von Guerlain, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO notwendig waren.

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