Zur Entbehrlichkeit der „textilen Zusammensetzung“

31. Oktober 2014
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Urteil des LG Düsseldorf vom 02.04.2014, Az.: 12 O 33/13

Bei Textilwaren, die man nur direkt in einem Ladengeschäft erwerben kann, muss in einer Werbeanzeige nicht die textile Zusammensetzung des Produktes nach Art. 16 TextilKennzVO aufgezeigt werden, da der Verbraucher vor dem Kauf vor Ort die Möglichkeit hat sich darüber zu informieren.

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 04.02.2014

Az.: 12 O 33/13

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs- anspruch sowie einen Zahlungsanspruch wegen Abmahnkosten geltend.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der insbesondere unlautere Wettbewerbshandlungen verfolgt und dem unter anderem sämtliche Industrie- und Handelskammern sowie zahlreiche Handwerks-, Ärzte- und Apothekenkammern in Deutschland angehören.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet des Bekleidungs-Einzelhandels tätig und betreibt unter der Bezeichnung Q etwa 60 Verkaufshäuser für Mode in Deutschland.

Die Beklagte warb Ende Dezember 2012 mit dem aus dem Klageantrag ersichtlichen, im Original als Anlage 3 zur Akte gereichten Werbematerial für Mode, das per Posteinwurf verteilt wurde. Bei einigen darin dargestellten Produkten fehlt jeglicher Hinweis auf die textile Zusammensetzung des jeweiligen Produkts. So findet sich auf der Titelseite unter Nr. 6 ein Schal der Marke C, der auf der Seite 2 als „Schal / 44,95€“ beschrieben wird. Gleiches gilt für die auf der Titelseite unter Nr. 8 beworbene Textiljacke der Marke D, die auf Seite 2 als „Jacke / 119,95€“ beschrieben wird. Dieselbe Beschreibung findet sich auch auf Seite 4. Auf Seite 5 wird eine Jacke der Marke O mit „Jacke / 139,95€“ und eine Jeans der Marke U mit „Jeans / 79,95€“ beschrieben.

Die Kunden der Beklagten konnten die dargestellte Mode lediglich in den stationären Verkaufshäusern der Beklagten erwerben. Eine andere Möglichkeit zum Kauf bestand nicht; insbesondere konnte keine Online-, Katalog- oder Telefonbestellung erfolgen.

Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 02.01.2013 (Anlage 8) abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Dies hat die Beklagte mit Schreiben vom 11.01.2013 (Anlage 9) abgelehnt.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.09.2011 über die Bezeichnung von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnisses (TextilKennzVO) zu. Auch liege ein Verstoß i.S.v. § 2 UKlaG und gegen §§ 3, 5 a UWG vor.

Der Kläger vertritt die Auffassung, gemäß Art. 16 TextilKennzVO bestünde die kumulative Pflicht, die in den Art. 5, 7, 8 und 9 genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung in Katalogen, Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen anzugeben. Dies ergebe sich aus der Verwendung des Wortes „und“ im Verordnungstext. Bei dem von der Beklagten versandten Werbematerial handele es sich um einen Prospekt; aus diesem Grund sei sie verpflichtet, darin die geforderten Angaben zur Textilfaserzusammensetzung der beworbenen Produkte zu machen.

Die Vorschrift könne nicht dahingehend interpretiert werden, dass die Kennzeichnungspflicht nicht für Prospekte ohne Bestellmöglichkeit, sondern nur für Fernabsatzgeschäfte gelte. Der Wortlaut von Art. 16 TextilKennzVO enthalte keine solche Einschränkung. Vielmehr könne aus der Vorschrift das Gegenteil herausgelesen werden. Art. 16 TextilKennzVO stelle ausdrücklich klar, dass der Verbraucher die Informationen zur Textilzusammensetzung auch bei Käufen auf elektronischem Wege rechtzeitig vor dem Kauf erhalten müsse. Da das Internet heutzutage der Hauptfernabsatzmarkt sei, sei diese Klarstellung überflüssig, wenn Art. 16 TextilKennzVO nur für den Fernabsatz gelte.

Des Weiteren lasse sich aus Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO nicht der Schluss ziehen, dass dem Anbieter ein Wahlrecht gelassen werden solle, über welches Medium er den Verbraucher über die Textilzusammensetzung informiere. Die Vorschrift enthalte keine Einschränkung von Satz 1, sondern im Gegenteil eine weitere Mindestanforderung.

Im Übrigen ist der Kläger der Ansicht, die Angaben zur Textilfaserzusammensetzung seien wesentliche Informationen im Sinne von § 5 a Abs. 3 Nr. 1 UWG.

Der Kläger beantragt,

1.

Die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,-, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben für Textilerzeugnisse zu werben, ohne Angaben über deren Textilfaser- zusammensetzung zu machen:

2.

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 219,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

1.

die Klage abzuweisen.

2.

hilfsweise die entsprechende Frage der Auslegung des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO dem EuGH im Wege der Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Eine Kennzeichnungspflicht im Rahmen von Katalogen und Prospekten bestehe nur in den Fällen, in denen die Möglichkeit einer Bestellung der Ware bestehe. Bei dem Werbematerial handele es sich schon nicht um einen Prospekt im Sinne der Vorschrift, sondern um ein Konvolut einzelner Werbeanzeigen bzw. eine Werbebroschüre; dass die Verordnung mit „Prospekt“ etwas anderes im Blick habe, ergebe sich bereits aus dem in der englischen Fassung enthaltenen Begriff „trade literature“. Die Verordnung begründe keine Kennzeich- nungspflicht hinsichtlich der Textilfaserzusammensetzung, wenn Waren – so wie vorliegend – lediglich in einer Werbeanzeige dargestellt würden und nur in einem stationären Verkaufsgeschäft erworben werden könnten, ohne dass die Möglichkeit der Bestellung im Fernabsatz bestünde. Denn hier bekomme der Kunde die erforderliche Information später, aber noch rechtzeitig vor dem Kauf – entweder im Laden oder an der Stelle, wo er die Ware bestellen könne. Die beworbenen Waren würden durch die Werbung nicht im Sinne der Vorschrift auf dem Markt bereitgestellt.

Auch Sinn und Zweck von Art.16 TextilKennzVO zeigten, dass sich die Kennzeichnungspflicht nicht auf reine Werbung ohne Bestellmöglichkeit beziehe. So gehe aus der Präambel der Verordnung hervor, dass das Ziel der Verordnung darin bestehe, frühere Regelungen, die in Richtlinien enthalten waren, zu bündeln und in einer, in den Mitgliedsstaaten unmittelbar geltenden Verordnung zusammenzufassen.

Weitergehende Informationspflichten würden durch die Verordnung nicht begründet, insbesondere würden die Informationspflichten nicht auf die, dem eigentlichen Kauf vorgelagerte Werbephase vorverlegt. Die Verordnung regele, dass der Verbraucher vor dem Kauf einer Textilie über deren Textilzusammensetzung informiert werden müsse. Dieser Zweck werde bereits erfüllt, wenn der Verbraucher im Verkaufsgeschäft die erforderlichen Informationen erhalte. Ein wiederholtes Informieren in der Werbung und im Geschäft sei nicht angeordnet und auch nicht erforderlich.

Auch sei der Zweck des Werbematerials der Beklagten zu beachten. Dieses habe im Gegensatz zu Kaufprospekten oder Onlinedarstellungen nicht das Ziel einen Kaufentschluss zu wecken, sondern solle nur informieren und das Interesse des Kunden wecken, welcher dann das stationäre Verkaufsgeschäft aufsuchen und dort die Entscheidung zum Kauf treffen solle. Daher seien – anders als bei Kaufprospekten oder Onlinedarstellungen – keine weitreichenden Detailinformationen erforderlich.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass § 5 a UWG neben der TextilKennzVO keine Anwendung finde.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

Dem Kläger, der gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG klagebefugt ist, steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der dargestellten Werbemaßnahme aus keinem ersichtlichen Grund zu, insbesondere ergibt sich der Anspruch nicht aus §§ 3, 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO.

Gemäß § 3 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt insbesondere unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO ist eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG.

Die Beklagte hat im Rahmen der streitgegenständlichen Werbemaßnahme indes nicht gegen Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO verstoßen.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO werden die in den Artikeln 5, 7, 8 und 9 genannten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung in Katalogen, in Prospekten, auf Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen in einer Weise angegeben, dass sie leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar sind, sowie in einem Schriftbild, das in Bezug auf Schriftgröße, Stil und Schriftart einheitlich ist, wenn ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt wird. Während Art. 15 TextilKennzVO sich an den Hersteller richtet, ist Adressat von Art. 16 TextilKennzVO derjenige, der ein Textilerzeugnis nicht auf dem Markt bereitstellt.

Durch das streitgegenständliche Werbematerial der Beklagten wird ein Textilerzeugnis nicht auf dem Markt bereitgestellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 TextilKennzVO gilt für den Begriff „Bereitstellung auf dem Markt“ die in Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 festgelegte Definition. Danach ist „Bereitstellung auf dem Markt“ jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit. Zu einer solchen (entgeltlichen) Abgabe kommt es indes nicht bereits durch die streitgegenständliche Werbung, in der das Produkt lediglich abgebildet wird; vielmehr vermittelt diese dem Verbraucher lediglich eine Information und bezweckt einen Anreiz, das Ladengeschäft, in dem die Ware gegen Entgelt abgegeben wird, aufzusuchen. Etwas gilt dann, wenn – wie hier nicht – durch das Werbematerial eine anderweitige Möglichkeit des Erwerbs eröffnet wird, bei der es des Aufsuchens eines Ladengeschäfts zum Zwecke des Kaufs nicht bedarf, wie es beispielsweise bei einem Warenprospekt im Versandhandel der Fall ist.

Diesem Verständnis steht der Regelungsgehalt von Art, 16 Abs., 1 Satz 2 TextilKennzVO nicht entgegen. Art. 16 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz TextilKennzVO ordnet über Satz 1 hinaus an, dass die dort genannten Informationen in jedem Fall vor dem Kauf vorliegen müssen; der zweite Halbsatz stellt klar, dass dies auch beim Online-Kauf gilt. Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Regelungen nicht überflüssig, denn durch den ersten Halbsatz wird gegenüber dem Marktteilnehmer, der ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitstellt, geregelt, dass die Angabe der Informationen allein ebenso wenig genügt wie deren grundsätzliche, bereits in Satz 1 erwähnte Sichtbarkeit, sondern dass es auf die Sichtbarkeit für den Verbraucher vor dem Kauf ankommt. Auch Satz 2, 2. Halbsatz läuft nicht leer, da dieser klarstellt, dass die Angaben auch vor dem Online-Kauf auf nicht näher spezifizierte Weise vorliegen müssen, auch wenn möglicherweise nicht von den in Satz 1 genannten Mitteln Gebrauch gemacht wird bzw. diese – wie z. B. Verpackungen, Etiketten oder Kennzeichnungen – vor dem Kauf für den Verbraucher nicht sichtbar sind.

Die streitgegenständliche Prospektwerbung verstößt auch nicht gegen Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO. Die dort aufgestellten Anforderungen sind erfüllt. Der Kauf der beworbenen Textilien konnte nur in einem stationären Verkaufsgeschäft der Beklagten vorgenommen werden. Mithin konnten die Kunden der Beklagten die Informationen über die Faserzusammensetzung noch vor dem Kauf wahrnehmen.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Unterlassung der dargestellten Werbemaßnahme aus § 5a UWG zu. Dies ergibt sich bereits aus dem Verhältnis der Vorschriften. Die TextilKennzVO ist die speziellere Vorschrift und geht dem UWG vor. Soweit die Werbung sich im Rahmen der TextilKennzVO als zulässig erweist, ist für die Annahme einer Irreführung durch Unterlassen kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: EUR 25.000,-.

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