Keine wettbewerbsbeschränkende Absprache durch Drohanruf

20. Dezember 2010
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Eigener Leitsatz:

Eine wettbewerbsbeschränkende Absprache setzt voraus, dass es der Bieter zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass sein Verhalten den
Wettbewerb beeinträchtigt bzw. beeinflusst. Ein Anruf, der  dem Zweck dient, Ärger über das Verhalten eines Mitbewerbers zum Ausdruck zu bringen, ist hierzu nicht ausreichend. Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn der Anrufer sehr aufgebracht ist und mit der Geltendmachung von Schadensersatz droht.

Oberlandesgericht Celle

Beschluss vom 02.12.2010

Az.: 13 Verg 12/10

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

O. M. Entsorgungsbetriebe GmbH, Z., L.,

Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte E., S. und C., H., H.,
Geschäftszeichen: #####

gegen

Landkreis A., F., A.,

Antragsgegner und Beschwerdegegner,

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte W. & C., J., H.,

Beteiligte:

1. M. GmbH & Co. KG, H., A.,

2. R. + J. B., E. GmbH & Co. KG, vertreten durch die R. + J. B. E. Verwaltungs GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer H. R., G., G.,

Beigeladene zu 1 und 2,

Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte W. & E., W., K.,

Prozessbevollmächtigte zu 2:
Rechtsanwälte Z., H., H.,

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K., die Richterin am Oberlandesgericht Z. und den Richter am Oberlandesgericht B. auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2010 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – Regierungsvertretung Lüneburg – vom 12. August 2010 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch den Antragsgegner in
ihren Rechten verletzt ist.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen zu 1 von der Angebotswertung auszuschließen und die Wertung nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats – mithin unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin und unter Nichtberücksichtigung der Angebote der Beigeladenen zu 1 sowie der Fa. H. & B. F. Entsorgungsgesellschaft mbH & Co.
KG – zu wiederholen.

2. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 tragen der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 als Gesamtschuldner.

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin und die Beigeladene zu 2 notwendig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 sowie der durch das Verfahren nach § 118 Abs.1 Satz 3 GWB verursachten Kosten tragen der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 zu gleichen Teilen.

Gründe

I.

Mit europaweiter Bekanntmachung vom 10. März 2010 schrieb der Antragsgegner die Abfuhr von Restabfall, Bioabfall, Sperrmüll und PKK auf dem Festland sowie zwei Inseln im offenen Verfahren aus. Eine Aufteilung in Lose war nicht vorgesehen. Hinsichtlich der geforderten Nachweise zur Beurteilung der Eignung wurden verschiedene Angaben und Unterlagen gefordert. Als Zuschlagskriterium war nur der niedrigste Preis genannt.

Den Verdingungsunterlagen ist zu entnehmen, dass die Abfuhr auf der Insel J. nur mittels Pferdefuhrwerk erfolgen kann.

Unter Ziff. 2.9 der Angebotsaufforderung und Bewerbungsbedingungen heißt es:

„Nach Ablauf der Angebotsfrist sind Bieter bis zum 30.06.2010 an ihr Angebot gebunden. Verzögert sich die Zuschlagserteilung wegen eines Nachprüfungsverfahrens, sind die am Nachprüfungsverfahren beteiligten Bieter bis vier Wochen nach Rechtskraft des letztinstanzlichen Beschlusses an ihr Angebot gebunden. Beteiligte an einem Nachprüfungsverfahren, deren Angebot nicht für den Zuschlag in Betracht kommt, werden auf Wunsch aus der Bindefrist entlassen. Gleiches gilt für alle Bieter unter den Voraussetzungen der §§ 313 und 314 BGB.“

Von den fünf abgegebenen Angeboten hatte das der Beigeladenen zu 1 den niedrigsten Angebotspreis. Das Angebot der Fa. H. & B. F. Entsorgungsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: Fa. H.) lag an zweiter Stelle, das Angebot der Antragstellerin an dritter Stelle und das der Beigeladenen zu 2 an vierter Stelle.

Bei der Beigeladenen zu 1 handelt es sich um eine Eigengesellschaft des Antragsgegners in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG.

Komplementärin der KG ist die M. VerwaltungsGmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Antragsgegner ist. Geschäftsführer der GmbH ist Herr H. H. D., der zugleich Leiter des Amtes für Umweltschutz und Abfallwirtschaft des Antragsgegners ist. Kommanditist der KG ist ebenfalls der Antragsgegner. Mit der Erstellung der Leistungsbeschreibung wurde das Ingenieurbüro A. in Person ihres Geschäftsführers Dipl.Ing. M. beauftragt.

Das Büro A. hat durch ihren weiteren Geschäftsführer, Herrn Dr. T., die Beigeladene zu 1 im vorliegenden Vergabeverfahren beraten. Der Geschäftsführer der Komplementärin der Beigeladenen zu 1, Herr D., ist von dem Antragsgegner im Vergabeverfahren im Rahmen der Beantwortung von Bieteranfragen beteiligt worden.

In Bezug auf die Abfallentsorgung auf der Insel J. gaben alle Bieter, die ein Angebot abgegeben haben, an, dass sie beabsichtigten, das auf der Insel J. ansässige Pferdeunternehmen M. als Subunternehmer zu beauftragen. Die Fa. M. machte allen Bietern – mit Ausnahme der Beigeladenen zu 1 – ein Angebot, das sich auf jährlich ca. 317.000 € beläuft. Der Beigeladenen zu 1 machte die Fa. M. ein Erstangebot über ca. 266.000 €. Das endgültige Angebot der Fa. M. gegenüber der Beigeladenen zu 1 beläuft sich – aufgrund von angeblichen Nachverhandlungen – auf ca. 135.000 €.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2010 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 zu erteilen. Unter dem 7. Juni 2010 hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Ihren Nachprüfungsantrag hat sie damit begründet, dass der Angebotspreis der Beigeladenen zu 1 auf ein wettbewerbswidriges Verhalten der als Nachunternehmerin auf der Insel J. vorgesehenen Firma M. beruhe. Diese habe der Beigeladenen zu 1 deutlich bessere Konditionen angeboten als allen anderen Bietern. Ferner sei das Angebot der Beigeladenen zu 1 unterkalkuliert. Die Tätigkeiten der Herren M. und D. im vorliegenden Vergabeverfahren würden gegen § 16 VgV verstoßen. Schließlich hat die Antragstellerin angebliche Dokumentationspflichtverletzungen des Antragsgegners gerügt.

Die Beigeladene zu 1 hat in Bezug auf den niedrigen Subunternehmerpreis der Fa. M. geltend gemacht, dass dieser Preis auf intensiven Nachverhandlungen beruhe. Die Antragstellerin sowie die Beigeladene zu 2 haben diesbezüglich – unter Beweisantritt – vorgetragen, dass die Fa. M. ihnen gegenüber Nachverhandlungen über den Preis kategorisch abgelehnt habe. die Beigeladene zu 2 hat ergänzend vorgetragen, dass sie sich bereits – wie es die Beigeladene zu 1 für sich behauptet – frühzeitig bei der Fa. M. um ein Angebot bemüht habe. Die Fa. M. habe sie aber hingehalten und erst so spät ein Angebot unterbreitet, dass Verhandlungen hierüber aufgrund des nur noch geringen Zeitraums bis zum Fristablauf für die Angebotsabgabe nicht mehr möglich gewesen seien.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Einen Akteneinsichtsantrag der Antragstellerin hat sie dabei unbeschieden gelassen. In Bezug auf den Problemkreis „Fa. M.“, den die Vergabekammer unter dem rechtlichen Aspekt des § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A geprüft hat, hat die Vergabekammer keinen Beweis erhoben. Sie hat ihrer Entscheidung vielmehr die bloße Behauptung der Beigeladenen zu 1 zu Grunde gelegt, der – im Verhältnis zu den anderen Bietern um deutlich mehr als die Hälfte geringere Preis – sei auf Nachverhandlungen ihrerseits zurückzuführen.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer richtet sich die am 30. August 2010 anhängig gemachte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihre im Nachprüfungsverfahren erhobenen Rügen weiter verfolgt.

Die Vergabekammer hatte die – auf dem 1. Platz der Wertung liegende – Beigeladene zu 1 sowie die – auf dem 4. Platz liegende – Beigeladene zu 2 mit Verfügung vom 21. Juni 2010 beigeladen. Die auf dem 2. Platz liegende Fa. H. hat sie nicht beigeladen. Mit Schreiben vom 28. Juli 2010 hat die Fa. H. gegenüber dem Antragsgegner mitgeteilt, dass sie sich an ihr Angebot nicht mehr gebunden fühle, da die Bindefrist für das Angebot am 30. Juni 2010 abgelaufen sei und sie zwischenzeitlich auch einen anderweitigen Auftrag erhalten habe, auf den sie sich konzentrieren wolle. Unter dem 29. Juli 2010 hat der Antragsgegner an die Fa. H. ein Schreiben abgesandt, das folgenden Inhalt hat:

„Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Mitteilung. Da in der Angelegenheit wegen eines Nachprüfungsverfahrens der Zuschlag noch nicht erteilt und der Ausgang offen ist, würde ich sie bitten, ihr Angebot zunächst aufrecht zu erhalten. Ich verweise hier auf Sinn und Zweck der Ziffer 2.9 der Verdingungsunterlagen.

Selbstverständlich würden Sie allerdings in keinem Fall auch bei entsprechendem Ausgang des Rechtsstreits gegen Ihren Willen beauftragt.
Damit besteht keinesfalls die Gefahr, dass ihre Kapazitäten überlastet würden. Wir werden Sie über den weiteren Fortgang informieren und bitten zunächst um Bestätigung dieser Vorgehensweise.“

Unter dem 26. August 2010 hat die Fa. H. dem Antragsgegner schriftlich mitgeteilt, dass sie sich entgegen ihrem Schreiben vom 28. Juli 2010 an ihr Angebot gebunden fühle und dieses weiterhin aufrecht halte. Das Schreiben vom 28. Juli 2010 solle als gegenstandslos betrachtet werden. Mit Schreiben vom 13. September 2010 hat die Fa. H. wiederum gegenüber dem Antragsgegner mitgeteilt, dass sie sich entgegen ihrem Schreiben vom 26. August 2010 aufgrund der aktuellen Auftragslage nicht mehr an ihr Angebot gebunden fühle und dieses nicht aufrecht erhalte. Das Schreiben vom 26. August 2010 solle als gegenstandslos betrachtet werden. Unter dem 13. September 2010 hat der Geschäftsführer der Komplementärin der Beigeladenen zu 1 und gleichzeitiger Amtsleiter bei dem Antragsgegner, Herr D., einen Vermerk über ein Telefongespräch mit dem Geschäftsführer der Fa. H., Herrn H., gefertigt. In diesem Vermerk heißt es – zusammengefasst , dass Herr H. mitgeteilt habe, der wahre Grund für den Rückzug des Angebotes der Fa. H. sei, dass Herr T., der Geschäftsführer der Antragstellerin, telefonisch damit gedroht habe, sämtliche Vertragsbeziehungen aufzukündigen, wenn die Fa. H. ihr Angebot aufrecht erhalte. Unter dem 14. September 2010 hat Herr D. einen weiteren Vermerk gefertigt, in dem ausgeführt ist, dass er zum einen den Antragsgegner über den Anruf von Herrn T. informiert, zum anderen diesen am Nachmittag des 13. September 2010 zurückgerufen habe, um diesen darüber zu informieren, dass er dessen Informationen an den Antragsgegner weitergeben werde. In diesem zweiten Telefonat habe Herr H. seine Angaben vom Vormittag relativiert.

Der Antragsgegner hat im zeitlichen Anschluss hieran – also während des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Senat – das Angebot der Antragstellerin unter Bezugnahme auf das – angebliche – Telefonat deren Geschäftsführers mit Herrn H. von der Fa. H. von der Wertung ausgeschlossen. Vor dem Ausschluss hat der Antragsgegner die Antragstellerin in Bezug auf das seitens des Herrn H. behauptete Telefongespräch und dessen Inhalt nicht angehört. Gestützt hat der Antragsgegner den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin auf § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A i. V. m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A („wettbewerbsbeschränkende Abrede“), ferner auf § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A („fehlende Zuverlässigkeit“) sowie auf § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A i. V. m. § 7 Nr. 5 lit. b VOL/A („schwere Verfehlung, die die Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt“). Die Antragstellerin hat diesen Ausschluss unverzüglich gegenüber dem Antragsgegner gerügt. Eine Reaktion darauf ist seitens des Antragsgegners nicht erfolgt. Im zeitlichen Anschluss daran hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass nicht sie, sondern vielmehr die Beigeladene zu 1 von der Wertung auszuschließen sei. Es sei zu vermuten, dass das Schreiben der Fa. H. vom 26. August 2010 auf einen Anruf von Herrn D. zurückzuführen sei.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der Vergabekammer Lüneburg vom 12. August 2010 aufzuheben.

2. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.

3. den Antragsgegner zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen zu 1 auszuschließen und die Angebotswertung ohne dieses Angebot zu wiederholen.

4. den Antragsgegner zu verpflichten, den Ausschluss des Angebotes der Antragsstellerin rückgängig zu machen und die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin zu wiederholen.

5. hilfsweise, dem Antragsgegner und Beschwerdegegner die Zuschlagserteilung in dem Vergabeverfahren zu untersagen.

6. dem Antragsgegner und Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufzuerlegen, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin.

7. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig war.

Ferner hat die Antragstellerin einen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB gestellt.

Die Beigeladene zu 2 hat sich den Anträgen der Antragstellerin angeschlossen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 beantragen,

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Der Senat hat auf den Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert.

In der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2010 hat der Senat die Geschäftsführer der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1, die Herren T. und D., angehört. In der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2010 hat der Senat den Geschäftsführer der Fa. H. als Zeugen vernommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Allerdings würde es der Antragstellerin – zumindest in Bezug auf die Rügen, die auf den Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen zu 1 zielen – an der Antragsbefugnis i. S. von § 107 Abs. 2 GWB fehlen, wenn ihr Angebot lediglich an dritter Stelle der Wertung liegen würde und sie nicht auch in Bezug auf das Angebot der auf dem 2. Platz der Wertung liegenden Fa. H. geltend machen würde, dass dieses von der Wertung auszuschließen sei (vgl. Möllenkamp in Kulartz/Kus/Portz, GWBVergaberecht, 2. Aufl., § 107 Rdnr. 42. OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2010 – Verg W 10/09, zitiert nach juris, Tz. 35).

Indes befindet sich das Angebot der Fa. H. nicht mehr in der Wertung.

a) Das Angebot der Fa. H. befindet sich nicht aufgrund der Regelung in Ziff. 2.9 der Angebotsaufforderung und Bewerbungsbedingungen weiter in der Wertung. Nach dieser Regelung sind auch nach Ablauf der Angebotsfrist die Bieter weiter an ihr Angebot gebunden, die Beteiligte an einem Nachprüfungsverfahren sind. Das ist in Bezug auf die Fa. H. nicht der Fall. Diese ist von der Vergabekammer – aus für den Senat nicht nachvollziehbaren Gründen (das Nachprüfungsverfahren ist mit Schriftsatz vom 7. Juni 2010 eingeleitet worden, mithin lange vor dem – im Vergabekammerverfahren im Übrigen auch gar nicht vorgelegten – Schreiben der Fa. H. vom 28. Juli 2010. die Beigeladenen zu 1 und 2 sind bereits unter dem 21. Juni 2010 beigeladen worden) – im Verfahren vor der Vergabekammer nicht gem. § 109 GWB beigeladen worden.

b) Das Angebot der Fa. H. ist aufgrund ihres Schreibens vom 28. Juli 2010, in dem diese nach Ablauf der Bindefrist erklärt hat, sich nicht mehr an ihr Angebot gebunden zu fühlen, aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden.

aa) Das Angebot der Fa. H. ist nicht bereits deshalb aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden, weil die Bindefrist zunächst – ohne lückenlose Verlängerung – verstrichen war (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Februar 2007 – Verg 3/07, zitiert nach juris, Tz. 4).

bb) Jedoch hat die Fa. H. mit dem Schreiben vom 28. Juli 2010 ihr Angebot zurückgezogen, was nach Ablauf der Bindefrist auch rechtlich möglich war (vgl. Schubert in Willenbruch/Bischoff, Vergaberecht, § 19 VOB/A Rdnr. 21, 29). Mit diesem Schreiben ist die Fa. H. mit ihrem Angebot endgültig aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden. Ein „Wiedereintritt“ aufgrund ihres Schreibens vom 26. August 2010 war nicht mehr möglich.

2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung des Antragsgegners, den Auftrag der Beigeladenen zu 1 erteilen zu wollen, in ihren Rechten verletzt. Denn das allein noch vor der Antragstellerin liegende Angebot der Beigeladenen zu 1 ist zwingend von der Wertung auszuschließen.

a) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist nicht bereits deswegen unbegründet, weil der Antragsgegner ihr Angebot nachträglich von der Wertung ausgeschlossen hat.

Wäre das Angebot der Antragstellerin zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden, hätte diese allerdings nur dann mit Erfolg geltend machen können, in ihrem Recht nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein, wenn auch alle anderen abgegebenen Angebote von der Wertung hätten ausgeschlossen werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 – X ZB 14/06, zitiert nach juris, Tz. 32, 48 f.. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. Februar 2007 – 17 Verg 5/06, zitiert nach juris, Tz. 42 f.. OLG Koblenz, Beschluss vom 4. Juli 2007 – 1 Verg 3/07, zitiert nach juris, Tz. 69). Das als solches hat die Antragstellerin aber jedenfalls in Bezug auf das Angebot der Beigeladenen zu 2 noch nicht einmal geltend gemacht.

Indes ist der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin von der Wertung seitens des Antragsgegners zu Unrecht erfolgt.

aa) Ob das Angebot der Antragstellerin von dem Antragsgegner zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden ist, war vom Senat im Beschwerdeverfahren zu prüfen. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht auch solche Vergabeverstöße eingeführt werden können, die bis dahin noch nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens waren, jedoch nunmehr erstmals erkennbar werden. Der Beschwerdeführer ist in einem solchen Fall nicht darauf zu verweisen, eine Rüge gegenüber der Vergabestelle zu erheben und diese zum Gegenstand eines neuen Nachprüfungsverfahrens zu machen. Vielmehr soll im Wege der Konzentrationswirkung ein einheitliches Nachprüfungsverfahren zur abschließenden Klärung der gesamten Ausschreibung dienen (vgl. z. B. BayObLG, Beschluss vom 28. Mai 2003 – Verg 6/03, zitiert nach juris, Tz. 28. im Überblick: Hunger in Kulartz/Kus/Portz, a. a. O., § 117 Rdnr. 42).

Gleiches hat nach Auffassung des Senats auch für die vorliegende Fallkonstellation zu gelten, wonach erstmals im laufenden Beschwerdeverfahren das Angebot des Antragstellers seitens des Antragsgegners von der Wertung ausgeschlossen worden ist. Auch in einem solchen Fall widerspräche es dem im Vergabeverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatz, den Antragsteller darauf zu verweisen, den Ausschluss seines Angebots in einem gesonderten Nachprüfungsverfahren überprüfen zu lassen.

bb) Der Ausschluss des Angebotes des Antragstellers durch den Antragsgegner ist zu Unrecht erfolgt. Der Ausschluss kann weder auf § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/Ai. V. m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A (dazu (1)), noch auf § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A i. V. m. § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A oder § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A (dazu (2)) gestützt werden.

(1) Das Angebot der Antragstellerin ist nicht gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A
i. V. m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Dass die Antragstellerin anlässlich des Telefongesprächs ihres Geschäftsführers, Herrn T., mit dem Geschäftsführer der Fa. H., Herrn H., eine wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen hat, steht für den Senat nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest.

Der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Abrede i. S. von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A ist mit Blick auf den – das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden – Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB. § 2 Nr. 1 VOL/A) weit auszulegen. Er ist nicht auf gesetzeswidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Juli 2005 – Verg 108/04, zitiert nach juris, Tz. 33. Noch in MüllerWrede, VOL/A, 2. Aufl., § 25 Rdnr. 99). Voraussetzung für den Ausschluss wegen wettbeschränkender Abrede ist, dass ein gesicherter Nachweis hierfür existiert.

Reine Vermutungen genügen für einen Ausschluss nicht. Die Anforderungen sind hoch anzusetzen (vgl. z. B. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 5. Juli 2006 – 1 Verg 1/06, zitiert nach juris, Tz. 50. Noch in MüllerWrede, a. a. O., § 25 Rdnr. 107).

Dass die Antragstellerin in dem Telefongespräch mit dem Geschäftsführer der Fa. H. eine wettbewerbsbeschränkende Abrede in diesem Sinne vorgenommen hat, steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme für den Senat nicht mit der hierfür erforderlichen Sicherheit fest.

Der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herr T., hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat angegeben, als er erfahren habe, dass die Fa. H. ihr Angebot nunmehr doch aufrecht erhalten wolle, sei er darüber in hohem Maße verärgert gewesen. Hätte er im Vorhinein gewusst, dass die Fa. H. ihr Angebot doch aufrecht erhält, hätte er kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Vergabekammer eingelegt, da dies erhebliche Kosten verursache. Er habe daraufhin sofort Herrn H. angerufen und gefragt, warum er sein Angebot nun doch aufrecht erhalte. Auf die Antwort von Herrn H., dass Herr D. ihn darum gebeten habe, habe er verärgert erwidert, dass die Fa. H. dann seine Kosten übernehmen solle. er habe sodann – ohne eine Antwort von Herrn H. abzuwarten – den Hörer auf die Gabel geknallt.

Diese Einlassung des Geschäftsführers der Antragstellerin hat der Geschäftsführer der Fa. H., Herr H., bestätigt. Der Zeuge H. hat bekundet, dass Herr T. anlässlich des Telefongespräches sehr aufgeregt gewesen sei. Er habe ihn sogar beschimpft. Das kenne er aber bei Herrn T. Er wisse, dass dieser sehr impulsiv sei. Dennoch sei er stark beeindruckt gewesen. Unter Druck gesetzt gefühlt habe er sich von Herrn T. aber dennoch nicht. An die genauen Worte, die Herr T. anlässlich des Telefongesprächs verwendet habe, könne er sich heute nicht mehr erinnern. Er wisse noch, dass Herr T. etwas in der Art gesagt habe, dass Kosten entstehen würden, die er sich wiederholen wolle. Ob er gesagt habe, dass die Fa. H. ihr Angebot wieder zurückziehen solle, könne er nicht mehr sagen. Er gehe allerdings davon aus, dass das der Sinn und Zweck des Anrufs gewesen war. Das Telefongespräch sei kurz gewesen und habe lediglich ca. 1 bis 2 Minuten gedauert. Nachdem Herr T. die Bemerkung in Bezug auf die Kosten gemacht habe, habe dieser – ohne auf eine Antwort zu warten – den Hörer auf die Gabel geknallt.

Auf Grundlage dieser Aussagen bzw. Einlassungen kann der Senat nicht mit der erforderlichen Überzeugung feststellen, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin eine Verhaltensweise vorgenommen hat, die als wettbewerbsbeschränkende Abrede in dem o. g. Sinn zu verstehen ist. Eine wettbewerbsbeschränkende Abrede beinhaltet notwendigerweise ein subjektives Willenselement. Der Bieter muss es daher zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass sein Verhalten den Wettbewerb beeinträchtigt bzw. beeinflusst. Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben müsste, dass die Fa. H. infolge seines Anrufes dazu veranlasst wird, ihr „erneuertes“ Angebot wieder zurückzuziehen.

Dass bei Herrn T. ein derartiges subjektives Willensmoment vorgelegen hat, kann der Senat nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Es kann vielmehr nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin, nachdem er davon Kenntnis erhalten hat, dass die Fa. H. ihr Angebot „erneuert“ hat, lediglich spontan deren Geschäftsführer angerufen hat zu dem alleinigen Zweck, seiner Verärgerung hierüber Luft zu verschaffen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen H. Dieser hat gerade nicht bekunden können, dass Herr T. ihn in irgendeiner Art und Weise aufgefordert hat, sein Angebot wieder zurückzuziehen. Der bloße Umstand, dass der Zeuge H. bekundet hat, er gehe davon aus, dass dies Sinn und Zweck des Anrufes war, ist nicht ausreichend, um eine hinreichende Überzeugung dafür zu gewinnen, dass dies auch tatsächlich dem Willen des Geschäftsführers der Antragstellerin entsprochen hat. Denn objektive Umstände, die einen hinreichend sicheren Schluss auf eine derartige Unterstellung zulassen würden, sind der Aussage des Zeugen H. nicht zu entnehmen.

(2) Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen kommt auch ein Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A i. V. m. § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A und/oder § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nicht in Betracht. Zwar kommt dem Antragsgegner insoweit ein von den Nachprüfungsstellen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. Verfürth und Dittmann in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Aufl., § 25 Rdnr. 93 und 124). Jedoch ist – wie oben ausgeführt – vorliegend der Antragsgegner, der die Antragstellerin vor seiner Ausschlussentscheidung zu den diese belastenden Vorgängen gar nicht angehört hat, von einem unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Der Sachverhalt, wie er sich nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme darstellt, rechtfertigt einen Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin nach keiner der beiden von dem Antragsgegner herangezogenen Normen. Insoweit wird auf die oben stehenden Ausführungen unter Ziff. (1) Bezug genommen.

b) Der Senat muss nicht entscheiden, inwieweit der Antrag der Antragstellerin mit (zumindest teilweisem) Erfolg auch darauf gestützt werden könnte, dass der Antragsgegner vorliegend gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter, § 97 Abs. 2 GWB, verstoßen hat. Allerdings ist eine derartige Verletzung im vorliegenden Vergabeverfahren festzustellen. Anstatt die Chancengleichheit für alle Bieter zu wahren, hat der Antragsgegner darauf hingewirkt, den Auftrag der Beigeladenen zu 1, also ihrer Eigengesellschaft, zu verschaffen.

aa) Die Ausschreibung stellt für die Eignung der Bieter im Vergleich zu anderen dem Senat bekannten einschlägigen Ausschreibungen ungewöhnlich niedrige Anforderungen. Diese ermöglichen es auch der Beigeladenen zu 1, die im Bereich der eigentlichen Abfallentsorgung bislang noch nicht tätig war, am Vergabeverfahren teilzunehmen.

bb) Festzustellen ist eine starke personelle Verquickung von Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1 und Entscheidern im vorliegenden Vergabeverfahren. So ist mit der Erstellung der Leistungsbeschreibung mit dem Büro A. in Person ihres Geschäftsführers M. ausgerechnet das Ingenieurbüro beauftragt worden, das in Person ihres anderen Geschäftsführers, Herrn Dr. T., zugleich auch die Beigeladene zu 1 im vorliegenden Vergabeverfahren beraten hat. Ferner sind in dem vorliegenden Vergabeverfahren zeitlich vor der Bekanntmachung Personen tätig geworden, die sowohl bei der Beigeladenen zu 1 wie auch dem Antragsgegner beschäftigt sind, nämlich der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 und gleichzeitiger Leiter des Amtes für Umweltschutz und Abfallwirtschaft bei dem Antragsgegner, Herr D., sowie die Prokuristin der Beigeladenen zu 1 und gleichzeitige Mitarbeiterin des Antragsgegners, Frau J. Herr D. ist darüber hinaus im vorliegenden Vergabeverfahren unstreitig auch noch mehr fach nach Vergabebekanntmachung tätig geworden. So hat er neben der mitwirkenden Beantwortung von Bieteranfragen auch mehrfach in den oben abgehandelten Problemkomplexen „Gespräch zwischen Herrn T. und Herrn H.“ und „Gespräche zwischen Herrn H. und Herrn D.“ Aktivitäten entfaltet, worin im Übrigen – nach allen hierzu vertretenen Auffassungen – ein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV zu sehen ist.

cc) Mit vom Senat noch nicht erlebter Deutlichkeit ergibt sich ein vorsätzlicher Vergabeverstoß aus dem von Frau M. unterzeichneten Schreiben des Antragsgegners vom 29. Juli 2010 an die Fa. H., in dem diese gebeten wird, ihr Angebot aufrecht zu erhalten, wobei nachfolgend ausgeführt wird, dass die Fa. H. „selbstverständlich in keinem Fall auch bei entsprechendem Ausgang des Rechtsstreits gegen ihren Willen beauftragt“ werden würde. Dieses Schreiben ist inhaltlich fehlerhaft und irreführend. Denn ein wirksames Angebot in einem Vergabeverfahren hat gerade zur unabdingbaren rechtlichen Konsequenz, dass der Bieter bis zum Ablauf der Bindefrist zwingend an sein Angebot gebunden ist und – anders als es in dem Schreiben vom 29. Juli 2010 suggeriert wird – gerade auch gegen seinen Willen beauftragt werden könnte. Die Mitarbeiterin des
Antragsgegners, Frau M., hat im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat, dass das genannte Schreiben inhaltlich von dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners verfasst worden sei. Sie selbst habe das vorgefertigte Schreiben lediglich unterzeichnet. Bei dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners muss der Senat unterstellen, dass diesem aus Rechtsgründen bekannt gewesen ist, dass das Schreiben vom 29. Juli 2010 aus den o. g. Gründen inhaltlich unzutreffend und irreführend ist. Angesichts dessen stellt sich für den Senat die Sachlage so dar, dass das genannte Schreiben von dem Antragsgegner, der sich das Verhalten seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen muss, bewusst in der Absicht aufgesetzt worden ist, die Fa. H. dazu zu bewegen, ihr Angebot – rein formal – allein zu dem Zweck zu erneuern, dass sich dadurch deren Angebot in der Wertungsrangfolge zwischen das der Beigeladenen zu 1 und das der Antragstellerin schiebt mit der – wie oben ausgeführt – Rechtsfolge, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin dadurch aufgrund der dann fehlenden Antragsbefugnis als unzulässig zu bewerten gewesen wäre.

dd) Die parteiliche Einstellung des Antragsgegners ist schließlich auch in dem Vorgang betreffend den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin deutlich zum Ausdruck gekommen. Die Entscheidung, das Angebot der Antragstellerin von der Wertung auszuschließen, beruhte allein auf den mit Herrn H. geführten Telefongesprächen des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1, Herrn D., sowie der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin, Frau M. Schon für sich gesehen waren die Erklärungen von Herrn H. in sich nicht widerspruchsfrei. Darüber hinaus hat der Antragsgegner die Antragstellerin vor seiner Entscheidung aber auch gar nicht angehört. Mit dieser Vorgehensweise hat der Antragsgegner gegen ein elementares Verfahrensrecht in Vergabeverfahren verstoßen, nämlich das Recht jeder am Verfahren beteiligten Person, vor einer sie betreffenden nach¬teiligen Entscheidung angehört zu werden. Auch mit dieser Verfahrensweise, die nach der Einlassung von Frau M. im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat auf einer Anweisung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners erfolgte, dem nach Einschätzung des Senats die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens bekannt gewesen sein muss, hat der Antragsgegner deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er unter Missachtung von allgemeinen Vergaberechtsgrundsätzen gewillt ist, unter allen Umständen den Zuschlag seiner Eigengesellschaft, der Beigeladenen zu 1, zu verschaffen.

c) Über etwaige Rechtsfolgen, die sich aus dem Vorstehenden ggf. ergeben könnten, muss der Senat nicht befinden. Denn das Angebot der Beigeladenen zu 1 ist bereits aus anderen Gründen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A i. V. m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A von der Wertung auszuschließen, was zur Konsequenz hat, dass dem Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang stattzugeben ist.

Der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1, Herr D., hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt, anlässlich eines zeitlich vor dem 26. August 2010 stattgefundenen Telefonats mit dem Geschäftsführer der Fa. H., Herrn H., diesen gefragt zu haben, ob er sein Angebot nicht doch aufrecht erhalten wolle. Damit habe er die entsprechende Bitte der Vergabestelle in dem Schreiben vom 29. Juli 2010 an die Fa. H., das ihm bekannt gewesen sei, wiederholt.

Unter Zugrundelegung dieser Einlassung, an deren Richtigkeit der Senat keinen Zweifel hat, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beigeladene zu 1 ein Verhalten getätigt hat, dass von dem Willen getragen war, den Wettbewerb zu beeinträchtigen. Denn hätte die Fa. H. ihr Angebot wieder wirksam erneuern können mit der Folge, dass dieses wieder auf Rang 2 der Wertung und damit vor dem Angebot der Antragstellerin gelegen hätte, hätte dies – wie oben ausgeführt – zur rechtlichen Konsequenz gehabt, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig gewesen wäre. Ein derartiges Verhalten, das subjektiv darauf abzielt, die Chancen eines Mitkonkurrenten auf Erteilung des Angebotszuschlages zu schmälern, ist nach dem – wie oben ausgeführt – weiten Verständnis der „wettbewerbsbeschränkenden Abrede“ i. S. von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A
i. V. m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A als eine solche zu werten.

Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Tätigwerdens von Herrn D. das Angebot der Fa. H. – wie ausgeführt – aufgrund der Erklärung in deren Schreiben vom 28. Juli 2010 bereits unwiderruflich aus dem Verfahren ausgeschieden war und sich das Verhalten des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1 mithin als „untauglicher Versuch“ darstellt, steht dem nicht entgegen. Denn ausreichend ist, dass durch das Verhalten des Bieters der Wettbewerb beschränkt werden soll (vgl. Verfürth in Kulartz/ Marx/Portz/Prieß, a. a. O., § 25 Rdnr. 64). Entscheidend ist daher allein, dass ein von seinem Willen getragenes Verhalten des Bieters vorliegt, das mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar ist. Das ist hier, wie ausgeführt, der Fall.

d) Im Hinblick auf die oben gemachten Ausführungen kann dahinstehen, inwieweit die weiteren von der Antragstellerin erhobenen Rügen durchgreifen, da diese auch im Falle ihrer Begründetheit jedenfalls keine weiter gehende Rechtsfolge nach sich ziehen würden, als die, wie sie vom Senat aufgrund der vorstehend gemachten Ausführungen tenoriert worden ist.

Insbesondere bedurfte es nicht mehr der Durchführung der vom Senat im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung angeordneten Beweisaufnahme zu der Frage, ob die Beigeladene zu 1 eine wettbewerbsbeschränkende Abrede i. S. von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A i. V. m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A auch dadurch vorgenommen hat, dass sie mit der Fa. M., die von sämtlichen Bietern als Subunternehmerin für die Abfallentsorgung auf der Insel J. benannt worden ist, verabredet hat, dass diese von den anderen Bietern eine deutlich höhere Vergütung fordert als von der Beigeladenen zu 1. Allerdings möchte der Senat anmerken, dass der diesbezügliche Vorgang Fragen aufwirft: Auffällig ist, dass die Fa. M. den anderen vier Bietern jeweils ein Angebot über ca. 317.000 € pro Jahr unterbreitet hat. Bereits das erste der Angebote, die die Fa. M. gegenüber der Beigeladenen zu 1 gemacht hat, belief sich dagegen auf lediglich ca. 266.000 €. Bereits diese unterschiedliche Behandlung ist kaum zu erklären. eine auf das Erstangebot bezogene Erklärung hat die Beigeladene zu 1 im vorliegenden Verfahren auch nicht unterbreitet.

Soweit die Beigeladene zu 1 schriftsätzlich den ihr seitens der Fa. M. gemachten endgültigen Preis von ca. 135.000 € damit begründet hat, dass sie sich im Gegensatz zu allen anderen Bietern bereits frühzeitig darum bemüht habe, den Preis in Verhandlungen mit der Fa. M. herunter zu handeln, ist dies bereits als solches – zumindest nach Aktenlage – nur schwer vorstellbar. Zu bedenken ist insoweit nämlich, dass der den übrigen Bietern gemachte Preis von ca. 317.000 € um weit mehr als das Doppelte höher ist als der der Beigeladenen zu 1 gemachte Endpreis von ca. 135.000 €. Dass dieser immense Preisunterschied allein aufgrund von „Verhandlungen“ zustande gekommen sein soll, erscheint dem Senat – nach Aktenlage – als nur schwer vorstellbar. Im Übrigen ist zu bemerken, dass die Antragstellerin – unter Beweisantritt – behauptet hat, ihr gegenüber habe die Fa. M. Nachverhandlungen über den Preis mit der Begründung verweigert, dass sie diesen in gleicher Höhe von allen Unternehmen, die sich an der Ausschreibung beteiligten, verlange und sich nicht herunterhandeln lassen werde. Ausweislich des Protokolls hat ferner die Beigeladene zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer vorgetragen, sie habe bereits im März 2010 (das erste der Beigeladenen zu 1 gemachte Angebot datiert vom 30. März 2010) versucht,
mit der Fa. M. über den Preis zu verhandeln. Das sei mit der Begründung abgelehnt worden, die Kalkulation sei noch nicht abgeschlossen. Im April habe sich dieser Vorgang zunächst noch einmal wiederholt. Den ihr dann später angebotenen Preis von ca. 317.000 € habe sie aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits knappen Zeitraums bis zur Angebotsabgabefrist akzeptieren müssen.

Was diesen Vorgängen tatsächlich zu Grunde liegt, musste der Senat aber nicht weiter aufklären, da – wie ausgeführt – der Beigeladenen zu 1 eine wettbewerbsbeschränkende Abrede bereits aus anderen Gründen nachgewiesen werden konnte.

3. a) Als Rechtsfolge war antragsgemäß gem. § 123 Satz 3 GWB festzustellen, dass die Antragstellerin durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt ist. Ferner war die Verpflichtung des Antragsgegners auszusprechen, die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen, mithin unter Nichtberücksichtigung der Angebote der Beigeladenen zu 1 und der Fa. H.

b) Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Verfahrens vor der Vergabekammer aus § 128 Abs. 3 und 4 GWB. Insoweit haftet die

Beigeladene zu 1 gem. § 128 Abs. 3 Satz 2 GWB gesamtschuldnerisch mit dem Antragsgegner (vgl. Brauer in Kulartz/Kus/Portz, a. a. O., § 128 Rdnr. 38). Die Kosten der Beigeladenen zu 2 waren der Beigeladenen zu 1 und dem Antragsgegner gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB aufzuerlegen.

Die Beigeladene zu 2 hat eigene Anträge gestellt und sich zudem schriftsätzlich am Verfahren beteiligt (vgl. dazu Brauer, a. a. O., § 128 Rdnr. 37). Die Hinzuziehung von Rechtsanwälten für das Verfahren vor der Vergabekammer war gem. § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 80 Abs. 2 VwVfG für notwendig zu erklären.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 sowie der durch das Verfahren nach § 118 Abs.1 Satz 3 GWB verursachten Kosten, sind nach § 120 Abs. 2 GWB i. V. m. § 78 Satz 1 und 2 GWB, § 100 Abs. 1 ZPO entsprechend von dem Antragsgegner und der Beigeladenen zu 1 zu gleichen Teilen zu tragen (vgl. Weyand, ibronline Kommentar Vergaberecht, Stand 18.3.2010, § 128 GWB Rdn. 37.8.10 f.. Wiese in Kulartz/Kus/Portz, a. a. O., § 128 Rdn. 73)

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