Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Veröffentlichung über Prozesskostenhilfeantrag

20. Dezember 2010
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Eigener Leitsatz:

Die Internetveröffentlichung einer Entscheidung, aus der der Antragsteller in einem Prozesskostenhilfeverfahren hervorgeht, ist eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, da sich hieraus Rückschlüsse über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers ziehen lassen. Diese gehören aber zur geschützten Privatsphäre. Neben dem Veröffentlicher haftet auch der Host- Provider, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung hatte.

Landgericht Düsseldorf

Beschluss vom 30.11.2010

Az.: 20 T 59/10

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 25.11.2010, Az.: 31 C 14650/10, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der einstweilige Verfügung wird – der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung – der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,– € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verboten,

den Beschluss des Landgerichts Köln vom 16.11.2010, Az.: 84 O 214/10, unter Angabe des vollen oder eines anderen, die Identifizierung der
Person des Antragstellers ermöglichenden, insbesondere aber wie folgt gestalteten Rubrums

"E… I… GmbH, … D…

gegen

J… R…, … K…. (als Verantwortlicher für: http://….org/?seite=impressum)"

und unter Hinzufügung des Halbsatzes

"den Prozesskostenhilfeantrag des Antragsgegners zurückgewiesen, da dieser keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO bietet."

oder einer anderweitigen Formulierung, die erkennen lässt, dass der Antragsteller im Verfahren 84 O 214/10 vor dem Landgericht Köln einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat, über die Adresse http://www.b…-l…-k….de/…/…2010.d…php zu verbreiten.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens fallen der Antragsgegnerin zur Last.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 4.000,– € festgesetzt.

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Unrecht zurückgewiesen.

Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog zu. Denn die Verbreitung des Beschlusses des Landgerichts Köln greift in ihrer gegenwärtigen Form in einer nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigten Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ein, indem sie ohne Weiteres dessen Identifizierung ermöglicht und den Umstand öffentlich macht, dass er in einem gerichtlichen Verfahren einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt hat. Zu Recht hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die unkommentierte Verbreitung der Tatsache, dass er einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt hat, zu Rückschlüssen auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse führen kann. Gerade diese Verhältnisse sind jedoch seiner grundrechtlich geschützten Privatsphäre zuzurechnen. Zudem können die durch das Wissen um den gestellten Prozesskostenhilfeantrag ermöglichten Schlussfolgerungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers ohne Weiteres auch seine Berufsausübung als freiberuflich tätiger Computertrainer und Programmierer beeinträchtigen, da sie dazu geeignet sind, gegenüber potentiellen Geschäftspartnern oder Kunden seien Bonität in Frage zu stellen. Demgegenüber kann dem berechtigten Interesse der Antragsgegnerin und der Rechtsanwaltssozietät B… an einer Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des Landgerichts Köln auch durch solche Formulierungen Rechnung getragen werden, die weder die Identifizierung der Person des Antragstellers ermöglichen noch unmittelbar oder mittelbar den Umstand offenbaren, dass er Prozesskostenhilfe beantragt hat.

Für die diesen Anforderungen nicht entsprechende gegenwärtige Form der Veröffentlichung haftet auch die Antragsgegnerin als Störer, da der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass sie als Host-Provider der fraglichen Internetseiten fungiert und daher einen Beitrag zur technischen Verbreitung der dargelegten Rechtsverletzung erbracht hat und auch weiterhin erbringt.

Zwar ist dem Amtsgericht darin beizupflichten, dass ein Host-Provider nicht stets für die Inhalte auf den von ihm gehosteten Internetseiten haftbar gemacht werden kann. Auch trifft es zu, dass die Störerhaftung eines Host-Providers vom Bundesgerichtshof davon abhängig gemacht worden ist, dass für ihn zumutbare Kontrollmöglichkeiten bestanden haben (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004, Az.: I ZR 304/01). Zu Recht hat das Hanseatische Oberlandesgericht jedoch in der vom Antragsteller vorgelegten Entscheidung vom 19.11.2008, Az.: 7 W 144/08, ausgeführt, dass sich die Frage zumutbarer Kontrollmöglichkeiten oder des Umfangs der dem Host-Provider obliegenden Prüfungspflichten von vorneherein nur in den Fällen stellt, in denen dieser (noch) keine Kenntnis von einer bestehenden Rechtsverletzung hat oder in denen es um einen in die Zukunft gerichteten Anspruch auf Unterlassung einer erst noch bevorstehenden Rechtsverletzung geht. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof in der bereits genannten Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Host-Provider, der bereits über eine Rechtsverletzung informiert ist, nicht nur zum unverzüglichen Einschreiten, sondern auch dazu verpflichtet ist, Vorkehrungen zur Vermeidung künftiger Rechtsverletzungen vergleichbarer Art zu treffen.

So liegen die Dinge hier, da der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, die Antragsgegnerin am 23.11.2010 zum Entfernen der seine Rechte verletzenden Internet-Inhalte aufgefordert zu haben. Damit ergibt sich für ihn ohne Weiteres ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog. Darüber hinaus steht ihm aber auch ein in die Zukunft gerichteter Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, da aufgrund der Tatsache, dass die Antragsgegnerin die an sie ergangene Aufforderung bislang vollständig ignoriert hat, weitere Beeinträchtigungen der Rechte des Antragstellers zu besorgen sind. Denn nach Kenntnis von der beanstandeten Veröffentlichung war die Antragsgegnerin – wie ausgeführt – dazu verpflichtet, auf die Löschung der fraglichen Eintragungen hinzuwirken, ohne dass es noch darauf ankommt, ob und ggf. in welchem Umfang ihr vor der Kenntnisnahme Prüfungs-, Kontroll- und Überwachungspflichten oblegen haben, die sie verletzt haben könnte. Da der Unterlassungsanspruch kein Verschulden voraussetzt, ist für die Entscheidung ferner ohne Bedeutung, ob die Antragsgegnerin die Rechtswidrigkeit des Interneteintrags erkannt hat und ob diese offenkundig war. Allein die Tatsache, dass die Antragsgegnerin seit ihrer Abmahnung von dem tatsächlichen Vorgang des Einstellens der Entscheidung des Landgerichts Köln ins Internet Kenntnis hatte und dennoch nichts zur Abhilfe unternahm, stellt ein rechtswidriges Verhalten dar, welches zu einem in die Zukunft weisenden Unterlassungsanspruch des Antragstellers führt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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