Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung bei zu langem Zuwarten
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Verfügung vom 10.11.2014
Az.: 5 U 159/13
In der Sache (…)
A. Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat nach derzeitiger Aktenlage erhebliche Zweifel am Vorliegen eines Verfügungsgrundes hegt.
Demnach könnte die Dringlichkeit widerlegt, der Verfügungsantrag mangels Dringlichkeit zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 14.06.2013 in der Fassung des Urteils vom 25.11.2013 aufzuheben sein.
Die Dringlichkeitsvermutung ist widerlegt, wenn der Antragssteller längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (vgl. Hefermehl/Bornkamm-Köhler, UWG, 32. Aufl. 2014, § 12 Rz. 3.15 m.w.N.). Wie lange das „längere Zuwarten“ dauern kann, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Während manche Oberlandesgerichte von festen Regelfristen des tatenlosen Zuwartens für das Entfallen der Dringlichkeit ausgehen, vertreten die Hamburger Gerichte in ständiger Rechtsprechung, dass jeweils die Umstände des Einzelfalles zu prüfen sind. Dabei ist eine längere Untätigkeit dringlichkeitsschädlich.
Vorliegend hat die Antragstellerin, ohne dass dafür ein nachvollziehbarer Grund erkennbar ist, zwischen dem Erstellen der Ausdrucke der streitgegenständlichen Seiten am 22.04.2013 und der Abmahnung des Antragsgegners am 28.05.2013 fünf Wochen und einen Tag abgewartet. Bis zur Einreichung des ersten Verfügungsantrages bei Gericht am 07.06.2013 sind vom 22.04.2013 an gerechnet sogar sechs Wochen und vier Tage vergangen.
Dies hält der Senat in einem tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall wie dem vorliegenden für zu lang (vgl. auch OLG Hamburg, Urteil vom 07.02.2007, Az. 5 U 140/06, Rz. 17 f.zit.n.juris). Die Antragstellerin hat durch ihr Zuwarten zu erkennen gegeben, dass es ihr mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht eilig gewesen ist. Dass sie weitere Nachforschungen an anderer Stelle habe anstellen müssen, um die Verantwortlichkeit des Antragsgegners in Erfahrung zu bringen bzw. um gerichtsfest zu dokumentieren, dass der Antragsgegner tatsächlich der Verantwortliche für die streitgegenständlichen Internetseiten und damit passivlegitimiert gewesen sei, ist in Anbetracht dessen, dass auch der Name des Antragsgegners im Zusammenhang mit der Domain (…) am 22.04.2013 recherchiert worden war (Anlagenkonvolut Ast 3) nicht überzeugen. Nach Auffassung des Senats ist die Inhaberschaft einer Domain – sofern die Domain bekannt ist – innerhalb von Minuten ermittelbar. Welche weiteren Recherchen gegebenenfalls notwendig gewesen sein sollen, ist nicht vorgetragen worden und nicht ersichtlich.
B. Vor diesem Hintergrund rät der Senat der Antragstellerin zur Vermeidung weiterer Kosten, die durch die mündliche Verhandlung am 10.12.2014 in Hamburg entstehen würden, dringend, die Rücknahme des Verfügungsantrages zu erwägen.