Abmahntätigkeit ohne wirtschaftliches Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stellt Missbrauch dar
Landgericht Hamburg
Urteil vom 07.02.2017
Az.: 312 O 144/16
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Ausgestaltung einer Bestellübersicht im Rahmen eines Onlineshops.
Die Klägerin bietet eine Vielzahl von Produkten, u.a. Reinigungsmittel, über die Internetseite www.r…de an (Anlage K 1).
Die Beklagte verkauft Medizinprodukte und Desinfektionsmittel über die Internetseite www.b…de (Anlage K 2).
Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.9.2015 (Anlage K4) wegen diverser Wettbewerbsverstöße ab. Da die Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigerte, erwirkte die Klägerin sodann eine einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.10.2015 (312 O 482/15). Die Beklagte legte lediglich gegen Ziffer 7 Widerspruch ein und gab im Übrigen eine Abschlusserklärung ab. Mit Urteil vom 26.1.2016 wurde die einstweilige Verfügung zu Ziffer 7 bestätigt, wobei die Beklagte anschließend beantragte, der Klägerin eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage zu setzen.
Die Klägerin ist der Meinung, dass die Beklagte mit ihrer Bestellübersicht in Anlage K 3 gegen § 312j Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB verstoße, so dass ihr gemäß §§ 8,3, 4 Nr.11 UWG ein Unterlassungsanspruch zustehe. Die Beklagte versäume es nämlich, auf der Bestellübersicht über die wesentlichen Eigenschaften des Produkts zu informieren, da sie sich auf die bloße Nennung des Produktnamens beschränke. Die Parteien seien auch Mitbewerber, da beide Reinigungs- und Desinfektionsmittel anböten. Da die Abmahnung vom 22.9.2015 begründet gewesen sei, stehe ihr nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auch ein Anspruch auf Erstattung der dafür aufgewendeten Rechtsanwaltsgebühren zu, wobei sich nach Anrechnung der gerichtlichen Anwaltsgebühren ein Betrag in Höhe von EUR 922,20 ergebe. Die Klägerin habe ihren Internetshop auch nicht nur zum Schein betrieben, sondern in den Jahren 2013 und 2014 einen jährlichen Umsatz von jeweils EUR 300.000,00 mit dem Verkauf von Artikeln für die Betriebshygiene erzielt.
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 17.1.2017 hat die Klägerin den Vortrag der Beklagten zum Rechtsmissbrauch als verspätet gerügt. Ferner trägt sie vor, sie sei in keiner Form an den Gebühren ihres Rechtsbeistandes beteiligt. Sie ist der Meinung, es müsse auch wirtschaftlich schwachen Unternehmen möglich sein, sich gegen wettbewerbswidrig handelnde Mitbewerber zu wehren. Eine Verselbständigung der Abmahntätigkeit und eine Gebührenerzielungsabsicht seien vorliegend nicht gegeben. Das Kostenrisiko sei bei der Abmahntätigkeit der Klägerin sehr gering gewesen, da die Klägerin keine Massenabmahnungen aussprechen lasse, sondern immer nur wenige Mitbewerber zeitgleich abmahne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 64-70 d. A. Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt.
1. der Beklagten aufzugeben, es bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im Internet Hygiene- und Reinigungsprodukte, Arzneimittel anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder hiermit zu werben und/oder hiermit werben zu lassen, ohne dem Verbraucher die wesentlichen Eigenschaft der Waren, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen, wenn dies geschieht wie aus der Anlage K 3 ersichtlich.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten EUR 922,20 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, es fehle mangels Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien bereits an der Aktivlegitimation der Klägerin. Die Beklagte vertreibe Medizinprodukte, während die Klägerin ein „Reinigungsportal“ betreibe, das nicht dem Unternehmensgegenstand der Beklagten entspreche. Hierzu trägt sie vor, dass die in der Abmahnung in Bezug genommenen Produkte der Beklagten von der Klägerin nicht vertrieben würden. Es gebe lediglich einen Artikel, das Desinfektionsmittel Sterilium 1000ml, das zeitweise von beiden Parteien vertrieben worden sei. Die Klägerin habe mit diesem Angebot jedoch keine ernsthaften Verkaufsabsichten verfolgt, da sie das Produkt zu einem Preis von EUR 12,50 angeboten habe, obwohl ein marktüblicher Preis lediglich ca. EUR 8,00 betrage. Zudem befinde sich Sterilium seit dem 4.11.2015 nicht mehr im Onlineshop der Klägerin, wobei eine Wiedereinstellung des Artikels auch nicht zu erwarten sei, da es sich um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel handele und die Klägerin nicht über die für den Vertrieb erforderliche Erlaubnis verfüge. Die Tatsache, dass sich das Sortiment der Parteien nur in diesem einen Punkt kurzzeitig überschnitten habe, spreche dafür, dass der Artikel nur zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses in das Programm genommen worden sei. In diesem Zusammenhang weist sie ferner darauf hin, dass – unstreitig – die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits für die Klägerin bzw. für die HCW NL D. GmbH & Co. KG mit drei nahezu identischen Abmahnschreiben tätig geworden sind. Aus diesen Gründen sei die Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen im vorliegenden Verfahren gemäß § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich.
Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass die angegriffene Gestaltung der Bestellübersicht nicht zu beanstanden sei und insbesondere nicht gegen § 312j Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB verstoße. Denn auf der Bestellseite der Beklagten werde – was unstreitig ist – jeweils bei dem Produktnamen mittels eines „sprechenden“ Hyperlinks auf die Produktdetailseiten verwiesen, auf der die wesentlichen Eigenschaften der Produkte aufgelistet würden. Auch sei „wesentlich“ im Sinne von § 312j Abs. 2 BGB nicht gleichzusetzen mit allen Eigenschaften/Merkmalen der Ware, da der Verbraucher seine vorläufige Kaufentscheidung bereits mit Einlegen in den Warenkorb getroffen habe. Ein Wiederholen sämtlicher Angaben werde in diesem Zusammenhang nur zur Unübersichtlichkeit führen und damit dem Gesetzeszweck zuwider laufen. Zur Begründung ihrer Rechtsansicht stützt sich die Beklagte zudem auf den Entwurf eines Abschlussberichts der Arbeitsgruppe Verbrauchervertragsrecht beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Anlage B 7).
Mit Schriftsatz vom 24.11.2016 hat die Beklagte ihren Vortrag zum Rechtsmissbrauch weiter begründet, wobei wegen der Einzelheiten auf Bl. 46-59 d.A. verwiesen wird.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig.
I.
Die prozessuale Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs (Antrag zu 1.) stellt sich im vorliegenden Fall als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG dar und ist daher unzulässig. Gleiches gilt für die diesbezügliche vorprozessuale Abmahnung, so dass die Klägerin insofern auch nicht mit Erfolg einen Kostenerstattungsanspruch (Antrag zu 2.) geltend machen kann.
1.
Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist.
a)
Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 8 Rn. 4.10, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BGH). Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist dabei nicht erforderlich; ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. Köhler/Feddersen, a.a.O., m.w.N.).
Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen. Dies erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die sich aber in der Regel nur aus äußeren Umständen erschließen lassen (vgl. zum Ganzen Köhler/Feddersen, a.a.O., § 8 Rn. 4.11, jeweils m.w.N.). Missbräuchlich ist die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG insbesondere, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
Dabei können umfangreiche Abmahntätigkeiten für sich allein noch keinen Missbrauch belegen, wenn zugleich umfangreiche Wettbewerbsverstöße in Betracht kommen. Verhalten sich viele Mitbewerber wettbewerbswidrig, so muss es dem betroffenen Unternehmen auch möglich sein, gegen sie alle vorzugehen (Köhler/Feddersen, a.a.O., § 8 Rn. 4.12b, m.w.N.). Auch ist zu berücksichtigen, dass die Abmahnpraxis von Mitbewerbern auch dem Interesse der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dient. Es müssen daher weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs begründen können (vgl. zum Ganzen OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2010, Az.: 4 U 136/10, I-4 U 136/10, GRUR-RR 2011, 473, zitiert nach juris, Rn. 66). Umgekehrt kann im Einzelfall aber auch schon bei wenigen oder gar nur einer einzigen Abmahnung ein Missbrauch vorliegen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für sachfremde Motive vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2011, Az.: I ZR 174/10, GRUR 2012, 730, Bauheizgerät, zitiert nach juris, Rn. 33).
Ein Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen ist, wenn der Kläger unter den gegebenen Umständen an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann. Dabei ist die Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden maßgebend. Es ist nämlich nicht Sinn des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, den Gewerbetreibenden die Möglichkeit zu geben, unabhängig von jedem vernünftigen wirtschaftlichen Interesse ihres Unternehmens als selbsternannte Wettbewerbshüter Wettbewerbsverstöße jeglicher Art zu verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 5.10.2000, Az.: I ZR 237/98, GRUR 2001, 260, Vielfachabmahner, zitiert nach juris, Rn. 24, zu § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG a.F.). Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich unter anderem daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht (BGH, Urteil vom 6.10.2011, Az.: I ZR 42/10, GRUR 2012, 286, Falsche Suchrubrik, zitiert nach juris, Rn. 13, m.w.N.). Maßgeblich ist insofern der Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit bezüglich der streitgegenständlichen oder zumindest ähnlicher Produkte, hinsichtlich derer die Parteien in Konkurrenz miteinander treten (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.9.2015, Az.: I-4 U 105/15, 4 U 105/15, WRP 2016, 100, Verselbstständigte Abmahntätigkeit, zitiert nach juris, Rn. 22). Eine solche Verselbstständigung der Abmahn- und Rechtsverfolgungstätigkeit von der eigentlichen Tätigkeit als Wettbewerber widerspricht der mit der Regelung der Klageberechtigung verfolgten Zielsetzung des Gesetzes so klar, dass objektiv ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG anzunehmen ist (vgl. BGH, Vielfachabmahner, a.a.O., juris Rn. 25, zu § 13 Abs. 5 UWG a.F.)
b)
Das Vorliegen eines Missbrauchs ist von Amts wegen im Wege des Freibeweises zu prüfen. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Beklagten, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzubieten. Ist allerdings durch entsprechenden Tatsachenvortrag die für die Prozessführungsbefugnis bzw. Anspruchsberechtigung sprechende Vermutung erschüttert, so muss der Kläger substantiiert die Gründe darlegen, die gegen einen Missbrauch sprechen (zum Ganzen: Köhler/Feddersen,a.a.O., § 8 Rn. 4.25).
c)
Im Streitfall hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.11.2016 eine Reihe von Indizien vorgetragen, die für das Vorliegen eines Missbrauchs sprechen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dieser Vortrag auch nicht gemäß § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Denn die Gewährung einer Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO ist keine durch verspätetes Vorbringen verursachte Verzögerung (Zöller-Greger ZPO 31. Auflage § 296 Rn. 16 m.w.N.). Der Gegner der spät vortragenden Partei hat nämlich kein Recht, durch Verweigerung jeder Einlassung das Gericht dazu zu zwingen, von dem verspäteten Vortrag keine Kenntnis zu nehmen und dieses nach § 296 ZPO zurückzuweisen, vielmehr gilt auch hier die Erklärungspflicht des § 138 Abs. 2 ZPO. Dies hat zur Folge, dass eine Verzögerung des Rechtsstreits ausgeschlossen ist, wenn der verspätete Sachvortrag unstreitig ist (Zöller a.a.O.). Vorliegend tritt keine Verzögerung des Rechtsstreits durch den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 24.11.2016 ein, da insoweit der Sachvortrag der Beklagten – wie nachfolgend im Einzelnen dargelegt wird – von der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 17.1.2017 nicht bestritten wurde.
Die Beklagte hat auf das Sitzungsprotokoll im Verfahren 315 O 420/15 Bezug genommen (Anlage B 10), in dem der hiesige Klägervertreter erklärte, dass nach seiner Erinnerung im Jahr 2015 42 Abmahnungen für die Klägerin ausgesprochen worden seien, wobei er prüfen müsse, ob sich darunter auch Ordnungsmittelverfahren befänden. Darüber hinaus hat die Beklagte auf das Verfahren 312 O 5/16 verwiesen, in dem es unstreitig geblieben ist, dass die Klägerin 50 Abmahnungen im Jahr 2015 ausgesprochen hat. Auch hat die Beklagte u.a. 14 Eilverfahren der Klägerin in Hamburg im Jahr 2015 mit Aktenzeichen benannt. Ferner hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Eigenkapital der Klägerin Ende 2015 bis auf EUR 34,77 aufgezehrt war. Auch hat die Beklagte auf die im Verfahren 3 U 212/16 getroffenen Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin hingewiesen, insbesondere auf einen Verlust in Höhe von EUR 14.963,55 im Jahr 2014 und einen Bonitätsindex von 600, der nach den Basel-II-Kriterien als Ausfall gelte. In dem vorgenannten Verfahren hat zudem der Geschäftsführer der Klägerin vorgetragen, dass sich die wirtschaftliche Situation der Klägerin im Jahr 2015 weiter verschlechtert habe und es einen Umsatzrückgang von 50 % gegeben habe. Ferner hat die Beklagte auf die hohen Verbindlichkeiten der Klägerin zum Ende des Geschäftsjahres 2014 in Höhe von EUR 40.474,97 hingewiesen, die nahezu vollständig den bilanzierten Aktiva in Höhe von EUR 40.509,74 entsprachen. Überdies hat die Beklagte die schlechte Sichtbarkeit der Webseite der Klägerin geltend gemacht (Anlage B 12).
d)
Angesichts dieses substantiierten Vortrages, welcher dafür spricht, dass die Abmahntätigkeit der Klägerin sich verselbstständigt hat und das mit den Abmahnungen verbundene finanzielle Risiko in keinem vernünftigem Verhältnis zu ihrer wirtschaftlichen Betätigung und zu ihrer finanziellen Situation steht, ist die für die Prozessführungsbefugnis bzw. Anspruchsberechtigung sprechende Vermutung erschüttert, so dass es Sache der Klägerin gewesen wäre, substantiiert die Gründe darzulegen, die gegen einen Missbrauch sprechen.
Dies ist jedoch nicht geschehen, vielmehr ist die Klägerin dem Vortrag hinsichtlich der Anzahl der ausgesprochenen Abmahnungen und der geführten Verfahren in ihrem Schriftsatz vom 17.1.2017 nicht entgegen getreten. Auch hat sie die Ausführungen zu den finanziellen Verhältnissen der Klägerin nicht bestritten. Die unter Beweis gestellte Behauptung, die Klägerin sei nicht an den Gebühren ihres Prozessbevollmächtigten beteiligt, genügt nicht, weil die Annahme eines Rechtsmissbrauchs keine derartige Beteiligung voraussetzt. Der Vortrag der Klägerin, dass das Kostenrisiko bei ihren Abmahnungen sehr gering sei, da die Klägerin keine Massenabmahnungen aussprechen lasse, sondern immer nur wenige Mitbewerber zeitgleich abmahne, wenn diese erheblich gegen das Gesetz verstießen, ist angesichts der unbestrittenen Anzahl von 50 Abmahnungen und 14 Verfügungsverfahren allein vor dem Landgericht Hamburg im Jahr 2015 und der unbestrittenen wirtschaftlichen Lage der Klägerin ebenfalls zu pauschal und unsubstantiiert.
e)
Nach alledem muss aufgrund der äußeren, im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Umstände davon ausgegangen werden, dass die Abmahnung vom 22.9.2015, die vorliegend im Klagewege weiter verfolgt wird, sich als Teil einer Abmahntätigkeit darstellt, die sich von der Geschäftstätigkeit der Klägerin verselbstständigt hat und deren finanzielle Risiken ein wirtschaftlich denkender Unternehmer in der Situation der Klägerin nicht eingehen würde. Die Abmahnung und die nachfolgende prozessuale Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs erfolgten damit zumindest vorwiegend im Gebührenerzielungsinteresse, was zur Unzulässigkeit der Klage führt.
2.
Da die Abmahnung vom 22.9.2015 rechtsmissbräuchlich und damit unberechtigt war, steht der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung von Abmahngebühren nach § 12 Abs. 1 S.2 UWG zu.
II.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S.2 ZPO.