Adblocker mit „Whitelist“-Funktion zulässig
Landgericht Köln
Urteil vom 29.09.2015
Az.: 33 O 132/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen ein von den Beklagten vertriebenes Software-Programm, mit dem Werbeinhalte auf den von der Klägerin und mit ihr verbundenen Gesellschaften betriebenen Internetseiten (stationär und mobil) blockiert werden können.
Die Klägerin ist ein Verlagshaus, das zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften (BILD; WELT u.a.) im Print und online verlegt und vertreibt. Darüber hinaus bietet die Klägerin verschiedene Online-Rubrikenmärkte an.
Die Klägerin betreibt ihr Online-Geschäft selbst und über von ihr mehrheitlich beherrschte Tochtergesellschaften. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Seiten 4 und 5 der Klageschrift (Bl. 4 und 5 der Akte). Die dort aufgeführten Gesellschaften haben die Klägerin mit den als Anlagenkonvolut K4 zur Klageschrift beigefügten Bestätigungen ermächtigt, deren wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen.
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) sind, wurde im September 2011 gegründet. Die Beklagte zu 1) vertreibt verschiedene Softwareprodukte, darunter das Programm „Y“ (im Folgenden: Y genannt).
Y ist ein für alle gängigen Internet-Browser verbreitetes kostenloses Zusatzprogramm zur Unterdrückung von Werbung auf Webseiten. Y ergänzt den Programmcode des vom Anwender genutzten Browsers derart, dass werbebezogene Informationen von den Servern der Webseiten-Betreiber nicht mehr heruntergeladen und somit dem Nutzer nicht angezeigt werden. Webseiten bestehen aus einer Vielzahl von Bild- und Textdateien, die von unterschiedlichen Servern stammen können und von dem jeweils benutzten Internet-Browser zu einer einheitlichen Webseite zusammengefügt werden. Werbung auf Webseiten wird nahezu ausnahmslos von so genannten Ad-Servern ausgespielt, einer vom Content-Server des Webseitenbetreibers unabhängigen Quelle. Diese Ad-Server haben eigene Adressen, anhand derer sie zumeist problemlos als Ad-Server erkannt werden können. In den Browserfenstern werden die Inhalte von Ad-Server und Content-Server – wie vom Webseiteninhaber programmiert – zusammen als einheitliches Webseitenangebot dargestellt. Y verändert den Zugriff des Browsers auf einzelne Elemente der Webseite, indem es verhindert, das werbebezogene Dateien von den Servern heruntergeladen und dementsprechend beim Nutzer angezeigt werden.
Kernstück von Y ist eine umfangreiche Sammlung von Filterregeln, die als so genannte Blacklist bezeichnet wird. Bei der Installation von Y durch deutsche Nutzer ist standardmäßig die sogenannte „Easylist“ mit einer internationalen Filterliste sowie die „Easylist Germany“ für deutsche Internetseiten aktiviert. Die Liste enthält zum einen spezifische Serverpfade bestimmter Onlineanbieter, darunter auch zahlreiche der Klägerin bzw. ihrer Konzerngesellschaften. Außerdem enthält die Liste globale Dateimerkmale, mit denen eine Vielzahl von Werbeinhalten aufgrund von Gemeinsamkeiten im Pfad- und Dateinamen blockiert werden kann. Auf diese Weise wird sämtliche Werbung von Ad-Servern durch die entsprechenden Filterregeln der Blacklist beim Aufrufen einer Seite blockiert. Auf der Blacklist sind zudem Suchkriterien definiert, die nach den für Werbung typischen Begriffen im Link zu dem jeweiligen Dateiordner oder -namen suchen. Grafiken, aber auch Scripts und andere eingebettete Objekte werden blockiert, wenn ihre URL einen in der Filterliste enthaltenen Ausdruck enthält. Schließlich enthält die Blacklist Filterregeln für bestimmte Bannerformate entsprechend den Standardgrößen der Branche.
Y bietet die Möglichkeit, Ausnahmen von den Blockierfiltern in eine sogenannte Whitelist aufnehmen zu lassen. Y ist standardmäßig so vorkonfiguriert, dass die in der Whitelist enthaltenen Werbepfade dem Nutzer auch bei aktiviertem Y angezeigt werden. In den Filtereinstellungen von Y ist dazu der Haken bei „Einige nicht aufdringliche Werbung zulassen“ standardmäßig gesetzt. Der Nutzer hat die Möglichkeit, diese Voreinstellung nach der Installation des Programms durch Entfernen des Häkchens zu ändern und auch die „whitegelistete“ Werbung vollständig zu blockieren.
Für das Whitelisting verwendet die Beklagte zu 1) einen Kriterienkatalog für „akzeptable“ Werbung. Die zur Zeit der Klageerhebung geltenden Anforderungen sind in der Anlage K 11 zur Klageschrift, auf die Bezug genommen wird, wiedergegeben.
Möchte ein Unternehmen in die Whitelist aufgenommen werden, wird die freizuschaltende Werbung durch die Beklagte zu 1) geprüft. Nach Festlegung der freizugebenden Werbepfade erfolgt eine Testphase, innerhalb derer das interessierte Unternehmen feststellen kann, welche finanziellen Auswirkungen die Freischaltung der zuvor blockierten Werbeinhalte über die Whitelist für das Unternehmen hat.
Für das Werbegeschäft im Internet gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Klassische Anzeigen, wie z.B. Banner (Display-Werbung) und empfehlende Links, wie auf Seite 14 der Klageschrift (Bl. 14 der Akte) beispielhaft wiedergegeben. Dabei wird klassische Anzeigenwerbung von den Werbetreibenden ähnlich wie im Print-Geschäft gebucht und nach Tausend-Kontakt-Preisen (TKP) bezahlt. Y blockiert grundsätzlich beide vorgenannten Werbeformen. Der Vorteil des „Whitelisting-Verfahrens“ besteht für die Unternehmen vor allem darin, dass die vergleichsweise unauffälligen aber wirtschaftlich bedeutenden Werbelinks nicht blockiert werden. Im Rahmen dieser so genannten Affiliate-Werbung erhält ein Webseitenbetreiber eine Vergütung dafür, dass ein potentieller Käufer über einen auf seiner Seite befindlichen Link zu dem beworbenen Verkaufsangebot gelangt. Diese Vergütung wird dann wahlweise für den bloßen Werbekontakt oder als Umsatzbeteiligung gezahlt, wenn der Nutzer auf der beworbenen Seite einen Artikel kauft.
Haben sich die Beklagte zu 1) und ein Kooperationspartner grundsätzlich auf eine Zusammenarbeit verständigt, wird im Rahmen einer Testphase der durch die Nicht-Blockade generierte „Mehrwert“ des Whitelisting ermittelt, indem die über die Whitelist freigeschalteten Anzeigen mit Affiliate-Links identifiziert und gezählt werden. Der von Y-Nutzern stammende Umsatz aus diesen Affiliate-Links ist die Bemessungsgröße für die entsprechende Umsatzbeteiligung von Y. Von dem auf diese Weise generierten „Mehrwert“ verlangt die Beklagte zu 1) als Gegenleistung für das Whitelisting eine Umsatzbeteiligung von 30 %.
Akzeptiert ein Unternehmen die von der Beklagten zu 1) gestellten Bedingungen, werden das Unternehmen und exemplarische Werbebeispiele in ein spezielles Forum auf der Homepage von Y eingestellt und können dort für einen Zeitraum von einer Woche von Benutzern diskutiert werden. Werden in dieser Zeit von den Forennutzern keine durchgreifenden Bedenken geäußert, erfolgt die endgültige Aufnahme in die Whitelist.
Der mit dem Unternehmen geschlossene Vertrag (Whitelist-Vereinbarung) regelt die Verpflichtung der Beklagten zu 1), während der Laufzeit des Vertrages Ausnahme-Filterregeln zur Freischaltung bestimmter Werbemittel auf ausgewählten Websites des Vertragspartners in eine Filterliste aufzunehmen. Die Beklagte zu 1) verpflichtet sich ferner, Y so an den Nutzer auszuliefern, dass die Einstellung „Einige nicht aufdringliche Werbung zulassen“ aktiviert ist. Die Beklagte zu 1) vereinbart mit ihren Vertragspartnern nicht, dass diese zukünftig ausschließlich „akzeptable“ Werbung veranstalten. Das Whitelisting regelt nur, unter welchen Pfadnamen Affiliate-Werbung nicht blockiert wird.
Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaften sind zum Abschluss einer Whitelisting-Vereinbarung nicht bereit. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass der Schaden der Klägerin dadurch nur teilweise vermieden würde, weil die Display-Werbung und animierte Affiliate-Links weiterhin blockiert würden. Auch halten sie die Werbeblockade insgesamt für rechtswidrig.
Durch Y werden sämtliche Werbeinhalte auf den im Klageantrag genannten Webseiten blockiert. Dies betrifft die Display-Werbung ebenso wie die Affiliate-Werbung, und zwar unabhängig davon, ob diese Werbung nach den von der Beklagten zu 1) aufgestellten Kriterien als „nervig“ anzusehen ist oder nicht.
Die Klägerin behauptet, der Umsatzanteil digitaler Medien an ihrem Gesamtkonzernumsatz liege bei 47,9 %. Sie habe mit den von ihr betriebenen Internetseiten www.bild.de und www.welt.de Bezahlmodelle im Internet realisiert. Angesichts der Allgegenwart kostenloser Medienangebote im Internet sei die Durchsetzung von Bezahlmodellen mit zusätzlichem Content allerdings schwierig. So habe sechs Monate nach Markteinführung digitaler Premium-Angebote der Anteil digitaler Abonnenten bei „Bild Plus“ bei 1,1 % und bei der „Welt“ bei 0,6 % gelegen. Digitale Medien seien und blieben auf absehbare Zeit nahezu vollständig auf Anzeigenerlöse angewiesen.
Werbeblocker hätten im Markt bis vor kurzem keinerlei Verbreitung und keinerlei erkennbaren Einfluss auf die Werbeumsätze der Unternehmen gehabt. Dies habe sich erst mit der Professionalisierung von Y durch die Beklagte zu 1) geändert. Durch das Erlösmodell des Whitelisting- Verfahrens sei die Beklagte zu 1) in der Lage, Investoren zu akquirieren und erhebliche Einnahmen zu generieren, mit denen sie die Funktionen von Y so verbessert habe, dass sie sich in diesem Markt nicht nur innerhalb von zwei Jahren die absolute Marktführerschaft gesichert, sondern Y auch zu einer globalen Bedrohung der freien Internetwirtschaft ausgebaut habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf Seite 2 f. ihres Schriftsatzes vom 17.12.2014 (Bl. 159 f. der Akte).
Die Klägerin behauptet ferner, sie habe auch keine Reaktionsmöglichkeiten auf die Blockade ihrer Werbung, die das Problem beseitigen würde, und zwar weder technischer noch vertraglicher Art. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf die Seiten 18 ff. ihres Schriftsatzes vom 17.12.2014 (Bl. 175 ff. der Akte), die Seiten 12 ff. ihres Schriftsatzes vom 27.02.2015 (Bl. 293- 295 der Akte) und die Seiten 2 – 7 ihres Schriftsatzes vom 31.07.2015 (Bl. 602 – 607 der Akte).
Die Betreiber von Webseiten hätten keine Möglichkeit, die Blockierregeln von Y effektiv zu umgehen. Y habe jederzeit die Möglichkeit, auf Veränderungen zu reagieren und die Blacklist entsprechend zu erweitern. Dazu trügen auch die Y-Nutzer bei, die vermeintlich störende Werbeinhalte jederzeit über einen Mausklick melden könnten, wenn Y bei bestimmten Werbeformen nicht funktioniere.
Nach eigenen Angaben der Beklagten zu 1) werde die Whitelistfunktion nur von einer unbeachtlichen Zahl von Benutzern deaktiviert.
Die Beklagte zu 1) habe mit ihrem Geschäftsmodell mittlerweile mehr als 150 Kooperationspartner, von denen sich eine Vielzahl unter dem Druck des Verlusts von bis zu 50 % ihrer Werbeerlöse damit einverstanden erklärt hätten, der Beklagten zu 1) bis zu 30 % der von ihnen über das Affiliate-Marketing erzielten Werbeeinnahmen abzugeben. Allein Google habe nach unwidersprochenen Presseberichten für die Aufnahme in die Whitelist 25 Millionen $ an die Beklagte zu 1) bezahlt. Da auch andere Branchengrößen Kooperationspartner der Beklagten zu 1) seien, dürfte deren Jahresumsatz deutlich über 30 Millionen $ liegen. Die Vertragspartner der Beklagten zu 1) zeigten nach wie vor auch „nervige“ Werbung.
Das Nutzerforum von Y sei eine von mehreren Maßnahmen, mit denen die Beklagten den Eindruck erwecken wollten, als handele es sich bei Y um ein gleichsam gemeinnütziges und basisdemokratisches Projekt. Bei näherem Hinsehen sei das Nutzerforum indessen kaum aktiv und diene lediglich dazu, den Anschein einer lebendigen Community aufrechtzuerhalten. Tatsächlich sei, wie auf den Seiten 16 und 17 der Klageschrift, auf die Bezug genommen wird (Bl. 16 und 17 der Akte), ausgeführt nur ein äußerst geringer Teil der Nutzer in den Nutzerforen der Beklagten zu 1) aktiv. Die Folge sei, dass die Whitelist-Freigabe fest in der Hand der Beklagten und ihrer Programmierer sei, die im Rahmen der Diskussion naturgemäß die Interessen der freizuschaltenden Unternehmen verträten, um deren Werbeerlöse es gehe. Die Blacklist werde durch die Beklagte zu 1) laufend sowohl aufgrund eigener Recherchen als auch durch Meldungen von Nutzern über so genannte „aufdringliche“ Werbung ergänzt.
Im Übrigen handele es sich bei Y, den Filterlisten und dem Whitelisting-Programm um eine einheitliche Software. Eine getrennte Betrachtung verbiete sich. Die Beklagte zu 1) treffe hierfür eine umfassende Verantwortung. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf die Seiten 7 ff. ihres Schriftsatzes vom 17.12.2014 (Bl. 164 ff. d.A.), die Seiten 14 – 19 ihres Schriftsatzes vom 27.02.2015 (Bl. 295- 300 der Akte) und die Seiten 13 – 16 ihres Schriftsatzes vom 31.07.2015 (Bl. 613 – 616 der Akte).
Die Beklagte zu 1) vermarkte weiterhin auch Softwareprogramme für Affiliate-Werbung, und zwar entweder direkt über Programme wie „URL-Fixer“ oder indirekt über Y. Letzteres auch unter Einsatz des Vermarktungsprogramms „Yieldkit“. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf die Seiten 19 und 20 der Klageschrift (Bl. 19 und 20 der Akte).
Y sei mittlerweile weltweit von mehr als 250 Millionen Nutzern installiert worden, jede Woche kämen 2 Millionen neue Nutzer hinzu. Bereits heute setzten zwischen 25 und 35 % aller Nutzer von Webseiten mit allgemeinen redaktionellen Themen Werbeblocker ein. Auf technikaffinen Seiten seien es sogar durchschnittlich 50 %. Diese Blockierrate sei auch bei den streitgegenständlichen Seiten der Klägerin festzustellen, auf denen sich die von den Beklagten als besonders störend bezeichneten Werbeformen nur in einem völlig untergeordneten Maß befänden. Die Beklagten spielten die Verbreitung von Y in Deutschland herunter. Mindestens 20 % der deutschen Internetnutzer verwendeten Y. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf die Seiten 3 ff. ihres Schriftsatzes vom 17.12.2014 (Bl. 160 ff. d.A.), die Seiten 1 – 12 ff. ihres Schriftsatzes vom 27.02.2015 (Bl. 283 – 293 der Akte) und die Seiten 8 – 13 ihres Schriftsatzes vom 31.07.2015 (Bl. 608 – 613 der Akte).
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Parteien Mitbewerber seien. Dies habe der BGH bereits in der Entscheidung GRUR 2004, 877 – Werbeblocker für ein Unternehmen bejaht, das ein Produkt zum Blockieren fremder Werbung vertrieben habe. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass das Geschäftsmodell der Beklagten sich nicht auf die Verhinderung der Ausspielung von Werbung beschränke, sondern vielmehr den Verkauf „whitegelisteter“ Werbeanzeigen zum Ziel habe. Die Parteien hätten also den Verkauf von Affiliate-Werbung als gemeinsamen Geschäftsgegenstand.
Die Klägerin meint, dass nach allgemeiner Auffassung die Ausschaltung fremder Werbung ein tatbestandsmäßiger Eingriff in den Geschäftsbetrieb des werbenden Unternehmens sei, da diese Maßnahme vor allem den Zweck verfolge, den Mitbewerber in seiner wettbewerblichen Entfaltung zu behindern. Sie – die Klägerin – werde durch den Vertrieb und die kontinuierliche Pflege von Y auch gezielt im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG behindert. Bei offenen wettbewerbsrechtlichen Tatbeständen sei von besonderer Bedeutung, ob eine bestimmte Art der Tatverwirklichung die Unlauterkeit indiziere. Für den Fall einer unmittelbaren Beeinträchtigung fremder Werbung bestehe Einigkeit, dass die Unlauterkeit der darin liegenden Behinderung vermutet werde, weil es ganz offensichtlich nicht um wettbewerbliche, preis- und leistungsorientierte Gesichtspunkte, sondern vor allem um die Schädigung des Wettbewerbers gehe. Im Falle einer unmittelbaren Werbebehinderung sei der Unlauterkeitstatbestand also erfüllt, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedürfe. In der Werbeblocker-Entscheidung habe der BGH zwar einen unmittelbaren Eingriff verneint. Die dortige Fallkonstellation sei aber mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Hier gehe es nicht um ein lineares Fernsehprogramm, bei dem der Sender selbst das redaktionelle Programm durch Werbeeinblendungen unterbreche, sondern um Online-Angebote mit einem integrierten Nebeneinander von Content und Werbung. Anders als bei einer Fernsehsendung sei es bei einer Webseite dem Nutzer unmöglich, den Content ohne die Werbung wahrzunehmen. Indem Y verhindere, dass die Werbung einer Webseite angezeigt werde, greife es gezielt in die Integrität der wettbewerblichen Gesamtleistung der Klägerin ein. Ein derartiger Eingriff sei zu bewerten wie das Verdecken oder Abreißen von Werbeplakaten Dritter. Y führe deshalb zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung der von der Klägerin ausgespielten Werbung, weil diese Werbung – ebenso wie bei Print-Produkten – Teil der medialen Gesamtleistung der hier betroffenen Medienportale sei. Da Y den Seiteninhalt als integrierte Dienstleistung unmittelbar verändere, nehme Y dem Verbraucher nicht lediglich aus Bequemlichkeitsgründen eine Handlung ab, die dieser auch selbst vollziehen könnte. Die Nutzung von Content ohne Kenntnisnahme der auf derselben Webseite befindlichen Werbung wäre dem Verbraucher ohne Einsatz des Werbeblockers unmöglich. Auf eine derartige Funktion habe der Verbraucher auch keinen Anspruch. Er müsse vielmehr ein redaktionelles Produkt so akzeptieren, wie es angeboten werde. Bestehe das vom Grundrechtsschutz erfasste Finanzierungsmodell eines Verlegers darin, redaktionelle Inhalte nur gegen eine Werbefinanzierung abzugeben, habe kein Verbraucher Anspruch darauf, die so finanzierten Inhalte auch ohne die damit verbundene Werbung zu nutzen. Die kostenlose Veröffentlichung wertvollen Contents erfolge in der stillschweigenden Vereinbarung von Verlegern und Nutzern, dass diese die dabei ausgespielte Werbung wahrnehmen und so die Finanzierung des Medienangebotes sichern.
Wollte man die entsprechenden Funktionen von Y nur als mittelbare Werbebehinderung werten, könne die Unlauterkeit der Werbebehinderung positiv festgestellt werden. Y nehme dem Verbraucher nicht lediglich aus Bequemlichkeitsgründen eine Handlung ab, die dieser auch selbst vollziehen könnte. Es verändere vielmehr den Programminhalt zwischen „Ausstrahlung“ und Rezeption, indem es unmittelbar in Inhalte und die Gestaltung einer Webseite eingreife. Y blockiere eine Vielzahl von Funktionen einer Webseite in einer für den Nutzer völlig intransparenten Weise. Dass ein Nutzer theoretisch die Möglichkeit hätte, Einzelheiten über die jeweils blockierten Elemente zu erfahren, ändere daran nichts; denn keinem Nutzer erschlössen sich die aus sich heraus kaum verständlichen Blockierlisten und er interessiere sich dafür auch nicht. Er nutze die Programmfunktionen von Y, ohne die dahinter stehenden Funktionen zu verstehen oder auch nur zu bemerken. Für die Klägerin bestehe auch keine Möglichkeit, diesem Eingriff durch eine Änderung der Werbegestaltung zu entgehen. Technisch sei dies nicht möglich, weil die Mitarbeiter der Beklagten und die Y-Nutzer neue Werbeformen der Blacklist unmittelbar hinzufügten, so dass eine technische Umgehungsmaßnahme, die unverdächtige Dateinamen vom Content-Server des Anbieters ausspiele, ebenfalls alsbald gelöscht würde. Und auch faktisch könne ein Anbieter dem Werbeblocker nicht entgehen, da dessen Filterlisten nicht zwischen „angemessener“ und „nerviger“ Werbung differenzieren könnten. Stattdessen lösche das Programm jegliche Werbung, so dass ein Anbieter dem selbst dann nicht entgehen könne, wenn er nur unaufdringliche Werbung ausspiele. Y sei überdies unentgeltlich und schnell installiert. Durch seinen Einsatz komme es zu unmittelbaren Einnahmeverlusten für die Anbieter in Millionenhöhe, da die gedruckten Werbeanzeigen in dem Internetangebot nicht mehr angezeigt würden bzw. vom Besucher nicht mehr angeklickt werden könnten und somit von den Werbevermarktern bzw. Webseiteninhabern nicht abgerechnet werden könnten. Das Abwägungskriterium der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers sei vorliegend irrelevant, weil kein Nutzer einen Anspruch darauf habe die redaktionellen Inhalte der streitgegenständlichen Angebote ohne die dafür notwendige Werbefinanzierung zu nutzen. Damit werde der Betrieb von Online-Medien insgesamt gefährdet, weil den Verlagen ein Ausweichen auf Bezahlmodelle nicht oder jedenfalls nicht in der Weise möglich sei, dass die fehlenden Anzeigenerlöse hierdurch kompensiert werden könnten. Damit drohe der Wegfall des auch aus Verbrauchersicht essentiellen meinungsbildenden Qualitätsjournalismus im Internet insgesamt.
Der Einsatz von Y diene auch nicht dazu, die Werbung im Internet generell zu verbessern. Einmal abgesehen davon, dass diese Frage ohnehin ausschließlich durch die Akzeptanz eines Online-Angebotes am Markt geklärt werden dürfe, sei die Beseitigung „nerviger“ Werbung offensichtlich nicht das geschäftliche Ziel der Beklagten. Denn vor allem diese Werbung sorge für einen massenhaften Absatz des Produkts Y und damit die von der Beklagten zu 1) benötigte Marktmacht. Den Beklagten gehe es um „Reichweite“, um ihr parasitäres Geschäftsmodell durchsetzen zu können. An der Aufrechterhaltung „nerviger“ Werbung hätten die Beklagten deshalb größtes Interesse. Wie wenig ihnen tatsächlich an einer Verbesserung der Internet-Werbung gelegen sei, zeige sich daran, dass die Whitelisting-Verträge insoweit keinerlei Beschränkungen enthielten und ihre Vertragspartner weiterhin parallel uneingeschränkt Werbeformen verwenden dürften, die nach dem Kriterienkatalog der Beklagten zu 1) für „akzeptable“ Werbung „nicht akzeptabel“ sein sollen. Y sei auch kein gemeinnütziges Projekt. Tatsächlich gehe es den Beklagten nur um die Erlöse der unter Druck „whitegelisteten“ Unternehmen. Bei den von den Beklagten geforderten 30 % der durch das Whitelisting generierten „Mehrerlöse“ der Unternehmen handele es sich um Werbeerlöse, die die Unternehmen zuvor am Markt bereits erwirtschaftet hätten und nun an den selbst ernannten „gatekeeper“ abgeben müssten. Der hierin liegende nötigungsgleiche Aspekt spiele im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Interessenabwägung ebenso eine Rolle, wie der mit dem Vertrieb des Programms verbundene konkludente Boykottaufruf, mit dem die Aversion potentieller Kunden gegen „nervige“ Internetwerbung gesteigert werden solle.
Die Aufrechterhaltung der Anzeigenwerbung als klassischem Finanzierungsmodell der Online-Medien sei nicht nur aus einem übergeordneten Verbraucherinteresse, sondern auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf die Seiten 29-31 der Klageschrift (Bl. 29-31 der Akte).
Wegen der weiteren Einzelheiten der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassungen wird Bezug genommen auf die Seiten 30 ff. ihres Schriftsatzes vom 17.12.2014 (Bl. 187 ff. der Akte), die Seiten 21 ff. ihres Schriftsatzes vom 27.02.2015 (Bl. 302 ff. der Akte), ihren Schriftsatz vom 09.06.2015 (Bl. 421 ff. d.A.)
Die Klägerin beantragt,
1.
die Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Beklagten zu 2) und 3) zu unterlassen,
ein Software-Programm einschließlich der „EasyList“ und der „EasyList Germany“ anzubieten, zu bewerben, zu pflegen oder zu vertreiben oder anbieten, bewerben, pflegen oder vertreiben zu lassen, das Werbeinhalte auf den Seiten
www.bild.de
www.welt.de
www.bzberlin.de
www.sportbild.bild.de
www.autobild.de
www.computerbild.de
www.metalhammer.de
www.musikexpress.de
www.rollingstone.de
www.caramia.de
www.edelblech.de
www.kombi.de
www.stylebook.de
www.redcarpet.de
www.worldsluxuryguide.com
www.travelbook.de
www.myentdecker.de
www.wandundbeet.de
www.onmeda.de
www.gofeminin.de
www.transfermarkt.de
www.n24.de
www.immonet.de
www.zuio.tv
einschließlich deren mobilen Anwendungen unterdrückt,
hilfsweise,
die Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Beklagten zu 2) und 3) zu unterlassen,
ein Software-Programm einschließlich der „EasyList“ und der „EasyList Germany“ anzubieten, zu bewerben, zu pflegen oder zu vertreiben oder anbieten, bewerben, pflegen oder vertreiben zu lassen, das Werbeinhalte auf den Seiten
www.bild.de
www.welt.de
www.bzberlin.de
www.sportbild.bild.de
www.autobild.de
www.computerbild.de
www.metalhammer.de
www.musikexpress.de
www.rollingstone.de
www.caramia.de
www.edelblech.de
www.kombi.de
www.stylebook.de
www.redcarpet.de
www.worldsluxuryguide.com
www.travelbook.de
www.myentdecker.de
www.wandundbeet.de
www.onmeda.de
www.gofeminin.de
www.transfermarkt.de
www.n24.de
www.immonet.de
www.zuio.tv
einschließlich deren mobilen Anwendungen unterdrückt, wenn und soweit Werbung nur nach von den Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird,
2.
die Beklagten ferner zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, über
die Anzahl der Downloads für das Software-Programm „Y“ am Stichtag sechs Monate vor Rechtshängigkeit und seitdem, gegliedert nach Monaten;
die Anzahl der Nutzer des Software-Programms „Y“ in Deutschland am Stichtag sechs Monate vor Rechtshängigkeit und seitdem, gegliedert nach Monaten;
die Anzahl der Aufrufe der „EasyList“ und der „EasyList Germany“ durch deutsche Internet-Nutzer am Stichtag sechs Monate vor Rechtshängigkeit und seitdem, gegliedert mit dem wöchentlichen Durchschnittswert,
3.
festzustellen, dass die Beklagten allen Schaden zu ersetzen haben, der der Klägerin und ihren unter I.1. der Klageschrift genannten Tochtergesellschaften durch Handlungen gemäß Ziffer 1 seit sechs Monaten vor Rechtshängigkeit entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, bei Y handele es sich um eine Open-Source Software, deren Quelltext frei verfügbar sei, so dass jedermann die Software eins zu eins kopieren oder beliebig abwandeln und unter seinem eigenen Namen anbieten könne. Die Software helfe auch bei der Vermeidung von Angriffen durch Schadsoftware und unerwünschter Datensammlung bei der Nutzung des Internets.
Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Seiten 25 – 27 ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 229-231 der Akte).
Die für die Nutzung von ABB zwingend erforderlichen Filterlisten enthielten manuell erstellte Anweisungen. Eine Filterliste sei eine editierbare Textdatei, die die Filterregeln enthalte. Die allermeisten Filterlisten seien öffentlich und kostenfrei für jedermann zugänglich. Die Listen könne der Nutzer des Programmes daher entweder von Dritten übernehmen, sie selbst erstellen, die von Dritten erstellten Listen erweitern oder anpassen oder mehrere Listen kombinieren. Jeder Nutzer von Y könne selbst entscheiden, welche Filterregeln er anwenden möchte. Das Programm der Beklagten erleichtere ihm lediglich die Handhabung der von ihm gewählten Filterlisten. Bei alldem wisse der Nutzer jederzeit, was passiere, und habe jederzeit die vollständige Kontrolle darüber, ob er sämtliche Werbungen, einzelne Werbungen oder gar keine Werbungen blockiere. Die Filterlisten würden von Freiwilligen auf der ganzen Welt erstellt und gepflegt. Sie würden nicht von der Beklagten zu 1) oder anderen Anbietern von Werbeblockern angeboten. Durch die freie Zugänglichkeit und Editierbarkeit könnten Filterlisten von jedem Internetnutzer individuell angepasst/abgeändert und eingesetzt werden.
Die Beklagte zu 1) sei nicht Urheberin der Filterlisten EasyList und EasyList Germany, bei denen es sich ebenfalls um öffentliche Listen handele. Sie pflege und ergänze diese Listen auch nicht. Lediglich ein derzeit für die Beklagte zu 1) tätiger Auszubildender sei bereits vor seiner Tätigkeit für die Beklagte zu 1) ein aktiver Autor der Community gewesen, die die EasyList Germany schreibe. Diesem sei es selbstverständlich auch während seiner Ausbildung erlaubt, weiterhin an der Entwicklung der Liste mitzuwirken. Ansonsten bestünde zwischen den Autoren der Liste und der Beklagten zu 1) kein rechtliches Verhältnis. Urheberschaft und Pflege der Listen liege bei der EasyList Community und ihren Autoren. Diese EasyLists könnten „abonniert“ werden. Zu ihnen gehöre auch die EasyList Germany, die speziell Werbung, die von Ad-Servern auf deutschsprachige Webseiten ausgeliefert wird, blockiere. Diese Listen würden fortentwickelt, indem Internetnutzer im Rahmen der Community meldeten, von welchen Adressen sie Werbung empfangen hätten, dies von den Autoren der jeweiligen Liste überprüft und die ausliefernde Adresse gegebenenfalls in die Liste aufgenommen werde.
Die Beklagte zu 1) unterstütze die Filterliste EasyList Germany u. a. dadurch, dass für diese Platz auf Servern der Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellt werde. Internetnutzer könnten die Liste deshalb auch von den Servern der Beklagten zu 1) herunterladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Seiten 23 – 25 ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 227 – 229 der Akte).
Die Beklagte zu 1) habe zur Einordnung der Werbung in störende und weniger/nicht störende Werbung einen Katalog an Anforderungen erstellt, um akzeptable, da unaufdringliche Werbung zuzulassen. Diese Kriterien seien bereits 2009 intensiv mit Nutzern des Programmes Y diskutiert worden, wobei sich an den Diskussionen bis zu 260 Interessenten beteiligt hätten. Wiederholt habe die Beklagte zu 1) auch die Webseitenbetreiber und Werbekunden aufgefordert, sich an der Diskussion der Entwicklung der Kriterien zu beteiligen. Auf das Nutzer-Feedback habe die Beklagte zu 1) dann zusammen mit ihren Mitarbeitern zurückgegriffen, um technisch umsetzbare Kriterien für von Internetnutzern als nicht störend empfundene Werbung aufzustellen. Bei dem unter Beteiligung der interessierten Nutzer gewonnenen Ergebnis handele es sich um Regeln, die die überwiegende Meinung dieser Verbrauchergruppe abbildeten. Dies zeige sich schon in der Beliebtheit der Software der Beklagten zu 1), die nicht zu erklären wäre, wenn die Regeln tatsächlich so verbraucherfern und willkürlich bzw. auf die Interessen einiger Werbetreibender zugeschnitten wären. Wenn es in Einzelfällen dazu komme, dass das subjektive Empfinden von den Regeln abweiche und akzeptable Werbung als störend oder nicht akzeptable Werbung als nicht störend empfunden werde, sei dies unschädlich, da sich der jeweilige Verbraucher jederzeit entscheiden könne, die Werbung vollständig zu blockieren oder mit einem einfachen Klick oder individuellen Filterregeln für die Blacklist auch störende Werbung angezeigt zu bekommen.
Mit der Freischaltung von Webseiten mit akzeptabler Werbung erbringe die Beklagte zu 1) eine eigene innovative Leistung am Markt, mit der werbende Unternehmen auch weniger werbeaffine Verbraucher ansprechen könnten. Der Ablauf der Freischaltung einer Webseite dauere ca. zehn Werktage und setze sich aus den im Einzelnen auf Seite 30 der Klageerwiderung (Bl. 80 der Akte) wiedergegebenen Schritten zusammen. Auch nach der Freischaltung von Werbung könne es erforderlich sein, dass die Beklagte zu 1) sich mit dem jeweiligen Vertragspartner in Verbindung setze und mit diesem zusammen auf eine Änderung der Werbung hinarbeiten müsse. Die Beklagte zu 1) stelle ihren Vertragspartnern auch nicht frei, ob sie gegenüber Y-Nutzern akzeptable oder nicht akzeptable Werbung anzeigten. Auch schlügen sich Mitarbeiter der Beklagten zu 1) bei Forumsdiskussionen nicht auf die Seite von Unternehmen, um deren Freischaltung zu erwirken. Würde die Beklagte zu 1) die Schaltung von akzeptabler Werbung nicht überprüfen und Hinweisen auf Verstößen nachgehen, so würde dies die Nutzer ihrer Software dazu veranlassen, zu einem Angebot der Konkurrenz zu wechseln. Die Freischaltung von neuen Vertragspartnern werde offen diskutiert, wobei die von der Klägerin aufgestellten Prozentrechnungen zu Beteiligungsquoten von Nutzern nicht stimmten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Seiten 29 – 34 ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 233 – 238 der Akte).
Dass Voraussetzung der Freischaltung einer Webseite für die Whitelist der Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten zu 1) sei, in dem sich der Betreiber einer Webseite zu Einhaltung der Kriterien für akzeptable Werbung verpflichte, sei für die Beklagte zu 1) nötig, weil sie andernfalls keinerlei Handhabe hätte, um einen Verstoß des Webseiten-Betreibers gegen die Kriterien zu rügen. Gegenüber Y-Nutzern mit Whitelist-Einstellung werde nur akzeptable Werbung dargestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Seiten 34 f. ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 238 f. der Akte).
Da die Beklagte zu 1) mit der Freischaltung und verschiedenen anderen Serviceleistungen Dienstleistungen erbringe, stehe es ihr frei, sich diese Dienstleistungen vergüten zu lassen. Dabei wende sie ein erfolgsbezogenes Vergütungsmodell an, wie es im Internet inzwischen üblich sei. Die Beklagte zu 1) werde an den durch ihre Dienstleistung erzielten Mehreinnahmen beteiligt. Konkret versuche die Beklagte zu 1) in der Regel ein Entgelt i.H.v. 30 % derjenigen Werbeeinnahmen zu vereinbaren, die der Betreiber der Webseite dadurch zusätzlich generiere, dass nun Nutzern von Y zumindest akzeptable Werbung wieder angezeigt werde. Diese Provision sei auch angemessen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten zu der von der Beklagten zu 1) geforderten Vergütung wird Bezug genommen auf die Seiten 33-37 der Klageerwiderung (Bl. 83 – 87 der Akte) und die Seiten 35-37 ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 239-241 der Akte).
Der Vortrag der Klägerin zur angeblichen Verbreitung von Y in Deutschland sei unzutreffend, nicht belegt und offenbar nur ins Blaue hinein erfolgt. Die Klägerin lege bei ihren Behauptungen falsche Daten zu Grunde und versuche so, eine möglichst hohe Verbreitung des Programmes zu konstruieren. Nach den Berechnungen der Beklagten zu 1) ergebe sich für den Monat August 2014, dass Y auf etwa 7 Millionen Browsern mit deutscher IP-Adresse installiert gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Seiten 37 – 41 der Klageerwiderung (Bl. 87 – 91 der Akte) und die Seiten 3-18 ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 207 – 229 der Akte).
Der Vortrag der Klägerin zu den von ihr und ihren Tochtergesellschaften durch Y erlittenen Einnahmeverlusten sei unzutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Seiten 42-49 der Klageerwiderung (Bl. 92-99 der Akte) und die Seite 19 ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 223 f. der Akte).
Die Klägerin habe auch keineswegs nur die Handlungsoptionen, entweder weiter zu werben wie bisher verbunden mit der möglichen Folge, dass immer mehr Verbraucher sich gestört fühlten und ihre Werbung ausblendeten oder sich vertraglich mit der Beklagten zu 1) zu einigen und so zusätzlich Y-Nutzer mit ihrer Werbung zu erreichen, die akzeptable Werbung wahrnehmen wollten. Daneben habe die Klägerin natürlich die Möglichkeit, ihre Werbung den Vorstellungen der Nutzer von nicht störender Werbung anzupassen und dadurch Nutzer von Werbeblockern auf ihre Interessen aufmerksam zu machen. Ferner könne sie Nutzer, die ihre kostenfreie Webseite mit Werbeblocker aufsuchten, von dem Besuch ihrer Webseite abhalten und sie „aussperren“. Schließlich könne sie auch zu anderen Monetarisierungsmodellen greifen und etwa eine generelle oder teilweise Bezahlschranke einführen, für die werbefreie oder nur mit wenig störender Werbung versehene Version ihrer Seite eine Zahlung verlangen oder Nutzer von Werbeblockern auffordern, für die Seitennutzung freiwillig Geld zu zahlen. Das Finanzierungsoptionen möglicherweise einige Zeit benötigten, um von der Verbraucherschaft akzeptiert zu werden, liege in der Natur des Internets als sich entwickelndes noch verhältnismäßig junges Medium. Im Übrigen sei es nicht Aufgabe der Beklagten, der Klägerin aufzuzeigen, welche alternativen Einnahmequellen sie erschließen sollte. Das eigentliche Problem der Klägerin sei, dass Kunden ihre Werbung nicht mehr sehen wollten. Insofern müsse sie sich wie im Wirtschaftsleben üblich den geänderten Umständen anpassen. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Seiten 20 – 23 ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 224 – 227 der Akte).
Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Klageanträge zum Teil bereits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig und zum Teil zu weitreichend sind. Im Übrigen meinen sie, dass die Klage unbegründet sei, es fehle bereits an einem Wettbewerbsverhältnis der Parteien, jedenfalls aber verstoße das angegriffene Verhalten nicht gegen § 4 Nr. 10 UWG.
Seitdem es Online-Werbeblocker gebe, hätten Verbraucher die Möglichkeit, sich vor Online-Werbung zu schützen. Seit diesem Zeitpunkt müssten sich Betreiber werbefinanzierter Webseiten damit auseinandersetzen, dass es Verbraucher gebe, die die Wahrnehmung von Werbung ablehnten. Die Idee der Beklagten sei es, zwischen dem Finanzierungsbedarf der Webseitenbetreiber über Werbung auf der einen und dem Wunsch der Internetnutzer, keine aufdringliche Werbung eingeblendet zu bekommen auf der anderen Seite einen Kompromiss zu finden. Ziel sei es, die Werbeeinnahmen von Webseiten nicht komplett zu unterbinden, für die Anwender gleichzeitig aber die Anzahl und Art von Werbeeinblendungen auf einem erträglichen Niveau zu halten. Dies erfolge über die Einführung einer „Whitelist“, in der unaufdringliche Werbeformate von geprüften Anbietern gelistet und damit in den Standard-Einstellungen von Y nicht blockiert würden. Die Klägerin stelle sich auf den Standpunkt, dass Werbeblocker per se unlauter seien und greife den ihr wirtschaftlich lästigen Werbeblocker Y gleichzeitig aufgrund der Funktion der „Whitelist“ an. Hierzu versuche sie, den unstreitigen und höchstrichterlich anerkannten Grundsatz der Zulässigkeit von Werbeblockern in sein Gegenteil zu verkehren. Sie ignoriere dabei das entscheidende Merkmal, dass es stets der Internetnutzer sei, der darüber entscheide, ob er Online-Werbung sehen möchte oder nicht und ob er weniger störende Werbung sehen möchte oder nicht. Schließlich sei es das Recht des Internetnutzers und Computerbesitzers zu entscheiden, welche Inhalte er herunterlade und wahrnehme und vor welchen Inhalten – und auch Cybergefahren – er sich und sein Eigentum schützen möchte. Im übrigen hätten es die Klägerin und andere Werbetreibende selbst in der Hand, die Internetnutzer für ihre Formate und Werbung zu begeistern. Wenn ein Teil der Online-Werbebranche meine, dass man den Internetnutzern jedes beliebige Werbeformat aufdrängen könne, so sei dies ein Irrtum. Das Internet sei ein interaktives Medium, das dem Nutzer die Möglichkeit biete, auf Störungen unmittelbar zu reagieren. Ein solches Werkzeug biete die Beklagte zu 1) dem Verbraucher mit Y an. Angesichts der vielfältigen negativen Auswirkungen von Online-Werbung sei die Abwendung vieler Internetnutzer von Online-Werbung insgesamt oder störenden Werbeformaten nachvollziehbar und nach der Rechtsprechung des BGH zu Werbeblockern auch zulässig.
Die Beklagte zu 1) erbringe im Zusammenhang mit diesem zulässigen Angebot eines Werbeblockers zusätzliche Dienstleistungen, die das tatsächlich bestehende Interesse vieler Verbraucher an nicht störender Online-Werbung anerkennen und dazu beitragen würden, dass ausschließlich nicht „nervende“ Werbung (akzeptable Werbung) wahrnehmbar sei. Der Verbraucher könne hierdurch verhindern, dass sich vor oder während des Lesens von Seiteninhalten (nicht kurzfristig zu entfernende) Werbung über diese Inhalte lege oder dass Animationen den Blick von den Inhalten der Seite ablenke. Gleichzeitig ermögliche die Beklagte zu 1) den Seitenbetreibern, auch bei Verwendung von Y durch den Verbraucher Werbeeinnahmen zu generieren: Der Software-Nutzer könne wählen, ob er über Y sämtliche Werbung verhindere oder ob er sich für die Variante entscheide, in der er die akzeptable Werbung wahrnehme. Entscheide er sich für Letzteres, so könne der Webseiten-Betreiber nach wie vor Werbeumsätze auch im Hinblick auf die Nutzer erzielen, die Y verwendeten.
Voraussetzung für die Sichtbarkeit der akzeptablen Werbung trotz Nutzung von Y sei es, dass die betreffende Webseite auf die so genannte „Whitelist“ aufgenommen werde. Die für diese Aufnahme zu erfüllenden Kriterien der Werbung seien erforderlich, um sicherzustellen, dass die werblichen Inhalte den Internetnutzer nicht belästigten, damit dieser langfristig die Whitelist-Funktion nutze und nicht zur vollständigen Blockade der Werbung wechsele. Dieses Angebot der Beklagten zu 1) vergrößere damit die Wahlmöglichkeit der Verbraucher hinsichtlich des Umfangs der Wahrnehmung von Werbung im Internet und ermögliche im Interesse der Webseitenbetreiber erhöhte Werbeeinnahmen gegenüber der vollständigen Blockade von Werbung.
Wegen der weiteren Einzelheiten der von den Beklagten vertretenen Rechtsansichten wird Bezug genommen auf die Seiten 51 ff. der Klageerwiderung (Bl. 101 ff. der Akte) und die Seiten 50 ff. ihres Schriftsatzes vom 15.01.2015 (Bl. 254 ff. der Akte).
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichte, nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 25.08.2015 (Bl. 878 ff. der Akte) hat vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist mit dem Haupt- und dem Hilfsantrag unbegründet.
I.
Das mit dem Hauptantrag beanstandete Verhalten der Beklagten verstößt nicht gegen die §§ 3, 4 Nr. 10 UWG, so dass weder ein Unterlassungsanspruch noch ein Auskunfts- und Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht.
Dabei bedarf die – nach Auffassung der Kammer allerdings zu bejahende – Frage nach der Mitbewerbereigenschaft der Klägerin und der Beklagten zu 1) keiner Erörterung, da es jedenfalls an einer gezielten Behinderung der Klägerin im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG fehlt und auch eine allgemeine Marktstörung nicht festgestellt werden kann.
Dass und warum dies so ist, hat bereits das Landgericht München I in seinem Urteil vom 27.05.2015 – 37 O 11673/14 – , das ebenfalls das hier streitgegenständliche Angebot der Beklagten betraf, ausgeführt. Dieser ausführlichen und sorgfältig begründeten Entscheidung schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage an und nimmt zur Begründung Bezug auf die den Parteien bekannten und auch bei juris veröffentlichten Entscheidungsgründe dieses Urteils (namentlich auf die dortigen Ausführungen unter „Begründetheit der Klage“, A. I.2, II und III), soweit darin nicht Besonderheiten der dortigen Fallgestaltung angesprochen sind. Ergänzende Ausführungen erscheinen der Kammer auch im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit nicht veranlasst.
II.
Das mit dem Hilfsantrag beanstandete Verhalten der Beklagten verstößt ebenfalls nicht gegen die §§ 3, 4 Nr. 10 UWG, so dass auch insoweit weder ein Unterlassungsanspruch noch ein Auskunfts- und Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht.
Dass und warum dies so ist, hat neben dem Landgericht München I in der bereits angeführten Entscheidung auch das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom 21.04.2015 – 416 HKO 159/14 – , das ebenfalls das hier streitgegenständliche Angebot der Beklagten betraf, ausgeführt. Auch dieser sorgfältig begründeten Entscheidung schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage und unter Aufgabe der noch im Hinweisbeschluss vom 10.03.2015 unter Ziff. I.3.d. geäußerten Bedenken an. Die Kammer nimmt auch insoweit zur Begründung Bezug auf die den Parteien bekannten und auch bei juris veröffentlichten Entscheidungsgründe dieses Urteils (namentlich auf die dortigen Ausführungen unter II.), soweit darin nicht Besonderheiten der dortigen Fallgestaltung angesprochen sind. Ergänzende Ausführungen erscheinen der Kammer auch hier im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Streitwert: 2.500.000,– €