Andere Verkehrsauffassung beim Kauf von Luxusgütern
Landgericht Nürnberg-Fürth
Urteil vom 06.09.2024
Az.: 4 HK O 8208/21
Leitsätze
1. Befindet sich die angegriffene Kennzeichnung auf einem Bekleidungsstück aus dem Luxussegment, beschränkt sich der angesprochene Verkehr auf diejenigen Verkehrsteilnehmer, die auf Grund ihrer Einkommenssituation in der Lage sind, solche Waren nachzufragen. Die angesprochenen Verkehrskreise sind im Bereich der hochpreisigen Luxusgüter besonders aufmerksam. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anbringung einer zusätzlichen markenmäßig verwendeten Kennzeichnung (Etikett mit Herstellerbezeichnung; Herstellerangabe auf der Webseite des Herstellers) mag die markenmäßige Verwendung eines daneben verwendeten Zeichens (hier die vier Streifen bzw. Ringe auf dem Ärmel) zwar nicht von vornherein ausschließen. Der Verkehr wird allerdings dann, wenn neben der Streifendekoration ein weiterer Herstellerhinweis vorliegt, Zweifel bekommen, ob angesichts dessen auch den Streifen bzw. Ringen noch ein Herkunftshinweis zukommen soll. Er wird dies umso weniger annehmen, je unübersehbarer und unzweideutiger eine Herstellerkennzeichnung die Blicke auf sich zieht und je weiter sich die Streifenornamentik von der Ausgestaltung entfernt, welche ihm als die Kennzeichnungspraxis eines großen Sportartikelherstellers bekannt ist. (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Das Teil-Versäumnisurteil vom 17.05.2022 und das Schluss-Versäumnisurteil vom 23.08.2022 werden aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den Vertrieb und die Gestaltung eines Oberbekleidungsstücks der Beklagten zu 1) und macht insoweit markensowie wettbewerbsrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche geltend.
Die Klägerin ist ein bekannter Sportartikelhersteller. Die Beklagte zu 1) ist ein USamerikanisches Modeunternehmen, das sich im Luxussegment sieht. Die Klägerin beanstandet die aus dem Klageantrag ersichtliche, in weißer Farbe gehaltene Gestaltung des linken Oberarms (aus Trägersicht) des dort abgebildeten Kleidungsstücks. Die im Klageantrag verwendeten Abbildungen entstammen der Webseite der Beklagten zu 1) https://www.th… com/de/shopping/n…-hoodie-14123602, wo die Ware mit dem angegriffenen Zeichen als „Navy Waffle Raglan Sleeve 4 Bar Hoodie“ beworben wurde (vgl. Screenshot S. 22 der Klageschrift = Bl. 22 d.A. sowie Screenshot S. 53 des Schriftsatzes vom 04.10.2022 = Bl. 145 d.A.). Die Internetseite der Beklagten zu 1) enthält den Hinweis „SHIPPING TO GERMANY“. Die Klägerin ließ einen Testkauf durchführen, aufgrund dessen das im Klageantrag abgebildete Oberbekleidungsstück nach M. geliefert wurde (= Anlage LSG 5). Die Anlage LSG 2 stellt die Rechnung zum Testkauf dar. In dieser ist die Beklagte zu 2) als Versenderin und Rechnungsausstellerin angegeben. Der Kaufpreis betrug laut Rechnung 1.310,00 Euro (vgl. Anlage LSG 2).
Die Klägerin stützt ihre geltend gemachten Ansprüche vorrangig auf eine Verletzung der Rechte aus § 4 Nr. 2 MarkenG (sog. horizontale Drei-Streifen Marke = Klagemarke 1), hilfsweise auf die Rechte aus der Bildmarke DE 399123555 (Anlage LSG 1 = Klagemarke 2), weiter hilfsweise auf die Rechte aus § 4 Nr. 2 MarkenG (sog. traditionelle Drei-Streifen Marke = Klagemarke 3), weiter hilfsweise auf die Rechte aus § 4 Nr. 3 MarkenG, höchst hilfsweise auf §§ 3, 4 Nr. 3, 5 Abs. 2, 8 Abs. 1 UWG.
Die Klagemarke 1 ist laut Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 20.12.2023, S. 29 = Bl. 903 d.A.) eine Positionsmarke, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie aus drei gleich großen und gleich breiten, parallellaufenden Streifen besteht, die horizontal um den Ärmel eines Bekleidungsstücks verlaufen. Exemplarisch verweist die Klägerin als Beispiel einer Benutzung dieser Marke auf das auf S. 18 und 19 der Klageschrift (= Bl. 18, 19 d.A.) gezeigte Jacken-Modell der Klägerin. Zur Verdeutlichung verweist die Klägerin auf die nachfolgende Zeichnung (vgl. Schriftsatz vom 20.12.2023, S. 29 f. = Bl. 903 f. d.A.)
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Der Gegenstand des Schutzes dieser Benutzungsmarke wird laut Klägerin durch eine Zeichenserie gekennzeichnet, die durch die immer gleichbleibende Zeichencharakteristik bestimmt wird. Der Schutz der Klagemarke 1 gehe damit laut Klägerin nicht nur auf den Schutz genau eines Bekleidungsstücks zurück, sondern auf eine Zeichenserie, bei der Kern der Kennzeichnung gerade in einer Positionsmarke liegt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie aus drei gleich großen und gleich breiten, parallellaufenden Streifen besteht, die horizontal um den Ärmel eines Bekleidungsstücks verlaufen.
Die Klagemarke 3 beschreibt die Klägerin wie folgt: Das Zeichen ist eine Positionsmarke. Es besteht aus drei parallelen gleich breiten und zur Grundfarbe kontrastierenden Streifen, die an der Außenseite des Ärmels eines Oberbekleidungsstücks angebracht sind.
Für das vorliegende Verfahren stützt sich die Klägerin zum einen auf die zur eingetragenen Marke DE 399123555 korrespondierende Benutzungsmarke. Diese Marke schützt laut Klägerin eine Positionsmarke, die durch folgende Abbildung
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und mit folgender Beschreibung bestimmt wird (vgl. Schriftsatz vom 30.12.2022 S. 42, 43 = Bl. 375, 376 d.A.):
Das Zeichen ist eine Positionsmarke. Es besteht aus drei parallelen gleich breiten und zur Grundfarbe kontrastierenden Streifen, die an der Außenseite des Ärmels eines Oberbekleidungsstücks angebracht sind. Die Umrisse der Jacke dienen nur zur Verdeutlichung der Position der Marke auf der Jacke und der Größenverhältnisse der Marke selbst.
Ferner stützt sich die Klägerin als Klagemarke 3 auf eine Positionsmarke, die durch folgende Abbildung
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und mit folgender Beschreibung bestimmt wird (vgl. Schriftsatz vom 30.12.2022, S. 43 = Bl. 376 d. A.):
Das Zeichen ist eine Positionsmarke. Es besteht aus drei parallelen gleich breiten und zur Grundfarbe kontrastierenden Streifen, die an der Außenseite des Ärmels eines Oberbekleidungsstücks angebracht sind. Gegenstand der Marke ist laut Klägerin nicht das konkrete bildhaft wiedergegebene Oberbekleidungsstück in seiner Gesamtheit und auch nicht das isolierte Zeichen (Streifen), sondern die Streifen in ihrer Position auf der Oberbekleidung.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die angegriffene Kennzeichnung ihre Markenrechte verletze, was laut Klägerin durch jüngst ergangene Gerichtsentscheidungen bestätigt werde (vgl. Entscheidungen in den Schriftsätzen vom 11.06.2024 und 01.08.2024). Es bestehe Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Aufgrund der hohen Kennzeichnungskraft der Klagemarken und Warenidentität halte die von den Beklagten verwendete streitgegenständliche Kennzeichnung den notwendigen Abstand nicht ein. Das angegriffene Zeichen bestehe aus
– vier Streifen (Anzahl ähnlich)
– parallele Streifen (identisch)
– zur Untergrundfarbe kontrastierende Streifen (identisch)
– gleich breite und gleich große Streifen (identisch)
– an identischer Position (bzgl. der nach § 4 Nr. 2 MarkenG geschützten umlaufenden Streifen der Klagemarke 1) bzw. an ähnlicher Position (bzgl. der „klassischen“ drei Streifen der Klagemarken 2 und 3), weshalb jeweils eine hohe Zeichenähnlichkeit gegeben sei.
Die Klägerin meint, ihre Ansprüche würden sich zudem aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ergeben. Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sei bereits dann eröffnet, wenn ein solcher Grad der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen herrsche, dass der Verkehr einen Zusammenhang zwischen dem Zeichen und der Marke sehe, d. h. die beiden gedanklich miteinander verknüpfe, ohne sie jedoch zu verwechseln. Es sei daher nicht erforderlich, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem von dem Dritten benutzten Zeichen so hoch sei, dass für die beteiligten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr bestehe.
Die Klägerin meint, dass die Klagemarken 1, 2 und 3 als Positionsmarken originär nicht schwach kennzeichnungskräftig seien, sondern von Haus aus originäre Kennzeichnungskraft besäßen. Insoweit wird auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 20.12.2023 S. 45 ff. (= Bl. 919 ff. d.A.) und im Schriftsatz vom 31.05.2024 S. 11 ff. (= Bl. 1250 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die gegenständliche Streifenkennzeichnung eine markenmäßige Verwendung darstelle. Der Begriff der markenmäßigen Verwendung sei weit zu fassen. Für die Annahme einer markenmäßigen Benutzung sei es bereits ausreichend, dass das beanstandete Zeichen im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch als Herkunftshinweis diene. Dabei genüge die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annehme (EuGH GRUR 2003, 55 – Arsenal Football Club, Rn. 57 und 51; EuGH GRUR 2002, 692 Rn. 17 – Hölterhoff). Insbesondere befinde sich die beanstandete Kennzeichnung an der Stelle, an der innerhalb der fraglichen Branche typischerweise ein Herkunftshinweis angebracht sei. Hieran sei der Verkehr auch gewöhnt. Ausreichend sei es dabei bereits, wenn nur ein Teil des betroffenen Verkehrskreises der Verwendung des Zeichens eine markenmäßige Bedeutung beimesse. Es entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass bei besonderer Bekanntheit der verletzten Kennzeichnung regelmäßig markenmäßige Verwendung anzunehmen sei, weil der Verkehr dazu neige, die ihm bekannte Kennzeichnung wiederzuerkennen. Die Klagemarken seien bekannt, was durch die vorgelegten Umfragegutachten (LSG 13, 14, 20, 46) belegt werde. Der Endverbraucher sei bei Sport- und Freizeitbekleidung an die Verwendung bekannter Kennzeichen, wie etwa die drei Streifen von „adidas“ gewöhnt. Die Beklagten würden die Streifenkennzeichnung nach diesen Grundsätzen markenmäßig verwenden, da sie der Verkehr als Herkunftshinweis auffasse. Die streitgegenständliche Streifengestaltung an dem Bekleidungsstück finde sich an eben jener, für einen markenmäßigen Hinweis typischen Stelle. Sie erschöpfe sich nicht lediglich in einer funktionalen oder schmückenden Bedeutung. Eine besondere funktionsspezifische Nützlichkeit komme den Streifen nicht zu und stelle sich aus der Verkehrssicht auch nicht als reiner Zierrat dar. Die Streifen seien farblich kontrastiert und optisch schon wegen der Größe und Massivität von einiger Präsenz. Maßgebliche Teile des Verkehrs würden deshalb davon ausgehen, dass mit den Streifen ein Herkunftshinweis verbunden ist. Dass die Streifen zusätzlich zum Herkunftshinweis schmückend wirken würden, stehe dem nicht entgegen. Darüber hinaus könne es gerade angesichts der gerichtsbekannt außerordentlich bekannten Kennzeichnung der Klägerin nicht zweifelhaft sein, dass zumindest die Annahme bestehen kann, dass es – was ausreiche – Verbindungen zwischen den Unternehmen gebe, z.B. lizenzvertraglicher Art, wenn eine Kennzeichnung wie die streitgegenständliche verwendet werde.
Die Klägerin meint, dass in bestimmten Warensektoren eine Verkehrsgewöhnung bestehen kann, dass gewisse Zeichen (auch einfache geometrische Figuren) ggf. an bestimmten Positionen einen Herkunftshinweis darstellen. Der relevante Verkehr sei z.B. daran gewöhnt, an der Seite von Schuhen, an der Seite von Hosen oder auch an der Seite von Ärmeln in dort angebrachten Zeichen (Streifen, Häkchen, Vektor, etc.) einen Herkunftshinweis zu erkennen. Die Klägerin meint unter Verweis auf S. 65 ff. des Schriftsatzes vom 30.12.2022 (= Bl. 398 ff. d.A.) und Anlage LSG 38, dass es eine gängige Kennzeichnungspraxis gebe, Kleidungsstücke am Oberarm mit den Oberarm umlaufenden Zeichen als Herkunftshinweis zu versehen. Hierbei merkt sie an, dass es dabei nicht darum gehe, ob hier eine Wortmarke, eine Bildmarke, eine Positionsmarke, etc. angebracht sei. Es sei lediglich entscheidend, dass das Verkehrsverständnis im Bereich der Oberbekleidung dergestalt festzustellen ist, dass der relevante Verkehr in Deutschland daran gewöhnt sei, an eben jener Stelle (Ärmel eines Oberbekleidungsstücks) jedenfalls auch einen Herkunftshinweis zu finden.
Der Begriff des kennzeichenmäßigen Gebrauchs im Rahmen des § 15 Abs. 2 MarkenG sei im Interesse eines umfassenden Kennzeichenschutzes weit auszulegen. Das angegriffene Zeichen müsse aus der Perspektive seines Durchschnittsadressaten als Hinweis auf den Unternehmensträger, auf das Unternehmen oder auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen verstanden werden können. »Können« bedeute hier im Wortsinne, dass die bloße objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit eines solchen Verkehrsverständnisses ausreiche. Nur wenn das angegriffene Zeichen zweifelsfrei nicht in diesem Sinne aufgefasst werden könne, sei ein kennzeichenmäßiger Gebrauch zu verneinen (Goldmann, Unternehmenskennzeichen, 5. Auflage 2023, D. Die kennzeichenmäßige Benutzung, Rn. 90). Diese Ausführungen würden für Marken entsprechend gelten, da es bei beiden um die gleichen grundsätzlichen Fragen eines kennzeichenmäßigen/markenmäßigen Gebrauch gehe. Die Heranziehung von Rechtsansichten zu Form- und Mustermarken sei für den vorliegenden Fall deswegen nicht angezeigt, da es hier um eine Positionsmarke gehe. Insbesondere bei markentypischer Positionierung wie hier sei daher regelmäßig von rechtsverletzender Benutzung auszugehen. Es sei auch kein schutzwürdiges Bedürfnis erkennbar, ausgerechnet fremde Marken zur Ausschmückung des eigenen Produkts verwenden zu dürfen. Vielmehr könne gerade auch die Verwendung einer Marke als Teil dekorativer Produktgestaltung ohne weiteres die spezifischen markenrechtlich anerkannten Interessen des Kennzeicheninhabers verletzen, insbesondere wegen Verwässerungswirkungen und in Form der weit verbreiteten Ausnutzung des Aufmerksamkeitseffektes bekannter Marken. Die ornamentale Verwendunq fremder Marken oder diesen ähnliche Zeichen werde sich häufig als (zumindest auch) herkunftshinweisende und damit rechtsverletzende Benutzunq darstellen. Soweit eine fremde Marke ausschließlich als Ornament verwendet werde, würden meist die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 MarkenG erfüllt sein, denn praktisch seien es allein bekannte Marken und deren besonderes Image, welches Dritte zu einer Ausbeutung in Form von ornamentalen Verwendungen verleite. Die für die Annahme einer Verletzungshandlung insoweit erforderliche, aber auch ausreichende gedankliche Verknüpfung mit der bekannten Marke liege laut Klägerin hier vor. Selbst wenn – wie nicht – der Verkehr lediglich eine „Produktausstattung“ in der Vier-Streifen-Kennzeichnung erblicken sollte, so würde er aufgrund der sehr ähnlichen berühmten Drei-Streifen-Marke gleichwohl eine „gedankliche Verknüpfung“ herstellen, die zur Bejahung der rechtsverletzenden Benutzung genüge. Insgesamt sehr treffend fasse das LG Düsseldorf in seiner Entscheidung (GRUR-RS 2020, 5540 – Drei Streifen auf Ärmel) die rechtlichen Rahmenbedingungen zusammen. Es habe ausgeführt aus, dass die Anbringung des Streifenbandes, das dem angesprochenen Verkehr als drei parallele Streifen auf der Ärmelpartie des Bekleidungsstücks entgegentrete, der Kennzeichnung der Herkunft des T-Shirts aus einem bestimmten Unternehmen diene und damit herkunftshinweisend erfolgt sei. Insbesondere werde der angesprochene Verkehr die Drei-Streifen-Kennzeichnung nicht lediglich als bloße dekorative Verzierung auffassen. Denn er sei angesichts der ihm bekannten Kennzeichnungspraxis der Klägerin daran gewöhnt, in der in Rede stehenden Aufmachung von Bekleidungsstücken einen Herkunftshinweis zu sehen. Der Einstufung als herkunftshinweisende Benutzung stehe nicht entgegen, dass die Streifen auf dem T-Shirt der Beklagten auch als Verzierung aufgefasst würden, so das LG Düsseldorf laut der Klägerin. Diese Ausführungen seien auf den vorliegenden Fall ohne weiteres übertragbar, denn in beiden Fällen ginge es um die Frage einer markenmäßigen Benutzung von Streifen auf dem Ärmel eines Oberbekleidungsstücks. Blickfang und Bekanntheit würden hier für eine markenmäßige Benutzung sprechen. In der Kommentarliteratur würden die „Drei Streifen“ der Klägerin ein Lehrbuchbeispiel für markenverletzende Benutzunq darstellen (vgl. Goldmann, Unternehmenskennzeichen, 5. Auflage 2023, D. Die kennzeichenmäßige Benutzung, Rn. 265 ff). Da es sich bei den Klagemarken 2 und 3 gerichtsbekannt um überragend bekannte Zeichen handele, sei regelmäßig von einer markenmäßigen Benutzung auszugehen, wenn eine entsprechende Annäherung erfolge.
Die zur Frage einer markenmäßigen Benutzung von den Beklagten herangezogene Entscheidung des EUIPO, wonach die Eintragung der Vier-Streifen-Kennzeichnung der Beklagten als Marke mangels Unterscheidungskraft abgelehnt wurde (Anlage B 33), sei für die zu beurteilende Frage der markenmäßigen Benutzung im Verletzungsfall irrelevant. Das EUIPO setze sich bekanntermaßen nie mit der Fragestellung eines Verletzungsprozesses auseinander. Auch Zeichen, die von einem Amt als nicht von Haus aus unterscheidungskräftig angesehen werden, könnten eine Marke verletzen. Es komme anders als bei der originären Unterscheidungskraft nur darauf an, ob in einem beanstandeten Zeichen auch der Eindruck eines Herkunftshinweises entstehen könnte.
Soweit die Beklagte meint, dass die Anbringung weiterer Kennzeichen regelmäßig dazu führen würde, dass eine markenmäßige Benutzung von Streifen ausgeschlossen ist, sei dies so pauschal nicht richtig. Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten zitierte Rechtsprechung aus dem Süßwarenbereich sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Vielmehr sei erst Recht von einer markenmäßigen Benutzung auszugehen, wenn wie hier kein anderweitiges Aufmachungsmerkmal als Herkunftshinweis in Betracht komme.
Streitgegenständlich sei die konkret beanstandete Vier-Streifenkennzeichnung wie aus dem Klageantrag ersichtlich. Weitere Kennzeichen im Online-Shop seien nicht einzubeziehen. Auch das Nackenetikett auf der Innenseite sei nicht streitgegenständlich, da dieses in den angegriffenen Verwendungsweisen nicht sichtbar sei. Auch in der typischen Produktpräsentation im stationären Handel (auf Kleiderbügeln hängend an Stangen) sei das Innenlabel nicht sichtbar – zum einen verdecke der Kleiderbügel diesen Bereich und zum anderen sei bei der typischen Seitenansicht nur die Vier-Streifenkennzeichnung sichtbar.
Auch unter dem Aspekt des Co-Brandings könne es naheliegen – aufgrund einer Gewöhnung des Verkehrs in einem bestimmten Warensektor neben einer bekannten Marke Zweitkennzeichen zu finden – dass in einer bestimmten Aufmachung (z.B. Streifenkennzeichnung) ein (weiterer) Herkunftshinweis erkannt werde. Unter Verweis auf das Urteil des OLG Hamburg vom 14.08.2013, Az. 3 U 60/12, – betreffend Schuhe – meint die Klägerin, dass in der Rechtsprechung davon ausgegangen werde, dass der Verkehr gerade auf dem Sektor der Sport- und Freizeitbekleidung an die Anbringung von Zweitkennzeichen neben einer bekannten Marke gewöhnt sei. Was das „Co-Branding“ anbelange, habe es im Bereich der Luxusartikel eine aufsehenerregende Kooperation mit Gucci gegeben, die insbesondere auch die Verwendung der horizontalen Drei-Streifen-Marke vorsehe (vgl. Lichtbilder auf S. 113-115 des Schriftsatzes vom 20.12.2023 = Bl. 987-989 d.A.).
Hinsichtlich der Kennzeichnungsgewohnheiten im entsprechenden Warensektor sei es bereits ausreichend, nur auf diejenigen der Klägerin abzustellen. Der enorme Werbeaufwand und die Tatsache, dass die Drei-Streifen-Kennzeichnung (in unterschiedlichen Variationen mit gleichbleibendem Kern) der Klägerin jedermann im täglichen Leben gegenübertrete – und zwar nicht nur im Sportbereich, sondern auch bei Freizeit- und Alltagskleidung – würden dafür sorgen, dass jedenfalls ein nicht völlig unerheblicher Teil des Verkehrs auch in der beanstandeten Verwendung einen Herkunftshinweis sehe. Die Annahme, dass nicht einmal ein markenrechtlich relevanter Teil des Verkehrs von 10-15% die streitgegenständliche Vier-Streifenkennzeichnung nicht als Herkunftskennzeichnung auffassen würde, sei realitätsfern und im Übrigen durch das eingeholte Meinungsgutachten widerlegt – wonach über 44% der Befragten das Produkt mit der streitgegenständlichen Vier-Streifenkennzeichnung der Klägerin zuordnen würden.
Die Anmeldung der angegriffenen Vier-Streifen-Kennzeichnung der Beklagten zu 1) beim EUIPO (Anlage B 33) bestätige die Absicht der markenmäßigen Benutzung.
Die Klägerin meint, dass zwischen den Klagemarken und dem angegriffenen Zeichen Zeichenähnlichkeit bestehe. Die Klagemarke 1) der Klägerin bestehe aus drei parallel verlaufenden, gleich breiten und gleich großen Streifen, die horizontal verlaufend um den Ärmel eines Oberbekleidungsstücks angebracht seien. Die Streifen würden dabei farblich zur sonstigen Oberfläche des Oberbekleidungsstücks kontrastieren. Die angegriffene Kennzeichnung der Beklagten weise parallel verlaufende Streifen auf, die horizontal verlaufend um den Ärmel eines Oberbekleidungsstücks angebracht seien. Die vier Streifen seien gleich breit und gleich groß. Die Streifen würden dabei farblich zur sonstigen Oberfläche des Oberbekleidungsstücks kontrastieren. Unbeschadet der Unterschiede sei eine hochgradige Zeichenähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen gegeben, da dem Verkehr vor allem die insoweit übereinstimmenden mit der Oberfläche des Grundstoffes farblich kontrastierenden, horizontal verlaufenden Streifen dauerhaft in Erinnerung bleiben würden.
Die Klagemarke 2) der Klägerin bestehe aus drei parallel verlaufenden, gleich breiten und gleich großen Streifen, die von oben nach unten über die gesamte Außenseite der Ärmel eines Oberbekleidungsstücks verlaufend angebracht und mittig angeordnet seien. Die Streifen würden dabei farblich zur sonstigen Oberfläche des Oberbekleidungsstücks kontrastieren. Unbeschadet der Unterschiede sei eine Zeichenähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen gegeben, da dem Verkehr vor allem die insoweit übereinstimmenden mit der Oberfläche des Grundstoffes farblich kontrastierenden, parallel verlaufenden, gleich langen, gleich breiten und gleich großen Streifen dauerhaft in Erinnerung bleiben würden.
Die Klägerin meint, dass Abweichungen bei Positionsmarken, die eine gewisse Bekanntheit erreicht hätten, etwa in der Länge, Zahl oder Positionierung von Streifen, nicht ohne Weiteres ausreichen würden, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern. Nach der Entscheidung des OLG München (GRUR-RR 2016, 336 Rn. 45 – BioWeb-Formstreifen) soll es für die Annahme einer Ähnlichkeit ausreichen, wenn sich die jeweiligen Positionen der beiden Vergleichszeichen wie vorliegend zumindest teilweise überschneiden. Hinsichtlich der Klagemarken 2 und 3 handele es sich bei dem angegriffenen Zeichen um eine Drehung um 180 Grad, was ausreichend sei, wenn nach Art des Produktes eine Wahrnehmung des Zeichens auch auf dem Kopf naheliegend ist. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass der Verkehr an Variationen der bekannten Drei-Streifen-Kennzeichnung gewöhnt sei.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Omnipräsenz der Drei-Streifen-Kennzeichnung – im TV, in den sozialen Medien, in den Printmedien, auf der Straße, im Sport, in der Werbung (Bayern München, Deutsche Nationalmannschaft, etc.) – und der stetig steigende Umsatz, sowie die enormen Werbeaufwendungen und Marketingkampagnen dazu führen würden, dass die Drei Streifen jedermann bekannt seien. Dies wiederum führe unweigerlich dazu, dass jedermann die Kennzeichnungspraxis der Klägerin bekannt sei. Diese Auffassung werde auch durch das von der Klägerin in Auftrag gegebene Meinungsgutachten bewiesen, da über 44% der Befragten die hier streitgegenständliche Vier-Streifenkennzeichnung mit der Klägerin in Verbindung brächten.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass aufgrund des Ergebnisses der Umfrage durch Frau Dr. P (Anlage LSG 46) eine deutlich über die frühere Umfrage (Anlage LSG 14) hinausgehende Kennzeichnungskraft der Klagemarke 1) belegt sei. Ausweislich der Umfrage durch Frau Dr. P würde die Klagemarke 1) einen Bekanntheitsgrad von 61,6%, und einen Kennzeichnungsgrad von 48,7% besitzen. Die Umfrage belege damit nicht nur den zur Entstehung des Schutzes der Benutzungsmarke weit überfüllten Kennzeichnungsgrad, sondern auch die Berühmtheit der Klagemarke, die gesonderten Schutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 Markengesetz für sich in Anspruch nehmen könne.
Die Klägerin meint, dass auch § 5 Abs. 2 UWG einschlägig sei, da der Verkehr bei einer Streifenkennzeichnung davon ausgehe, dass es sich um Waren der Klägerin unter Verwendung ihrer Kennzeichenrechte handele. §§ 3, 4 Nr. 3 UWG seien unter dem Aspekt des Anhängens an fremden Ruf bzw. der Rufausbeutung ebenfalls einschlägig. Die Streifenkennzeichnung der Klägerin sei außerordentlich bekannt und erfreue sich eines hervorragenden Rufes. Es komme der Streifenkennzeichnung daher eine erhebliche wettbewerbliche Eigenart im Sinne der Rechtsprechung zu.
Das angerufene Gericht sei nach §§ 17, 32 ZPO örtlich zuständig. Die Beklagte zu 1) biete die streitgegenständlichen Produkte im Internet an und liefere die Ware durch die Beklagte zu 2) nach Deutschland, somit grundsätzlich innerhalb der gesamten Bundesrepublik und gerade auch im hiesigen Gerichtsbezirk, wie der durchgeführte Testkauf zweifelsfrei belegt habe.
Die Klägerin beantragte in der Klageschrift:
1. Die Beklagte zu 1) wird bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren – die Ordnungshaft zu vollziehen an den jeweils vertretungsberechtigten Personen – verboten, in der Bundesrepublik Deutschland Bekleidung anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und/oder einzuführen oder auszuführen sowie zu bewerben, die mit einer Streifen-Kennzeichnung gemäß nachstehenden Abbildungen versehen sind:
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2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Handlungen gemäß Ziff. I, und zwar über die Herkunft und den Vertriebsweg der Waren gemäß Ziff. I (Name und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren), ferner Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die erzielten Umsätze (€ und Stückzahlen) sowie über den durch den Vertrieb der fraglichen Waren erzielten Gewinn und die betriebene Werbung (Werbeträger, Auflagenhöhen, Erscheinungszeiten, Verbreitungsgebiete, Abrufzahlen im Internet), wobei den Beklagten auferlegt wird, die entsprechenden Belege vorzulegen, nämlich Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Rechnungen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin all jene Schäden zu ersetzten, die ihr durch Handlungen gemäß Ziff. I. entstanden sind und noch entstehen werden.
Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin die durch die Handlung gemäß Ziff. I. erlangte ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben.
4. Die Beklagte zu 2) wird bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren – die Ordnungshaft zu vollziehen an den jeweils vertretungsberechtigten Personen – verboten, in der Bundesrepublik Deutschland Bekleidung anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und/oder einzuführen oder auszuführen sowie zu bewerben, die mit einer Streifen-Kennzeichnung gemäß nachstehenden Abbildungen versehen sind:
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5. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Handlungen gemäß Ziff. I, und zwar über die Herkunft und den Vertriebsweg der Waren gemäß Ziff. I (Name und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren), ferner Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die erzielten Umsätze (€ und Stückzahlen) sowie über den durch den Vertrieb der fraglichen Waren erzielten Gewinn und die betriebene Werbung (Werbeträger, Auflagenhöhen, Erscheinungszeiten, Verbreitungsgebiete, Abrufzahlen im Internet), wobei den Beklagten auferlegt wird, die entsprechenden Belege vorzulegen, nämlich Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Rechnungen.
6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin all jene Schäden zu ersetzten, die ihr durch Handlungen gemäß Ziff. IV. entstanden sind und noch entstehen werden.
Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin die durch die Handlung gemäß Ziff. IV. erlangte ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben.
31
Das Gericht erließ gegen die Beklagte zu 2) am 17.05.2022 und gegen die Beklagte zu 1) am 23.08.2022 antragsgemäß Versäumnisurteil. Das Versäumnisurteil vom 17.05.2022 wurde der Beklagten zu 2) am 02.09.2022 zugestellt. Das Versäumnisurteil vom 23.08.2022 wurde der Beklagten zu 1) am 19.01.2023 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 04.10.2022, eingegangen bei Gericht am 04.10.2022, legte die Beklagte zu 2) Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 17.05.2022 ein. Die Beklagte zu 1) legte Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 23.08.2022 mit Schriftsatz vom 23.01.2023 ein, der am gleichen Tag bei Gericht einging.
Die Klägerin beantragte zuletzt,
Die Versäumnisurteile vom 17.05.2022 und 23.08.2022 werden aufrechterhalten.
Die Beklagten beantragten,
- 1.
- Die Versäumnisurteile vom 17.05.2022 und 23.08.2022 werden aufgehoben.
- 2.
- Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten vertreten die Rechtsauffassung, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht bestünden und daher die Versäumnisurteile aufzuheben seien und die Klage abzuweisen sei. Die von der Klägerin vorgetragenen, jüngst ergangenen Gerichtsentscheidungen zu ihren Gunsten betreffend vergleichbare Vier-Streifen-Kennzeichnungen am Ärmel seien ohne Wert, da sie in Verfügungsverfahren ohne schriftliche Vorverfahren und mündliche Verhandlung ergangen seien. Die jeweiligen Antragsgegner seien anwaltlich nicht vertreten gewesen und hätten sich in der Sache nicht verteidigt.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Klagemarke 1 schon nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig sei. Die Klagemarke 1 sei nicht entstanden, weil es an der erforderlichen intensiven Benutzung fehle, um sich auf eine Benutzungsmarke berufen zu können. Es sei unklar, wofür die Klägerin konkret Schutz beanspruchen möchte. Es fehle an einer genauen Festlegung, was das Zeichen ausmachen soll. Das in Rede stehende Zeichen würde nach dem klägerischen Vortrag nicht an stets gleich bleibender Stelle in gleicher Form und Größe auf einem bestimmten Träger angebracht, was aber Voraussetzung für eine Benutzungsmarke sei. Die von der Klägerin behauptete Benutzung gemäß Anlage LSG 34 sei nicht ausreichend. Zudem fehle für die Klagemarke 1 die aufgrund der Einfachheit des Zeichens erforderliche qualifizierte Verkehrsgeltung von deutlich über 50%. Eine solche werde schon nach den von der Klägerin vorgelegten Gutachten nicht erreicht. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft oder gar Berühmtheit sei abwegig und durch nichts belegt. Hinsichtlich der Klagemarke 3 meinen die Beklagten, dass aufgrund der von der Klägerin vorgetragenen Beschreibung ein dem Markenschutz nicht zugängliches variables Zeichen vorliege, so dass ein Schutz als Benutzungsmarke abzulehnen sei. Soweit sich die Klägerin auf eine Verletzung ihrer Rechte aus einer notorisch bekannten Marke gemäß § 4 Nr. 3 MarkenG berufen möchte, sei der Vortrag nicht einlassungsfähig, da völlig unklar sei, was der vermeintliche Schutzgegenstand ist.
Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass die Klägerin in der Modebranche kein Monopol auf Streifen habe und dass es vorliegend an einer markenmäßigen Benutzung bzw. der erforderlichen gedanklichen Verknüpfung fehle. Dies sei regelmäßig dann der Fall, wenn das Zeichen nach der Tatsachenwürdigung durch das zuständige Gericht nur als Verzierung aufgefasst werde. Das Anbringen von Streifen auf Bekleidungsstücken und Accessoires sei ein gängiges Stilmittel, was die mitgeteilten Beispiele (Anlagen B6, B7, B37, B52 ff., B88, B99, B102) eindrucksvoll belegen würden. Diese Artikel seien allesamt in Deutschland zum Kauf angeboten worden, wie sich anhand der Screenshots zweifelsfrei zeige. Die Beklagten meinen, dass es keine gängige Kennzeichnungspraxis gebe, Kleidungsstücke am Oberarm mit Streifen bzw. Ringen als Herkunftshinweis zu versehen. Stattdessen würden solche Streifen bzw. Ringe am Ärmel dekorativ gebraucht, wie die vorgebrachten Beispiele belegen würden.
Auch das OLG Düsseldorf habe jüngst hinsichtlich zwei angegriffener Hosen mit Zwei- bzw. Drei-Streifenkennzeichnungen entschieden, dass es an einer markenmäßigen Benutzung fehle, weil der angesprochene Verkehr die an der seitlichen Außenseite der Hosen angebrachten Zwei-Streifen- bzw. Drei-Streifen-Kennzeichnungen als reine Verzierung wahrnehme (Urteil vom 28.05.2024, Az. 20 U 120/23). Wenn dies schon für die drei Streifen entlang der Außenseite gelte, müsse dies umso mehr für die weitaus weniger bekannten Ringe am Ärmel gelten, weshalb diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall ohne weiteres übertragbar sei.
Die im Unterlassungsantrag eingeblendeten Angebote würden ausweislich der unmissverständlichen Ankündigung in den Angeboten Produkten der Marke „THOM BROWNE “ gelten. Diese Marke sei auf der Webseite der Beklagten, der die streitgegenständlichen Fotos entnommen seien, stets am oberen Rand, zentral in der Mitte der Webseite abgebildet. Das Produkt selbst trage zudem ein eingenähtes Etikett mit der Marke „Thom Browne“ (vgl. Screenshot im Schriftsatz vom 04.11.2022, S. 58, 59 = Bl. 257, 258 d.A.). Das Zeichen „THOM BROWNE“ weise keine beschreibenden Anklänge auf und ist von Haus aus kennzeichnungskräftig und damit klar als Produktmarke erkennbar.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass die hier angesprochenen, maßgeblichen Verkehrskreise nicht Käufer von Sportbekleidung seien, sondern Käufer von Kleidung aus dem hochpreisigen Luxussegment, welche besonders markenbewusst und aufmerksam seien. Der Luxuscharakter einer Marke sei nicht im Wege einer Verkehrsbefragung nachweisbar, da der Durchschnittsverbraucher, auf den derartige Studien allein abzielen können, hier vor vornherein kein tauglicher Maßstab sei. Der deutsche Durchschnittsverbraucher sei nicht der angesprochene Verkehrskreis, wenn es um die Waren der Beklagten gehe, weshalb die von der Klägerin vorgelegten Umfragegutachten irrelevant seien. Zudem handele es sich bei dem in Rede stehenden Kleidungsstück der Beklagten nicht um eine Sportjacke, sondern um eine Strickjacke, was sich bereits aus dem Material der Jacke (Waffelstrick) ergebe.
Die angegriffene Gestaltung reihe sich in eine Vielzahl von Artikeln der Oberbekleidung ein, die am Ärmel dekorative Elemente aufweisen würden, darunter auch viele simple Elemente wie Streifen- oder Kreisformen. Insbesondere auf Höhe des Ellenbogens erwarte der Verkehr keinen Herkunftshinweis. Damit ein Zeichen an dieser Stelle als Herkunftshinweis verstanden werde, müsse ein deutlich höheres Maß an Unterscheidungskraft erforderlich sein, als es etwa simpelsten geometrischen Formen wie den angegriffenen Streifen innewohne.
Eine markenmäßige Benutzung sei zu verneinen, weil die von der Klägerin angegriffene Produktgestaltung ihrem Charakter nach rein dekorativ und von Haus aus nicht geeignet sei, als Herkunftshinweis wahrgenommen zu werden. Das EUIPO habe im Hinblick auf die Unionsmarkenanmeldung der Beklagten zu 1), die dem hier angegriffenen Zeichen ähnele, bereits final entschieden, dass das Zeichen gerade nicht als Marke wahrgenommen werde, sondern rein dekorativ wirke (Anlage B 33).
Eine markenmäßige Benutzung müsse nach der Rechtsprechung des BGH positiv festgestellt werden, was hier aber nicht der Fall sei. Daher sei eine Markenverletzung zu verneinen.
Die Beklagten meinen, dass die Klagemarken von Haus aus nicht unterscheidungskräftig seien und verweisen hierfür u.a. auf eine Entscheidung des EUIPO aus dem Jahr 2023, welche die Klägerin anerkannt habe (Anlagen B 104 und 105). Die Klägerin habe im März 2023 gegenüber dem EUIPO anerkannt, dass einer vertikalen „Drei-Streifen-Kennzeichnung“ als Benutzungsmarke längs des Ärmels keinerlei originäre Unterscheidungskraft zukomme und damit zwangsläufig auch einer irgendwie gearteten horizontalen „Drei-Streifen-Kennzeichnung“, die um den Ärmel herum verlaufe, unter keinen Umständen eine originäre Unterscheidungskraft zukommen könne.
Selbst wenn man der Meinung sein sollte, dass sich die Klägerin im Hinblick auf die konkrete Positionierung ihres Zeichen bereits hinreichend festgelegt habe, wäre zu berücksichtigen, dass anders als die Klägerin dies darstelle, allein aus der Kombination eines Zeichens mit einer bestimmten Positionierung keinesfalls automatisch die Unterscheidungskraft der so gestalteten Positionsmarke folge. Das Gegenteil sei der Fall: Positionsmarken, die unmittelbar an einer Ware angebracht sind, seien eben nun einmal nur dann unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. b) UMV bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweichen würden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Streifenapplikationen auf Bekleidungsartikeln seien am Markt allgegenwärtig, was anhand der vorgelegten Beispiele ersichtlich sei.
Zu der von der Klägerin als Benutzungsmarke in Anspruch genommenen Drei-Streifen-Muster bestehe keine hochgradige Ähnlichkeit, denn eine horizontale Drei-Streifen-Kennzeichnung und ein aus vier Streifen bestehendes Muster würden sich deutlich genug unterscheiden durch den zusätzlichen bzw. fehlenden vierten Streifen, so dass jedenfalls von einer „hochgradigen“ Ähnlichkeit keine Rede sein könne. Weiter sind die Beklagten der Auffassung, dass die Klagemarken 2) und 3) komplett unähnlich zum angegriffenen Zeichen seien, weil es sich um eine grundlegend andere Position handele. Der bei Luxusprodukten aufmerksame Verkehr würde das hier angegriffene Zeichen und die Klagemarken nicht verwechseln.
Hinsichtlich der von der Klägerin zur Begründung einer Markenverletzung bemühten „Post-Sale-Confusion“ sei auszuführen, dass der EuGH eine Verwechslungsgefahr nach dem Zeitpunkt des Erwerbs mit der Begründung abgelehnt habe, dass sich der für den Zeichenvergleich maßgebliche Aufmerksamkeitsgrad nach den Verhältnissen bei der Wahrnehmung zum Erwerbszeitpunkt richte. So sehe es auch der BGH, der in seiner Entscheidung Bogner B/Barbie B (BGH GRUR 2012, 930, 935 Tz. 53) betone, dass es für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit und der Verwechslungsgefahr in erster Linie auf die Kaufsituation ankomme.
Die Beklagten meinen, dass es sich vorliegend nicht um einen Fall des sog. Co-Brandings handele, weil ein solches nur dann vorliege, wenn der Verkehr eindeutig und unmissverständlich die Marken beider Unternehmen hinter den Produkten wahrnehme, was hier nicht der Fall sei.
Die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche nach dem UWG bestünden laut den Beklagten nicht, da dem Zeicheninhaber über das Lauterkeitsrecht zum Schutz vor Herkunftstäuschungen keine Rechtsposition gewährt werden dürfe, die ihm nach dem Markenrecht nicht zustehe. Weil mangels markenmäßiger Benutzung keine markenrechtlichen Ansprüche gegeben seien, können daher die hier hilfsweise auf das UWG gestützten Ansprüche nicht zum Erfolg führen.
Die Beklagten sind zudem der Auffassung, dass das Landgericht Nürnberg-Fürth nicht zuständig sei, weil der Testkauf nach M. und nicht nach Nürnberg geliefert worden sei. Der Klageantrag bzw. der Tenor der Versäumnisurteile sei nach Ansicht der Beklagten zu unbestimmt, da nicht hinreichend klar sei, auf welche Art von Bekleidungsstücken das Verbot sich beziehe.
Ergänzend wird ausdrücklich auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2024 Bezug genommen. Die Anlagen LSG 5 (Verletzungsmuster aus dem Testkauf) und LSG 6 (Kapuzenjacke der Klägerin) sind in der Verhandlung am 21.06.2024 in Augenschein genommen worden.
Entscheidungsgründe
Aufgrund der zulässigen Einsprüche der Beklagten waren das Versäumnisurteil vom 17.05.2022 gegen den Beklagten zu 2) und das vom 23.08.2022 gegen die Beklagte zu 1) aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die zulässige Klage ist unbegründet.
A. Zulässigkeit der Einsprüche gegen die Versäumnisurteile
Die Einsprüche der Beklagten gegen die Versäumnisurteile sind zulässig.
I. Statthaftigkeit und Form, §§ 338, 340 ZPO
Insbesondere sind die Einsprüche der Beklagten gegen die erlassenen Versäumnisurteile statthaft und formgerecht, § 338 ZPO. Die Beklagten erhoben Einspruch mit Anwaltsschriftsätzen vom 04.10.2022 und 23.01.2023.
II. Frist, § 339 ZPO
Die Einsprüche erfolgten fristgerecht, § 339 ZPO. Gegen das Versäumnisurteil vom 17.05.2022 gegen die Beklagte zu 2), zugestellt am Freitag, den 02.09.2022, ging der Einspruch am 04.10.2022 ein. Dies ist fristgerecht, da der 02.10.2022 ein Sonntag und der 03.10.2022 ein Feiertag war, §§ 222 Abs. 1 ZPO, 193 BGB. Gegen das Versäumnisurteil vom 23.08.2022 gegen die Beklagte zu 1), zugestellt am 19.01.2023, ging der Einspruch am 23.01.2023 ein.
B. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist zulässig.
I. Anwendbarkeit deutschen Rechts
Deutsches Recht ist anwendbar, Art. 8 Abs. 1 Rom II VO. Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ist das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Die Klägerin beansprucht Schutz für Markenrechte in Deutschland.
II. Zuständigkeit
1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist sachlich zuständig, § 140 Abs. 1 MarkenG. Es handelt sich um eine Kennzeichenstreitsache, da die Klägerin Ansprüche aus Marken geltend macht. Der Umstand, dass die Klägerin ihre Ansprüche hilfsweise auf UWG stützt, hat keinen Einfluss auf die gegebene Zuständigkeit, § 141 MarkenG.
2. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist international zuständig, Art. 7 Nr. 2, 8 Nr. 1 EuGVVO. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Die Klägerin macht vorliegend die Verletzung deutscher Markenrechte geltend. Die Lieferung des Testkaufs erfolgte durch die Beklagte zu 2) nach M. (vgl. Rechnung LSG 2). Die Zuständigkeit ist auch für aufgrund von Begehungsgefahr bestehende Ansprüche gegeben. Dass die Ware zwar nach M., nicht aber auch in den hiesigen Gerichtsbezirk geliefert worden wäre, wurde nicht behauptet.
3. Das angerufene Gericht ist örtlich zuständig, § 140 Abs. 2 MarkenG, § 32 ZPO. Die Beklagte zu 1) bietet die streitgegenständlichen Produkte über ihre Webseite auch deutschen Kunden an, wie der Hinweis „SHIPPING TO GERMANY“ auf der Webseite der Beklagten zu 1) verdeutlicht. Vorliegend lieferte sie den Testkauf durch die Beklagte zu 2) nach M., somit grundsätzlich innerhalb der gesamten Bundesrepublik und also auch im hiesigen Gerichtsbezirk (vgl. Anlage LSG 2). Es wurde nicht behauptet, dass eine Lieferung zwar nach M., nicht aber in den hiesigen Gerichtsbezirk erfolgen würde.
4. Die Kammer für Handelssachen ist funktionell zuständig, §§ 95 Abs. 1 Nr. 4 lit. c, 96 Abs. 1 MarkenG.
III. Bestimmtheit des Klageantrags
Die Klageanträge sind ausreichend bestimmt.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – I ZR 82/08 –, juris Rn. 12).
Nach dem Unterlassungsantrag soll den Beklagten untersagt werden, Bekleidung anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und/oder einzuführen oder auszuführen sowie zu bewerben, die mit einer Streifen-Kennzeichnung gemäß den eingefügten Abbildungen versehen sind. Weil die Klägerin in ihrem Unterlassungsantrag auf die konkrete Verletzungsform Bezug nimmt, ist der Antrag hinreichend bestimmt (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – I ZR 82/08 –, juris Rn. 12; BGHZ 156, 126, 131 f. – Farbmarkenverletzung I).
IV. Feststellungsinteresse bzgl. des Feststellungsantrags, § 256 ZPO
Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Die Klagepartei kann die von ihr behaupteten Schadensersatzansprüche erst nach Erteilung der beantragten Auskünfte beziffern. Der Klägerin droht eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch, dass die Beklagten eine Verpflichtung zum Schadensersatz bestreiten. Außerdem hemmt der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, woran die Klägerin ein berechtigtes Interesse hat.
C. Begründetheit
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Feststellungsansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere nicht nach § 14 Abs. 5, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 6 MarkenG und §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 5 Abs. 2, 4 Nr. 3 UWG. Daher waren die Versäumnisurteile aufzuheben, und die Klage war abzuweisen, § 343 S. 2 ZPO.
I. Ansprüche nach dem MarkenG
Ein Unterlassungsanspruch wegen einer Verletzung der Klagemarken besteht nicht, § 14 Abs. 5 S. 1 MarkenG. Demzufolge stehen der Klägerin keine Auskunfts-, Schadensersatz- bzw. Herausgabeansprüche nach §§ 14 Abs. 6, 19 MarkenG, 812 BGB zu. Es fehlt an einer markenmäßigen Benutzung (siehe nachfolgend Ziff. C.I.1.) der angegriffenen Streifenkennzeichnung bzw. an einer gedanklichen Verknüpfung (siehe unten Ziff. C.I.2).
1. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG.
Nach dieser Vorschrift ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
a) Vorliegend kann es dahinstehen, ob die Voraussetzungen des Schutzes als Benutzungsmarke gemäß § 4 Nr. 2 MarkenG für die geltend gemachte „horizontale Drei-Streifen-Kennzeichnung“ (Klagemarke 1) und die „traditionelle Drei-Streifen-Kennzeichnung“ (Klagemarke 3) vorliegen. Denn es fehlt jedenfalls für einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 MarkenG an einer markenmäßigen Benutzung der angegriffenen Kennzeichnung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, nur widersprechen, wenn diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Zu den Funktionen der Marke gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, auch ihre anderen Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. EuGH GRUR 2010, 841 – Portakabin/Primakabin; GRUR 2010, 445 – Google France und Google). Wenn die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens keine der Funktionen der Marke beeinträchtigt, kann der Markeninhaber sie nicht untersagen (EuGH GRUR 2010, 841 – Portakabin/Primakabin). Die Verwendung eines Zeichens zu rein beschreibenden Zwecken stellt nach der Markenrichtlinie keine Verletzung dar (EuGH GRUR 2003, 55 – Arsenal FC).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine rechtsverletzende Benutzung eines Zeichens vor, wenn dieses durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH GRUR 2019, 522 – SAM; GRUR 2018, 924 – ORTLIEB; GRUR 2015, 1201 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot). Für die Frage der zeichenmäßigen Benutzung eines Zeichens kommt es nicht auf dessen Zweckbestimmung durch den Verwender, sondern allein darauf an, ob ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht (BGH GRUR 2019, 522 Rn. 26 – SAM; GRUR 2009, 484 Rn. 61 – METROBUS). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH GRUR 1988, 307- Gaby). Dabei wird die Verkehrsauffassung auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (vgl. EuGH, GRUR 2008, 698 Rn. 64 – O2Hutchison; BGH, GRUR 2002, 809, – FRÜHSTÜCKS-DRINK I; GRUR 2010, 838 Rn. 20 – DDR-Logo; GRUR 2012, 1040 Rn. 19 – pjur/pure; GRUR 2017, 520 – MICRO COTTON). Bei der Beurteilung, ob ein Zeichen in Verkaufsangeboten, in Katalogen oder im Internet als Herkunftshinweis erkannt wird, sind diese Angebote in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BGH, GRUR 2019, 1289 Rn. 33 – Damen Hose MO).
Abzustellen ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (vgl. BGH, GRUR 2004, 865 – Mustang). Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten. Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren (BGH GRUR 2018, 932 Rn. 18 – #darferdas?). Bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern, die auf der Vorderseite oder der Rückseite von Bekleidungsstücken angebracht sind, geht der Verkehr nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis; ob dies der Fall ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall (BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 20 – DDR-Logo; GRUR-RR 2010, 359 – CCCP; GRUR 2017, 730 Rn. 22 – Sierpinski-Dreieck). Dagegen wird der Verkehr in Zeichen, die sich auf eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken befinden, regelmäßig einen Herkunftshinweis sehen (BGH GRUR 2018, 932 Rn. 18 – #darferdas?; GRUR 2008, 1093 Rn. 22 – Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2017, 730 Rn. 22 – Sierpinski-Dreieck). Erforderlich ist jedoch in jedem Einzelfall die positive Feststellung, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt (BGH GRUR 2019, 1289 – Damen Hose MO).
b) Für die Beurteilung der Verkehrsauffassung ist grds. auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Die Feststellung des markenmäßigen Gebrauchs obliegt der Beurteilung des Tatrichters. Die Einholung eines demoskopischen Gutachtens ist insbesondere dann nicht veranlasst, wenn die Mitglieder der Kammer zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – I ZR 82/08 –, juris Rn. 23; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 14. Auflage, § 14 Rn. 142 m.w.Nw.).
Das hier in Rede stehende Oberbekleidungsstück der Beklagten und dessen Bewerbung richtet sich an potenzielle Käufer von Oberbekleidung aus dem Luxussegment in Deutschland, da der Preis 1.310,00 Euro (vgl. Rechnung LSG 2) bzw. 1.400,00 Euro beträgt (vgl. Screenshot der Webseite S. 53 des Schriftsatzes vom 04.10.2022 = Bl. 145 d.A.). Bei teuren Gütern oder Luxuswaren beschränkt sich der angesprochene Verkehr auf diejenigen Verkehrsteilnehmer, die auf Grund ihrer Einkommenssituation in der Lage sind, solche Waren nachzufragen (Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, § 5 Rn. 209; BGH GRUR 1955, 37). Zu dem angesprochenen Personenkreis gehören auch die Mitglieder der Kammer, so dass die Kammer die Auffassung dieses Verkehrskreises aus eigener Sachkunde beurteilen kann. Die angesprochenen Verkehrskreise sind im Bereich der hochpreisigen Luxusgüter besonders aufmerksam. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es daher nicht.
c) Gemessen an diesen Maßstäben sieht im vorliegenden Fall der angesprochene Verkehr die angegriffene Kennzeichnung der Beklagten nicht als einen Hinweis auf die Herkunft der Ware, sondern als reine Verzierung. Für die Kammer ist es unter Berücksichtigung der nachfolgend dargestellten Umstände des Einzelfalls fernliegend, dass – wie von der Rechtsprechung gefordert – ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der angegriffenen Gestaltung den Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Unternehmen sieht.
aa) Für die Beurteilung der Frage der markenmäßigen Benutzung sind vorliegend nicht allein die Lichtbilder maßgeblich, welche die Klägerin in ihren Klageanträgen Ziff. I und IV verwendet, sondern die Screenshots von der Webseite der Beklagten zu 1), in welche die Lichtbilder aus den Klageanträgen eingebettet sind (vgl. Screenshot S. 22 der Klageschrift = Bl. 22 d.A. sowie Screenshot S. 53 des Schriftsatzes vom 04.10.2022 = Bl. 145 d.A.). Unstreitig stammen die Lichtbilder aus den Klageanträgen Ziff. I und IV von der Webseite der Beklagten zu 1) www.th….com, wie sich aus dem Vortrag der Klageschrift und der Inaugenscheinnahme des Screenshots auf S. 22 der Klageschrift entnehmen lässt (vgl. Screenshot S. 22 der Klageschrift = Bl. 22 d.A.).
Wie oben ausgeführt, wird die Verkehrsauffassung auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Bei der Beurteilung, ob ein Zeichen in Verkaufsangeboten, in Katalogen oder im Internet als Herkunftshinweis erkannt wird, sind diese Angebote in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BGH, GRUR 2019, 1289 Rn. 33 – Damen Hose MO). Das bedeutet, dass nicht – wie auf den Lichtbildern im Klageantrag zu sehen – nur das Produkt mit dem angegriffenen Zeichen isoliert zu betrachten ist, sondern dass vielmehr das Verkaufsangebot in seiner Gesamtheit, mithin die Webseite der Beklagten zu 1), von der die Lichtbilder aus den Klageanträgen stammen, in den Blick zu nehmen ist.
Die in den Klageanträgen verwendeten Lichtbilder wären nur dann für die Prüfung der markenmäßigen Benutzung allein maßgeblich, wenn die Beklagte zu 1) die Strickjacke im geschäftlichen Verkehr genau so, d.h. ohne Angabe weiterer Herkunftszeichen bewerben und zum Kauf anbieten würde. Eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr liegt aber nur dann vor, wenn die Benutzung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt (BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 14 – Damen Hose MO). Es ist von der Klägerin nicht dargelegt, dass das angegriffene Zeichen von der Beklagten zu 1) genau so wie auf den Lichtbildern im Klageantrag ohne irgendeine Nennung des Herstellers „THOM BROWNE“ beworben bzw. angeboten wurde. Insoweit würde es für diese konkret behauptete Verletzungshandlung (Werben mit den im Klageantrag enthaltenen Lichtbildern ohne jegliche Angabe des Herstellers) an einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr fehlen.
Soweit die Klägerin unter Berufung auf die Entscheidung „Arsenal“ des EuGH (GRUR 2003, 55, 58 Tz. 53 ff. – Arsenal) hiergegen einwendet, dass die betreffende Kapuzenjacke mit dem angegriffenen Zeichen beispielsweise auch nach einem Kauf in der Öffentlichkeit von einer Person getragen werden und es dadurch zu einer Verwechslung der Hersteller kommen könnte (sog. post-sale-confusion), ist dem entgegenzuhalten, dass ein solches Verhalten nach Kaufvertragsschluss nicht im geschäftlichen Verkehr erfolgt. Nach § 14 Abs. 2 MarkenG können jedoch nur Handlungen im geschäftlichen Verkehr untersagt werden.
Davon unabhängig hat der EuGH in seiner Entscheidung „PICASSO/PICARO“ eine Verwechslungsgefahr nach dem Zeitpunkt des Erwerbs mit der Begründung abgelehnt, dass sich der für den Zeichenvergleich maßgebliche Aufmerksamkeitsgrad nach den Verhältnissen bei der Wahrnehmung zum Erwerbszeitpunkt richten solle und der hohe Aufmerksamkeitsgrad beim Erwerb eines PKW eine Verwechslungsgefahr zwischen „PICASSO“ und „PICARO“ nicht aufkommen lasse (EuGH GRUR 2006, 237, 240 Tz. 47 f. – PICASSO/PICARO). Auch der BGH hat betont, dass für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit und Verwechslungsgefahr es in erster Linie auf die Kaufsituation ankomme (BGH GRUR 2012, 930, 935 Tz. 53 – Bogner B/Barbie B).
Im Streitfall werden die in den Klageanträgen verwendeten Lichtbilder mit dem angegriffenen Zeichen auf der Webseite der Beklagte zu 1) und damit im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit benutzt, weil die Beklagte zu 1) das Oberteil mit dem angegriffenen Zeichen auf ihrer Internetseite zum Verkauf anbietet. Zugunsten der Klägerin wird aufgrund ihrer Begründung der Klageanträge in der Klageschrift und der dort erfolgten Abbildung eines Screenshots der Webseite der Beklagten zu 1) mit den in den Klageanträgen verwendeten Lichtbildern angenommen, dass sie diese im Kontext der Webseite der Beklagten zu 1) (vgl. Screenshot S. 22 der Klageschrift = Bl. 22 d.A. sowie Screenshot S. 53 des Schriftsatzes vom 04.10.2022 = Bl. 145 d.A.) bzw. eine Präsentation des Kleidungsstücks in der Verkaufssituation in einem Ladengeschäft als Verletzung angreift.
bb) Aufgrund der Inaugenscheinnahme des angegriffenen Kleidungsstücks auf der Webseite der Beklagten zu 1) (vgl. Screenshot S. 22 der Klageschrift = Bl. 22 d.A. sowie Screenshot S. 53 des Schriftsatzes vom 04.10.2022 = Bl. 145 d.A.) lässt sich feststellen, dass die Webseite www.th….com lautet, die Domain mithin aus dem Namen des Herstellers (Thom Browne) besteht, und dass auf der Webseite zentral mittig über den Produktbildern in Großbuchstaben hervorgehoben und somit blickfangmäßig ein weiteres Mal der Hersteller „THOM BROWNE“ benannt ist (vgl. auch die Anlagen B14 – B17, B40). Das Zeichen „THOM BROWNE“ weist keine beschreibenden Anklänge auf und ist von Haus aus kennzeichnungskräftig und damit für den Verkehr klar als Produktmarke erkennbar.
In der mündlichen Verhandlung wurde das Verletzungsmuster aus dem Testkauf, die Kapuzenjacke (Anlage LSG 5) in Augenschein genommen. Hierbei konnte die Kammer neben den vier parallelen weißen Ringen auf dem linken schwarzen Ärmel (aus Trägersicht) feststellen, dass das relativ schwere Kleidungsstück aus Waffelstrick besteht und an der üblichen Stelle auf der Innenseite am Nackenbereich über ein deutlich sichtbares, weißes, eingenähtes Etikett mit der aufgestickten Herstellerkennzeichnung „THOM BROWNE“ verfügt, was die Beklagten auch durch entsprechende Screenshots dargelegt haben (vgl. S. 210 f. des Schriftsatzes vom 13.06.2024 = Bl. 1674 d.A.). Der Hersteller „THOM BROWNE“ ist auf diesem zentriert in deutlich wahrnehmbaren, schwarzen, etwa einen halben Zentimeter großen Großbuchstaben benannt. Auf dem Etikett befindet sich unter der Herstellerangabe nur noch in deutlich kleinerer Schrift die Ortsangabe „NEW YORK“ (vgl. Anlage LSG 5). Der Verkehr wird in dem Zeichen („THOM BROWNE“), das sich auf dem eingenähten Etikett auf der Innenseite befindet (vgl. Anlage LSG 5), zweifelsfrei einen Herkunftshinweis sehen (vgl. BGH GRUR 2018, 932 Rn. 18 – #darferdas?). Ebenso wird er in dem Zeichen („THOM BROWNE“), das blickfangmäßig auf der Webseite der Beklagten zu 1) angebracht ist, sowie in dem Zeichen, aus dem die URL (www.th….com) maßgeblich besteht, ohne jeden Zweifel einen Herkunftshinweis erblicken. Sowohl die Webseite der Beklagten zu 1) (bei einem Online-Kauf) als auch die Strickjacke selbst (z.B. bei einem Kauf im Geschäft) weisen somit eindeutige Hinweise auf den Hersteller auf. Diese Zeichen sind bei der Prüfung der markenmäßigen Verwendung zu berücksichtigen, da das jeweilige Angebot nach der Rechtsprechung des BGH in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen ist. Die Klägerin kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, dass in einem Ladengeschäft die Strickjacke auf einem Bügel und in der Regel seitlich mit den Streifen nach vorne präsentiert würde, so dass das Etikett von dem Bügel verdeckt und das Etikett bei der Seitenansicht nicht sichtbar wäre. Diese Auffassung vermag die Kammer nicht zu teilen. Erstens hängen Oberbekleidungsstücke nicht immer auf Bügeln, sondern liegen auch ausgebreitet oder zusammengelegt auf Regalen oder Tischen. Zweitens ergab die Inaugenscheinnahme des Testkaufs (Anlage LSG 5), dass die Herstellerkennzeichnung auf dem eingenähten weißen Etikett auf schwarzem Hintergrund auch dann noch sichtbar ist, wenn der Reißverschluss vollständig nach oben gezogen ist. Drittens gibt es auch Bügel, die das Etikett nicht verdecken, wie es bei dem Bügel des Gerichts während der mündlichen Verhandlung der Fall war. Viertens ist davon auszugehen, dass dem Verkehr beim Betrachten des Kleidungsstücks in einem Geschäft das auch aufgrund der Kontrastierung zum Untergrund deutlich sichtbare Etikett nicht verborgen bleibt, z.B. wenn er die Jacke anprobieren möchte.
Die Anbringung einer zusätzlichen markenmäßig verwendeten Kennzeichnung (Etikett mit Herstellerbezeichnung; Herstellerangabe auf der Webseite des Herstellers) mag die markenmäßige Verwendung eines daneben verwendeten Zeichens (hier die vier Streifen bzw. Ringe auf dem Ärmel) zwar nicht von vornherein ausschließen. Der Verkehr wird allerdings dann, wenn neben der Streifendekoration ein weiterer Herstellerhinweis vorliegt, Zweifel bekommen, ob angesichts dessen auch den Streifen bzw. Ringen noch ein Herkunftshinweis zukommen soll. Er wird dies umso weniger annehmen, je unübersehbarer und unzweideutiger eine Herstellerkennzeichnung die Blicke auf sich zieht und je weiter sich die Streifenornamentik von der Ausgestaltung entfernt, welche ihm als die Kennzeichnungspraxis eines großen Sportartikelherstellers bekannt ist (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2006, 360 – Sportjacken mit 2-Ärmelstreifen).
Es liegen eindeutige Hinweise auf den Hersteller vor. Sowohl in der URL (www.th….com) als auch auf der Webseite selbst ist oben in der Mitte der Hersteller „THOM BROWNE“ deutlich sichtbar benannt. Auch auf dem Kleidungsstück ist der Hersteller deutlich wahrnehmbar auf dem eingenähten Etikett bezeichnet. Der Verkehr sieht in dem Zeichen, das sich auf einem eingenähten Etikett auf der Innenseite von Bekleidungsstücken befindet, regelmäßig einen Herkunftshinweis (BGH GRUR 2017, 730, 732 Tz. 22; BGH GRUR 2018, 923, 934 Tz. 18 – #darfderdas? I; BGH GRUR 2019, 522, 526 Tz. 42 – SAM; BGH GRUR 2019, 1289, 1292 Tz. 25 – Damen Hose MO; BGH GRUR 2020, 411, 412 Tz. 13 – #darfderdas? II). Der Verkehr wird daher, soweit er sich überhaupt angesichts der Streifen bzw. Ringe an die Marken der Klägerin erinnert fühlen sollte, jedenfalls bei zusätzlicher Wahrnehmung der Herstellerangabe auf dem Etikett oder auf der Webseite der Beklagten zu 1) sicher sein, dass nur diese die Funktion haben soll, auf den Hersteller hinzuweisen.
Die Ähnlichkeit der hier angegriffenen Streifen bzw. Ringe mit denen der Klagemarke 1 bzw. der Kennzeichnung in der Anlage LSG 6 als Beispiel zur Klagemarke 1 ist für den hier angesprochenen, besonders aufmerksamen Verkehr gering. So verfügt das angegriffene Zeichen über vier statt drei parallele Ringe bzw. Streifen um den Oberarm. Bei einem Vergleich der Streifenbreite zwischen den Streifen der Anlagen LSG 5 und LSG 6 bzw. der Zeichnung zur Klagemarke 1 fällt auf, dass die angegriffenen weißen Ringe zwar auch parallel um den Oberarm herum verlaufen, sie aber etwa doppelt so breit sind wie diejenigen der Klagemarke 1 bzw. Anlage LSG 5, während der Abstand zwischen den Streifen bei beiden in etwa gleich ist, wodurch insgesamt ein anderer Gesamteindruck entsteht. Weil die angegriffenen Ringe deutlich breiter sind, bedecken diese einen größeren Bereich des Oberarms und wirken damit deutlich großflächiger, nämlich fast doppelt so groß. Das angegriffene Muster wirkt aufgrund seiner Größe und Position wie eine Art breite Armbinde.
Eine geringe Zeichenähnlichkeit sieht auch das EuG. Das EuG führte in seiner Entscheidung vom 19.06.2019, Az. T-307-17, ECLI:ECLI:EU:T2019:427, BeckRS 2019, 11610, Tz. 70 ff. betreffend das dort in Rede stehende Drei-Streifen-Zeichen der Klägerin aus, dass angesichts der extremen Einfachheit der Marke selbst leichte Änderungen der Marke Abweichungen darstellen, die nicht geringfügig sind, so das die geänderte Form nicht als der eingetragenen Form der Marke insgesamt gleichwertig betrachtet werden kann. Weiter urteilt das EuG, dass je einfacher eine Marke ist, desto weniger ist sie geeignet, Unterscheidungskraft zu entfalten, und desto eher kann eine Änderung der Marke eines ihrer wesentlichen Merkmale beeinträchtigen und somit die Wahrnehmung der Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise verändern, zumal der hier angesprochene Verkehr auch noch besonders aufmerksam ist.
Eine Ähnlichkeit der hier angegriffenen vier Ringe mit den vertikalen drei Streifen der Klägerin (Klagemarken 2 und 3) liegt nicht vor. Die sich insoweit gegenüber stehenden Streifenkennzeichnungen sind vielmehr unähnlich. Insbesondere die Positionen der Kennzeichnungen sind komplett unterschiedlich. Während bei den Klagemarken 2 und 3 die Streifen entlang der Außenseite des Ärmels, mithin vom Hals bis zum Handgelenk, verlaufen, führt die streitgegenständliche Gestaltung allein um den Oberarm herum und ist damit deutlich kürzer. Die angegriffene Kennzeichnung verfügt zudem über vier statt drei parallele, kontrastierende Ringe. Die vier Ringe sind zudem deutlich breiter als die drei schmalen Streifen der Klägerin, weshalb das angegriffene Muster deutlich großflächiger, ähnlich einer Armbinde wirkt (s.o.). Der Umstand, dass die zu vergleichenden Zeichen einzelne Schnittpunkte auf der Außenseite am Oberarm aufweisen, weil sie sich dort punktuell überschneiden, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Position der Zeichen in den Klagemarken 2 und 3 und in der angegriffenen Gestaltung sind grundlegend anders. Zusätzlich weist die Klagemarke 2 ein umgekehrtes Farbschema, nämlich schwarze Streifen auf weißem Hintergrund auf, was ebenfalls eine nicht unerhebliche Abweichung darstellt.
Angesichts dieser nur sehr geringen Ähnlichkeit (horizontale Streifen, Klagemarke 1) bzw. Unähnlichkeit (vertikale drei Streifen der Klagemarken 2 und 3) wird der Verkehr nicht allein aufgrund des Umstandes, dass die Klagemarken Streifen bzw. Ringe aufweisen und diese im Falle der horizontalen Streifen am Ärmel positioniert sind, annehmen, neben dem eindeutigen in seiner Markenfunktion wahrnehmbaren „THOM BROWNE“ komme auch den Streifen die Funktion zu, ihn auf die Herkunft der Oberbekleidung hinzuweisen, mögen auf dem Sektor der Sport- und Freizeitbekleidung auch die Anbringung von Zweitkennzeichen üblich sein. Kleinere Abweichungen mag der Verkehr vernachlässigen und er wird durchaus in Betracht ziehen, dass Markeninhaber ihre Marken geringfügig abwandeln. Hier führen indes die Abweichungen zu einem ganz anderen visuellen Eindruck des Zeichenmusters und rufen dem Verkehr gerade nicht die Drei-Streifen-Kennzeichnung der Klägerin in Erinnerung.
Aufgrund des bereits vorhandenen, deutlichen Hinweises auf den Hersteller „THOM BROWNE“ hat der Verkehr somit keinen Anlass, in den weißen Streifen bzw. Ringen auf dem Ärmel einen weiteren Herkunftshinweis zu erblicken.
cc) Es mag den Kennzeichnungsgewohnheiten der Klägerin entsprechen, ihre Sportkleidung mit drei gleich breiten und jeweils gleich voneinander in etwa streifenbreit beabstandeten, gleichfarbigen Streifen zu versehen. Auch mag der Verkehr angesichts dieser Kennzeichnungspraxis der Klägerin daran gewöhnt sein, in Drei-Streifen-Kennzeichnungen auf Bekleidungsstücken mitunter einen Herkunftshinweis zu sehen (vgl. BGH GRUR 2001, 158 – Drei-Streifen-Kennzeichnung). Dies führt aber nicht zu der Annahme, dass jedes am Ärmel angebrachte Streifenmuster, unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung und unabhängig von der sonstigen Gestaltung des Kleidungsstücks zwingend oder zumindest, was ausreichend ist, von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Herkunftshinweis verstanden wird. Denn dem Verkehr sind nicht nur die Kennzeichnungsgewohnheiten der Klägerin bekannt. Er weiß, worauf die Beklagte unter Verweis auf die als Anlagen B6, B7, B37, B52 ff., B88, B99, B102 vorgelegten Kleidungsstücke hingewiesen hat, nämlich dass andere Hersteller von Sport- und Freizeitkleidung Ringe, Streifen und/oder Streifenmuster am Ärmel als rein dekorative Elemente verwenden. Es ist allgemein bekannt, dass Streifenmuster zu Dekorationszwecken in der Bekleidungsbranche Verwendung finden (vgl. auch OLG Köln GRUR-RR 2006, 360). Dabei geht es nicht um die Frage, ob diese Verwendungen geeignet sind, die Kennzeichnungskraft der hier vorgebrachten Klagemarken zu schwächen. Daher kommt es nicht auf die Marktpräsenz, Umsatzzahlen, etc. an. Entscheidend ist, dass dem Verkehr bekannt ist, dass (irgendwie gestaltete) Streifen bzw. Ringe am Oberarm auch nur zu reinen Dekorationszwecken verwendet werden. Dies haben die Beklagten durch die angeführten Beispiele, welche Verkaufsangebote auf deutschsprachigen Webseiten zum Gegenstand haben, zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, auch wenn einzelne Artikel zum Zeitpunkt des Screenshots und/oder des Anklickens des jeweiligen Links nicht mehr verfügbar oder vorrätig gewesen sein sollten. Daran dass diejenigen Kleidungsstücke, die auf deutschsprachigen Webseiten gemäß den Screenshots zum Verkauf angeboten wurden und/oder werden, auch in Deutschland vertrieben wurden und/oder werden, hat die Kammer aufgrund der Gestaltung der jeweiligen Webseiten in deutscher Sprache keine Zweifel. Der Kammer ist zudem aus eigener Anschauung bekannt, dass sich eine Vielzahl von Kleidungsstücken auf dem Markt befindet und auch in nicht unerheblicher Zahl getragen wird, auf denen im Bereich des Oberarmes Streifenmuster als Verzierung angebracht sind.
Dass es hingegen eine gängige Kennzeichnungspraxis gibt, Kleidungsstücke am Oberarm mit den Oberarm umlaufenden Zeichen als Herkunftshinweis zu versehen, hat die Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können. Soweit einzelne Hersteller – wie die Klägerin beispielhaft auf S. 65 ff. des Schriftsatzes vom 30.12.2022 (= Bl. 398 ff. d.A.) und in der Anlage LSG 38 aufgezeigt hat – in die Streifenmuster ihre Marken einbetten, kommt diesen Zeichen ihre Eignung zum Herkunftshinweis nicht aufgrund ihrer Position oder Ausrichtung auf dem Oberarm zu, sondern aufgrund der den jeweiligen Zeichen von Haus aus zukommenden, von der Position auf der Kleidung gänzlich unabhängigen Kennzeichnungskraft der Wort- und/oder Bildmarken/Logos der Hersteller (vgl. PUMA-Schriftzug, Swoosh von Nike, Gucci-Logo, HERMES-Schriftzug, Montcler-Logo, etc.). Bei den von der Klägerin vorgetragenen Beispielen findet sich bis auf vielleicht zwei bis drei Ausnahmen kein Modell, bei dem die Kennzeichnung um den kompletten Oberarm herumführt. Dies ist weder bei dem Modell von Puma noch bei dem von Hermes noch bei dem von Prada ausreichend ersichtlich, was aber letztlich dahinstehen kann. Denn selbst wenn es bei diesen Modellen der Fall wäre, würde dies noch keine entsprechende Kennzeichnungsgewohnheit belegen. Bei den von der Klägerin vorgestellten Modellen (S. 65 ff. des Schriftsatzes vom 30.12.2022 = Bl. 398 ff. d.A. und Anlage LSG 38) erwecken die Kennzeichnungen – im Gegensatz zum hier angegriffenen Muster – gerade nicht den Eindruck einer reinen Verzierung. Es handelt sich hierbei auch nicht um Abwandlungen bekannter Marken. Ein am Oberarm angebrachtes Streifenmuster ist kein Alleinstellungsmerkmal der Klägerin. Auch die von der Klägerin behaupteten Verkäufe von Oberbekleidungsstücken mit drei Streifen bzw. Ringen (LSG 34) begründen – die Zahlen einmal als wahr unterstellt – auch in Zusammenhang mit den vorgetragenen Werbemaßnahmen aufgrund der großen Vielzahl verschiedener Hersteller noch keine entsprechende Kennzeichnungspraxis für den hier betreffenden Warensektor. Dafür sind die vorgetragenen Verkaufszahlen nach Auffassung der Kammer zu gering. Es kann somit nicht positiv festgestellt werden, dass der Verkehr gewohnt wäre, horizontal um den Oberarm herumlaufende Zeichen als Herkunftshinweis wahrzunehmen.
dd) Soweit die Klägerin argumentiert, dass die angegriffene Kennzeichnung blickfangmäßig hervorgehoben sei und deshalb eine markenmäßige Benutzung vorliege, ist zu entgegnen, dass allein eine blickfangartige Herausstellung für sich genommen nicht ausreicht, um einen markenmäßigen Gebrauch zu bejahen. Dies liegt daran, dass eben auch dekorative Elemente häufig in dieser Weise hervorgehoben werden (Ingerl/Rohnke/Nordemann, Markengesetz, 4. Auflage 2023, § 14, Rn. 147).
ee) Das Ergebnis der seitens der Klägerin in Auftrag gegebenen Befragungen vermag – ungeachtet der Frage ihrer Verwertbarkeit und Belastbarkeit – die Annahme einer markenmäßigen Benutzung nicht zu stützen. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten zur Verbraucherwahrnehmung einer Jacke mit vier geringelten Streifen bzw. weißen Ringen (Anlage LSG 20) ist unbehelflich, weil den Befragten nur die im Klageantrag enthaltenen Lichtbilder gezeigt wurden, ohne dass aber das Etikett mit der Herstellerkennzeichnung „THOM BROWNE“ und/oder die Einbettung der Lichtbilder auf der Webseite der Beklagten zu 1) www.th….com mit der dort erkennbaren Herstellerkennzeichnung „THOM BROWNE“ sichtbar gewesen ist (vgl. S. 17 und 18 der Anlage LSG 20). Somit wurden den Befragten wesentliche Elemente, die für die Feststellung der markenmäßigen Benutzung in den Blick zu nehmen gewesen wären, vorenthalten.
Das Gutachten ist aber auch deshalb unbehelflich, weil nicht die maßgeblichen Verkehrskreise befragt wurden. Bei der Auswahl der Befragten ist unberücksichtigt geblieben, dass die hier in Rede stehende Strickjacke 1.310,00 € bzw. 1.400,00 € kostet (vgl. Rechnung LSG 2 bzw. Screenshot der Webseite S. 53 des Schriftsatzes vom 04.10.2022 = Bl. 145 d.A.) und es sich somit um einen Artikel aus dem Luxussegment handelt, der sich an Käufer von Produkten aus dem Luxusmodesegment richtet, die besonders aufmerksam sind. Diese Einschränkung findet in den vorgelegten Gutachten keinen Niederschlag. Abgesehen davon, dass die Feststellung des markenmäßigen Gebrauchs als Rechtsfrage der Beurteilung des Tatrichters obliegt und die Einholung eines demoskopischen Gutachtens in aller Regel und insbesondere dann nicht veranlasst ist, wenn die Mitglieder der Kammer, wie hier, zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 14. Auflage, § 14 Rn. 142 m.w.Nw.), kann dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten Anlage LSG 20 vor allem entnommen werden, dass auf die völlig offene Frage, woran man denke, wenn man das Produkt sehe, nur 12,4% bzw. 13,0% „adidas“ als Antwort gaben (Anlage LSG 20). Hinsichtlich der weiteren Antworten „adidas-Kopie/nachgemachtes adidas/Fake adidas“ mit 2,4% bzw. 2,6%, „ein Streifen mehr als adidas“ mit 2,2%, „ähnlich wie adidas“ mit 2,0% bzw. 2,1%, „erinnert an adidas“ mit 1,4% bzw. 1,6% und „adidas mit 4 Streifen“ mit 0,9% bzw. 1,0% bleibt aufgrund der Formulierung unklar, ob die oder der Befragte die angegriffene Kennzeichnung als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen sieht oder nicht. Als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen sind noch die Antworten „K-Swiss“, „Nike“, „H& M“, „Thom Browne“ und „Puma“ zu sehen, deren Anteil jedoch jeweils unter 0,3% liegt.
Auf die Frage 2, ob die oder der Befragte „das Produkt mit irgendeinem oder mehreren Unternehmen bzw. Marken“ in Verbindung bringe, bejahten dies 36,5% bzw. 38,2%. Hier ist anzumerken, dass hier nach dem „Produkt“ und „einer Marke“ und nicht lediglich nach der Streifengestaltung gefragt wurde, was nach Auffassung der Kammer lenkend wirkt. Zudem ist – wie bereits oben ausgeführt – anzumerken, dass für die Frage der markenmäßigen Benutzung das Angebot insgesamt in den Blick zu nehmen ist, was hier gerade nicht erfolgt ist, ebenso wenig wie die Befragung des maßgeblichen Verkehrskreises.
ff) Die Rechtsprechung fordert bei der Frage der markenmäßigen Benutzung – wie oben ausgeführt –, dass „ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs“ in dem betroffenen Zeichen einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen muss. Da sich in der Rechtsprechung zur originären Unterscheidungskraft, zur Verkehrsgeltung aber auch zur lauterkeitsrechtlichen Irreführung ein relativ einheitliches Verständnis zum „nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs“ herausgebildet hat, welches im Ausgangspunkt eine Quote von 20% bis 25% annimmt, liegt es nahe, eine vergleichbare Quote auch beim Verkehrsverständnis zur markenrechtsrelevanten Benutzung zu verlangen. Diese Quote von 20% bis 25% ist jedoch in der Rechtsprechung nicht starr, sondern hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und bezieht sich im Ausgangsszenario auf ein originär unterscheidungskräftiges Zeichen. Dies muss dann auch im Rahmen der markenrechtsrelevanten Benutzung gelten, so dass eine Quote von 20% bis 25% zu verlangen ist, wenn es sich um ein originär unterscheidungskräftiges Zeichens handelt. Treten indes weitere Umstände hinzu, die gegen eine Wahrnehmung als betrieblicher Herkunftshinweis sprechen könnten, wie ein beschreibender Anklang oder eine schwache Unterscheidungskraft, ist auch beim Merkmal der markenrechtsrelevanten Benutzung ein höheres Quorum an den „nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs“ zu stellen. Vorliegend kommt den Klagemarken aufgrund ihrer Gestaltung aus einfachen und vorbekannten Elementen von Haus aus allenfalls eine geringe Unterscheidungskraft zu (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2024, Az. 20 U 120/23, Rn. 117; EuG, Urteil vom 19.06.2019, Az. T-307/17 – Shoe Branding Europe; EuG, Urteil vom 4. Dezember 2015, Az. T-3/15 – K-Swiss/EUIPO Rn. 15; EuG, Urteil vom 15.12.2015, Az. T-64/15, Shoe Branding Europe BVBA/EUIPO Rn. 29; Entscheidung d. EUIPO Anlage B 33), weshalb das in dem Gutachten LSG 20 erreichte Quorum schon nicht ausreicht, um vorliegend annehmen zu können, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise die betreffenden Streifen bzw. Ringe als Herkunftshinweis auffasst.
gg) Wie oben ausgeführt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Frage, ob der Verkehr ein Motiv nur als dekoratives Element oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, auch von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Klagemarke abhängen kann (BGH GRUR 2012, 618 Rn. 24 – Medusa), da die Kennzeichnungskraft des Zeichens auch die Verkehrsauffassung beeinflusst. Je kennzeichnungskräftiger und damit kennzeichenmäßiger eine Bezeichnung von Hause aus ist, desto eher wird der Verkehr in ihrer Verwendung eine Kennzeichnung bzw. einen Herkunftshinweis sehen. Wie oben ausgeführt, sind die Klagemarken aufgrund ihrer Gestaltung aus einfachen und vorbekannten Elementen nach Auffassung der Kammer – sofern man sie mangels erheblicher Abweichung von der Norm oder Branchenüblichkeit überhaupt als originär unterscheidungskräftig ansehen möchte (vgl. Fezer MarkenR/Fesenmair, MarkenG, 5. Aufl. 2023, § 8 Rn. 221; EuG, Urt. v. 14. September 2009, Az. T-152/07, ECLI:ECLI:EU:T:2009:324, BeckRS 2009, 70997 – Geometrische Felder auf dem Ziffernblatt einer Uhr; EuG, Urt. v. 11. Juli 2013, Az. T-208/12, E-ECLI:CLI:ECLI:EU:T:2013:376, Tz. 33 – Rote Schnürsenkelenden) – allenfalls originär schwach kennzeichnungskräftig. Die von der Klägerin behauptete Bekanntheit ihrer Klagemarken kann hier letztlich dahinstehen, weil diese zum einen nur einen im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Gesichtspunkt darstellt, ob der Verkehr ein Muster als dekoratives Element oder auch als Herkunftshinweis auffasst, und zum anderen hier eine von der Klägerin durchgeführte Verkehrsbefragung zu dem in Rede stehenden Vier-Streifen-Muster vorliegt und sich in diesem Ergebnis letztlich die tatsächliche Bekanntheit der Klagemarken der Klägerin widerspiegelt. Somit bedarf es keiner weiteren Klärung, wie bekannt die Klagemarken tatsächlich sind. Der besonders aufmerksame und informierte Verkehrskreis kann hinreichend klar erkennen, dass es sich bei dem angegriffenen Zeichen nicht um die Klagemarken der Klägerin handelt.
hh) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Praxis des sog. Co-Brandings, was eine Form der Zusammenarbeit von etablierten Marken zur besseren Vermarktung ihrer Produkte darstellt. Ein sog. Co-Branding liegt vor, wenn der Verkehr eindeutig und unmissverständlich beide etablierte Marken hinter den Produkten erkennt, wie sich anhand der von den Beklagten vorgetragenen Beispiele (Schriftsatz vom 04.10.2022, S. 38 f. = Bl. 130 f. d.A.; Schriftsatz vom 13.06.2024, S. 213 = Bl. 1677 d.A.) und anhand des von der Klägerin angeführten Beispiels (vgl. Lichtbilder auf S. 113-115 des Schriftsatzes vom 20.12.2023 = Bl. 987-989 d.A.) zeigt. Dies ist dem Verkehr aus seiner allgemeinen Marktwahrnehmung bekannt. Er wird bei Vorhandensein nur eines – unterstellt – unmittelbar als Marke wahrgenommen Herkunftshinweises, wie es vorliegend der Fall ist, nicht von einem Co-Branding ausgehen.
ii) Schließlich ist die Tatsache, dass die Beklagte zu 1) ihre Vier-Streifen-Kennzeichnung als Marke in der EU schützen wollte, für die Frage der markenmäßigen Verwendung ohne Belang, da es nicht auf die Intention des Verwenders, sondern auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ankommt. Der markenmäßige Gebrauch des angegriffenen Zeichens muss positiv festgestellt werden (vgl. BGH GRUR 2019, 522, 525 f. Tz. 41, 47 – SAM; BGH GRUR 2019, 1289, 1291 f. Tz. 25 – Damen Hose MO). Und ob er vorliegt, richtet sich nicht nach der Zweckbestimmung des Benutzers, sondern allein nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BGH GRUR 2002, 812, 813 – FRÜHSTÜCKS-DRINK II; BGH GRUR 2015, 1201, 1209 Tz. 68 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; …22, 525 f. Tz. 42 – SAM; BGH GRUR 2019, 1289, 1291 f. Tz. 25 – Damen Hose MO).
2. Ein Unterlassungsanspruch besteht auch nicht aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG.
Nach dieser Vorschrift ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Unabhängig davon, ob sich die Klägerin auf eine bekannte Marke im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG oder eine Notorietätsmarke im Sinne von § 4 Nr. 3 MarkenG berufen kann, fehlt es im Streitfall bereits an einer gedanklichen Verknüpfung.
a) Voraussetzung für eine rechtsverletzende Benutzung eines mit einer bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens ist, dass die beteiligten Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen (EuGH, GRUR 2009, 756 Rn. 36 – L’Oréal/Bellure; GRUR 2009, 56 Rn. 30 – Intel Corporation/CPM United Kingdom; GRUR 2008, 503 Rn. 41 – adidas/Marca Mode; GRUR 2004, 58 Rn. 29 – Adidas/Fitnessworld).
Die im Wesentlichen dem Tatgericht obliegende Beurteilung der Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung gegeben ist, hat unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falls zu erfolgen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der Klagemarke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (BGH GRUR 2020, 401 – ÖKO-Test I m.w.N.; Mielke in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 38. Edition, Stand: 01.07.2024; § 14 MarkenG, Rn. 545).
b) Dass ein Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen nur als Verzierung wahrgenommen wird, steht für sich genommen der Annahme eines Anspruchs aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 MarkenG nicht entgegen denn einer markenmäßigen Benutzung bedarf es nicht. Wird das in Rede stehende Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen – wie hier – aber nur als Verzierung wahrgenommen, so stellen sie naturgemäß gerade keine gedankliche Verknüpfung mit den Klagemarken her. Der Grad der Ähnlichkeit zwischen dem angegriffenen Zeichen und den Klagemarken ist dann nicht hoch genug, um zu einer solchen Verknüpfung zu führen (EuGH GRUR 2004, 58 Rn. 39 ff. – Adidas/Fitnessworld). Vielmehr legt die unterschiedliche Streifengestaltung nahe, dass die Parteien in keiner Verbindung miteinander stehen.
II. Ansprüche nach dem UWG
Der Unterlassungsanspruch ergibt sich schließlich nicht hilfsweise aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 2 UWG oder § 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3 UWG.
Ein Herkunftshinweis und damit wettbewerbliche Eigenart kann sich zwar auch durch die verwendete Kennzeichnung ergeben. Es entspricht aber der Rechtsprechung des BGH, dass bei der Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen Wertungswidersprüche zum Markenrecht zu vermeiden sind. Über das Lauterkeitsrecht darf dem Zeicheninhaber keine Rechtsposition eingeräumt werden, die ihm nach dem Kennzeichenrecht nicht zukommt (BGH GRUR 2016, 965 – Baumann II; BGH GRUR 2018, 924 – Ortlieb; BGH GRUR 2018, 935 – goFit). Da die Klägerin die Bewerbung und den Vertrieb des hier angegriffenen Kleidungsstücks markenrechtlich nicht verhindern kann, weil es an der erforderlichen markenmäßigen Benutzung bzw. gedanklichen Verknüpfung fehlt, ist auch eine Eignung zur Irreführung zu verneinen.
D.
Die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze gaben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.
E. Nebenentscheidungen
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.