Auch scharf formulierte Kritik ist nicht rechtswidrig

02. März 2022
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Bewertung mit einem Stern auf blauem Hintergrund Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 16.02.2022, Az.: 9 U 134/21

Ein Immobilienmakler ging vor Gericht gegen eine kritische Internetbewertung über ihn selbst vor. In dieser wurde er u.a. als „arrogant und wenig hilfsbereit“ beschrieben. Das OLG entschied jedoch, dass diese Bewertung nicht rechtwidrig sei. Es handelte sich bei der Bewertung um eine Äußerung, die von der Meinungsfreiheit geschützt ist und diese hat bei einer Interessenabwägung gegenüber dem Schutz des sozialen Geltungsanspruchs des Maklers überwogen. Außerdem sei laut Gericht zu bedenken, dass der Makler aktiv den Auftritt im Online-Bewertungsportal gesucht hat, weswegen Kritik in gewissen Maßen auch „ertragen“ werden muss.

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein

Urteil vom 16.02.2022

Az.: 9 U 134/21

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) gegen das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 13. Oktober 2021, Az. 7 O 437/20, werden zurückgewiesen.

Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) haben die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils hälftig zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Kläger begehren von dem Beklagten die Unterlassung der Verbreitung von Bewertungen wie auf der Bewertungsplattform „Google Places“ geschehen.

Der Kläger zu 1) ist Immobilienmakler auf X. und Gesellschafter sowie Geschäftsführer der Klägerin zu 2). Deren Unternehmensgegenstand ist unter anderem die Vermietung von Ferienimmobilien. Der Kläger zu 1) ist mit seinem Geschäftsbetrieb (Z. Immobilien X.) bei der Bewertungsplattform Google Places registriert, auf der Kunden die Möglichkeit haben, zu Geschäftskontakten Bewertungen einzustellen. Die Klägerin zu 2) war dort ebenfalls registriert, ließ sich nach Klageerhebung jedoch von der Bewertungsplattform löschen.

Am 13. September 2018 rief der Beklagte beim Kläger zu 1) an und erkundigte sich nach einer von diesem im Internet offerierten Wohnung. Der Beklagte bat den Kläger zu 1), dem Verkäufer sein unter dem aufgerufenen Kaufpreis von 375.000,00 € liegendes Angebot in Höhe von 290.000,00 € zu unterbreiten. Der Kläger zu 1) lehnte dies unter Verweis darauf ab, dass er „unseriöse“ Angebote nicht an den Verkäufer weitergeben werde. Nach Erhalt eines Exposés bat der Beklagte mit E-Mail vom 1. Oktober 2018 darum, dem Verkäufer ein Angebot nunmehr in Höhe von 320.000,00 € zu unterbreiten.

Nach weiterer elektronischer Korrespondenz erkundigte sich der Beklagte am 5. Oktober 2018 telefonisch beim Kläger zu 1) nach der Reaktion des Verkäufers. Der Kläger zu 1) teilte dem Beklagten mit, dass er (noch) keine Reaktion erhalten habe. Die Parteien diskutierten im Weiteren über die Pflichten eines Immobilienmaklers. Der Beklagte äußerte in dem Zusammenhang Bedenken im Hinblick auf die Wertschätzung seiner Person als „Kunde“. Aufgrund des abschätzigen Verhaltens des Klägers zu 1) fühle er sich nicht ernst genommen. Der Kläger zu 1) entgegnete darauf, dass man „erst Kunde sei, wenn man gekauft habe“.

Der Kläger zu 1) vermittelte die Wohnung schließlich für einen Kaufpreis von 350.000,00 € an einen anderen Interessenten.

Der Beklagte wollte das Verhalten des Klägers zu 1) auf Google Places bewerten, gab aber versehentlich unter dem Bewertungsprofil der Klägerin zu 2) die folgende Ein-Stern-Bewertung ab:

„Arrogant und wenig hilfsbereit. Kein wirklicher Einsatz für einen potentiellen Käufer. Ich rate ab, auch für eventuelle Verkäufer.“

Auf diese Bewertung hin ließ die Klägerin zu 2) durch ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten dem Beklagten eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zusenden. Zugleich begehrte sie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Nachfolgend nahm die Klägerin zu 2) den Beklagten gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch. Das Verfahren vor dem Landgericht Flensburg (Az. 3 O 320/18) endete nach einem gerichtlichen Hinweis, dass der Beklagte wohl die falsche Person bewertet habe, mit einem Anerkenntnisurteil zu Gunsten der Klägerin zu 2). Die Bewertung wurde daraufhin gelöscht.

Nachfolgend gab der Beklagte die folgenden – hier streitgegenständlichen – weiteren Bewertungen auf der Bewertungsplattform Google Places für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) ab.

Bezogen auf den Kläger zu 1): „Ich persönlich empfand Herrn Z. als arrogant und nicht hilfsbereit. Herr Z. sagte mir ‚Kunde ist man, wenn man gekauft hat‘. Offensichtlich nicht vorher, so habe ich mich auch gefühlt.“

Bezogen auf die Klägerin zu 2): „Durch eine Verwechslung meinerseits bei Google Maps gab ich fälschlicherweise statt bei ‚Z. Immobilien X.‘ eine Bewertung hier bei der ‚Z. Immobilien GmbH & Co. KG‘ ab. Beide Unternehmen führt die gleiche Person auf. Statt mich kurz auf diesen Fehler aufmerksam zu machen, schrieb mich ein Anwalt mitsamt Rechnung an. Danach war ich Beklagter in einem Verfahren vor dem Landgericht. Ich denke, so ein Verhalten sagt mehr als tausend Worte.“

Auf diese Bewertung ließ der Kläger zu 1) durch seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten dem Beklagten unter dem 21. September 2020 eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zusenden. Zugleich begehrte er unter Fristsetzung die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Diese Aufforderung wies der Beklagte mit Schreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 28. September 2020 zurück.

Der Kläger zu 1) hat behauptet, er habe das damalige Angebot des Beklagten für die Wohnung an den Verkäufer weitergeleitet. Die nunmehr abgegebenen Bewertungen seien für ihn geschäftsschädigend. Da er auf X. eine große Rolle spiele, könne das Nicht-Zustandekommen eines Geschäfts leicht einen Schaden von 50.000,00 € und mehr bedeuten. Er sei auch schon mehrfach auf die Bewertung des Beklagten angesprochen worden.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Bewertungen seien als „Schikane“ zu bewerten. Die Meinungsfreiheit des Beklagten müsse daher zurückstehen.

Der Beklagte hat sich dem gegenüber auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit berufen. Er habe nur Tatsachen wiedergegeben, die der Wahrheit entsprächen. Die darüber hinaus mitgeteilte Meinung über die schlechte Leistung des Klägers zu 1) habe jedenfalls keinen beleidigenden Charakter.

Hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO die Klage vollumfänglich abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, den Klägern stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch zu. Insbesondere fehle es mangels betriebsbezogenen Eingriffs an einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin zu 2) und im Blick auf den Kläger zu 1) an einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Jedenfalls aber würden die Äußerungen des Beklagten in Gestalt der abgegebenen Bewertungen als sogenannte „Mischbehauptungen“ mit einem Tatsachenkern und einem die Äußerung prägenden Element des Dafürhaltens oder Meinens der nach Art. 5 GG grundrechtlich geschützten Meinungsäußerungsfreiheit unterfallen, hinter die im Rahmen der gebotenen Abwägung die Interessen der Kläger zurückzutreten hätten. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese in Bezug auf den Kläger zu 1) geltend machen, dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG habe Vorrang vor dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG. Soweit die angefochtene Entscheidung auf eine vermeintlich redliche Motivation des Beklagten abstelle, übersehe das Landgericht, dass die Auseinandersetzung ein vorsätzlich konstruiertes, jeglicher Realität fernliegendes und deshalb offensichtlich nicht ernst gemeintes Angebot für eine Immobilie zum Hintergrund habe. Selbstredend stelle sich die Äußerung als „Retourkutsche“ des Beklagten mit Blick auf den Vorprozess und damit als Verfolgung eines sachfremden Zieles dar. Insoweit habe sich das Landgericht von der Einlassung des Beklagten im Termin blenden lassen. Damit liege gleichzeitig ein Verstoß gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB vor. Selbst eine redliche Motivation des Beklagten unterstellt sei die unsachliche Formulierung „arrogant“ nicht zu rechtfertigen. Zudem habe der Beklagte vorsätzlich den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB verwirklicht.

Die auf die Klägerin zu 2) bezogene Äußerung des Beklagten erwecke beim unbefangenen Leser den Eindruck, es gehe der Klägerin zu 2) bei falschen Bewertungen um die Verschaffung von Einnahmen durch unberechtigte Anwaltshonorarforderungen. Wenn eine Äußerung von vornherein auf Mehrdeutigkeit angelegt sei, nehme der Äußernde billigend in Kauf, dass ein durchschnittlicher Empfängerkreis den Inhalt der Äußerung als ehrverletzend wahrnehme und mache sich damit strafbar. Der Vorwurf der Geldschneiderei sei ehrverletzend und erfülle den Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB. Zudem liege eine unnötig polemische Meinungsäußerung vor, hinsichtlich derer ein Unterlassungsanspruch gegeben sei. Das Recht der Klägerin zu 2) am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb überwiege das Recht zur freien Meinungsäußerung des Beklagten. Wiederum greife das Argument der „Retourkutsche“.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten und des weiteren Vortrages der Kläger in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 21. Oktober 2021 (Blatt 155 bis 162 der Akte) sowie den ergänzenden Schriftsatz vom 11. November 2021 (Blatt 173 der Akte) verwiesen.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten nach Maßgabe der aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ersichtlichen erstinstanzlichen Anträge der Kläger zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 13. Oktober 2021 (Az. 7 O 437/20) zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Hervorhebung des Umstands, dass nur der Wahrheit entsprechende Tatsachen behauptet worden seien. Jeder Gewerbetreibende müsse unerwünschte Kritik an seinen Leistungen grundsätzlich hinnehmen.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten und des weiteren Vortrages des Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung vom 9. November 2021 (Blatt 165 bis 169 der Akte) verwiesen.

II.

Die zulässigen, so insbesondere fristgerecht eingelegten und fristgerecht begründeten Berufungen der Kläger bleiben in der Sache ohne Erfolg. Die Kläger haben gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Unterlassung von Bewertungen wie auf der Bewertungsplattform Google Places geschehen.

A.) Kläger zu 1)

a.) Der Kläger zu 1) hat gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG auf Unterlassung der streitgegenständlichen Erklärung.

aa.) Die Erklärung des Beklagten, den Kläger zu 1) persönlich als arrogant und nicht hilfsbereit empfunden sowie sich nicht als Kunde behandelt gefühlt zu haben, ist als Vorhalt eines arroganten Geschäftsgebarens geeignet, den Kläger zu 1) sowohl in seinem allgemeinen sozialen Geltungsanspruch als auch in seiner Geschäftsehre im besonderen zu verletzen.

bb.) Die beanstandete Internetbewertung des Beklagten ist unter Abwägung der betroffenen Interessen aber nicht rechtswidrig.

aaa.) Die Frage, ob eine Äußerung eine rechtswidrige Ehrverletzung bedeutet, ist – wenn wie hier kein Fall der Schmähkritik (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 18) oder Formalbeleidigung vorliegt – davon abhängig, ob es sich bei der Äußerung um die Kundgabe einer Meinung oder um eine Tatsachenbehauptung handelt. Bei Meinungen im engeren Sinn gilt eine Vermutung zugunsten der freien Rede. Für Tatsachenbehauptungen gilt, dass wahre Aussagen in der Regel hingenommen werden müssen, unwahre dagegen nicht. Ob eine Äußerung in ihrem Schwerpunkt als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, bestimmt der Gesamtzusammenhang.

Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt der Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 – VI ZR 302/15, NJW 2016, 1584 Rn. 16).

Die beanstandete Internetbewertung enthält in Form des wörtlichen Zitats einer Äußerung des Klägers zu 1) eine Tatsachenbehauptung und im Übrigen einschließlich der schlechtmöglichsten Ein-Stern-Bewertung Werturteile. Dabei steht das durch eine einzelne Tatsachenbehauptung kolorierte Werturteil, sich auf Grund eines als arrogant und wenig hilfsbereit empfundenen Verhaltens des Klägers nicht als Kunde gefühlt zu haben, derart im Vordergrund, dass von einer einheitlichen, dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallenden Meinungsäußerung auszugehen ist.

bbb.) Mithin ist das Schutzinteresse des Klägers zu 1) aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben. Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich – wie im vorliegenden Fall – wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Dementsprechend muss sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, NJW, 2015, 773 Rn. 21).

Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers zu 1) am Schutz seines sozialen Geltungsanspruchs hinter das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten.

Unstreitig hat der Kläger zu 1) die dem Werturteil des Beklagten zu Grunde liegende Äußerung genau so getätigt. Dem Werturteil des Beklagten liegt mithin eine wahre Tatsachenbehauptung zu Grunde. Die Wertung des Beklagten, das Verhalten des Klägers zu 1) als arrogant empfunden und sich nicht als Kunde behandelt gefühlt zu haben, entfernt sich sachlich nicht von diesem wahren Tatsachenkern. Sie ist eher zurückhaltend formuliert und greift nur niederschwellig in die Rechte des Klägers zu 1) ein.

Im Weiteren ist in den Blick zu nehmen, dass der Kläger zu 1) zum Zwecke der Förderung seiner Geschäfte aktiv den Auftritt im Bewertungsportal gesucht hat und Online-Kundenbewertungssysteme gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch die Meinungs- und Informationsfreiheit des Artikels 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt (BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18, NJW 2020, 370 Rn. 38). Dem gegenüber kann sich der Kläger zu 1) nicht darauf berufen, dass ein Kaufinteressent Wohl oder Übel mit dem anbietenden Makler in Kontakt treten müsse. Zum einen gibt es Kaufwillige, die Makler mit einer Objektsuche befassen. Zum anderen ist auch für den einen Makler wählenden Verkäufer das Auftreten des Maklers gegenüber Kaufinteressenten für einen Verkaufserfolg mit von Bedeutung.

Soweit der Kläger zu 1) auf das Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom 27. September 2000 (15 U 63/00, ZWE 2001, 164 Rn. 39 ff) verweist, ist der dort entschiedene Sachverhalt dem vorliegenden nicht ansatzweise vergleichbar. Der Vorwurf der Arroganz war dort Teil einer längeren Kette von verschiedenen Anwürfen gegen einen Wohnungsverwalter, die in der Gesamtschau das Maß einer durch die Meinungsfreiheit gedeckten Kritik überschritten. Auch hatte der Wohnungsverwalter nicht wie der Kläger zu 1) die Öffentlichkeit eines Bewertungsportals gesucht.

Nichts anderes ergibt sich, soweit der Kläger zu 1) geltend macht, der Beklagte habe ein Fake-Angebot abgegeben, nur um nachfolgend in böswilliger Absicht den Kläger zu 1) abwertend zu beurteilen.

Der Kläger zu 1) hat im Termin vor dem Senat betont, dass die Parteien sich zuvor nicht kannten. Er zeigt auch nicht auf, welches Motiv auf Seiten des Beklagten bestanden haben soll. Soweit der Kläger zu 1) im Termin vor dem Senat dazu erklärt hat, er wisse nicht, welcher Makler auf X. den Beklagten angestiftet habe, handelt es sich um eine substanzlose Mutmaßung. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass Mitbewerber ihm mit besonderer Missgunst begegnen oder mit ihm im Streit stehen würden, hat der Kläger nicht dargelegt.

Auch folgt aus der Abgabe eines deutlich unter dem aufgerufenen Verkaufspreis liegenden Angebotes dessen mangelnde Ernstlichkeit auch dann nicht, wenn dieses auf der Grundlage einer Internetpräsentation vor Erhalt eines umfänglichen Exposés erfolgt. Insbesondere auf einem engen Immobilienmarkt wie auf X. liegt es im Interesse von Kaufinteressenten, schnell und möglichst als Erster mit dem Verkäufer in Kontakt zu treten. Ein möglichst geringer Kaufpreis liegt dabei im Interesse eines jeden Käufers. Zudem ist in den Blick zu nehmen, dass der Beklagte nach Erhalt des Exposés sein Angebot deutlich auf einen Kaufpreis erhöht hat, der nur unwesentlich weiter vom später tatsächlich erzielten Kaufpreis entfernt lag als der ursprünglich vom Kläger zu 1) aufgerufene Kaufpreis. Auch der Verweis darauf, dass der Beklagte weder einen Kapitalnachweis noch nach dem Geldwäschegesetz vom Kläger einzuholende Nachweise beigebracht habe, verweist keinesfalls zwingend darauf, dass kein Kaufinteresse bestanden hat. Solches mag verständlicherweise erst dann erfolgen, wenn sich ein Vertragsschluss näher konkretisiert.

Nichts anderes ergibt sich, soweit der Kläger zu 1) geltend macht, bei der Bewertung handele es sich um eine bloße Retourkutsche für den verlorenen Vorprozess. Der Beklagte hat den Geschäftskontakt mit dem Kläger zu 1) bewerten wollen, was sich unzweifelhaft aus der ersten, fälschlicherweise auf die Klägerin zu 2) bezogenen Bewertung ergibt. Dies legt es nahe, die beabsichtigte, auf den Kläger zu 1) bezogene Bewertung nachzuholen. Dass der Beklagte insoweit erst die Würdigung des Gerichts im Vorprozess abgewartet hat, ist ohne weiteres nachvollziehbar und verständlich. Aus der Ankündigung im Vorprozess allein, den Kläger zu 1) nochmals bewerten zu wollen, kann von daher nicht zwingend darauf gefolgert werden, dass die Bewertung allein aus Verärgerung über den Vorprozess und in Schädigungsabsicht erfolgt ist.

Aus den vorstehenden Gründen geht auch der Verweis des Klägers zu 1) auf eine Schmähkritik und das Schikaneverbot nach §§ 226, 242 BGB fehl.

b.) Der Kläger zu 1) hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB.

Tathandlung im Sinne des § 185 StGB ist die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung. Ob eine Äußerung tatsächlich einen ehrverletzenden Inhalt im Sinne von § 185 StGB hat, hängt nicht davon ab, wie der Empfänger sie verstanden hat, da das subjektive Empfinden des Opfers unberücksichtigt bleibt. Durch Auslegung ist vielmehr der objektive Sinngehalt der Äußerung zu ermitteln. Maßgebend dafür ist, wie ein verständiger Dritter unter Beachtung der Begleitumstände und des Gesamtzusammenhangs sie versteht. Die Begleitumstände werden charakterisiert durch die Anschauungen der beteiligten Kreise, die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse sowie die sprachliche und gesellschaftliche Ebene. Bei Äußerungen im Internet, vor allem in Blogs und Foren, ist ein großzügigerer Maßstab anzulegen, weil das Web kein Ort des Höflichkeitsaustausches ist und diese Eigenart sowie die besondere Internetsprache zu berücksichtigen sind. Diese ist plakativ, provokativ und gerade in den sog. „Bewertungsportalen“ meist aufs Extrem gerichtet. Von daher kommt es für die Frage der Ehrverletzung mehr denn je auf die Substanz der Äußerung an (Regge/Pegel in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 185 Rn. 12).

Dieses zugrunde gelegt, erfüllt die Äußerung des Beklagten in einem Bewertungsforum, ein näher bezeichnetes Verhalten des Klägers zu 1) im Geschäftsverkehr als arrogant empfunden zu haben, nicht den Tatbestand einer Beleidigung.

Die Äußerung zielt ihrer Substanz nach nicht auf die Kundgabe einer persönlichen Missachtung oder Nichtachtung des Klägers, sondern – wie vorstehend ausgeführt – auf die durch die Meinungsäußerung gedeckte subjektive und auch ausdrücklich als subjektives Empfinden gekennzeichnete Würdigung eines zutreffend wiedergegebenen Verhaltens des Klägers zu 1) zum Zwecke der Information potentieller Kunden.

Entgegen der Auffassung der Berufung lässt sich aus dem Umstand, dass der Beklagte sowohl in der ursprünglichen, fehlerhaft in Bezug auf die Klägerin zu 2) abgegebenen Bewertung als auch in der hier streitgegenständlichen Bewertung des Klägers zu 1) und damit wiederholt das Wort „arrogant“ verwendet, nicht zwingend darauf folgern, dass es dem Beklagten gerade auf eine persönliche Herabsetzung des Klägers zu 1) ankam. Zu den nachvollziehbaren Gründen einer Wiederholung der Bewertung, nunmehr zutreffend bezogen auf den Kläger zu 1), wird auf die Ausführungen unter lit. a.) bb.) bbb.) verwiesen.

B.) Klägerin zu 2)

a .) Die Klägerin zu 2) hat gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG auf Unterlassung der streitgegenständlichen Erklärung wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG wegen eines Eingriffs in den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin zu 2) als Wirtschaftsunternehmen.

aa.) Die Klägerin zu 2) legt der Bewertung des Beklagten einen unzutreffenden Sinngehalt bei. Aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven, außenstehenden Lesers ist die Erklärung des Beklagten nicht dahingehend aufzufassen, dass der Vorwurf der Geld- bzw. Gebührenschneiderei ähnlich einem geschäftsmäßigen Abmahnwesen erhoben wird. Bei zutreffender Betrachtung spricht aus der Erklärung des Beklagten lediglich ein deutliches Befremden darüber, dass nicht der Weg einer klarstellenden Kommentierung im Netz oder eines Hinweises an den Beklagten direkt gewählt wurde.

Die Bewertung des Beklagten ist auch nicht etwa in dem von der Klägerin zu 2) behaupteten Sinne von vornherein auf Mehrdeutigkeit angelegt. Einander unmissverständlich gegenübergestellt werden der erwartete Hinweis auf den unterlaufenen Fehler und ein anwaltliches sowie später gerichtliches Vorgehen. Die Erwähnung der dem anwaltlichen Schreiben beigefügten Kostennote geht über die Darstellung des Verhaltens der Klägerin zu 2) nicht hinaus. Ein auch nur unterschwelliger Verweis auf ein missbilligtes Gebühreninteresse verbindet sich für den unbefangenen Leser damit nicht. Dies folgt bereits daraus, dass das anwaltliche Schreiben und das spätere Gerichtsverfahren nebeneinander erwähnt werden und es nicht um die Person des nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2) geht.

bb.) Die Bewertung des Beklagten stellt sich als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und in den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin zu 2) als Wirtschaftsunternehmen dar.

Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin zu 2) am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schützt ihr Interesse daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rn. 13).

In dieses Recht und in den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin zu 2) als Wirtschaftsunternehmen greift die Bewertung des Beklagten ein. Der Klägerin zu 2) wird ein nicht rücksichtsvolles und nicht maßhaltendes Geschäftsgebaren zugeschrieben, das grundsätzlich geeignet ist, potentielle Geschäftspartner einen Geschäftskontakt überdenken zu lassen. Soweit ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein betriebsbezogenes Handeln erfordert, ist dieses gegeben.

cc.) Die beanstandete Internetbewertung des Beklagten ist unter Abwägung der betroffenen Interessen aber nicht rechtswidrig.

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014, a.a.O. Rn. 16). Ergänzend wird auf die einführenden Ausführungen zu lit. A.) a.) bb.) aaa.) verwiesen.

Die beanstandete Internetbewertung enthält mit der Wiedergabe der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und des nachfolgenden Zivilrechtsstreits Tatsachenbehauptungen und mit dem Satz „Ich denke, so ein Verhalten sagt mehr als tausend Worte.“ und der schlechtmöglichsten Ein-Stern-Bewertung Werturteile. Auch hier steht das Werturteil, die subjektive Würdigung des Verhaltens der Klägerin zu 2) im Geschäftsverkehr, im Vordergrund, sodass von einer einheitlichen, dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallenden Meinungsäußerung auszugehen ist.

Das Recht der Klägerin zu 2) am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und ihr sozialer Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen haben hinter das Recht des Beklagten auf Meinungsstreit zurückzutreten.

Dem Werturteil des Beklagten liegen unstreitig wahre Tatsachenbehauptungen zu Grunde. Auch hier entfernt sich die Wertung des Beklagten, das beschriebene Verhalten spreche für sich, nicht sachlich von dem wahren Tatsachenkern. Die Bewertung ist zwar pointiert, aber keinesfalls überzogen formuliert und greift nur sehr niederschwellig in die Rechte der Klägerin zu 2) ein. Auch hier ist in den Blick zu nehmen, dass die Klägerin zu 2) zum Zwecke der Förderung ihrer Geschäfte aktiv den Auftritt im Bewertungsportal gesucht hat und Online-Kundenbewertungssysteme gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen.

Nichts anderes ergibt sich, soweit die Klägerin zu 2) geltend macht, bei der Bewertung handele es sich um eine bloße Retourkutsche für den verlorenen Vorprozess.

Der Umstand, dass der Beklagte den Kläger zu 1) mit der im Vorprozess gegenständlichen Bewertung zu bewerten versuchte, zeugt davon, dass er Marktteilnehmer, mit denen er in Kontakt tritt oder wie im Falle der Klägerin zu 2) anderweitig in Kontakt kommt, zum Zwecke der Information und des Austausches mit anderen Kunden bewertet. Die Kläger haben im Weiteren vom Beklagten zu den Akten gereichte, von ihm abgegebene, Bewertungen in Online-Bewertungsportalen, so etwa zur Ausstattung einer Autobahnraststätte, nicht bestritten. Damit kann aus dem Umstand des verlorenen Vorprozesses nicht zwingend darauf gefolgert werden, dass der Beklagte die streitgegenständliche Bewertung allein aus Revanchegelüsten getätigt hat. Insbesondere folgt solches nicht aus dem Zeitpunkt der streitgegenständlichen Bewertung. Insoweit war es folgerichtig, den Abschluss des zu bewertenden Vorganges, sprich den Ausgang des Vorprozesses, abzuwarten.

b.) Die Klägerin zu 2) hat gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB.

Taugliche Tatobjekte im Sinne von § 185 StGB sind zum einen natürliche Personen, denn Träger des Rechtsguts Ehre ist jeder lebende Mensch, und, wie sich aus § 194 Abs. 3 und 4 StGB ergibt, auch Personengemeinschaften, Verbände und politische Körperschaften (Regge/Pegel in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 185 Rn. 6). Die Klägerin zu 2) als GmbH & Co. KG ist nicht beleidigungsfähig.

C.) Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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