Bezeichnung „Deutsche Stimmklinik“ bei fehlender Möglichkeit einer stationären Behandlung irreführend

08. März 2021
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Schwarzes Schild mit goldener Aufschrift 'Arzt' Beschluss des OLG Hamburg vom 02.09.2020, Az.: 3 U 205/19

Eine Gemeinschaftspraxis darf sich nur als "Klinik" bezeichnen, wenn sie auch Betten für eine stationäre Unterbringung bereitstellt. Daran sei auch festzuhalten, wenn die Bezeichnung den Zusatz "Stimmklinik" enthält. Von dem angesprochenen Verkehrskreis könne nicht erwartet werden, dass er davon ausgeht, dass Stimmbehandlungen regelmäßig keiner stationären Unterbringung bedürfen. Darüber hinaus könne die Voraussetzung der stationären Unterbringung nicht dadurch erfüllt werden, dass aufgrund einer Kooperationsvereinbarung die stationäre Unterbringung in einer anderen Klinik ermöglicht wird.

Oberlandesgericht Hamburg

Beschluss vom 02.09.2020

Az.: 3 U 205/19

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15.11.2019, Aktenzeichen 315 O 472/18, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Beklagten können hierzu binnen 2 Wochen Stellung nehmen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht und mit zutreffender Begründung

im Umfang des Klagbegehrens zur Unterlassung und zur Zahlung verurteilt. Hinsichtlich der Begründung wird vollen Umfangs Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass maßgebliche Teile des angesprochenen Verkehrs davon ausgingen, dass es sich bei einer „Klinik“, also auch bei der von den Beklagten betriebenen „Stimmklinik“, um eine Krankenhausabteilung oder ein Krankenhaus handelt, das über Betten für eine stationäre Patientenversorgung – auch über Nacht – verfügt und dass der Verkehr, weil die „Deutsche Stimmklinik“ über keine eigenen Möglichkeiten für eine solche stationäre Unterbringung verfügt, in die Irre geführt wird (§§ 3, 5 Abs. 1 UWG). Die Berufungsbegründung bietet keinen Anlass zu einer anderweitigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

1. Mit ihrer Berufung greifen die Beklagten das landgerichtliche Urteil im Wesentlichen mit den schon erstinstanzlich vorgebrachten Argumenten an.

a) Zum Bestandteil „Deutsche“ der angegriffenen Bezeichnung verweisen sie darauf, dass es sich bei der „Deutsche Stimmklinik“ um die einzige inländische, ausschließlich auf die Behandlung von Stimmproblemen spezialisierte Facheinrichtung dieser Art handelt, in welcher Patienten aus dem In- und Ausland behandelt würden, und dass die Stimmklinik daher von überregionaler Bedeutung sei, was den Zusatz „Deutsche“ rechtfertige. Es gebe auch einen internationalen fachlichen Austausch (Anlage B 2). Zudem sei ihr Gesellschafter und Mitbegründer Prof. Dr. H… in überregional bedeutsamen Funktionen tätig. Auch gebe es eine Vielzahl von Einrichtungen und Institutionen, die ihren Sitz ebenfalls an nur einem Ort in Deutschland hätten und dennoch die Bezeichnung „Deutsche“ als kompetenzerläuternden Zusatz führten.

Aber auch die Angabe „Stimmklinik“ sei nicht irreführend. Zwar sei die Wortbedeutung von „Klinik“ im Deutschen „Bett“, die im Streitfall vorliegenden Umstände führten jedoch zu einem abweichenden Verkehrsverständnis. Einerseits präge das erste Glied des Wortes – wie etwa bei „Scherbenklinik“ – das Verkehrsverständnis derart, dass der Durchschnittsverbraucher (lediglich) annehme, es handele sich um eine Einrichtung zur Behandlung, zum Training oder der Pflege der menschlichen Stimme. Selbst wenn er den Begriff „Stimmklinik“ mit minimalinvasiven Eingriffen an den Stimmbändern in Verbindung bringe, verbinde er eine solche Behandlung nicht mit einem stationären Aufenthalt. Ein solcher sei im Übrigen aufgrund der mit dem Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) für Notfälle geschlossenen Kooperationsvereinbarung, die nach dem Verständnis beider Vertragsparteien über den Wortlaut hinausgehe, gewährleistet. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Beklagte eigene Betten zur Verfügung halte oder ob eine stationäre Behandlung über Nacht in den Betten einer Klinik gewährleistet sei, auf deren Gelände sich die „Deutsche Stimmklinik“ befinde. Angesprochene Verkehrskreise seien nur solche Menschen, die für sich Klärungsbedarf hinsichtlich ihrer Stimme festgestellt hätten. Die stationäre Behandlung bei Stimmproblemen stelle die äußerste Ausnahme einer Therapie dar. Auch die im europäischen Ausland als „Voice Clinic“ bezeichneten Abteilungen von Krankenhäusern seien hinsichtlich der Vorhaltung von Betten nicht anders aufgestellt, als die „Stimmklinik“ der Beklagten, die auf der Website des UKE als eine Klinik im Klinikverbund des UKE ausgewiesen sei (Anlage B 3).

b) Mit diesen Einwendungen dringen die Beklagten nicht durch.

aa) Soweit es die Beklagten ausweislich der Berufungsbegründung für ungeklärt halten, ob das vom Landgericht ausgesprochene Verbot die Verwendung des Begriffs „Deutsche“ per se untersagt oder nur in Verbindung mit dem Begriff „Stimmklinik“ ist die Antwort – wie auch das ausgesprochene Verbot – eindeutig. Den Beklagten ist die Verwendung des Begriffs „Deutsche Stimmklinik“ verboten worden, woraus deutlich wird, dass das Verbot lediglich die Gesamtbezeichnung betrifft. Da das Landgericht sein Verbot lediglich auf eine Irreführung wegen des Bestandteils „Stimmklinik“ gestützt hat, müsste im Rahmen der Zwangsvollstreckung geklärt werden, ob sich die Verwendung der Angabe „Stimmklinik“ innerhalb einer anderen Angabe, die den Bestandteil „Deutsche“ nicht mehr enthält, als kerngleicher Verstoß gegen das Verbot darstellt oder allein Anlass für ein erneutes Unterlassungsbegehren geben kann.

bb) Soweit die Beklagten die Angabe „Stimmklinik“ verteidigen, ist das nach Auffassung des Senats nicht überzeugend. In der in Rede stehenden Praxis der Beklagten findet eine medizinische Behandlung statt. Der Begriff der „Klinik“ hat dazu einen klaren Bezug. Der Verkehr erkennt, den gesundheitlichen Aspekt der Angabe und verbindet sie deshalb mit dem für ihn üblichen Begriff einer „Klinik“, den das Landgericht zutreffend dargelegt hat und den der Verkehr mit einer Krankenhauseinrichtung verbindet, die auch Betten für einen stationären Aufenthalt unterhält. Die Beklagten weisen selbst zutreffend darauf hin, dass der Begriff der „Klinik“ auf „Betten“ verweist. Es handelt sich insoweit um eine aus dem Griechischen kommende tradierte Bezeichnung, die synonym für ein Krankenhaus oder dessen Abteilung steht. Mit einer „Scherbenklinik“ oder ähnlichen klar verfremdenden Bezeichnungen hat das nicht im Entferntesten etwas zu tun. Die Verkehrserwartung richtet sich bei der Verwendung des Begriffs „Klinik“ entscheidend an der Möglichkeit einer stationären Behandlung – im Unterschied zu einer rein ambulanten – aus (BGH, GRUR 1996, 802, 803, juris Rn. 13). Dass sich das Verständnis des Begriffs „Klinik“ im Wandel befindet, ist durch nichts – auch nicht durch den Hinweis der Beklagten auf eine Entscheidung des Landgerichts Essen zur Bezeichnung „Praxisklinik“ – belegt. Und es kann entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht festgestellt werden, dass dem Verkehr durch den Bestandteil „Stimm-“ des Zeichenbestandteils „Stimmklinik“ innerhalb dieses „Determinativkompositums“ verdeutlicht wird, dass es „um den Umgang mit etwas geht, dass sich regelmäßig einer stationären Behandlung entzieht.“.

cc) Die Art der vom Verkehr erwarteten Behandlungstätigkeit, die in der in Rede stehenden „Stimmklinik“ erfolgt, ist entgegen der Darstellung der Beklagten nämlich keinesfalls eindeutig eine solche, die den Verkehr abweichend von seinem gewöhnlichen Verkehrsverständnis die Annahme nahelegte, die „Stimmklinik“ unterscheide sich von einer üblichen „Klinik“ dadurch, dass sie gerade keine Betten für einen stationären Aufenthalt vorhält. In der „Stimmklinik“ werden chirurgische Eingriffe vorgenommen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr erkennen könnte, dass hier lediglich minimalinvasive Eingriffe vorgenommen werden, sind nicht erkennbar. Dies auch nicht bezogen auf die (potentiellen) Patienten, die aufgrund des Bestandteils „Stimm-“ annehmen, dass in der Praxis der Beklagten Stimmprobleme behandelt werden. Im Gegenteil. Schon in der Anlage B 3 wird werblich herausgestellt, dass in der „Klinik“ über 500 phonochirurgische Eingriffe jährlich durchgeführt werden, ohne dass erkennbar wäre, dass insoweit stets Eingriffe in Rede stünden, die keinesfalls eine stationäre Unterbringung des Patienten erforderten. Zudem weisen die Beklagten selbst darauf hin, dass die stationäre Behandlung bei Stimmproblemen die äußerste Ausnahme einer Therapie darstelle. Das macht deutlich, dass eine solche stationäre Aufnahme auch nach der Darstellung der Beklagten keinesfalls ausgeschlossen ist. Der Verkehr weiß im Übrigen nichts von diesen Dingen und kann sie deshalb für sein Verständnis von der Angabe „Stimmklinik“ auch nicht verwerten. Schließlich findet sich auch in dem aus dem Klagantrag zu 1.c) ersichtlichen Flyer der werbliche Hinweis auf die Behandlung nicht nur von leichter Heiserkeit o.ä., sondern auch auf eine Behandlung von Kehlkopftumoren. Dass hier eine stationäre Aufnahme des Patienten aus der Verkehrssicht fernläge, kann nicht angenommen werden.

dd) Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass das Verständnis des angesprochenen Verkehrs von der Bezeichnung „Stimmklinik“ durch die im englischsprachigen Ausland, insbesondere in Großbritannien, durch die dortige Verwendung der Angabe „Voice Clinic“ so geprägt worden wäre, dass der Verkehr darum wüsste, dass in derartigen „Kliniken“ keine stationäre Aufnahme von Patienten über Nacht erfolgt. Die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung der Beklagten, die in der Anlage B1 angeführten europäischen „Voice Clinics“ seien hinsichtlich der Vorhaltung von Betten nicht anders aufgestellt als die „Stimmklinik“ der Beklagten, ist insbesondere angesichts der Tatsache, dass die in der Anlage B 1 angeführten „Voice Clinics“ nahezu ausschließlich als Abteilungen von Krankenhäusern (Hospitals) daherkommen, ins Blaue hinein aufgestellt. Darauf kommt es auch nicht maßgeblich an, denn auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass das Verständnis des angesprochenen Verkehrs, der um eine entsprechende Übung im englischsprachigen Ausland weit überwiegend nicht weiß, durch die dortigen Verhältnisse geprägt wäre.

ee) Der zwischen dem UKE und der „Stimmklinik“ bestehende Kooperationsvertrag rechtfertigt nicht schon die Feststellung, die Praxis der Beklagten sei einer Klinik mit vorgehaltenen Betten für eine stationäre Aufnahme von Patienten gleichzusetzen. Dies auch dann nicht, wenn man die erstmals in II. Instanz aufgestellte Behauptung, mit dem UKE sei auch die Aufnahme von Patienten vereinbart, die keine Notfallpatienten seien und die von eigenem Personal der Beklagten gepflegt würden, als zutreffend unterstellt. Denn auch danach handelt es sich zwar bei dem Kooperationspartner um eine Klinik, nicht aber bei der als „Stimmklinik“ bezeichneten Praxis der Beklagten selbst, die den organisatorischen Aufwand der Vorhaltung von Betten zur stationären Aufnahme von Patienten über Nacht gerade nicht betreibt und deshalb auch nicht die vom Verkehr insoweit erwartete eigene Ausstattung sowie organisatorische und personelle Struktur hat. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass sich der Verkehr – schon gar nicht naturgemäß – über die organisatorischen Hintergründe eines stationären Aufenthaltes keine Gedanken macht. Im Gegenteil. Der angesprochene Verkehr bringt einer klinisch aufgestellten Organisation mit einer stationären Aufnahmemöglichkeit im hier angenommenen Sinne schon wegen des damit nach seiner Vorstellung verbundenen erhöhten organisatorischen und finanziellen Aufwandes und der damit einhergehenden umfangreicheren Ausstattung und Größe ein erhöhtes Vertrauen entgegen und misst einer solchermaßen aufgestellten Einrichtung ein größeres Gewicht bei. Die Annahme der Beklagten, ihr seien die Kapazitäten des UKE ebenso zuzurechnen wie umgekehrt, teilt der Senat nicht.

Schon deshalb ist die Verwendung des „Klinik“-Begriffs auch i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

ff) Das gilt – obwohl es für das ausgesprochene Verbot der Gesamtbezeichnung nicht mehr darauf ankommt – gleichermaßen für den Zeichenbestandteil „Deutsche“, der dem angesprochenen Verkehr den Eindruck einer – auch hinsichtlich ihrer Standorte – überregional tätigen medizinischen Einrichtung vermittelt. Mit einem – hier unterstellten – bundesweit einzigartigen Geschäftsmodell einer Spezialeinrichtung von überregionaler Bedeutung, wie der der Beklagten, geht entgegen der Annahme der Beklagten nicht schon die Vorstellung des Verkehrs einher, der im Firmennamen verwendete Bestandteil „Deutsche“ beschreibe allein eben jene Einzigartigkeit des medizinischen Angebots, zumal es sich bei der behaupteten besonderen Qualifikation und Einzigartigkeit der in der „Stimmklinik“ tätigen Ärzte und ihres Behandlungskonzepts um eine bloße Momentaufnahme handeln kann. Der Verkehr weiß darum, dass bestimmte medizinische Angebote etwa wegen der besonderen Qualifikation eines Arztes oder mehrerer Ärzte einer medizinischen Einrichtung nicht nur von Patienten am Sitz der Einrichtung, sondern auch überregional nachgefragt werden. Er erwartet indes nicht, dass eine solche Besonderheit durch die Angabe „Deutsche“ herausgestellt wird, die einen Bezug zum Bundesgebiet, nicht aber zum Maß ärztlicher Qualifikation und zu den Besonderheiten ihres Behandlungskonzepts aufweist. Vielmehr verbindet der Verkehr die Angabe „Deutsche“ mit der Größe und Bedeutung eines Unternehmens, die sich auch in dessen überregionaler – sei es lizenzierter – Präsenz zeigt. Über eine solche verfügt die „Deutsche Stimmklinik“, deren Behandlungsangebot lediglich in Hamburg unterbreitet wird, indes nicht.

Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang andere Bezeichnungen anführt, die den Bestandteil „Deutsche“ enthalten, handelt es sich um anders gelagerte Fälle. Der Senat hat nicht zu beurteilen, ob die angeführten Bezeichnungen jeweils berechtigterweise und ohne jeden Irreführungsgehalt verwendet werden.

gg) Das Landgericht hat bereits zutreffend angenommen, dass der Umstand, dass der angegriffene Zeichenbestandteil „Stimmklinik“ auch als Marke eingetragen worden ist, der Annahme einer Irreführung des Verkehrs nicht entgegen steht. Dies schon deshalb nicht, weil im Eintragungsverfahren die tatsächliche Verwendung des Zeichens für ein bestimmtes Unternehmen nicht geprüft wird. So ist zum Zeitpunkt der Markeneintragung offen, ob das Kennzeichen „Stimmklinik“ für eine Klinik, die über Möglichkeiten für eine stationäre Aufnahme von Patienten verfügt, verwendet werden wird oder nicht.

2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

3. Der Senat rät den Beklagten, ihre Berufung – auch aus Kostengründen – zurückzunehmen.

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