Umfang des presserechtlichen Auskunftsanspruchs

08. März 2021
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Aktenschrank mit geöffneter Schublade Beschluss des OVG Lüneburg vom 08.01.2021, Az.: 10 ME 269/20

In seiner Entscheidung stellte das niedersächsische Oberverwaltungsgericht klar, dass eine Behörde hinsichtlich des presserechtlichen Auskunftsanspruchs Ermessensspielraum bezüglich Art und Umfang der Auskunft hat. Schon der Wortlaut des § 4 I NPresseG (Niedersächsisches Pressegesetz, so aber auch die Pressegesetze anderer Länder) zeigt, dass es sich nur um einen Anspruch auf Erteilung von Auskünften handelt. Dieser erstreckt sich aber grundsätzlich nicht auf die Bereitstellung bzw. Nutzung von Akten und Unterlagen in Form von Einsichtnahmen und Kopien. Dies kommt nur in Ausnahmefällen infrage.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg

Beschluss vom 08.01.2021

Az.: 10 ME 269/20

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg – 4. Kammer – vom 2. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Sie hat nämlich keinen Anspruch (Anordnungsanspruch) auf die von ihr begehrte einstweilige Anordnung mit dem Inhalt, der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr vollständige Kopien von 9 Gutachten aus dem Zeitraum von 2007 bis 2020, die sich mit einer möglichen Umstrukturierung der beiden Krankenhäuser der Antragsgegnerin befassen, zu überlassen bzw. herauszugeben.

Nach § 4 Abs. 1 des Niedersächsischen Pressegesetzes (NPresseG) sind die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Die auskunftspflichtigen Stellen haben aber einen Ermessensspielraum bei der Frage nach Art und Umfang der Auskunft (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 14.9.2015 – 1 BvR 857/15 –, juris Rn. 18).

Auch wenn die Antragsgegnerin privatrechtlich organisiert ist, ist sie Behörde im Sinne des § 4 Abs. 1 NPresseG, da sie – von der öffentlichen Hand beherrscht – zur Erfüllung von Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge zwei Kliniken betreibt und damit als Behörde im Sinne des funktionell-teleologisch zu verstehenden Behördenbegriffs des Presserechts (siehe hierzu BGH, Urteil vom 16.3.2017 – I ZR 13/16 –, juris 1. Leitzsatz und Rn. 18 und 19) anzusehen ist. Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anspruch auf die Herausgabe der Gutachten oder vollständiger (von der Antragsgegnerin zu fertigender) Kopien der genannten umfangreichen Gutachten. Denn nach seinem klaren Wortlaut verleiht § 4 Abs. 1 NPresseG (wie auch die Pressegesetze anderer Länder) lediglich einen Anspruch auf die Erteilung von Auskünften. Dies umfasst auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich schon nicht die Nutzung von Akten oder Unterlagen in der Form der Einsichtnahme in diese oder deren Kopie durch die Vertreter der Presse (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 14.9.2015 – 1 BvR 857/15 –, juris Rn. 18 und 19; BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 – 6 A 5.13 –, juris 2. Leitsatz; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.1.2015 – OVG 12 B 21.13 –, juris 3. Leitzsatz und Rn. 23). Nur im Ausnahmefall kann sich der genannte Ermessensspielraum dahingehend verdichten, dass ein Anspruch auf Einsichtnahme in Akten/Unterlagen besteht, wenn beispielsweise Auskünfte (von vornherein) unzureichend sind und die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse benötigten Informationen nur durch die Einsichtnahme ausreichend erschlossen werden können. In diesen besonders gelagerten Fällen kann die Gewährung der Einsichtnahme als eine besondere Form der Auskunftserteilung angesehen werden. Die umfassende Herausgabe von Unterlagen oder von Kopien dieser Unterlagen, wie sie hier von der Antragstellerin verlangt wird, ist aber jedenfalls keine Auskunft im Sinne des presserechtlichen Auskunftsanspruchs und daher nicht von diesem gedeckt.

Dabei hat die Antragstellerin bereits nicht glaubhaft gemacht, dass nur durch die Einsichtnahme in die genannten Gutachten ihr Anspruch aus § 4 Abs. 1 NPresseG erfüllt werden kann. Denn sie geht nicht auf die Möglichkeiten (Abfassung eines umfassenden Fragenkataloges zum Inhalt der genannten Gutachten und zu den Fragen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung der beiden Krankenhäuser, etwa im Hinblick auf deren Wirtschaftlichkeit und die Standortfrage) ein, die das ihr angebotene Gespräch mit dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin und dem Landrat eröffnen könnte. Stattdessen verweist sie lediglich darauf, dass ein derartiges Gespräch von ihr aktuell nicht verlangt worden sei. Sofern Sie weiter meint, dass „die richtigen Fragen“ nur nach Auswertung der Gutachten in ihren Redaktionsräumen gestellt werden könnten, verkennt sie, dass ein dahingehender Anspruch sich weder aus § 4 Abs. 1 NPresseG noch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt.

Wird zugunsten der Antragstellerin unterstellt, dass ihr die Einsichtnahme in die genannten Gutachten hätte gewährt werden müssen, sich also das Ermessen der Antragsgegnerin nach § 4 Abs. 1 NPresseG hierauf verdichtet hat, ist dieser Anspruch hier vollständig erfüllt worden. Denn die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, die genannten Gutachten vor Ort im Krankenhaus in C-Stadt umfassend und in einem großzügigen zeitlichen Umfang einzusehen. Konkret ist eine Einsichtnahme am 20. Oktober 2020 erfolgt und sind der Antragstellerin ein weiterer – von der Antragstellerin nicht wahrgenommener – Termin zur Einsichtnahme am 26. Oktober 2020 (mit der Möglichkeit der telefonischen Stellung von Fragen an die Verfasserin eines der Gutachten) sowie weitere mögliche Termine für Einsichtnahmen angeboten worden. Damit hat die Antragstellerin sich – auch wenn dies mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden gewesen wäre – ein umfassendes Bild über den Inhalt der Gutachten machen können, insbesondere auch die Möglichkeit gehabt, die Gutachten zu vergleichen und auszuwerten. Dabei besteht ersichtlich nicht die von der Antragstellerin behauptete Notwendigkeit, „ein rd. 600 Seiten langes Gutachten in ein Handy diktieren zu sollen“. Denn die Mitarbeiter der Antragstellerin hätten sich durch die Einsichtnahme zunächst ein umfassendes Bild verschaffen können und sodann die von ihnen für wichtig gehaltenen Passagen durch Notizen oder Diktat vor Ort festhalten können. Sofern Tabellen und andere grafische Teile der Gutachten als für die Pressearbeit notwendig angesehen worden wären und in der beschriebenen Weise nicht hätten erfasst werden können, hätten sie mit der Antragsgegnerin (und gegebenenfalls mit dem jeweiligen Verfasser des Gutachtens) klären können, ob das Fertigen von einzelnen Kopien vor Ort (durch die Mitarbeiter der Antragstellerin) insoweit erlaubt wird, womit ein Verstoß gegen Urheberrechte jedenfalls ausgeschlossen worden wäre. Ferner hätte die Antragstellerin das ihr zusätzlich angebotene Gespräch nutzen können, um weitere Hintergründe zu erfragen. Allein dass es für sie „praktischer“ sowie „schnell und unkompliziert“ wäre und ihre Arbeit folglich erleichtern würde, wenn die Antragsgegnerin sich der Mühe unterziehen würde, von sämtlichen umfangreichen Gutachten vollständige Kopien zu fertigen und diese in die Redaktionsräume der Antragstellerin zu schicken, begründet unter keinem Gesichtspunkt einen darüber hinaus gehenden Anspruch.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch das Vorliegen einer Zusicherung im Sinne des § 38 Abs. 1 VwVfG verneint, soweit die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 8. Oktober 2020 in Aussicht gestellt haben, dass der Antragstellerin im Hinblick auf den angebotenen Termin vom 20. Oktober 2020 eingeräumt werde, „die bis dahin nicht gesichteten Unterlagen oder Auszüge hierzu aus dem Termin mitnehmen zu können“. Denn zum einen handelt es sich bei der Antragsgegnerin, auch wenn sie als Behörde im Sinne des funktionell-teleologisch zu verstehenden Behördenbegriffs des Presserechts anzusehen ist, nicht um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG, da sie keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Zum anderen fehlt es hier nach dem Inhalt der wiedergegebenen Aussage und mangels Zuständigkeit der Antragsgegnerin auch an der Zusage des Erlasses eines Verwaltungsaktes, für die allein die Bindungswirkung des § 38 VwVfG gilt (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 38 Rn. 8a und 9).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren und die Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung von Amts wegen beruhen auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG und entsprechen der Nummer 1.5 Satz 2 (Vorwegnahme der Hauptsache) des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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