Wegfall der wettbewerblichen Eigenart durch Verkauf unter Zweitmarke?

14. August 2020
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Kaffee wird in Kaffeebereiter zubereitet Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 18.06.2020, Az.: 6 U 66/19

Für das Entstehen der wettbewerblichen Eigenart ist die Beschreibung der Merkmale, die die Eigenart begründen, ausreichend. Im Fall des Kaffeebereiters „Chambord“, der auch unter der zweiten Marke „Melior“ vertrieben wurde, bejahte das OLG Frankfurt die wettbewerbliche Eigenart. Hierbei ist der Verkauf unter der Zweitmarke unschädlich, wenn dieser bereits 15 oder 11 Jahre zurückliegt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 18.06.2020

Az.: 6 U 66/19

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22.3.2019, Az. 3-10 O 135/17 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,- € hinsichtlich des Unterlassungsanspruch, 1.000,- € hinsichtlich des Auskunftsanspruch sowie hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe bzw. hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Kaffeebereitern.

Die Klägerin ist Herstellerin des von ihr seit Jahrzehnten vermarkteten Kaffeebereiters „Chambord“, der in verschiedenen Farben und Versionen angeboten wird (Anl. K1):

[Abbildung]

In Deutschland werden hiervon jährlich über 20.000 Stück verkauft. Die Klägerin hatte in den Jahren 2005 und 2009 unter der Zweitmarke „Melior“ identisch gestaltete Kaffeebereiter vertrieben. Auf dem Markt ist ein Wettbewerbsprodukt von Melitta verfügbar (Bl. 49, Anlage B 2), gegen das die Klägerin erstinstanzlich einen Unterlassungstitel erwirkt hat.

Die Beklagte zu 1.), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2.) ist, bot einen Kaffeebereiter (Anl. K2) in zwei Größen auf ihrer Internetseite an:

[Abbildung]

Die Klägerin nimmt die Beklagten deswegen aus ergänzendem Leistungsschutz in Anspruch.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 22.3.2019, auf das gemäß § 540 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung und Auskunftserteilung verurteilt und die Schadenersatzpflicht festgestellt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch aus ergänzendem Leistungsschutz zu. Der Kaffeebereiter der Klägerin verfüge über wettbewerbliche Eigenart, die auch nicht entfallen sei. Dies habe der Senat bereits in einem Urteil aus dem Jahre 2009 festgestellt. Die wettbewerbliche Eigenart sei insbesondere auch nicht deshalb entfallen, weil der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale nicht mehr einem bestimmten Hersteller zuordne. Die von der Klägerin unter der Zweitmarke vertriebenen Kaffeebereiter führten nicht zu einem Wegfall der Eigenart. Die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten hätten selbst nicht behauptet, dass die Klägerin die Kaffeebereiter unter der Zweitmarke umfangreich in Verkehr gebracht habe. Sie hätten sich lediglich auf das Bestreiten der klägerischen Absatzzahlen beschränkt. Der Verkehr schließe nicht aus, dass das Produkt der Beklagten “Melior“ möglicherweise eine von der Klägerin stammende Zweitmarke darstelle oder aber jedenfalls wirtschaftlich Beziehungen bestünden. Im Hinblick auf die weiteren Entgegenhaltungen der Beklagten sei der Vortrag zur Marktpräsenz und Marktbedeutung nicht ausreichend. Da auch von einer nahezu identischen unmittelbaren Übernahme der Gestaltungsmerkmale auszugehen sei und auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung vorliege, seien die Beklagten zur Unterlassung verpflichtet.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.

Die Beklagten tragen vor:

Das Landgericht habe keine Feststellungen zur wettbewerblichen Eigenart getroffen. Soweit das Landgericht sich auf ein Senatsurteil aus dem Jahre 2009 bezogen habe, ersetze dies nicht die Verpflichtung zur Feststellung der wettbewerblichen Eigenart im vorliegenden Verfahren. Die Beklagten hätten dargelegt, dass es eine Vielzahl von Wettbewerbsprodukten gebe, die es ausschließe, dass durch die Gestaltung des klägerischen Produkts aus Sicht der Verkehrskreise auf eine bestimmte betriebliche Herkunft geschlossen werden könne. Zu Unrecht sei das Landgericht trotz erheblicher Unterschiede in der Gestaltung von einer nahezu identischen Nachahmung ausgegangen. Feststellungen zu den besonderen Umständen des Marktes für Haushaltsgeräte seien nicht vom Parteivortrag gedeckt. Zu Unrecht ausgeblendet habe das Landgericht schließlich, dass das streitbefangene Produkt durch Deckel, Stempelknopf und griff optisch auffällig anders ausgestaltet sei. Vor allem aber habe das Landgericht auch nicht berücksichtigt, dass der Deckel aus hochwertigen Olivenholz hergestellt sei und der Stempelknopf im Gegensatz zum klägerischen Modell eine Halbkugel aufweise, mit der das Sieb über einen Metallstab in das Glas hineingedrückt werde.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des am 22.3.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt zur Geschäftsnummer 3-10 O 130 / 17 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht seiner Verurteilung zur Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz zugrunde gelegt, dass der Kaffeebereiter der Beklagten eine unlautere Nachahmung des über wettbewerbliche Eigenart verfügenden „Chambord“-Modells der Klägerin darstellt. Die von der Berufung hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.

1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kaffeebereiter „Chambord“ über wettbewerbliche Eigenart verfügt.

a) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses maßgebend. Dieser kann durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Technisch notwendige Gestaltungsmerkmale – also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen – können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen (OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2020, 122 – Rotations-Ausrichtungssystem; OLG Frankfurt am Main LMuR 2019, 154 Rn 19 – Collagen-Lift-Drink; BGH GRUR 2017, 734 – Bodendübel). Auch eine Kombination einzelner Gestaltungsmerkmale kann eine wettbewerbliche Eigenart begründen, selbst wenn die einzelnen Merkmale für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (BGH GRUR 2017, 1135 Rn 20 – Leuchtballon).

b) Maßgebend für die Bestimmung der Eigenart ist die Verkehrsauffassung (BGH WRP 2012, 1179 Rn 19 – Sandmalkasten). Das Gericht kann die wettbewerbliche Eigenart in der Regel aus eigener Sachkunde feststellen, auch wenn die Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (BGH GRUR 2006, 79 Rn 27 – Jeans I). Dazu muss es alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, insbesondere auch solche Umstände, die für sich allein weder erforderlich noch ausreichend sind, um die wettbewerbliche Eigenart zu begründen. Das Gericht kann auch Merkmale heranziehen, die in der Klageschrift nicht gesondert benannt sind, sofern das Produkt selbst vorgelegt oder bildlich wiedergegeben wird (OLG Köln WRP 2019, 1055 Rn 37).

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die schlüssige Darlegung der wettbewerblichen Eigenart durch die Klägerin nicht erforderlich, dass diese zum wettbewerblichen Umfeld vorträgt.

Grundsätzlich trägt allerdings der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 i.V.m. § 4 Nr. 3, (OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2015, 595 Rn 44; OLG Köln GRUR-RR 2015, 441, 443). Soweit es die wettbewerbliche Eigenart des Produkts betrifft, muss der Kläger zu dem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vortragen. Dazu kann er sich Abbildungen bedienen, soweit diese das Produkt und seine Merkmale deutlich erkennen lassen oder dem Gericht das betreffende Produkt vorlegen (BGH WRP 2018, 332 Rn 17 – Handfugenpistole). Hat der Kläger insoweit seiner Darlegungs- und Beweislast genügt, so trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Entstehen einer an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart (z.B. vorbekannte Gestaltungen) hindern oder deren Schwächung oder Wegfall (z.B. durch Auftreten ähnlicher Erzeugnisse auf dem Markt oder durch den Vertrieb des Produkts unter fremder Kennzeichnung in nicht nur geringfügigem Umfang) begründen (BGH WRP 2018, 332 Rn 22 – Handfugenpistole; BGH WRP 2017, 792 Rn 41 – Bodendübel). Insbesondere muss er die Marktbedeutung von Produkten darlegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will (BGH GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen).

d) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird der Gesamteindruck des Kaffeebereiters „Chambord“ nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung durch folgende, in der Klageschrift dargestellten Gestaltungsmerkmale geprägt, die auch nach Auffassung des Senats in Kombination geeignet sind, auf die betriebliche Herkunft und die Besonderheiten des Produkts hinzuweisen:

– Der zylinderförmige Kaffeebereiter aus Glas weist eine Trägerkonstruktion aus Metall mit vier vertikalen Haltestreben sowie einen horizontalen Haltering auf.

– Die vertikalen Haltestreben verjüngen sich pfeilartig am Übergang zum horizontalen Haltering und gehen am unteren Ende in nach außen abgeknickte Füße über.

– Der Haltering ist mit einem bogenförmigen Griff aus Kunststoff und der Haltering und der Griff sind mit einer gut sichtbaren Schraube verbunden.

– Der Kaffeebereiter weist einen kuppelartig abgerundeten Deckel mit einem kugelförmigen Knopf auf.

e) Die wettbewerbliche Eigenart ist unter Berücksichtigung des aufgezeigten wettbewerblichen Umfelds, soweit dieses keine Nachahmungen betrifft, jedenfalls als durchschnittlich einzustufen.

Unstreitig bringt die Klägerin den Kaffeebereiter „Chambord“ seit mehr als 50 Jahren auf den Markt. Nach den von den Beklagten nicht mittels Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts werden von dem Produkt jährlich über 20.000 Exemplare verkauft. Es ist im Übrigen – worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat – auch gerichtsbekannt, dass die Klägerin seit vielen Jahren mit ihrem Kaffeebereiter am Markt ist. Von einer gesteigerten Eigenart aufgrund hoher Bekanntheit kann hingegen nicht ausgegangen werden. Hierfür reicht die – bestrittene – Behauptung eines Verkaufs von 100.000 Stück pro Jahr in Deutschland nicht aus, da nähere Angaben zu Marktanteil oder Werbeanstrengungen fehlen.

f) Konkrete Anhaltspunkte für eine Schwächung der wettbewerblichen Eigenart liegen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte konnte nicht beweisen, dass im wettbewerblichen Umfeld in signifikantem Umfang Gestaltungen vorhanden sind, die Auswirkung auf die Eigenart des klägerischen Kaffeebereiters haben.

(1) Die wettbewerbliche Eigenart fehlt oder geht verloren, wenn die prägenden Gestaltungsmerkmale des nachgeahmten Originals, z.B. durch eine Vielzahl von Nachahmungen, Allgemeingut geworden sind, der Verkehr sie also nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem durch Lizenz- oder Gesellschaftsvertrag verbundenen Unternehmen oder einer bestimmten Ware zuordnet (BGH WRP 2015, 1090 Rn 11 – Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 Rn 16 – Hot Sox; BGH WRP 2017, 51 Rn 52 – Segmentstruktur; BGH WRP 2017, 792 Rn 41 – Bodendübel). Das kann der Fall sein, wenn der Hersteller sein Erzeugnis an verschiedene Unternehmen liefert, die es in großem Umfang unter eigenen Kennzeichnungen vertreiben und der Verkehr die weiteren Kennzeichnungen als Herstellerangaben und nicht als Handelsmarken ansieht (BGH WRP 2017, 792 Rn 41 – Bodendübel). Indessen geht nach der Rechtsprechung eine bestehende wettbewerbliche Eigenart nicht schon dadurch verloren, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH GRUR 1985, 876, 878 – Tchibo/Rolex I; BGH GRUR 2005, 600 (602) – Handtuchklemmen).

(2) Zum Marktumfeld hat die Beklagte – die hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH WRP 2018, 332 Rn 22 – Handfugenpistole; BGH WRP 2017, 792 Rn 41 – Bodendübel) – zum einen auf das Melitta-Produkt (Bl. 49) verwiesen. Zu diesem hat sie indes keinerlei Verkaufszahlen vorgetragen, wozu sie zwar mangels eigener Kenntnis nicht verpflichtet ist (OLG Köln GRUR-RR 2018, 207 Rn 73); ausreichend ist vielmehr z.B. die Darstellung von Werbeanstrengungen o.ä. (OLG Köln, GRUR 2019, 856, Rn 53). Die Beklagte hat auf die Bewerbung des Produkts „French Press“ von Melitta in deren Internetshop verwiesen. Es handelt sich insoweit um einen großen Anbieter unter einer bekannten Marke, so dass diese Darlegung ausreichend ist.

Dies hat aber nicht automatisch zur Folge, dass die wettbewerbliche Eigenart des „Originals“ verloren geht. So ist vor dem Hintergrund, dass die Eigenart nur verloren geht, wenn aufgrund der Vielzahl der Nachahmer die prägenden Gestaltungsmerkmale Allgemeingut geworden sind, eine einzelne Nachahmung schon grundsätzlich nicht geeignet, den Verlust der Eigenart herbeizuführen. Dies gilt erst recht dann nicht, wenn der Hersteller gegen die Nachahmung vorgeht, wie es auch hier der Fall ist. Die Klägerin hat nämlich gegen den Vertrieb des „Melitta“-Produkt erstinstanzlich ein Unterlassungsurteil des Landgerichts Frankfurt am Main erwirkt, wie sie in der Berufung unbestritten vorgetragen hat.

Ob der Melitta-Zubereiter aufgrund seiner Gestaltung überhaupt in der Lage ist, die Eigenart entfallen zu lassen, kann daher dahinstehen.

(3) Die wettbewerbliche Eigenart wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Kaffeebereiter (auch) unter der Marke „Melior“ vertrieben hat.

Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die Verkaufszahlen für den Melior-Kaffeebereiter lägen im „unteren dreistelligen Bereich“, was einen Einfluss auf die wettbewerbliche Eigenart des Originals ausschließt. Die Beklagte hat die Zahlen auch nicht bestritten: Zwar enthält das Urteil auf Seite 17 der Gründe die Feststellung, dass die Beklagte die Umsatzahlen bestritten habe, aus dem Tatbestand ergibt sich dies jedoch. Dies kann jedoch dahinstehen, da es schon an der erforderlichen Substantiierung der Beklagten scheitern lassen muss. Die Klägerin hat insoweit keine Beweislast, sondern nur eine sekundäre Darlegungslast (BGH GRUR 2018, 311 – Rn 22), der sie durch Angabe der niedrigen dreistelligen Umsatzzahlen gerecht geworden ist. Damit wäre es an der Beklagten gewesen darzulegen, dass das Melior-Produkt in nennenswertem Umfang auf dem Markt verfügbar ist. Dies hat sie nicht getan.

Soweit die Beklagte in zweiter Instanz neu vorträgt, der Melior-Kaffeebereiter sei im Jahr 2005 bei A und im Jahr 2009 bei B vertrieben worden, kann dahinstehen, ob dies tatsächlich in nennenswertem Umfang erfolgt. Allein aus Gründen des Zeitablaufs kann eine Verkaufsaktion, die vor 15 bzw. 20 Jahren stattgefunden hat, nicht dazu führen, heute die wettbewerbliche Eigenart zu verneinen. Bleibt es nämlich bei einer einmaligen bzw. zweimaligen Aktion, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verkehr auch 15 Jahre noch Veranlassung hat, an diese Verkaufsaktion zu denken und somit anzunehmen, die Gestaltung sei heute Allgemeingut.

(4) Der angeführte Kaffeezubereiter „Le Cafeterie“ (Bl. 53) teilt das gleiche Schicksal. Die Beklagten haben nichts zur Verbreitung und Marktanteilen vorgetragen. Sie verweisen hierzu nur auf ein Verfahren vor dem Landgericht Hamburg, vor dem offenbar geworden sei, dass der Hersteller dieses Kaffeebereiters „die älteren Rechte“ habe. Im Übrigen weist der Kaffeebereiter nicht nur – wie beim Modell der Beklagten – eine abweichende Deckelgestaltung auf; vielmehr ruft das Modell vor allem auch durch den Griff, bei dem die halbrunde Form des klägerischen Modells durch eine eckige Variante ersetzt ist, einen deutlich anderen Gesamteindruck hervor. Dieses Modell ist daher nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart in Frage zu stellen.

2. Der Senat teilt weiter die Auffassung des Landgerichts, dass eine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG vorliegt.

a) Das Produkt muss mit dem Originalprodukt übereinstimmen oder ihm zumindest so ähnlich sein, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt (ebenso BGH WRP 2015, 1477 Rn 78 – Goldbären; BGH WRP 2017, 792 Rn 45 – Bodendübel; BGH WRP 2018, 950 Rn 50 – Ballerinaschuh). Die Ähnlichkeit beurteilt sich nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse. Das Originalprodukt muss zwar nicht in allen seinen Gestaltungsmerkmalen übernommen worden sein. Bei einer nur teilweisen Übernahme muss sich die wettbewerbliche Eigenart des Originals aber gerade aus dem übernommenen Teil ergeben. Es müssen also gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, die wettbewerbliche Eigenart zu begründen (BGH GRUR 2007, 795 Rn 32 – Handtaschen; BGH WRP 2017, 792 Rn 45 – Bodendübel)

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist von einem hohen Nachahmungsgrad auszugehen. Von den oben dargestellten fünf wesentlichen Gestaltungsmitteln sind vier verwirklicht, wie die folgenden Gegenüberstellung zeigt:

[Abbildung]

[Abbildung]

Sowohl die sehr markante Trägerkonstruktion mit vier vertikalen Haltestreben, deren pfeilartige Verjüngung am Übergang zum horizontalen Ring sowie deren Übergang in abgeknickte Füße am unteren Ende sind bei der angegriffenen Ausführungsform nahezu identisch verwirklicht. Auch der Haltering ist vorhanden und mit gut sichtbaren Gestaltungselementen (Schrauben) am Haltering verbunden. Abweichend ausgestaltet ist der Deckel mit Knopf, der nicht kuppelartig, sondern flach gestaltet ist und auch keinen kuppelförmigen, sondern einen stempelartigen Knopf aufweist.

Der Verkehr wird daher in der angegriffenen Form eine fast identische Nachahmung des „Chambord“-Modells der Klägerin sehen. Der Abweichung im Material des Deckels (Olivenholz bei der Beklagten) wird er keine Bedeutung beimessen, da ihm bekannt ist, dass das Modell der Klägerin in einer Vielzahl von Deckelfarben vertrieben wird und somit auch denkbar ist, dass eine weitere Variante das Deckelmaterial abändert. Alleine die Abweichung im Deckel wird angesichts der ansonsten übereinstimmenden Gestaltungselemente den Verkehr nicht dazu führen, eine Nachahmung zu verneinen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist, der die betreffenden Produkte nicht nebeneinander sieht und unmittelbar miteinander vergleicht, sondern auf Grund seiner Erinnerung in Beziehung zueinander setzt (BGH WRP 2017, 1332 Rn 29 – Leuchtballon). Die zergliedernde Betrachtungsweise der Beklagten mag dem informierten Betrachter oder gar dem Fachmann Unterschiede gewärtig werden lassen, nicht hingegen dem Durchschnittsverbraucher in seinem Erinnerungseindruck. Der Verkehr wird daher weder die geometrisch leicht abweichende Form des Griffes bemerken noch die Tatsache, dass der Griff nicht mit einem, sondern mit zwei Schreiben befestigt ist. Charakteristisch bleiben die übernommene Trägerkonstruktion, der übernommene Griff sowie die übernommene – gestalterisch frei wählbare, aber hier ungewöhnliche – Befestigung mit Schrauben.

Schließlich schließt auch der angeblich höhere Kaufpreis des Beklagtenproduktes eine Nachahmung nicht aus. Der ergänzende Leistungsschutz schützt nicht nur vor Billigplagiaten, sondern ganz allgemein vor der unlauteren Übernahme von Leistungsergebnissen.

3. Es liegt auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung vor.

a) Für die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft genügt es, wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung oder der nachgeahmten Kennzeichnung annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen (BGH GRUR 2001, 443, 445 – Viennetta; BGH GRUR 2009, 1069 Rn 15 – Knoblauchwürste; BGH GRUR 2009, 1073 Rn 15 – Ausbeinmesser; BGH GRUR 2019, 196 Rn 15 – Industrienähmaschinen). So verhält es sich auch hier.

b) Die Anbringung der Marke „Bestbrew“ im Online-Shop ist nicht geeignet, einer Herkunftstäuschung entgegenzuwirken. Zum einen ist fraglich, ob hierfür ausreichend ist, die Marke nur im Online-Shop und nicht auf dem Produkt selbst anzubringen. Jedenfalls aber liegt die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn nahe. Hierfür genügt es, wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung oder der nachgeahmten Kennzeichnung annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen (BGH GRUR 2001, 443, 445 – Viennetta; BGH GRUR 2009, 1069 Rn 15 – Knoblauchwürste; BGH GRUR 2009, 1073 Rn 15 – Ausbeinmesser; BGH GRUR 2019, 196 Rn 15 – Industrienähmaschinen; Senat).

4. In der Gesamtabwägung ist daher angesichts der jedenfalls durchschnittlichen Eigenart und des hohen Grads der Übernahme von einer Unlauterkeit auszugehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Zulassungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung anerkannte Rechtsgrundsätze.

 

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