Brillenpartys: keine Verkaufsveranstaltungen im geschäftlichen Verkehr
Landgericht Essen
Urteil vom 06.03.2019
Az.: 42 O 71/16
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, dem auch im Bereich des Optikergewerbes höchstrichterlich die Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Ziffer 2 UWG zuerkannt worden ist. Die Beklagte ist als selbständige Handelsvertreterin für das Unternehmen X tätig, das im Onlinehandel Brillen verkauft. Die Beklagte veranstaltet sogenannte „Brillenpartys“, auf der sie auf Bestellung von Kunden ein Sortiment mit Brillenfassungen mitführt. Im Anschluss an die Partys gibt ein Kunde auf der Web-Seite des Onlinehändlers seine Augen- und Brillenwerte ein, aufgrund derer die Brillen durch X produziert werden. Im Rahmen der „Brillenparty“ führt die Beklagte, nachdem sich der Kunde für eine Fassung entschieden hat, mittels Pupillometers eine Pupillendistanzmessung durch. Sodann wird der Kunde nach seinen Brillenwerten befragt. Sollte er diese nicht kennen, nimmt die Beklagte eine Grobschätzung vor.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 4.8.2016 ab.
In ihrem Facebook-Auftritt bewarb die Beklagte ausweislich eines Screenshots vom ….2018 die von ihr durchgeführten Brillenpartys u.a. wie folgt: „ Wir bieten Brillen von höchster Qualität.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten Screenshot (Anlage KR 17) Bezug genommen.
Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte führe mit Pupillenmessung und Gläserberatung in unzulässiger Weise Tätigkeiten aus, die dem Augenoptikerhandwerk vorbehalten bliebe. Sie trägt vor, die Beklagte ermittle auch die Sehstärken ihrer Kunden für den Brillenkauf, wenn diese nicht vorlägen, und biete sodann eine Brillenbestellung mit diesen Werten an. Bei einem Kauf durch die Zeugin I habe die Beklagte ihr angeboten, den Brillenkauf entweder sofort mit den von der Beklagten geschätzten Sehstärkewerten zu tätigen, im Internet bei X zu bestellen oder der Beklagten später per Telefon das OK zum Brillenkauf zu geben. Die Brille sei sodann von der Zeugin I telefonisch bei der Beklagten und nicht online bei X bestellt worden. Der Zeugin I sei von der Beklagten dabei eindeutig erklärt worden, dass eine Brillenbestellung auch ohne weitere Bestimmung der Sehstärkewerte und ohne Vorlage einer Verschreibung allein aufgrund der von der Beklagten geschätzten Sehstärke möglich sei. Die Beklagte habe nur verlauten lassen, dass es besser sei, die Sehstärke vor der Bestellung noch einmal durch einen Augenarzt oder Optiker bestimmen zu lassen. Die Zeugin I habe dann telefonisch ihre tatsächlichen Werte mitgeteilt, die Beklagte hätte die Bestellung allerdings auch mit den geschätzten Werten bestellt.
Die Beklagte sei Mittäterin in einem verbotenen System, in dem die gesamte Brillenversorgung und Anpassung erfolgt, ohne dass der Fehlsichtige je einen Optikermeister gesehen und ohne dass ihm die Brille vom Optiker individuell angepasst werde. Hierin liege auch ein Verstoß gegen § 4 MPG.
Besonders perfide sei dabei, dass sogar gezielt „Gleitsichtanfänger“ angesprochen würden, also solche Verbraucher, die noch keinerlei Erfahrung im Bereich der Gleitsichtbrillen hätten und deshalb nicht wüssten, dass es zwingend erforderlich sei, ihre Gleitsichtbrille von einem erfahrenen Augenoptiker persönlich anpassen zu lassen. Die angesprochenen Fehlsichtigen würden glauben, dass ihm mit der Beklagten hier eine Person entgegentritt, welche die fachliche Qualifikation besitze, sogar über Gleitsichtbrillen zu beraten und den Anpassungsprozess zu begleiten.
Der Kläger beantragt nach den zuletzt gestellt Anträgen,
1.
Die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
a)
im geschäftlichen Verkehr Verkaufsveranstaltungen für Korrektionsbrillen durchzuführen, bei denen Kaufinteressenten über Korrektionsgläser beraten und/oder die Pupillendistanz gemessen wird,
und/oder
b)
im geschäftlichen Verkehr Verkaufsveranstaltungen durchzuführen, bei denen Fehlsichtigen individuell angepasste Korrektionsbrillen angeboten werden, ohne dass bis zur Fertigstellung der Korrektionsbrille und ihrer Lieferung an den Fehlsichtigen eine Anpassung der Korrektionsbrille durch einen Augenoptikermeister oder eine ihm handwerklich gleichgestellte Person eigenhändig bei persönlicher Anwesenheit des Fehlsichtigen vorgenommen wird
und/oder
c)
im geschäftlichen Verkehr Verkaufsveranstaltungen für Korrektionsbrillen durchzuführen, bei denen Fehlsichtige über für sie in Frage kommende Gleitsichtgläser beraten werden, ohne dass ein Augenoptikermeister oder eine ihm handwerkrechtlich gleichgestellte Person diese Beratung vornimmt
und/oder
d)
im geschäftlichen Verkehr Verkaufsveranstaltungen für Korrektionsbrillen durchzuführen, bei denen Fehlsichtigen individuell angepasste Korrektionsbrillen mit Gleitsichtgläsern angeboten werden, ohne dass bis zur Fertigstellung der Gleitsichtbrille und ihrer Lieferung an den Fehlsichtigen ein Augenoptikermeister oder eine ihm handwerksrechtlich gleichgestellte Person die Anpassung der Gleitsichtbrille eigenhändig bei persönlicher Anwesenheit des Fehlsichtigen vornimmt
hilfsweise für den Fall, dass das Gericht sämtliche Anträge zu I a) – d) abweisen sollte:
e)
im geschäftlichen Verkehr Verkaufsveranstaltungen durchzuführen, bei denen Fehlsichtigen Korrektionsbrillen angeboten werden, ohne dass bis zur Fertigstellung der Korrektionsbrille und ihrer Lieferung an den Fehlsichtigen eine Anpassung der Korrektionsbrille durch einen Augenoptikermeister oder eine ihm handwerkrechtlich gleichgestellte Person eigenhändig bei persönlicher Anwesenheit des Fehlsichtigen vorgenommen wird, wenn dabei nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass solche Brillen nicht im Straßenverkehr getragen werden dürfen;
weiter hilfsweise dazu:
f)
im geschäftlichen Verkehr Verkaufsveranstaltungen durchzuführen, bei denen Fehlsichtigen Gleitsichtbrillen angeboten werden, ohne dass bis zur Fertigstellung der Gleitsichtbrille und ihrer Lieferung an den Fehlsichtigen eine Anpassung der Gleitsichtbrille durch einen Augenoptikermeister oder eine ihm handwerkrechtlich gleichgestellte Person eigenhändig bei persönlicher Anwesenheit des Fehlsichtigen vorgenommen wird, wenn dabei nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass solche Gleitsichtbrillen nicht im Straßenverkehr getragen werden sollen.
2.
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 246,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, für die hier in Frage stehenden Tätigkeiten bedürfe es keiner Eintragung in die Handwerksrolle und trägt weiter vor: Eine Brillenglasberatung nehme sie im Rahmen der Partys nicht vor. Sie führe nur eine Stilberatung durch und helfe beim Ausfüllen des Formulars für die Onlineeingabe auf Visio-Rx.de. Wegen des genauen Inhaltes der auszufüllenden Formulare wird Bezug genommen auf die Anlagen KR 12 (Bl. 65 ff. d. A. ),B 1 (Bl. 100), B 7 (Bl. 175), B 10 (Bl. 294)
Bei der Pupillendistanzmessung handele es sich nicht um eine wesentliche Tätigkeit des Optikergewerbes, da diese gemäß § 1 Ans. 2 Ziffer 1 HWO in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden könnten. Hierbei handele es sich auch um eine sehr einfach durchzuführende Messung.
Ein Angebot werde von dem Meisterbetrieb erst dann erstellt, wenn die Verschreibung des Kunden vollständig vorliege. Die Grobschätzung bei nicht vorliegenden Sehstärken der Kunden nehme sie nur zur Kostenschätzung vor.
Die Beklagte stelle keine Brillen her, passe diese auch nicht an; sie übe lediglich eine Handels- und keine Handwerkstätigkeit aus.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage zu Ziffer 1 a) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß den §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Ziffer 2 UWG in Verbindung mit § 3 a UWG und § 1 Abs. 1 HwO ein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte es unterlässt, im geschäftlichen Verkehr Verkaufsveranstaltungen für Korrektionsbrillen durchzuführen, bei denen Kaufinteressenten über Korrektionsgläser beraten werden.
Die zwischen den Parteien nicht im Streit stehende Klagebefugnis der Klägerin folgt aus § 8 Absatz 3 Ziffer 2 UWG.
Die Beklagte verstößt mit der Durchführung der Brillenpartys in der sich im Laufe des Rechtsstreits herausgestellten Form gegen § 1 Abs. 1 HwO. Nach dieser Vorschrift ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen Personen und Personenhandelsgesellschaften gestattet. Die -nicht in der Handwerksrolle eingetragene- Beklagte handelt gewerblich, denn mit ihrer Tätigkeit als selbständige Handelsvertreterin für die Firma X übt die Beklagte eine auf gewisse Dauer angelegte selbständige Tätigkeit aus, die mit der Absicht der Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Mit den „Brillenpartys“ übt die Beklagte auch ein stehendes Gewerbe im Sinne von § 1 Abs. 1 HwO aus. Stehendes Gewerbe ist nach allgemeinen gewerberechtlichen Erwägungen im Umkehrschluss jede gewerbliche Tätigkeit, die nicht im Reisegewerbe ausgeübt wird und nicht dem Regelungsfeld der Messen und Märkte zuzurechnen ist (vgl. etwa Honig/Knörr/Thiel-Thiel § 1 HwO Rdr. 27 m.w.N.). Eine Reisegewerbe betreibt gemäß § 55 Abs. 1 GewO, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben 1. Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht oder 2. Unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller oder Schaustellerart ausübt (vgl. Honig/Knörr/Thiel-Thiel § 1 HwO Rdr. 28). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da die Beklagte die Brillenpartys nach vorhergehender Bestellung durchführt. Die Beklagte betreibt auch einen selbständigen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 HwO. Der Begriff „Betrieb“ wird in der HwO in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht; in Absatz 1 wird damit lediglich eine Tätigkeit, die Ausübung eines Handwerks, beschrieben (vgl. Detterbeck, § 1 HwO Rdnr. 13 m.w.N.). Die Durchführung von Brillenpartys stellt eine solche Tätigkeit dar. Sie ist auch eine solche des Handwerks. Denn der Verkauf von individuell auf die Bedürfnisse der einzelnen Kunden angepassten Brillen mit Korrekturgläsern ist Teil des Augenoptikerhandwerks, das in der Anlage A zur Handwerksordnung erfasst ist. Da die Beklagte -abgesehen von der Pupillenmessung- auch beratend bei der Ausfüllung der individuellen Onlinebestellung zur Seite steht, beschränkt sich ihre Tätigkeit eben nicht auf eine reine Händlertätigkeit.
Hierbei handelt es auch bei Zugrundelegung des eigenen Tatsachenvortrags Vortrags der Beklagten um eine zulassungs- und eintragungspflichtige wesentliche Tätigkeit des Augenoptikerhandwerks. Bei dem Begriff „wesentliche Tätigkeit“ im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 HwO handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff, der sich ausschließlich nach fachlichen, nicht nach quantitativen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten richtet (vgl. etwa Detterbeck, § 1 HwO Rdnr. 38; Honig/Knörr/Thiel § 1 HwO Rdnr. 49). Eine wesentliche Tätigkeit kann auch dann anzunehmen sein, wenn lediglich Einzelverrichtungen des Handwerks ausgeübt werden. Entscheidend ist dabei nach der Rechtsprechung insbesondere des BVerwG, was den Kernbereich des betreffenden Handwerkes darstellt, ihm sein Gepräge gibt. Dazu gehört nach Auffassung der Kammer auch die von der Beklagten durchgeführte individuelle Beratung des Kunden in Bezug auf die Brillenfassungen und die Gläser. Zu den Kernaufgaben eines Augenoptikers gehört nicht nur das Schleifen und Anpassen von Gläsern in frei verkäufliche oder selbst angefertigte Gestelle, sondern auch die Beratung der Kunden bezüglich der Brillenfassungen nach optischen, funktionalen und anatomischen Gesichtspunkten. Entsprechendes gilt bezüglich der Gläser hinsichtlich der Dicke, der Entspiegelung und der Verfärbung und auch deren Kompatibilität mit der Fassung. Dass es sich hierbei nicht nur um stylistische, d.h. modische Fragen, handelt, liegt auf der Hand und bedarf zur weiteren Sachaufklärung nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hier ist das Fachwissen und auch die Erfahrung eines Augenoptikers gefragt, der die Kunden insbesondere über die Funktionalität von Glasstärke, Entspiegelung und Einfärbung zu beraten hat, abgestellt auch auf die besonderen anatomischen Bedürfnisse des Kunden sowie dessen geplanten Einsatz der Brille. Die besondere Bedeutung der Fachberatung bei Bestellung der Brille spiegelt sich auch in dem Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung zum Augenoptiker und zur Augenoptikerin wider, wonach gem. Ziffer 5.2. für die Tätigkeiten „Kunden beraten und Dienstleistungen anbieten“, immerhin 14 Wochen veranschlagt werden. Die Beklagte kann sich nicht damit entlasten, sie übe z.B. mit dem fehlenden Einsatz von Informationsmedien diese Tätigkeiten gar nicht aus, denn das hindert nicht die Annahme, dass sie die in § 3 Absatz 2 Abschnitt A Nummer 5.2. im Augenoptikerhandwerk vorgesehene Beratung des Kunden tatsächlich übernommen hat. Wenn sie dabei mangels entsprechender Vorbildung nur eine Beratung durchführt, die dem Spektrum und der Qualitätsanforderung des Augenoptikerhandwerks nicht genügt, ist dies gerade der Grund für die gesetzliche Untersagung, nicht dagegen für die Verneinung der Verwirklichung des gesetzlichen Verbotstatbestandes. Die Beklagte hat in dem Geschäftsmodell des Online-Brillenverkäufers mit ihren Brillenpartys die Beratung bei Bestellung übernommen, der im Augenoptikerhandwerk eine wesentliche Funktion zukommt, was sich auch in den Ausbildungsplänen niederschlägt. Damit verfängt auch nicht der Hinweis der Beklagten auf § 1 Abs. 2 Ziffer 3 HwO in dem Sinne, für die von der Beklagten tatsächlich ausgeübte Tätigkeit sei ein deutlich kürzerer Ausbildungszeitraum erforderlich gewesen. Dass die Beklagte sich bei der Beratung im Rahmen der Brillenpartys im Übrigen nicht auf stylistische Ratschläge beschränkt hat, ergibt sich aus ihrem weiteren Vortrag, sie habe bei der Ausfüllung der Angebotsanfrage geholfen. Hierbei geht es aber gerade nicht um rein stylistische Fragen, wie sich insbesondere aus der mit Anlage B 10 (Bl. 294 d.A.) vorgelegten Angebotsanfrage ergibt. Die Beklagte hat hiernach die Kunden bei der Auswahlentscheidung der Glasdicke in extra dünn, dünn, sehr dünn und ultra dünn, bei der Frage des Glas-Upgrade in Hoher Zylinder oder Extra dünn oder voll personalisiert, bei der Tönung in feste Tönung, graduelle Tönung, Verspiegelung sowie in den Tönungsgrad 25 %, 50 %, 75 % und 85 % sowie bei der automatischen Sonnenbrille in Transitions VII, T-XTRActivew, Transitions VII und T-XTRActive zu unterstützen. Dass hierfür die besonderen Fachkenntnisse eines Augenoptikers gefragt sind, liegt auf der Hand.
Dagegen vermag die Kammer der Beklagten nicht zu untersagen, im Rahmen von Brillenpartys die Pupillendistanzmessungen durchzuführen. Insoweit ergibt sich aus dem beiderseitigen Parteivortrag, dass eine solche Messung – so wichtig sie auch für die korrekte Brillenherstellung sein mag- mit verhältnismäßig geringfügigem Aufwand und unkomplexen Mitteln erfolgen kann. Eine solche Tätigkeit lässt sich – wie sich auch dem Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung zum Augenoptiker und zur Augenoptikerin entnehmen lässt- in deutlich weniger Zeit als in drei Monaten erlernen. Da das Gesetz in § 1 Abs. 2 HwO gefahrgeneigtes und gesundheitsbezogenes Handwerk keiner besonderen Bewertung unterworfen hat, sieht die Kammer keine Handhabe dafür, hier von der gesetzlichen Wertung in § 1 Absatz 2 Ziffer 1 HwO abzuweichen und dennoch in der Pupillendistanzmessung eine für das Optikerhandwerk wesentliche Tätigkeit zu sehen; die Pupillendistanzmessung als solche greift auch nicht in die Gesundheit der Kunden ein.
Der Klageantrag zu Ziffer 1 b) ist zulässig, für ihn besteht insbesondere ein Rechtsschutzinteresse, das nicht bereits vom Klageantrag zu 1 a) erfasst wird. Denn bei diesem Antrag geht es um den Anspruch auf Unterlassung der Durchführung von Brillenpartys unter dem Aspekt als der Teil eines -möglicherweise- unerlaubten Geschäftsmodels, das den Verkauf von individuell erstellten Brillen ohne Anpassung durch einen Augenoptikermeister vorsieht. Der Klageantrag zu 1 b) ist allerdings unbegründet. Da die Beklagte nur mit der Beratung im Verkaufsgespräch befasst ist und die weitere Handhabung des Verkaufs außerhalb ihres Wirkungskreises liegt, käme nur eine Haftung als Mittäterin oder Gehilfin in Betracht. Beides setzt das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit des Handelns voraus, wovon vorliegend nicht ausgegangen werden kann. Denn die Frage, ob es gegen geltendes Recht, insbesondere gegen § 4 Abs. 1 Ziffer 1 MPG verstößt, wenn ein Online-Augenoptiker Brillen verkauft, deren individuelle Anpassung nicht durch einen Augenoptikermeister erfolgt, sondern geschäftsmodellbedingt letztlich durch den Kunden selbst, nachdem zuvor bereits im Verkaufsgespräch kein Augenoptikermeister Zentriermessungen vorgenommen hat, ergibt sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz. Auch die Kammer hätte bei Erheblichkeit des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin zunächst ein Sachverständigengutachten dazu eingeholt, inwieweit derart angebotene, hergestellte und vertriebene Brillen eine Gesundheitsgefährdung darstellen könnten.
Aus den gleichen Gründen ist auch der Antrag zu Ziffer 1 d) unbegründet.
Dem Klageantrag zu Ziffer 1 c) fehlt das -eigenständige- Rechtsschutzinteresse, da die begehrte Unterlassungshandlung bereits durch den Klageantrag zu Ziffer 1 a) erfasst ist; Gleitsichtgläser stellen eine Teilmenge von Korrektionsgläsern dar. Die Klage ist insoweit unzulässig.
Da nicht sämtliche Anträge zu I a) – d) abgewiesen worden sind, hat sich die Kammer nicht mit den Hilfsanträgen zu befassen, deren Bescheidung genau unter diese Bedingung gestellt worden ist.
Der zuerkannte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist aus § 12 I 2 UWG begründet.
Die Androhung von Ordnungsmitteln erfolgt nach § 890 ZPO.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 92 I,709 ZPO.
Bei der Kostenquote ist die Kammer von folgendem – hiermit zugleich festgesetztem- Streitwert ausgegangen:
Klageantrag zu 1) a): 25.000,00 €
(21.000,00 € Beratung/4.000,00 € Puppillendistanzmessung)
Klageantrag zu 1 b) 10.000,00 €
(verminderter Wert wegen teilweiser Interessenüberlappung mit Antrag zu 1) )
Klageantrag zu c) kein streitwerterhöhender Antrag
Klageantrag zu d) kein streitwerterhöhender Antrag, vom Wert des Klageantrags zu 1 b) umfasst.
Gesamtstreitwert: 35.000,00 €.