EuGH soll Fragen hinsichtlich der Gestaltung von Flugpreisen klären
Bundesgerichtshof
Beschluss vom 21.04.2016
Az.: I ZR 220/14
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2016 durch (…)
beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. Nr. L 293 vom 31. Oktober 2008, S. 3) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG dahin auszulegen, dass Luftfahrtunternehmen die in den Buchstaben b, c und d genannten Steuern, Flughafengebühren und sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte bei der Veröffentlichung ihrer Flugpreise in der ihnen tatsächlich entstehenden Höhe ausweisen müssen und daher nicht teilweise in ihre Flugpreise gemäß dem Buchstaben a dieser Bestimmung einbeziehen dürfen?
2. Ist die Bestimmung des Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ihre Grundlage im Unionsrecht hat, entgegensteht, nach der von Kunden, die einen Flug nicht angetreten oder storniert haben, dafür kein gesondertes Bearbeitungsentgelt erhoben werden kann?
Gründe
I. Der Kläger ist der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. -. Er nahm am 26. April 2010 auf der Internetseite der beklagten Fluggesellschaft, auf der Flüge online gebucht werden können, eine Probebuchung für einen einfachen Flug von Berlin-Tegel nach Köln vor. Im Buchungsschritt 1 erschien eine tabellarische Auflistung möglicher Flugverbindungen zu unterschiedlichen Preisen. Nach dem Anklicken einer der Flugverbindungen erschien unterhalb der Tabelle eine Rubrik, die wie folgt gestaltet war:
Flugpreis: …
Steuern und Gebühren: …
Kerosinzuschlag: …
Preis inkl. 500 topbonus Meilen: …
Hinter „Steuern und Gebühren“ erschien ein Betrag von € 3,00. Bei einer weiteren Probebuchung des Klägers auf der Internetseite der Beklagten am 20. Juni 2010 für einen Flug am 30. Juni 2010 um 12.55 Uhr von Berlin-Tegel nach Frankfurt am Main mit Rückflug am 7. Juli 2010 um 15.25 Uhr erschien hinter „Steuern und Gebühren“ jeweils ein Betrag von € 1,00.
Nach der Entgeltordnung der Berliner Flughäfen beträgt das Passagierentgelt je Zusteiger innerhalb der Bundesrepublik Deutschland 11,75 €. Nach der ab dem 1. Januar 2009 gültigen Entgeltordnung des Flughafens Frankfurt am Main werden dort im innerdeutschen Verkehr für originäre Zusteiger Passagierentgelte in Höhe von 14,70 € erhoben. Das Entgelt kann sich aufgrund einer Kappungsgrenze verringern, wobei die Rückerstattung an die Fluggesellschaft zu Beginn des Folgejahres erfolgt und unter bestimmten Voraussetzungen zum Halbjahr eine Abschlagszahlung vorgenommen wird.
Nach Ansicht des Klägers weist die vorstehend beschriebene Darstellung der Steuern und Gebühren auf der Internetseite der Beklagten zu niedrige Beträge aus. Sie verstoße daher gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG und sei deshalb unzulässig. Zudem führe sie die Verbraucher in die Irre.
Die auf der Internetseite der Beklagten eingestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten in Ziffer 5.2 folgende Bestimmung:
Für die Bearbeitung und Abwicklung nicht angetretener oder stornierter Flüge im Spartarif (Ziffer 5.1.2 und 5.1.3) erhebt die Fluggesellschaft weiterhin ein Bearbeitungsentgelt von 25 EUR pro Reiseteilnehmer und Buchung. Dem Kunden steht nach deutschem Recht der Nachweis offen, dass das im konkreten Fall angemessene Bearbeitungsentgelt wesentlich niedriger ist als das pauschalierte Bearbeitungsentgelt.
Nach Ansicht des Klägers ist diese Bestimmung nach § 307 BGB unwirksam, weil sie die Vertragspartner der Beklagten unangemessen benachteiligt. Die Beklagte dürfe für die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung kein gesondertes Entgelt verlangen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,
1. im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse www.airberlin.com bei der Darstellung der Preise für Flüge unter der Bezeichnung „Steuern und Gebühren“ Beträge auszuweisen, die nicht den tatsächlich von der Beklagten zu entrichtenden Angaben entsprechen, wie geschehen in einer Bildschirmdarstellung wie nachstehend wiedergegeben
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2. nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in nach dem 1. April 1977 geschlossene Verträge über Luftbeförderungsleistungen mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:
(5.2) Für die Bearbeitung und Abwicklung nicht angetretener oder stornierter Flüge im Spartarif (Ziffer 5.1.2 und 5.1.3) erhebt die Fluggesellschaft weiterhin ein Bearbeitungsentgelt von 25 EUR pro Reiseteilnehmer und Buchung. (Dem Kunden steht nach deutschem Recht der Nachweis offen, dass das im konkreten Fall angemessene Bearbeitungsentgelt wesentlich niedriger ist als das pauschalierte Bearbeitungsentgelt.)
Darüber hinaus hat das Landgericht dem Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz pauschaler Abmahnkosten in Höhe von 200 € zuerkannt (LG Berlin, DAR 2012, 264). Die gegen das Urteil des Landgerichts gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (KG, GRUR 2015, 395 = WRP 2015, 223). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung der Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten ist daher das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
1. Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig und begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG fordere neben der Angabe des Flugpreises mindestens die gesonderte Angabe der unvermeidbar und voraussichtlich anfallenden Steuern, Flughafengebühren und der sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte. Die Einschränkung im Halbsatz 2 dieser Bestimmung „soweit die unter den Buchstaben b, c und d genannten Posten dem Flugpreis hinzugerechnet wurden“ ändere daran nichts. Da es bei der Regelung des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG nicht um eine Veränderung oder Reglementierung des Endpreises, sondern allein um dessen transparente Aufgliederung gehe, stehe ihr auch nicht die den Luftverkehrsunternehmen eingeräumte Freiheit der Festsetzung ihrer Preise entgegen. Mit der Angabe „Steuern und Gebühren: Euro 3,00“ für Flüge zwischen Berlin und Frankfurt erfasse die Beklagte die unvermeidbaren und vorhersehbaren Flughafengebühren betragsmäßig nicht vollständig. Die Luftfahrtunternehmen seien nicht berechtigt, Teile der Entgelte nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. b, c und d im Flugpreis zu verstecken.
Die mit dem Unterlassungsantrag zu 2 angegriffene Klausel 5.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten stelle eine der Inhaltskontrolle unterliegende Preisnebenabrede dar. Sie sei mit den wesentlichen Grundlagen des § 649 Satz 2 BGB unvereinbar, wonach der Werkunternehmer im Falle der Kündigung des Vertrags durch den Besteller zwar grundsätzlich die vereinbarte Vergütung verlangen könne, sich darauf aber dasjenige anrechnen lassen müsse, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspare. Die Klausel benachteilige den Vertragspartner daher im Falle ihrer Anwendung bei der Stornierung eines Kurzoder Mittelstreckenflugs im Spartarif und möglicherweise auch bei einem Storno eines Langstreckenflugs im Spartarif gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Außerdem weiche sie im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von zentralen Grundgedanken des Entschädigungsrechts ab, ohne dass die Abweichung sachlich gerechtfertigt sei.
2. Im Streitfall stellt sich bei der Beurteilung des Unterlassungsantrags zu 1 in entscheidungserheblicher Weise die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht hinreichend geklärte Frage, ob Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG verlangt, dass Luftfahrtunternehmen die dort in den Buchstaben b, c und d genannten Steuern, Flughafengebühren und sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte bei der Veröffentlichung ihrer Flugpreise in der tatsächlich entstehenden Höhe ausweisen müssen und daher nicht bereits teilweise in ihre Flugpreise gemäß dem Buchstaben a dieser Bestimmung einbeziehen dürfen. Darauf ist die Vorlagefrage 1 gerichtet.
a) Der Unterlassungsantrag zu 1 ist hinreichend bestimmt, weil der Kläger lediglich ein Verbot der Handlung begehrt, so wie diese begangen wurde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. März 2011 I ZR 81/09, GRUR 2011, 1151 Rn. 14 = WRP 2011, 1587 Original Kanchipur, mwN). Aus den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass der Beklagten untersagt werden soll, die im Endpreis gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG enthaltenen Steuern und Gebühren im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. b bis d der Verordnung – wie in den Bildschirmdarstellungen der Anlage zum Klageantrag geschehen – in einer Höhe anzugeben, in der sie nach dem Kenntnisstand der Beklagten im Zeitpunkt der Bildschirmangabe nicht unvermeidbar und vorhersehbar anfallen.
Der Unterlassungsantrag zu 1 ist nicht auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet. Die Verpflichtung des Luftfahrtunternehmers zur gesonderten Ausweisung der nicht fakultativen, sondern für den Kunden unvermeidbaren Steuern, Flughafengebühren, sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte bezieht und beschränkt sich auf die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbaren Preise.
Die Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (bis 9. Dezember 2015: § 4 Nr. 11 UWG) dar (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 – I ZR 29/12, GRUR 2016, 392 Rn. 15 = WRP 2016, 467 – Buchungssystem II; zu der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG enthaltenen Regelung). Sie soll Information und Transparenz in Bezug auf die Preise für Flugdienste gewährleisten und trägt damit zum Schutz der Kunden bei, die diese Dienste in Anspruch nehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. September 2014 C487/12, EuZW 2014, 837 Rn. 32 Vueling Airlines). Der Umstand, dass Verstöße gegen diese Bestimmung gemäß § 108 Abs. 5 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung mit einem Bußgeld geahndet werden können, steht deren Einordnung als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG und § 4 Nr. 11 UWG aF nicht entgegen (vgl. BGH, GRUR 2016, 392 Rn. 16 Buchungssystem II, zu Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG). Verstöße gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG sind auch geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG (bis 9. Dezember 2015: § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG) wesentlich zu beeinflussen (vgl. BGH, GRUR 2016, 392 Rn. 23 – Buchungssystem II, zu Art. 23 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung).
b) Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG muss bei der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreisen der zu zahlende Endpreis stets ausgewiesen werden und den anwendbaren Flugpreis beziehungsweise die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte einschließen, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind. Neben dem Endpreis sind nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG mindestens der Flugpreis und, soweit sie hinzugerechnet wurden, die Steuern, die Flughafengebühren und die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte wie etwa diejenigen auszuweisen, die mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Verbindung stehen. Fakultative Zusatzkosten sind nach Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitzuteilen, wobei sich der Kunde auf „Opt-in“-Basis für die Option entscheiden kann.
c) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 19. Juli 2012 – C112/11, NJW 2012, 2867 – ebookers.com/Verbraucherzentrale Bundesverband zu fakultativen Zusatzkosten im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG Stellung genommen. In dem Urteil
15. Januar 2015 – C-573/13, GRUR 2015, 281 = WRP 2015, 326 Air Berlin/Bundesverband hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgesprochen, dass nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG der zu zahlende Endpreis im Rahmen eines elektronischen Buchungssystems wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bei jeder Angabe von Preisen für Flugdienste, einschließlich bei ihrer erstmaligen Angabe und auch nicht nur für den vom Kunden ausgewählten Flugdienst, sondern für jeden Flugdienst auszuweisen ist, dessen Preis angezeigt wird. Mit der Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 dieser Verordnung hat er sich dabei nur am Rand befasst (vgl. EuGH, GRUR 2015, 281 Rn. 44 – Air Berlin/Bundesverband).
d) Für die Ansicht, die in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. b bis d der Verordnung Nr. 1008/2008/EG genannten Posten könnten auch ganz oder teilweise in den Flugpreis gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a dieser Verordnung eingerechnet werden und brauchten dann in dem Umfang, in dem sie in den Flugpreis eingerechnet sind, nicht mehr nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. b bis d der Verordnung gesondert ausgewiesen zu werden, könnte die Wendung im letzten Halbsatz dieser Vorschrift „soweit [diese] Posten dem Flugpreis … hinzugerechnet wurden“ sprechen. Eindeutig ist der Wortlaut der Verordnung aber nicht. Die Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG könnte aber auch dahin auszulegen sein, dass eine Aufgliederung des Endpreises erforderlich ist, die stets die Angabe des Flugpreises nach Buchst. a, der notwendig anfällt, sowie derjenigen weiteren Preisbestandteile enthält, die im konkreten Fall hinzukommen, das heißt in aller Regel die Steuern und die Flughafengebühren sowie gegebenenfalls die sonstigen Gebühren. Danach wären die Preisbestandteile gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. b bis d der Verordnung Nr. 1008/2008/EG, soweit sie tatsächlich anfallen, gesondert auszuweisen und dürften nicht in den Flugpreis nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a der Verordnung eingerechnet werden. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise sprechen Sinn und Zweck des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG, zum Schutz der Kunden nicht nur Transparenz und Information im Hinblick auf die Preise von Luftverkehrsdienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH, NJW 2012, 2867 Rn. 13 – ebookers.com/Verbraucherzentrale; EuZW 2014, 837 Rn. 32 – Vueling Airlines; GRUR 2015, 281 Rn. 33 – Air Berlin/Bundesverband). Die Regelung legt daher nahe, zu verlangen, dass die angegebenen Preise nicht nur klar, sondern auch wahr sind. Dem zweiten Erfordernis entsprechen die vom Kläger beanstandeten Angaben der Beklagten zu den Steuern und Gebühren, die bei den von der Beklagten angebotenen Flügen tatsächlich anfallen, nicht.
3. Bei der Beurteilung des Unterlassungsantrags zu 2 stellt sich im Streitfall in entscheidungserheblicher Weise die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ebenfalls noch nicht geklärte Frage, ob Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG der Anwendung einer nationalen Regelung zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ihre Grundlage im Unionsrecht hat, entgegensteht, nach der von Kunden, die einen Flug nicht angetreten oder storniert haben, dafür kein gesondertes Bearbeitungsentgelt erhoben werden kann. Dazu verhält sich die Vorlagefrage 2.
a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Diese Bestimmungen stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF dar (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 46 f. = WRP 2012, 1086 – Missbräuchliche Vertragsstrafe; Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 40/11, GRUR 2013, 421 Rn. 31 = WRP 2013, 479 – Pharmazeutische Beratung über Call-Center, jeweils mwN). Sie dienen auch der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95 vom 21. April 1993, S. 29) in deutsches Recht. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG ist eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Halbs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest.
Im Hinblick auf den Unterlassungsantrag zu 2 kann es keinen relevanten Unterschied machen, ob der Unternehmer, der Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, Stornierungen intern bearbeitet oder etwa aus betriebswirtschaftlichen Gründen externe Dienstleister mit deren Bearbeitung beauftragt. In beiden Fällen stellt die Bearbeitung von Stornierungen eine Aufgabe dar, die nach der gesetzlichen Regelung dem Aufgabenkreis des Unternehmers zugewiesen ist, ohne dass es dabei auf die Abgrenzbarkeit des Aufwands ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2009 – Xa ZR 40/08, WRP 2009, 1542 Rn. 17).
Das Berufungsgericht hat die streitgegenständliche Bearbeitungsentgelt-Klausel zu Recht als nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam angesehen, auch wenn das Klauselverbot gemäß § 309 Nr. 5 Buchst. b BGB, dem die Beklagte in Ziffer 5.2 Satz 2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Rechnung getragen hat, spezieller ist. Die Erhebung eines Bearbeitungsentgelts, mit der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Verstoß gegen § 307 BGB eigene Gemeinkosten auf den Vertragspartner verlagert werden, ist schon dem Grunde nach unzulässig, ohne dass es noch darauf ankommt, ob das Entgelt herabgesetzt werden kann. Die §§ 308 und 309 BGB stehen selbständig neben § 307 BGB. Dementsprechend sind Allgemeine Geschäftsbedingungen, auch wenn sie mit den §§ 308, 309 BGB vereinbar sind, regelmäßig noch selbständig nach § 307 BGB zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 121/04, NJW-RR 2005, 1496, 1498; Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl., § 307 BGB Rn. 49 und 343).
b) Gemäß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG legen die Luftfahrtunternehmen der Union und – auf der Grundlage der Reziprozität – die Luftfahrtunternehmen von Drittländern ihre Flugpreise und Frachtraten für innergemeinschaftliche Flugdienste unbeschadet des Art. 16 Abs. 1 dieser Verordnung frei fest. Nach der zuletzt genannten Vorschrift kann ein Mitgliedstaat im Linienflugverkehr zwischen einem Flughafen in der Union und einem Flughafen, der ein Rand- oder ein Entwicklungsgebiet seines Hoheitsgebiets bedient, oder auf einer wenig frequentierten Strecke zu einem Flughafen seines Hoheitsgebiets den dort tätigen Luftfahrtunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen, soweit die jeweilige Strecke für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des von dem Flughafen bedienten Gebiets als unabdingbar gilt. Die nach dieser Bestimmung für die Beschränkung der Preisfreiheit gemäß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG bestehenden Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
c) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG einer nationalen Regelung entgegen, die Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet, in jedem Fall für den Preis des Flugscheins nicht nur den Fluggast zu befördern, sondern auch das von ihm aufgegebene Gepäck, ohne dass für dessen Beförderung Zusatzkosten verlangt werden dürfen, sofern es gewissen Anforderungen, unter anderem an sein Gewicht, entspricht (EuGH, EuZW 2014, 837 Rn. 43 ff., 49 – Vueling Airlines). Eine solche Regelung verstößt gegen das Recht des Luftfahrtunternehmens nach Art. 2 Nr. 18 und Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG, die für die Beförderung von Fluggästen im Flugverkehr zu zahlenden Preise und die Bedingungen frei festzulegen, unter denen diese Preise gelten; außerdem ist sie geeignet, insbesondere das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel in Frage zu stellen, die effektive Vergleichbarkeit solcher Preise zu ermöglichen, weil die von einer entsprechenden nationalen Regelung betroffenen Luftfahrtunternehmen anders als Luftfahrtunternehmen, die der Regelung anderer Mitgliedstaaten unterliegen, keinen gesonderten Tarif für die Beförderung von aufgegebenem Gepäck ausweisen dürfen (EuGH, EuZW 2014, 837 Rn. 45 Vueling Airlines). Das Unionsrecht verwehrt den Mitgliedstaaten unbeschadet der Anwendung unter anderem von Bestimmungen zum Verbraucherschutz nicht, Aspekte des Luftbeförderungsvertrags insbesondere zum Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Geschäftspraktiken zu reglementieren; eine solche nationale Regelung darf aber nicht die Entgeltregelungen der Verordnung Nr. 1008/2008/EG in Frage stellen (EuGH, EuZW 2014, 837 Rn. 44 – Vueling Airlines).
d) Es ist nicht zweifelsfrei, ob die im Streitfall in Rede stehende Klausel 5.2 überhaupt eine Regelung ist, die der Freiheit der Luftfahrtunternehmen zur Bestimmung des Flugpreises unterfällt und, bejahendenfalls, ob der nach der Randnummer 44 des Urteils „Vueling Airlines“ anzunehmende Vorrang des Interesses des Luftfahrtunternehmens, seine Preise gemäß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG frei festzulegen (vgl. oben unter II 3 c), vor nationalen Regelungen zum Schutz der Verbraucher gegen missbräuchlichen Geschäftspraktiken gilt, wenn die nationale Regelung – wie im Streitfall die in § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB enthaltene – ihrerseits ebenfalls auf einer unionsrechtlichen Grundlage – wie im Streitfall auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Halbs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG – beruht (vgl. oben unter II 3 a). Zweifel, dass die Klausel über das Bearbeitungsentgelt der Freiheit der Luftfahrtunternehmen zur Festsetzung des Flugpreises unterfällt, ergeben sich aus der Definition der Flugpreise in Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG. Das Bearbeitungsentgelt ist nicht für die Beförderung von Fluggästen zu zahlen und es betrifft auch nicht die Bedingungen, unter denen die Preise gelten. Weiter dürfte für einen Gleichklang der Vorschriften der Verordnung Nr. 1008/2008/EG und mit den Bestimmungen über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sprechen, dass die Vorschriften der Richtlinie 93/13/EWG ebenso der Errichtung beziehungsweise Vollendung des Binnenmarktes dienen (vgl. die Erwägungsgründe 1, 6 und 7 dieser Richtlinie und Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer aaO Richtlinie 93/13/EWG, Vor Art. 1 Rn. 1 bis 4) wie die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1008/2008/EG (vgl. die Erwägungsgründe 2, 10 und 18 dieser Verordnung sowie EuGH, Urteil vom 18. März 2014 – C-628/11, ZLW 2014, 308 Rn. 50 – International Jet Management). Im Hinblick darauf sollte die Bestimmung des Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG nicht der Anwendung einer nationalen Regelung zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ihre Grundlage im Unionsrecht hat, entgegenstehen, nach der von Kunden, die einen Flug nicht angetreten oder storniert haben, dafür kein gesondertes Bearbeitungsentgelt erhoben werden kann.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 29.11.2011 – 15 O 395/10 –
KG Berlin, Entscheidung vom 12.08.2014 – 5 U 2/12 –