Gebrauchsmusterschutz für Luftliege aus Nylon

02. August 2017
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Mann liegt im Luftbett auf Wiese Urteil des LG Düsseldorf vom 15.12.2016, Az.: 14c O 73/16

Für eine aus einem langen, mittig geknickten Luftschlauch bestehenden Liege aus Nylon kann Geschmacksmusterschutz bestehen. Erscheinungsmerkmale, die nicht ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingt sind, begründen einen Unterlassungsanspruch des Inhabers des eingetragenen und veröffentlichten Geschmacksmusters aus Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Abs 1, 89 Abs. 1 lit. a) GGV gegen Nachahmer. Eine Liege muss zwar stets Ausmaße haben, die es erlauben auf ihr liegen zu können. Dennoch sind für diese unterschiedlichste Formen denkbar, ebenso verschiedene Liegeflächen oder Kopfenden. Entsprechend ist die konkrete Formgebung eine geschützte gestalterische Leistung.

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 15.12.2016

Az.: 14c O 73/16

Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 18.05.2016 wird bestätigt.

Die weiteren Kosten tragen die Antragsgegnerin zu 1. zu 2/3 und der Antragsgegner zu 2. zu 1/3.

Tatbestand

Der Antragsteller nimmt in Prozessstandschaft die Antragsgegner auf Unterlassung des Vertriebs von Luftliegen in Anspruch.

Der Antragsteller ist Produktentwickler und beschäftigt sich seit Jahren mit der Entwicklung von mit Luft zu befüllenden Sitzgelegenheiten. Nachdem er ab 2010 mit Luft zu befüllende Sitzsäcke unter dem Namen „xxx“ verkauft hatte, entwickelte er im Folgenden die nunmehr in Rede stehende Luftliege. Im November und Dezember 2014 stellte er erste Modelle bis hin zur finalen Ausführung der Luftliege her, die in der äußeren Formgestaltung seither unverändert blieb. Am 30.01.2015 präsentierte er ein Modell der Luftliege – einfarbig, indes mit kontrastierendem schwarzen Verschluss und in der Form der in den B HPR 27 und 28 (teilweise) wiedergegebenen blauen Luftliege – (im Folgenden: Verfügungsgeschmacksmuster I) im Rahmen eines Vortrages vor dem niederländischen Verband der Erfinder, Produktentwickler und Forscher „NOVU“ in Utrecht.

Er wurde zudem Inhaber des am 18.01.2015 angemeldeten und am 03.02.2015 eingetragenen und veröffentlichten Gemeinschaftsgeschmacksmusters #####/####-0001 (im Folgenden: Verfügungsgeschmacksmuster II). Das Muster steht in Kraft und zeigt eine Liege wie nachfolgend abgebildet:

 

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Ab Februar 2015 verkaufte der Antragsteller die Luftliegen in verschiedenen Farben und wiederum unter dem Namen „xxx“ auf Märkten und Festivals. Nach Abschluss einer entsprechenden Kooperationsvereinbarung wurden die Liegen sodann ab Mitte April 2015 auf der Internetseite und in Geschäften des in den Niederlanden ansässigen Einzelhandelsunternehmens Bever verkauft (Anlage HPR 7).

Im März 2016 ging er mit der xx the original B.V. eine Kooperation ein, in deren Folge er am 12.05.2016 sämtliche geistigen Eigentumsrechte an diese übertrug. Die xx the original B.V. ermächtigte den Antragsteller indes, im eigenen Namen die Rechte aus den Verfügungsgeschmacksmustern gegenüber den Antragsgegnern geltend zu machen.

Die Antragsgegnerin zu 1., deren Geschäftsführer der Antragsgegner zu 2. ist, bot ab Ende April 2016 über ihre Internetseite www.laybag.com die aus der Anlage HPR 5 ersichtlichen, mit Luft zu befüllenden transportablen Liegen aus Nylon unter der Bezeichnung „LayBagTM“ weltweit zum Kauf an. Bereits zuvor hatte die Firma U. Luftliegen über diese Internetseite vertrieben. Nach Abmahnung durch den Antragsteller am 01.04.2016 (Anlage HPR 13) hatten die Firma U. und ihr Managing Director Michael Luckow am 22.04.2016 eine Unterlassungserklärung abgegeben (Anlage HPR 15) und die Abänderung der Form und des Verschlusses der Luftliegen angekündigt. Überdies hatte die Firma U. mitgeteilt, die geänderten Luftliegen würden nunmehr durch die Antragsgegnerin zu 1. vertrieben. Der Antragsteller mahnte daraufhin die Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 28.04.2016 (Anlage HPR 17) ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Dies wiesen die Antragsgegner mit E-Mail vom 10.05.2016 (Anlage HPR 18) zurück.

Auf Antrag des Antragstellers vom 12.05.2016 hat die Kammer den Antragsgegnern durch einstweilige Beschlussverfügung vom 16.05.2016 bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel unter Ziffer I. untersagt,

mit Luft zu befüllende Liegen zu bewerben, bewerben zu lassen, anzubieten, anbieten zu lassen, in Verkehr zu bringen oder in Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie in der – auch diesem Urteil – beigefügten Anlage HPR 5 ersichtlich.

Gegen die einstweilige Verfügung haben die Antragsgegner mit Schriftsatz vom 24.06.2016 Widerspruch eingelegt und diesen begründet. Überdies haben sie mit demselben Schriftsatz die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 18.05.2016 ohne – hilfsweise gegen Sicherheitsleistung – beantragt. Diesen Antrag hat die Kammer mit Beschluss vom 12.07.2016 (Bl. 112 ff. GA) zurückgewiesen. Die einstweilige Beschlussverfügung ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner im Parteiwege von Anwalt zu Anwalt am 27.07.2016 zugestellt worden.

Der Antragsteller ist der Ansicht, die Vollziehungsfrist sei gewahrt. Aufgrund der  Übersendung beglaubigter Kopien der einstweiligen Beschlussverfügung am 09.06.2016 an verschiedene E-Mail-Adressen der Antragsgegnerin zu 1. und Bestätigung des Eingangs zumindest zweier E-Mails sei jedenfalls von einer Heilung etwaiger Zustellungsmängel nach § 189 ZPO innerhalb der Vollziehungsfrist auszugehen. Auch sei die Verbotsverfügung durch Zustellung im Parteiwege per Gerichtsvollzieher an Herrn X, Vertriebsleiter der Antragsgegnerin zu 1. für Deutschland, die Schweiz und Österreich, am 22.06.2016 wirksam gegenüber der Antragsgegnerin zu 1. vollzogen worden. Jedenfalls aber sei von einer bewussten Vollziehungsvereitelung auszugehen, da unstreitig der Antragsgegner zu 2. unbekannt verzogen sei und auch die von der Antragsgegnerin zu 1. angegebene Firmenadresse im Zeitpunkt des Zustellversuchs durch die Gerichtsvollzieherin am 26.05.2016 nicht mehr existiert habe. So seien – wiederum unstreitig – die Klingelschilder abmontiert und der Briefkasten zugeklebt worden. Die nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten hätten sich unstreitig bis zur Einlegung des Widerspruchs ausdrücklich für nicht zustellungsbevollmächtigt erklärt.

Der Antragsteller stützt den Unterlassungsanspruch in erster Linie auf Geschmacksmusterrecht, wobei er sich vorrangig auf das Verfügungsgeschmacksmuster I, nachrangig auf das Verfügungsgeschmacksmuster II stützt.

Insoweit trägt er vor, die Eigenart der am 30.01.2015 durch die Präsentation vor dem niederländischen Verband „NOVU“ öffentlich zugänglich gemachten Luftliege werde durch die doppelte Röhre, die in der Mitte über die Länge verbunden sei, an einem Ende weiterlaufe und knicke und am anderen Ende eine geschlossene aufgerollte große Öffnung besitze, begründet. Eine technische Abhängigkeit zwischen der Luftbefüllungstechnik des „Hin-und-Her-Schwenkens“ und der doppelten Röhrenform bestehe nicht, vielmehr könne die Befüllungsmethode für jede beliebige äußere Form verwendet werden, wozu er unter Verweis auf die B HPR 21 und 22 näher vorträgt. Durch die ihr Eigenart verleihenden Merkmale hebe sich die Luftliege erkennbar vom vorbekannten Formenschatz (Anlagenkonvolute HPR 9 und 10) ab. Die von den Antragsgegnern entgegen gehaltenen Produkte „x“ und „x“ gehörten als Medizinprodukte zu einer gänzlich anderen Branche als die geschützten Luftliegen und seien schon deshalb innerhalb des vorbekannten Formenschatzes nicht zu berücksichtigen. Abgesehen davon setzten sich die Verfügungsgeschmacksmuster hiervon erkennbar ab. Die angegriffene Liege falle in den Schutzbereich des Verfügungsgeschmacksmusters I, denn die vorhandenen Unterschiede im Bereich des Kopfendes und des Verschlusses sowie die fehlende Fahne an der Spitze der Kopfseite seien nicht geeignet, einen anderen Gesamteindruck zu erzeugen.

Dementsprechend liege auch eine Verletzung des Verfügungsgeschmacksmusters II vor, zumal auch die farbliche Absetzung der Verstärkung an der Öffnung sowie die sonstigen farblichen Abweichungen nicht geeignet seien, die angegriffenen Liegen aus dem Schutzbereich herauszuführen.

Hilfsweise stützt er den Unterlassungsanspruch auf Urheberrecht. Die „xxx“-Luftliege sei als Werk der angewandten Kunst geschützt. Durch den Vertrieb der angegriffenen Liegen verletzten die Antragsgegner sein Urheberrecht.

Äußerst hilfsweise macht der Antragsteller einen Unterlassungsanspruch aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geltend. Hierzu behauptet er, die „xxx“-Luftliege verfüge über wettbewerbliche Eigenart. Seit der erstmaligen Veröffentlichung im Jahre 2015 hätte die Luftliege in sozialen Netzwerken einen wahrhaften Hype ausgelöst. In Deutschland seien bis Ende September 2016 annähernd 60.000 Luftliegen verkauft worden. Die angegriffene Luftliege stelle eine nahezu identische Nachahmung dar. Nicht nur die Form, das Material und die Größe seien weitestgehend identisch übernommen, sondern auch die Farben, insbesondere der Farbkontrast zwischen der Liege und dem Rollverschluss, sowie die Befüllungstechnik mit Luft. Hierdurch werde eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt. Die mögliche Fehlvorstellung werde nicht durch die Produktkennzeichnung der Nachahmung mit „xxx“ beseitigt, da die Kennzeichnung eines Produkts im Rahmen der Werbung mit einem nicht bekannten Kennzeichen nicht geeignet sei, die Fehlvorstellung des angesprochenen Verkehrs im Hinblick auf die wirtschaftliche, organisatorische oder sonstige Verbundenheit zwischen dem Verantwortlichen für die Werbung und dem Originalhersteller zu vermeiden.

Die Haftung des Antragsgegners zu 2. folge aus seiner Stellung als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1. Die angegriffenen Luftliegen seien das einzige Produkt der Antragsgegnerin zu 1., so dass ohne weiteres der Kern der Geschäftsführungstätigkeit betroffen sei. Überdies werde über den allgemeinen Werbeauftritt einschließlich des Internetauftritts eines Unternehmens typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 18.05.2016 zu bestätigen.

Die Antragsgegner beantragen,

unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 18.05.2016 den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Sie rügen die hinreichende Bestimmtheit des Verfügungsantrags, da allein aus diesem nicht erkennbar sei, was genau (das Design, eine bestimmte werbliche Aussage, die Verwendung einer Marke etc.) verboten werden solle.

Weiter sind sie der Ansicht, die einstweilige Verfügung sei bereits deshalb aufzuheben, da die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt sei. Eine Übersendung der Beschlussverfügung per E-Mail stelle keine ordnungsgemäße Zustellung dar, zumal eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt hätte vorgenommen werden müssen. Die Zustellung an Herrn X sei außerhalb der Vollziehungsfrist und zudem unter Auslassung der Antragsschrift erfolgt. Hierzu führen sie näher aus. Eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben sei im Zusammenhang mit § 929 Abs. 2 ZPO abzulehnen, zumal dem Antragsteller im Falle einer Zustellungsvereitelung der X-Weg der öffentlichen Zustellung offen gestanden habe.

Jedenfalls sei die einstweilige Verfügung aber deshalb aufzuheben, da es an einem Verfügungsanspruch fehle.

Die Verfügungsgeschmacksmuster seien nicht rechtsbeständig. Zum einen sei der Nichtigkeitsgrund des Art. 8 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (im Folgenden: GGV) gegeben. Der bootsförmige Gesamteindruck der Luftliege entstehe – mechanisch zwingend – durch die spezielle Luftbefüllungstechnik und den Verschluss. Zum anderen nähmen die Produkte „xxx“ und „xxx“ (B AG 36 und 37) den Verfügungsgeschmacksmustern die erforderliche Neuheit. Auch fehle diesen die erforderliche Eigenart, da die jeweils geschützten Muster dem Design einer Erbsenschote, eines Schwimmflügels, eines Wurstrings bzw. eines Brötchens entsprechen würden. Jedenfalls aber vermittelten die angegriffenen Luftliegen einen anderen Gesamteindruck. So bestünden deutliche Unterschiede zwischen den angegriffenen Mustern und den Verfügungsgeschmacksmustern: rechteckige, trog-förmige Grundform mit zwei weichen Ecken an der Stirnseite anstatt einer Kahn-/Bootsform mit nur einer spitz zulaufenden Ecke; flache Ober- und Unterkante anstatt spitzer Ecken an der Stirnseite; gerade verlaufende obere, weiche Seitenkante anstatt einer nach oben verlaufenden, in einer spitzen Ecke mündenden Kante; kissenartige Kopfablagefläche anstatt eines spitzen Kopfteils mit lediglich einer Längsseite; Verschluss mittels Ring und Karabinerhaken anstatt eines Kunststoffsteckverschlusses; kein Fähnchen am Kopfende, stattdessen großflächiger Schriftzug auf die Seitenfläche gedruckt.

Ansprüche aus Urheberrecht scheiterten bereits daran, dass es an der erforderlichen Gestaltungshöhe fehle. Zumindest liege keine Verletzung des allenfalls geringen Schutzbereichs vor.

Auch Ansprüche aus UWG seien zu verneinen. So fehle den „Lamzac“-Luftliegen schon die wettbewerbliche Eigenart.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst B sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung vom 18.05.2016 ist nicht aufzuheben, vielmehr ist sie vollumfänglich zu bestätigen, weil weiterhin glaubhaft ist, dass ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund bestehen.

I.

Die einstweilige Verfügung vom 18.05.2016 ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil sie nicht innerhalb der Vollziehungsfrist gemäß §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO wirksam vollzogen worden ist. Zwar können die Antragsgegner die mangelnde Vollziehung der einstweiligen Verfügung auch im Widerspruchsverfahren gemäß § 924 Abs. 1 ZPO geltend machen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 929 Rz. 21 m.w.N.). Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller die einmonatige Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO, welche mit der Zustellung der Beschlussausfertigung an den Antragstellervertreter am 23.05.2016 begann, versäumt hat, da sich die Antragsgegner gemäß § 242 BGB so behandeln lassen müssen, als sei ihnen die einstweilige Beschlussverfügung Anfang Juni 2016 im Parteibetrieb durch den Gerichtsvollzieher rechtzeitig zugestellt worden.

1.

Die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung erfolgt durch Zustellung einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb, sprich durch den Gerichtsvollzieher, § 192 ZPO. Die Übersendung einer beglaubigten Abschrift der Ausfertigung der Beschlussverfügung per E-Mail genügte diesen Anforderungen nicht, denn die Antragsgegner haben hierdurch weder eine Ausfertigung noch eine beglaubigte Abschrift der Beschlussverfügung ausgehändigt bekommen. Ein etwaiger Eingang der E-Mails vermochte die fehlerhafte Zustellung auch nicht gemäß § 189 ZPO zu heilen. Denn die Heilungsmöglichkeit ist auf Mängel des Zustellvorgangs beschränkt; eine Heilung von Mängeln des zuzustellenden Schriftstücks selbst scheidet schon nach dem Wortlaut, aber auch nach dem Sinn der Vorschrift sowie aus Gründen der Rechtssicherheit aus (Zöller/Stöber, a.a.O., § 189 Rz. 8 und 9). Die von dem Antragsteller insoweit angeführte Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Beschluss vom 13.01.2011, Az.: 5 W 274/19), in der festgestellt wurde, dass der tatsächliche Zugang einer vollständigen Kopie einer zuzustellenden einstweiligen Verfügung per E-Mail innerhalb der Vollziehungsfrist eine Heilung nach § 189 ZPO herbeigeführt habe, kann für den vorliegenden Fall nicht herangezogen worden, denn sie betraf den Fall eines mangelhaften Zustellvorgangs. So war in dem vom Kammergericht Berlin zu entscheidenden Fall die einstweilige Verfügung unter Verstoß gegen § 172 ZPO den Schuldnern persönlich zugestellt worden, und es galt zu entscheiden, ob die seitens der Schuldner an ihren Verfahrensbevollmächtigten erfolgte elektronische Übermittlung des Dokuments per E-Mail eine Heilung nach § 189 ZPO herbeizuführen vermochte, was vom Kammergericht bejaht wurde.

2.

Auch durch die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Beschlussverfügung sowie der Antragsschrift an Herrn X als Vertriebsleiter der Antragsgegnerin zu 1. ist die einstweilige Beschlussverfügung nicht gegenüber den Antragsgegnern wirksam vollzogen worden. Denn die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO lagen nicht vor. So besteht kein Grund zu Annahme, die Antragsgegner unterhielten unter der Privatanschrift ihres Vertriebsleiters einen Geschäftsraum.

3.

Allerdings müssen sich die Antragsgegner im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles so behandeln lassen, als sei die einstweilige Beschlussverfügung innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO und zwar am 01.06.2016 wirksam vollzogen worden, da das Verhalten der Antragsgegner insgesamt darauf angelegt war, die Zustellung der Beschlussverfügung vom 18.05.2016 zum Zwecke der Vollziehung gezielt zu vereiteln.

a) Auch wenn die Vollziehungsfrist der Disposition der Parteien wie auch des Gerichts entzogen ist und der Bundesgerichtshof in der von den Antragsgegnern zitierten Entscheidung vom 22.10.1992 (NJW 1993, 1076 ff. – Straßenverengung) ausgeführt hat, eine Ungewissheit oder Unklarheit darüber, ob eine (fristgerechte) Vollziehung stattgefunden habe, sei tunlichst zu vermeiden, ist jedenfalls der – auch im Prozessrecht geltende (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Einleitung Rz. 56 f.) – Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 ZPO, zu berücksichtigen (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.02.2016, 6 U 188/15, vorgelegt als Anlage HPR 12). Denn im Falle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verdient der Gegner keinen Schutz.

b) Der Antragsteller hat die Antragsgegner mit Schreiben vom 28.04.2016 (Anlage HPR 17) abgemahnt. Das Abmahnschreiben hat die Antragsgegner ausweislich der E-Mail ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 10.05.2016 (Anlage HPR 18) auch erreicht. In der im Folgenden seitens der Antragsgegnerin zu 1. bei Gericht eingereichten Schutzschrift gab diese ihre Anschrift mit „xx 1, 14129 Berlin“ an, wie sie sich auch in sämtlichen Internetauftritten der Antragsgegner fand und findet und wie sie auch der Antragsteller in der der Abmahnung angefügten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung angegeben hatte. Am 23.05.2016 teilten die bisherigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1. den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit, dass das Mandat gekündigt worden sei und sie deshalb die Vertretung niedergelegt hätten (Anlage HPR 1). Dies hatte zur Folge, dass eine Zustellung der Beschlussverfügung an die Antragsgegnerin zu 1. nicht mehr im Parteiwege von Anwalt zu Anwalt erfolgen konnte, da § 87 Abs. 1 S. 2 ZPO nur für Anwaltsprozesse gilt und auf das einstweilige Verfügungsverfahren im Stadium der Vollziehung einer Beschlussverfügung nicht anwendbar ist.

Die von dem Antragsteller beauftragte Zustellung im Parteibetrieb durch einen Gerichtsvollzieher wiederum scheiterte am 26.05.2016 nur deshalb, da der Antragsgegner zu 2. ausweislich einer Einwohnermeldeamtsauskunft unbekannt verzogen ist, und sowohl das Klingelschild an der Wohnung des Antragsgegners zu 2., welche zugleich als Firmensitz der Antragsgegnerin zu 1. gemeldet ist, entfernt als auch der Briefkasten zugeklebt waren.

Eine Zustellung innerhalb der Vollziehungsfrist an die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten war schließlich nicht möglich, da diese ausweislich ihres Schreibens vom 08.06.2016 (Anlage HPR 22) ausdrücklich erklärt hatten, nicht zustellungsbevollmächtigt zu sein.

Unter Berücksichtigung dessen, dass der Antragsteller alles versucht hat, die einstweilige Beschlussverfügung unter Wahrung der ZPO-Vorschriften ordnungsgemäß zustellen, zumindest aber den Antragsgegnern zur Kenntnis zu bringen, kann das Verhalten der Antragsgegner nur dahin gedeutet werden, dass es ihnen darum ging, die Zustellung der drohenden Unterlassungsverfügung gezielt zu vereiteln. So sind sie bis zuletzt eine Erklärung dafür schuldig geblieben, weshalb sie das Klingelschild entfernt und den Briefkasten zugeklebt haben, obwohl sie die Anschrift in ihren Internetauftritten weiterhin genutzt haben und dort – ausweislich der Angabe ihrer Verfahrensbevollmächtigten im zugehörigen Hauptsacheverfahren 14c O 92/16 – auch durchgehend ansässig gewesen sind. Vorliegend geht es nicht, wie die Antragsgegnervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung eingewandt haben, um die Frage, inwieweit eine Partei an einer Zustellung an sie aktiv mitwirken muss; es geht darum, ob sie die Zustellung dulden muss. Die Zivilprozessordnung regelt mit ihren §§ 177 ff., an wen und an welchem Ort Zustellungen erfolgen können. Gibt – wie hier – eine Partei eine Geschäftsanschrift an, dann muss sie eine Zustellung an diesem Ort hinnehmen, sie darf sie nicht gezielt behindern, anderenfalls muss sie sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre die Zustellung erfolgt.

In der Folge war der Antragsteller auch nicht gehalten, die öffentliche Zustellung der einstweiligen Beschlussverfügung zu beantragen oder aber, nach Widerspruchseinlegung und Bestellung der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten, an diese erneut, geschweige denn unverzüglich zuzustellen.

II.

Der Verfügungsantrag ist hinreichend bestimmt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag und eine darauf beruhende Untersagung nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, so dass sich der Antragsgegner deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Antragsgegner verboten ist (ständige Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 11.06.2015, Az. I ZR 226/13, Rn. 13 – Deltamethrin – zitiert nach juris). Der geschmacksmusterrechtliche Streitgegenstand wird dabei durch Abbildungen festgelegt, wenn nicht ausdrücklich durch ergänzende Formulierungen der Schutzbereich erweitert oder beschränkt wird (LG Düsseldorf, Urt. v. 09.09.2011, Az. 14c O 194/11, Rn. 48 – zitiert nach juris).

Bereits aus dem Unterlassungsantrag des Antragstellers und der in Bezug genommenen Anlage HPR 5 wird ausreichend deutlich, dass den Antragsgegnern das Bewerben, Anbieten und Inverkehrbringen der Luftliegen in der Gestalt, wie sie sich aus der Anlage HPR 5 ergibt, untersagt werden soll und nicht – wie die Antragsgegner einwenden – etwa nur bzw. auch die isolierte Verwendung der Marke „LayBag™“ oder eine bestimmte werbliche Aussage. Denn aus der Anlage HPR 5 mag sich noch ein Anbieten und Bewerben ergeben, nicht indes ein Inverkehrbringen. Die Anlage HPR 5 dient mithin unmissverständlich allein der bildlichen Wiedergabe der Luftliege und damit der Konkretisierung des geschmacksmusterrechtlichen Streitgegenstandes.

Überdies ist ein Verfügungsantrag stets auszulegen, wozu auch auf die Anspruchsbegründung zurückgegriffen werden kann und muss. Aus dieser ist ebenso eindeutig zu entnehmen, dass es dem Antragsteller um die Gestaltung der beworbenen, angebotenen und in Verkehr gebrachten Luftliege geht, nicht dagegen um die Nutzung einer bestimmten Marke oder das Tätigen einer bestimmten werblichen Aussage.

III.

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegner aus Art. 19 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1, 89 Abs. 1 lit. a) GGV zur Unterlassung verpflichtet sind. Denn der Vertrieb der angegriffenen Luftliege stellt eine Verletzung des Verfügungsgeschmacksmusters I dar. Einer Prüfung der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche bedurfte es mithin nicht.

1.

Der Antragsteller ist zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im eigenen Namen aufgrund der Ermächtigung der xx the Original B.V. berechtigt.

2.

a) Das Verfügungsgeschmacksmuster I wird von folgenden Merkmalen geprägt:

(1)   Mit Luft zu befüllende Liege,

(2)   deren Oberflächenmaterial aus einfarbigem Nylon besteht,

(3)   bestehend aus einer langen Röhre,

(4)   die in der Mitte geknickt ist,

(5)   sodass die dadurch entstehenden beiden röhrenförmigen Teile parallel und die beiden Öffnungen der langen Röhre nebeneinander liegen,

(6)   wobei die Ränder der Öffnungen durch jeweils zwei Kunststoffleisten verstärkt sind, die in den schwarz abgesetzten, breiten Saum eingenäht sind, und

(7)   wobei die Öffnungen mittels Einrollens um die Kunststoffleisten geschlossen und sodann die Enden der durch das Einrollen entstandenen Rolle kreisförmig zusammengeführt und durch einen schwarzen Kunststoffklickverschluss geschlossen werden,

(8)   und wobei die beiden parallel liegenden Teile der Röhre in der Mitte mittels einer Längsnaht verbunden sind, die an der Öffnungsseite an der im aufgebauten Zustand oben befindlichen Ecke beginnt und die im Knickbereich in halber Höhe endet;

(9)   an der Knickkante der Liege ist zur oberen Ecke hin ein rechteckiges, weißes Kunststoffstück angenäht, auf das das Kennzeichen „xxx“ beidseitig aufgedruckt ist.

Prägend für das Verfügungsgeschmacksmuster I sind die durch die geknickte Schlauchform und den Rollverschluss in der Sicht von oben hervorgerufene Assoziation an ein Paar Würstchen sowie die in der Seitenansicht hervorgerufene Assoziation an ein Boot.

b) Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks sind sämtliche Gestaltungsmerkmale des Verfügungsgeschmacksmusters I zu berücksichtigen, da keines ausschließlich technisch bedingt und daher gemäß Art. 8 Abs. 1 GGV vom Geschmacksmusterschutz ausgeschlossen ist.

(1)

Gemäß Art. 8 Abs. 1 GGV besteht ein Geschmacksmuster nicht an Erscheinungsmerkmalen, die ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingt sind. Der Schutzausschließungsgrund des Art. 8 Abs. 1 GGV ist eng formuliert. Durch die Verwendung des Wortes „ausschließlich“ wird zum Ausdruck gebracht, dass eine Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen ist, sobald und soweit eine gangbare Designalternative zum konkret in Rede stehenden Merkmal existiert, mit welcher das Erzeugnis seine technische Funktion in zumindest gleicher Weise zu erfüllen vermag (OLG Düsseldorf, GRUR 2012, 200 ff. – Tablet PC; LG Düsseldorf, Urt. v. 26.06.2014, Az. 14c O 37/13; Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl. 2010, Art. 8, Rn. 18). Hieraus folgt zugleich, dass der informierte Benutzer erkennt, dass diejenigen Erscheinungsmerkmale für den Geschmacksmusterschutz und damit auch für den Gesamteindruck des Gemeinschaftsgeschmacksmusters unmaßgeblich sind, die wegen ihrer technischen Funktion vom Geschmacksmusterschutz ausgeschlossen sind (Ruhl, a.a.O., Art. 8, Rn. 72).

Vorliegend existieren entsprechende gangbare Designalternativen zu allen oben aufgeführten Gestaltungsmerkmalen, was bereits die verschiedenen Gestaltungsformen belegen, wie sie den B HPR 21 und 22 entnommen werden können. Zwar muss die Liege lang und breit genug sein, um auf ihr liegen zu können. Indes sind rechteckige, gerundete oder ovale Formen denkbar, ebenso eine hohe oder niedrige Liegefläche und beispielsweise ein erhöhtes Kopfende. Der Antragsteller hat überdies im Termin zur mündlichen Verhandlung anhand einer von ihm mitgebrachten Doppelluftmatratze anschaulich demonstriert, dass die spezielle Luftbefüllungs-technik auch für erkennbar andere Gestaltungen genutzt werden kann. Ersichtlich muss auch der Rollverschluss nicht kreisförmig zusammengeführt und die Enden miteinander verbunden werden, sondern es muss lediglich ein Ausrollen verhindert werden.

(2)

Es lässt sich schließlich auch nicht feststellen, dass der gestalterischen Wirkung einzelner Merkmale des Verfügungsgeschmacksmusters I und ihrer Kombination keinerlei Bedeutung für das Produktdesign zukommt, sondern diese allein auf Erwägungen der Funktionalität beruhen. Selbst wenn man also die zur Frage der Nichtigkeit eines Designs, dessen Merkmale sämtlich aus Gründen der Funktionalität entsprechend gestaltet worden waren, ergangene Rechtsprechung der 3. Beschwerdekammer des EUIPO in seiner Entscheidung vom 22.10.2009 (R690/2007-3 – Häcksler, Rn. 34 ff.) auf einzelne Merkmale und ihre Kombination anwenden und deshalb Merkmale unberücksichtigt lassen wollte, so lassen sich im Streitfall bei gebotener objektiver Betrachtung keine Merkmale und keine Merkmalskombination feststellen, deren Gestaltung allein auf Erwägungen der Funktionalität beruhen (vgl. auch die Urteile der Kammer vom 13.08.2015, Az. 14c O 98/13, vom 14.01.2016, Az. 14c O 218/14, vom 28.04.2016, Az. 14c O 97/15, und vom 14.07.2016, Az. 14c O 66/16, in denen die Anwendung dieser Rechtsprechung jeweils in Betracht gezogen wurde, sowie der EuGH-Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf vom 07.07.2016, I-20 U 124/15).

Denn das Muster lässt zwar eine vorteilhafte Gestaltung erkennen, bei der aufgrund der geknickten Röhrenform mit dem in Längsrichtung verlaufenden schmalen tiefen Spalt eine gute Liegeposition erzielt wird. Angesichts denkbarer alternativer Gestaltungen, wie auch der vom Antragsteller präsentierten Doppelluftmatratze, ist aber die genaue Formgebung auch eine gestalterische Leistung.

3.

Die Rechtsgültigkeit des Verfügungsgeschmacksmusters I wird vermutet, weil der Antragsteller seine Offenbarung glaubhaft und seine Eigenart dargelegt hat, Art. 85 Abs. 2 GGV.

a)

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass das Verfügungsgeschmacksmuster I der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft erstmals am 30.01.2015 im Rahmen einer Präsentation vor dem niederländischen Verband „NOVU“ zugänglich gemacht worden ist, Art. 11 Abs. 2 GGV. Er vermochte zwar nicht mehr zu erinnern, in welcher konkreten Farbe er die Luftliege gezeigt hatte. Er war sich aber sicher, dass diese einfarbig, indes mit farblich kontrastierendem Verschluss gestaltet gewesen ist.

b)

Der Antragsteller hat weiter angegeben, worin er die Eigenart des Verfügungsgeschmacksmusters I sieht. Er hat dargelegt, dass das Muster ein das ästhetische Empfinden des Betrachters ansprechendes Erscheinungsbild erkennen lässt, das im Wesentlichen durch folgende Gestaltungsmerkmale gekennzeichnet sei: Eine doppelte Röhre, die in der Mitte über die Länge verbunden sei, an einem Ende weiterlaufe und knicke und am anderen Ende eine geschlossene aufgerollte große Öffnung besitze. Weiter hat er dargelegt, dass es eine solche Kombination im vorbekannten Formenschatz nicht gebe.

c)

Die Vermutung der Rechtsgültigkeit haben die Antragsgegner nicht durch den nach Art. 90 Abs. 2 GGV im einstweiligen Verfügungsverfahren statthaften Einwand der Nichtigkeit wegen fehlender Eigenart widerlegt. Die von den Antragsgegnern in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen erwecken im Rahmen des vorzunehmenden Einzelvergleichs (vgl. BGH, GRUR 2016, 803 ff., Rz. 31 f. – Armbanduhr) mit dem Verfügungsgeschmacksmuster I jeweils einen anderen Gesamteindruck.

aa) Dem Verfügungsgeschmacksmuster I am nächsten kommen die Produkte „Cozy Canoe“ und „Pea Pod“ (im Original vorgelegt als B AG 36 und 37). Ob diese zum vorbekannten Formenschatz zählen – so die Antragsgegner – oder nicht – so der Antragsteller -, bedarf indes keiner Entscheidung. Denn das Verfügungsgeschmacksmuster I setzt sich von diesen erkennbar ab. So zeigen zwar auch diese Muster zwei Röhren. Mit ihren beiden spitzen Enden, der freien Mitte und einem richtigen Boden sowie den Tragegriffen bilden sie indes ein aufblasbares Kanu, in das sich der Benutzer hineinsetzen kann, während das wurstringförmige Verfügungsgeschmacksmuster I, auf das sich der Benutzer nur oben drauf legen kann, eher an eine herkömmliche Luftmatratze oder ein aufblasbares Wasserspielzeug erinnert, wobei nur in der Seitenansicht die Assoziation an ein Boot geweckt wird.

bb) Die weiteren Entgegenhaltungen (Erbsenschote, Schwimmflügel, Wurstring und Brötchen) weisen einen noch größeren Abstand zum Verfügungsgeschmacksmuster I auf.

4.

Die angegriffenen Luftliegen erwecken beim informierten Benutzer auch keinen anderen Gesamteindruck und stellen das Ergebnis einer Nachahmung dar.

a) Die Verletzungsprüfung nach Art. 10 Abs. 1 GGV erfordert, dass der Schutzumfang des Geschmacksmusters bestimmt sowie sein Gesamteindruck und derjenige des angegriffenen Musters ermittelt und verglichen werden (BGH, GRUR 2011, 1117 Rz. 34 – ICE). Bei der Beurteilung des Schutzumfanges des Verfügungsgeschmacksmusters I ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen, Art. 10 Abs. 2 GGV. Zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters besteht dabei eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers können zu einem engen Schutzumfang des Musters mit der Folge führen, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen, während umgekehrt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers einen weiten Schutzumfang zur Folge haben können, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer keinen unterschiedlichen Gesamteindruck erwecken (vgl. BGH, GRUR 2013, 285 Rz. 31 m.w.N. – Kinderwagen II). Darüber hinaus wird der Schutzumfang des Verfügungsgeschmacksmusters I auch durch seinen Abstand vom vorbekannten Formenschatz bestimmt. Je größer der Abstand des Verfügungsgeschmacksmusters I zum vorbekannten Formenschatz ist, desto größer ist auch dessen Schutzumfang (vgl. BGH a.a.O., Rz. 32).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist von einem mindestens durchschnittlichen Schutzbereich des Verfügungsgeschmacksmusters I auszugehen.

Der Entwerfer einer Liege kann zwischen einer Vielzahl möglicher Formen wählen, wie beispielsweise die B HPR 21 und 22 zeigen. Sie muss letztlich nur lang und breit genug sein, um darauf liegen zu können.

Überdies ist nicht von einer erheblichen Einschränkung des Schutzbereichs auszugehen. Denn die von den Antragsgegnern in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen erwecken, wie bereits ausgeführt, jeweils einen deutlich anderen Gesamteindruck.

c) Unter Zugrundelegung eines jedenfalls durchschnittlichen Schutzbereichs erzeugen die angegriffenen Luftliegen denselben Gesamteindruck wie das Verfügungsgeschmacksmuster I.

Die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks ist aus der Sicht eines informierten Benutzers zu beurteilen, Art. 10 Abs. 1 GGV. Die Benutzereigenschaft setzt voraus, dass die Person das Produkt, das das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck verwendet (EuG, GRUR-RR 2010, 425 Rz. 46 – Shenzhen Taiden und Bosch Security Systems bzw. GRUR Int 2014 2014, 494 Rz. 23 – El Hogar Perfecto del Siglo XXI). Als „informiert“ wird ein Benutzer bezeichnet, der verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betreffenden Wirtschaftszweig gibt, gewisse Kenntnisse über die Elemente besitzt, die die Geschmacksmuster regelmäßig aufweisen, und die Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit verwendet. Seine Kenntnisse und der Grad der Aufmerksamkeit sind zwischen denen eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers und denen eines Fachmanns anzusiedeln (EuGH, Urteil vom 20. November 2011 – C281/10, GRUR 2012, 506 Rz. 59 – PepsiCo/Grupo Promer; BGH, GRUR 2013, 285 Rz. 55 – Kinderwagen II).

Bei der Prüfung, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Musters beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck wie das Geschmacksmuster erweckt, sind sowohl die Übereinstimmungen als auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen (BGH, a.a.O. Rz. 30). Dabei ist eine Gewichtung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Merkmalen danach vorzunehmen, ob sie aus der Sicht des informierten Benutzers für den Gesamteindruck von vorrangiger Bedeutung sind oder in den Hintergrund treten (BGH, GRUR 2016, 803 ff., Rz. 35 – Armbanduhr).

Dies berücksichtigend gilt Folgendes:

Nahezu sämtliche Merkmale des Verfügungsgeschmacksmusters I finden sich bei den angegriffenen Mustern wieder. Auch bei diesen handelt es sich um mit Luft zu befüllende Liegen (Merkmal (1)). Ihr Oberflächenmaterial besteht aus einfarbigem Nylon (Merkmal (2)). Sie bestehen aus einer langen Röhre, die in der Mitte geknickt ist, so dass die dadurch entstehenden beiden röhrenförmigen Teile parallel und die beiden Öffnungen der langen Röhre nebeneinander liegen, wobei die Ränder der Öffnungen durch jeweils zwei Kunststoffleisten verstärkt sind, die in den schwarz abgesetzten, breiten Saum eingenäht sind (Merkmale (3) bis (6)). Auch bei den angegriffenen Liegen sind die beiden parallel liegenden Teile der Röhre in der Mitte mittels einer Längsnaht verbunden, die an der Öffnungsseite an der im aufgebauten Zustand oben befindlichen Ecke beginnt und im Knickbereich in halber Höhe endet (Merkmal (8)). Das Merkmal (7) ist zumindest teilweise dadurch verwirklicht, dass die beiden Öffnungen mittels Einrollens um die Kunststoffleisten geschlossen und sodann die Enden der durch das Einrollen entstandenen Rolle kreisförmig zusammengeführt werden.

Gerade der Übereinstimmung in diesen Merkmalen wird der informierte Benutzer besonderes Gewicht beimessen, weil sie erheblich zu dem einerseits wurstringförmigen, andererseits bootsförmigen Gesamteindruck beitragen und das Verfügungsgeschmacksmuster I sich hierdurch vom vorbekannten Formenschatz abhebt.

Soweit bei den angegriffenen Mustern der Kunststoffklickverschluss durch einen Karabinerhaken ersetzt wurde, das angenähte Kunststoffstück an der Außenseite des Kopfendes fehlt und stattdessen ein großflächiger Schriftzug auf die Seitenfläche aufgedruckt wurde, sind dies für den Gesamteindruck unmaßgebliche Abweichungen im Detail. Denn die markante und von den angegriffenen Luftliegen übernommene Formgebung des Verfügungsgeschmacksmusters I wird hierdurch nicht tangiert. Demzufolge ist auch unmaßgeblich, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der Antragsgegner in schwarz der Saum nicht farblich abgesetzt ist. Abgesehen davon, dass der Saum in der Benutzungssituation eingerollt und mithin nicht sichtbar ist, weiß der informierte Benutzer, dass Produkte wie die geschützte Luftliege in allen erdenklichen Farben und Farbkombinationen vertrieben werden. Er wird diesem Merkmal daher nur eine geringe Bedeutung beimessen.

Der gewichtigste Unterschied der angegriffenen Muster zum Verfügungsgeschmacksmuster I liegt wohl in der Form ihres Kopfendes. So läuft dieses nicht spitz zu; die obere Ecke ist vielmehr umgeschlagen und an der die beiden Röhrenteile verbindenden Längsnaht befestigt, so dass die angegriffenen Liegen vorne abgeflacht sind und über zwei Ecken verfügen. Aber auch diese Abweichung vermag die angegriffenen Luftliegen nicht aus dem Schutzbereich des Verfügungsgeschmacksmusters I herauszuführen. Zwar handelt es sich um eine Abweichung, die deutlich sichtbar und entsprechend für den Gesamteindruck von Bedeutung ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sie bei bestimmungsgemäßer Verwendung weniger ins Gewicht fällt, also immer dann, wenn eine Person auf der Luftliege liegt und diese sich dadurch etwas verformt und das Kopfteil teilweise verdeckt ist. Angesichts der im Übrigen nahezu identischen Übernahme der prägenden Gestaltungsmerkmale des Verfügungsgeschmacksmusters I, die über die Nahtführung bis hin zu fast identischen Abmessungen und Proportionen reicht, vermag diese Abweichung daher keinen anderen Gesamteindruck zu erzeugen als das Verfügungsgeschmacksmuster I. Der informierte Benutzer wird vielmehr weiterhin in den angegriffenen Mustern die einerseits wurstringförmige, andererseits bootsförmige Gestaltung des Verfügungsgeschmacksmusters I erkennen.

d) Die angefochtene Benutzung stellt sich auch als Ergebnis einer Nachahmung des geschützten nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters dar, was nach Art. 19 Abs. 2 GGV Voraussetzung für das Bestehen eines ausschließlichen Rechts nach Art. 19 Abs. 1 GGV ist.

Zwar trägt grundsätzlich der Schutzrechtsinhaber die Glaubhaftmachungslast für das Vorliegen einer Nachahmung (vgl. Art. 19 Abs. 2 S. 1 GGV). Angesichts der vorliegenden Übereinstimmungen spricht für eine Nachahmung indes zumindest der Beweis des ersten Anscheins. Anhaltspunkte dafür, dass es sich trotz allem um eine unabhängige Parallelschöpfung handelt, haben die Antragsgegner weder vorgetragen, noch bestehen dafür irgendwelche Anhaltspunkte.

5.

Der Antragsgegner zu 2. ist schließlich aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1. zur Unterlassung verpflichtet.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Geschäftsführer bei der Verletzung absoluter Rechte durch die von ihm vertretene Gesellschaft persönlich als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt und dabei zumutbare Verhaltenspflichten verletzt (vgl. BGH, GRUR 2016, 803 ff., Rz. 61 – Armbanduhr; BGH, Urt. v. 18.06.2014, Az. I ZR 242/12, Rn. 11, zitiert nach juris – Geschäftsführerhaftung, BGH, GRUR 2015, 672 Rn. 81, zitiert nach juris – Videospiel-Konsolen II).

Bei einer Maßnahme der Gesellschaft, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, wie dies insbesondere bei der Aufnahme des Vertriebs eines neuen Produkts der Fall ist, kann nach dem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen davon ausgegangen werden, dass sie von den Geschäftsführern veranlasst worden ist (vgl. BGH, GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne; BGH, Urt. v. 28.01.2016, Az. I ZR 40/14, Rz. 62, zitiert nach juris – Armbanduhr). Gegenteiliges vorzutragen hätte mithin den Antragsgegnern oblegen, was indes nicht erfolgt ist.

6.

Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre Grundlage in Art. 88 Abs. 2 GGV i. V. m. § 890 ZPO.

IV.

Schließlich ist auch der gemäß §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund gegeben. Der Antragsteller hat nach erstmaliger Kenntniserlangung von den Vertriebshandlungen der Antragsgegner Ende April 2016 die Antragsgegner mit Schreiben vom 28.04.2016 abgemahnt und sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs-und Verpflichtungserklärung aufgefordert. Nachdem die Antragsgegner dies mit E-Mail vom 10.05.2016 zurückgewiesen hatten, hat er am 13.05.2016 einen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereicht. Damit besteht kein Zweifel, dass ihm die Sache eilig war.
113

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO. Eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht.

Streitwert: 100.000,- €

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