Gutachten über Isolierhülsen: Sachverständiger darf bei Großhandel einkaufen

10. Juni 2021
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Bauarbeiter an Schreibtisch Urteil des OLG Hamburg vom 26.11.2020, Az.: 15 U 83/20

Prüft ein Gutachter ein Produkt auf dessen Werbeangaben hin, darf er es auf demselben Weg beziehen wie ein durchschnittlicher Verbraucher, Bauunternehmer, etc. Er kann zum Beispiel den Großhandel nutzen, sofern der authentische, unbeschädigte Zustand sichergestellt ist. Anderenfalls wäre die Manipulationsgefahr zu groß. Wird bis zur Klageerhebung mit den streitgegenständlichen Aussagen geworben und sind die Produkte auch nach Klageerhebung noch unverändert erhältlich, liegt ein Dauerdelikt vor, woraufhin die Verjährung nicht zu laufen beginnt.

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil vom 26.11.2020

Az.: 15 U 83/20

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.01.2020, Az. 416 HKO 126/19, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung für die erste Instanz lautet:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin 20 Prozent und die Beklagte zu 1) 80 Prozent. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt diese selbst.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 1).

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung aus Ziffer I. 1. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,00 Euro und die Vollstreckung aus Ziffer I. 2. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten kann der jeweilige Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung wegen unlauterer Werbung.

Die Klägerin und die erstinstanzlich Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem bundesweiten Vertrieb von Isolierprodukten für den Baubereich. Beide Parteien bieten unter anderem Isolierhülsen aus Polyethylenschaum an, mit denen im Boden verlaufende Warmwasserleitungen für Fußbodenheizungen gedämmt werden. Für die Qualität solcher Hülsen ist maßgeblich, dass bei möglichst niedriger Aufbauhöhe eine möglichst gute Wärmedämmung erreicht wird. Entscheidend hierfür ist die Wärmeleitzahl λ (Lambda), wobei ein niedrigerer Wert einen geringeren Wärmeverlust bedeutet. Die Beklagte vertreibt ihre in Polen produzierten Isolierhülsen unter der Bezeichnung „Th.S. ENEV-Q“. Vorliegend relevant sind zwei verschiedene Größen, nämlich „Th.S. ENEV-Q 22/6“ und „Th.S. ENEV-Q 22/20“, wobei „22“ jeweils den Rohr-Außendurchmesser in Millimetern angibt und „6“ bzw. „20“ die Dicke des Isolierschaums über dem Rohr. Die Schaumstoff-Hülsen sind mit einer dünnen, gelben Polyolefin-Außenhaut ummantelt. Diese Produkte hat die Beklagte damit beworben, dass sie nach DIN 52613 (Prospekt der Beklagten, Anlage K1) bzw. nach ISO 8497 (Webseite der Beklagten, Anlage K2) eine Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,038 W/mK bei einer mittleren Temperatur von 40°C besäßen.

Die Klägerin hegte Zweifel an der Richtigkeit dieses seit längerem beworbenen niedrigen Lambda-Wertes und ließ die streitgegenständlichen Produkte der Beklagten am 07.05.2015 beim Fraunhofer-Institut für Bauphysik testen. Dieses ermittelte höhere Werte der Wärmeleitfähigkeit, nämlich für das Produkt „Th.S. ENEV-Q 22/6“ eine Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,0409 W/mK bei einer mittleren Temperatur von 40°C (Anlage K3) und für das Produkt „Th.S. ENEV-Q 22/20“ eine Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,0412 W/mK bei einer mittleren Temperatur von 40°C (Anlage K4).

Hierüber führten die Parteien die aus Anlagen K5 bis K14 ersichtliche Korrespondenz, in deren Laufe die Beklagte ihrerseits eine Testung ihrer Isolierhülsen durchführen ließ, welche niedrigere Lambda-Werte ergab, nämlich 0,0314 W/mk (Test Report des Instytut Mechanizacji Budownictwa i Górnictwa Skalnego (IMBIGS) in Kattowitz vom 05.01.2016, Anlage B8).

Nachdem eine außergerichtliche Einigung nicht zustande kam, reichte die Klägerin am 20.05.2016 Klage gegen die Beklagte und ihren ehemaligen Geschäftsführer, den erstinstanzlich Beklagten zu 2) ein.

Die Klägerin hat die angegriffene Werbung für irreführend und damit unlauter gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG gehalten. Da ein niedrigerer Wert der Wärmeleitfähigkeit ein effizienteres, umweltschonenderes und günstigeres Heizen verspreche, sei die Werbung geeignet, Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die diese sonst nicht getroffen hätten. Zudem sei die Wärmeleitfähigkeit für Isoliermaterial der entscheidende Wert, um die Leistungsfähigkeit des Produkts zu bewerten. Da die tatsächlichen Werte hinsichtlich der Wärmedämmung nicht den in der Leistungserklärung der Beklagten angegebenen Werten entsprächen, seien die Produkte der Beklagten nach der BauprodukteVO (EU VO 305/2011) auch nicht verkehrsfähig. Damit seien Werbung und Vertrieb der „Th.S.“ Isolierhülsen auch nach § 3 Abs. 1, 3, Anhang Nummer 9 zu § 3 Abs. 3 UWG unzulässig. Der Beklagte zu 2) habe als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) eine eigene, fahrlässige Pflichtverletzung begangen. Die hiesige Werbung werde typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden, da es sich um die allgemeine Kundenwerbung der Beklagten zu 1) handele.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Fall mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern, zu unterlassen:

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für die Isolierhülsen „Th.S. ENEV-Q“ wie nachfolgend wiedergegeben zu werben, insbesondere mit den Formulierungen:

4. „Hervorragende Isoliereigenschaften – Lambda 0,038 W/mK bei 40°C (EN ISO 8497)“, wie nachfolgend geschehen

[Abbildung]

5. und „Wärmeleitzahl λ nach DIN 52613 – 0,034 W/mK Mitteltemperatur 0°C, 0,038 W/mK Mitteltemperatur 40°C“, wie nachfolgend geschehen

[Abbildung]

soweit die betreffenden Produkte nicht die behaupteten technischen Eigenschaften unter Hinweis auf einen Lambda-Wert aufweisen,

2. die Beklagten zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die unter Ziffer I bezeichnenden Handlungen unter Angabe von Name und Anschrift der gewerblichen Werbungsempfänger sowie dem Umfang der Werbung, insbesondere der Stückzahl der ausgelieferten Werbeprospekte und/oder dem Umfang der vertriebenen Isolierhülsen,

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der durch die unter Ziffer I. bezeichnenden Handlung entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben das Landgericht Hamburg für örtlich unzuständig gehalten, da die Klägerin einen Vertrieb nicht der Werbung entsprechender Produkte im hiesigen Landgerichtsbezirk nicht dargetan habe.

Die Beklagten haben gemeint, der Vortrag der Klägerin sei unsubstanziiert. Die privatgutachterlichen Stellungnahmen gemäß Anlagen K3 und K4 litten unter methodischen Mängeln. Die Beklagte selbst habe mittels des Test Reports des Materialprüfungsinstitutes in Kattowitz (Anlage B8) nachgewiesen, dass eine Wärmeleitfähigkeit λ = 0,0314 vorliege, mithin sogar ein besserer Wert als in dem beanstandeten Prospekt angegeben. Eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2) komme nicht in Betracht. Schließlich haben sich die Beklagten auf Verjährung nach § 11 UWG berufen, da die Klägerin erst über ein Jahr nach Erhalt der Testergebnisse des Fraunhofer-Institutes Klage erhoben habe. Die Klägerin habe auch nicht substanziiert vorgetragen, dass im Zeitraum von sechs Monaten vor Klageerhebung die in der Werbung genannten technischen Angaben nicht mit den eigentlichen Produktspezifikationen übereinstimmten.

Das Landgericht Hamburg hat gemäß Beschluss vom 02.08.2017 Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben über die Behauptung der Klägerin, die von der Beklagten beworbenen Isolierhülsen „Th.S. ENEV-Q“ (konkret „Th.S. ENEV-Q 22/6“ und „Th.S. ENEV-Q 22/20“) erreichten nicht die in der Werbung genannte Wärmeleitzahl von 0,038 W/mK bei 40°C nach EN ISO 8497, sondern überschritten diese um bis zu 8,4%. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. Roland Schreiner vom Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW) in München vom 12.03.2018, dessen auf Antrag der Beklagten eingeholte ergänzende Stellungnahme vom 27.07.2018, seine Ausführungen in der mündlichen Anhörung vor der Kammer vom 15.01.2019, Bl. 252 ff. d.A., sowie das weitere schriftliche Gutachten vom 08.07.2019.

Im Beweisaufnahmeverfahren haben die Beklagten wiederholt beanstandet, dass der Sachverständige die zu prüfenden Isolierhülsen statt beim polnischen Herstellerwerk im regulären Handel bezogen hat. Dies berge das beträchtliche Risiko, dass die erworbenen Produkte aufgrund äußerer Einflüsse und unsachgemäßer Behandlung beschädigt seien. Weiter haben sie moniert, dass der Gutachter die Messungen ohne die gelbe Kunststoff-Außenhaut der Isolierhülsen durchgeführt und in deren Substanz durch Zuschneiden der Produkte eingegriffen habe.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 23.01.2020, auf das wegen der Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Hamburg die angegriffene Werbung für irreführend gehalten und der gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage (unter Streichung des Passus „insbesondere mit den Formulierungen“ beim Unterlassungsantrag zu Ziffer I. 1.) stattgegeben. Die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Darin rügt sie die fehlerhaft angenommene örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg.

Weiter rügt sie einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 ZPO wegen der vom Landgericht unterlassenen Auseinandersetzung mit dem Parteivortrag und umfassenden rechtlichen Prüfung der Sache. Dem Urteil fehle jede Beweiswürdigung. Durch die fehlenden Feststellungen zur Richtigkeit und Stimmigkeit der Gutachten sei das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt. Es liege schon keine irreführende geschäftliche Handlung vor. Es fehlten auch Feststellungen im Urteil dazu, warum die etwaige fehlerhafte Werbung geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Zur Beweisaufnahme beanstandet die Beklagte erneut, dass der Gutachter sich die zu testenden Produkte durch eine selbst initiierte Bestellung besorgt hatte. Richtigerweise hätten die Produkte unmittelbar aus der Produktion der Beklagten kommen müssen. Dies wäre nach der Information des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB) üblich und sachgerecht gewesen. Die Beklagte verweist darauf, dass der Sachverständige als Anlage zu seinem Gutachten u.a. die Leistungserklärung der Beklagten zum Produkt „Th.S. ENEV-Q“ genommen habe (Anlage zum FIW-Gutachten vom 12.03.2018, Bl. 182 d.A.). In dieser Leistungserklärung sei das FIW München erwähnt – das hier beauftragte Gutachteninstitut – das, neben einem niederländischen und einem polnischen Prüfinstitut, Feststellungen vorgenommen und Prüfberichte ausgestellt habe. Hierzu hätte der Sachverständige sich erklären müssen.

Die Beklagte beharrt weiter darauf, dass das Materialprüfungsinstitut in Kattowitz bessere Ergebnisse ermittelt habe. Damit liege die vom Landgericht tenorierte Voraussetzung „soweit die betreffenden Produkte nicht die behaupteten technischen Eigenschaften unter Hinweis auf einen Lambda-Wert aufweisen“, nicht vor. Angesichts der divergierenden Ergebnisse aller eingeholten Messwerte hätte das Landgericht eine Prüfung des Materials in Polen anordnen müssen. Auch hätte das Produkt einschließlich seiner gelben Polyolefin-Außenhaut getestet werden müssen.

Schließlich sei der Beklagten kein Verschulden anzulasten, da sie davon ausgehen durfte, dass die beworbenen Wärmeleitzahlen zutreffend seien. Die Ende 2015 durchgeführte Messung der Wärmeleitfähigkeit durch das Institut in Kattowitz (Anlage B8) habe bestätigt, dass die Angaben aus der Leistungserklärung der Beklagten von Anfang 2014 nicht übertrieben waren. Damit liege keine Fahrlässigkeit vor. Die Beklagte beruft sich zudem erneut auf Verjährung. Die Ergebnisse des Fraunhofer-Institutes hätten der Klägerin im Mai 2015 vorgelegen, sie habe aber erst am 20.5.2016 Klage erhoben.

Ferner rügt die Beklagte die landgerichtliche Kostenentscheidung in Form der Quote 1/10 zu 9/10 und meint, bei paralleler Inanspruchnahme einer juristischen Person und ihres gesetzlichen Vertreters seien die Kosten jeweils hälftig darauf zu verteilen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg (416 HKO 126/19) vom 23.01.2020 die am 20.05.2016 erhobene Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie verweist darauf, dass der beworbene und in der Leistungserklärung der Beklagten genannte Lambda-Wert von 0,038 W/mK niemals seitens der Beklagten durch Messungen und entsprechende Messberichte belegt worden sei; dieser Wert sei vielmehr von Beginn an ins Blaue hinein behauptet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2020 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Das Landgericht hat es der Beklagten zu Recht untersagt, in der angegriffenen Art und Weise ihre „Th.S. ENEV-Q“ Isolierhülsen mit einem Lambda-Wert von 0,038 W/mK bei einer Mitteltemperatur von 40°C zu bewerben. Zu Recht hat es die Beklagte weiter zur Auskunftserteilung verurteilt und die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt. Die hiergegen in der Berufung vorgebrachten Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Insbesondere ist die Tatsache allein, dass die erstinstanzliche Entscheidung mangelhaft begründet ist, kein Grund für eine Abänderung des Urteils und Abweisung der Klage. Die Klage ist zulässig und begründet, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat. Lediglich in der Kostenentscheidung war in Folge einer unterschiedlichen Streitwertfestsetzung durch den Senat eine leichte Abänderung vorzunehmen.

1.

Die Ausführungen der Beklagten zur örtlichen Unzuständigkeit des Landgerichts Hamburg bedürfen keiner näheren Erörterung, denn gemäß § 513 Abs. 2 ZPO kann eine Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

2.

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte sind auch in der Sache begründet.

a) Das von der Klägerin begehrte Unterlassungsgebot, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für die Isolierhülsen „Th.S. ENEV-Q“ wie im Klagantrag eingeblendet mit den Formulierungen zu werben:

a) „Hervorragende Isoliereigenschaften – Lambda 0,038 W/mK bei 40°C (EN ISO 8497) und

b) „Wärmeleitzahl λ nach DIN 52613 – 0,034 W/mK Mitteltemperatur 0°C, 0,038 W/mK Mitteltemperatur 40°C“

ist aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG begründet. Die Werbeangaben sind irreführend, da sie eine unwahre Angabe über die Dämmeigenschaften in Form des Lambda-Wertes und mithin über ein wesentliches Merkmal der Isolierhülsen enthalten. Da die Wärmeleitfähigkeit einer solchen Isolierhülse ein sehr relevantes, wenn nicht das Kriterium für die Kaufentscheidung sein dürfte, ist der fehlerhaft zu positive Wert unproblematisch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine irreführende Werbeangabe, die sich auf ein Merkmal der angebotenen Waren bezieht, welches für die Marktgegenseite von zentraler Bedeutung ist, ist ohne Weiteres als wettbewerbsrechtlich relevant anzusehen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 5 Rn. 1.182).

Dass der in der beanstandeten Werbung ausgelobte Lambda-Wert tatsächlich unrichtig ist, steht zur Überzeugung des Senates fest auf Grund der eindeutigen Ergebnisse der gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten. Das Landgericht hat mit dem Sachverständigen Dipl. Ing. Roland Schreiner vom Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. (FIW) in München einen Spezialisten für den Bereich technische Dämmstoffe im Bauwesen beauftragt, der für die vorliegende Begutachtung besonders qualifiziert ist.

aa) Das Landgericht hat dem Sachverständigen zu Recht aufgegeben, sich die zu untersuchenden „Th.S. ENEV-Q“ Isolierhülsen selbständig am Händlermarkt zu beschaffen, sofern sichergestellt sei, dass diese in authentischem, unbeschädigtem Zustand geprüft werden. Letztere Voraussetzung hat der Sachverständige eingehalten und dies gleich zu Beginn seines ersten Gutachtens dokumentiert (dazu sogleich). Soweit die Beklagte verlangt hat, dass die Untersuchungsproben direkt vom Herstellerwerk an den Gutachter hätten übermittelt werden müssen und sie über beide Instanzen moniert hat, die freie Beschaffung beim Großhändler berge das beträchtliche Risiko, dass die erworbenen Produkte auf Grund äußerer Einflüsse und unsachgemäßer Behandlung beschädigt sein könnten, ist dem nicht zu folgen. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass ein Irreführungstatbestand aus § 5 Abs. 1 UWG gegenüber Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern geprüft wird. Zu prüfen sind also solche Produkte, die der Verbraucher, Bauunternehmer, Sanitärinstallateur o.ä. selbst kauft und verbaut. Genau diese Produkte, die am Markt erworben – und nicht beim polnischen Herstellerwerk direkt abgeholt – werden, müssen den beworbenen Spezifikationen genügen. Damit sind auch genau solche Produkte zu testen. Eine Bereitstellung durch die Beklagte bzw. den Produkthersteller würde überdies eine von der Klägerin nicht hinzunehmende Manipulationsgefahr bergen. Den von der Beklagten vorgebrachten Bedenken ist das Landgericht durch die Vorgabe an den Sachverständigen begegnet, dass sichergestellt sein müsse, dass die Proben in authentischem, unbeschädigtem Zustand geprüft werden. Genau diesen originalen und unbeschädigten Zustand hat der Gutachter schriftlich und fotografisch ausführlich dokumentiert. Für eine unsachgemäße Behandlung der Hülsen oder deren Beschädigung durch den Gutachter gibt es nicht die geringsten konkreten Anhaltspunkte.

Der hierzu in der Berufung erneut erfolgte Vortrag der Beklagten lässt vermuten, dass über den deutschen Großhandel ausschließlich schadhafte Montagsprodukte verkauft werden oder beim Transport oder der Öffnung der Verpackung eine die Dämmwirkung herabsetzende Beschädigung geradezu zwingend erfolge. Das kann die Beklagte nicht ernst meinen. Hierzu sei sie an ihre eigene weitere Werbeaussage in der beanstandeten Anzeige unter „Ihr Nutzen“ erinnert, wo das Produkt als „Baustellengerechter, reißfester Isolierschaum mit strapazierfähiger Außenhaut“ beworben wird. Dies lässt sich mit der nun angeführten Hypersensibilität und hohen Schadensneigung der Hülsen schlecht in Einklang bringen. Zu Recht verweist der Sachverständige überdies auf die eigene Leistungserklärung der Beklagten, in der es zur Dauerhaftigkeit der Eigenschaften heißt: „Sie verändern sich nicht im Laufe der Zeit“. Schließlich konnte die Beklagte bis zuletzt nicht konkret vortragen, wodurch und inwiefern die vom Sachverständigen geprüften Isolierhülsen beschädigt und in ihrer Dämmwirkung herabgesetzt sein sollten.

bb) Nachdem der Sachverständige Schreiner demnach die Herkunft der Proben durch Bestellung bei der Fa. Proft Montage- und Isoliersysteme Roland Proft, den Wareneingang und den genauen Lieferumfang festgestellt und den unbeschädigten Zustand der Umverpackungen sowie einzelner Isolierhülsen „Th.S. ENEV-Q“ 22/6 und 22/20 beschrieben und fotografisch dokumentiert hat (Seiten 6 bis 10 des Gutachtens vom 12.03.2018), hat er die Werte der Wärmeleitfähigkeit an Hand zweier Messmethoden gutachterlich ermittelt.

(1) In seinem ersten Gutachten vom 12.03.2018 stellte der Sachverständige Schreiner nach einer Untersuchung mit einem sog. Zweiplattengerät fest, dass die Wärmeleitfähigkeit der Isolierhülsen „Th.S. ENEV-Q“ bei einer Temperatur von 40°C die seitens der Beklagten deklarierten Werte tatsächlich um 5,3% bzw. um 10,5% übersteigt. Folgende Werte hat er ermittelt (Seite 19 des Gutachtens):

– „Th.S. ENEV-Q 22/6“: 0,042 W/mK

– „Th.S. ENEV-Q 22/20“: 0,040 W/mK.

Das Gutachten ist ausführlich und sorgfältig erstellt, es benennt zunächst die technische und rechtliche Ausgangssituation für die Prüfung, erläutert, warum diese mittels des Zweiplattengerätes zu erfolgen hat und erklärt das Erfordernis des vorherigen Entgasens der Probekörper. Sodann legt der Gutachter die Herkunft der Proben durch Bezug beim Großhandel dar. Es folgen detaillierte Fotos der so beschafften und zu untersuchenden „Th.S. ENEV-Q“-Hülsen, sowohl im Original-Karton, als auch ausgepackt, in Klein- und Großaufnahmen. Die Hülsen sind ersichtlich völlig intakt. Weiter beschreibt der Sachverständige sehr detailliert die Probenvorbereitung, dokumentiert durch Tabellen und Fotografien. Er führt aus, dass in Folge der Herstellung der Probenkörper aus zugeschnittenen Streifen der Einfluss der gelben Polyolefin-Außenhaut nicht ermittelt werden könne. Auf Grund deren geringer Dicke (ca. 50 µm) könne der wärmeschutztechnische Einfluss jedoch vernachlässigt werden. Schließlich legt er das Ergebnis seiner Messungen und mithin die Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit in Tabellenform exakt dar und wertet die Ergebnisse in einer Grafik aus, indem er einen absoluten und relativen Kurvenvergleich der Messwerte der Wärmeleitfähigkeit mit den Nennwerten gemäß Leistungserklärung Nr. 15/1/B/2014 (Anlage zum Gutachten) vornimmt (Seite 19, Bild 15). Er schließt mit einer nachvollziehbaren gutachterlichen Stellungnahme ab.

Schon dieses Gutachten des Sachverständigen Schreiner hätte dem Senat genügt, sich die nach § 286 Abs. 1 ZPO notwendige Überzeugung zu bilden, dass die klägerische Behauptung für wahr zu erachten ist, dass die streitgegenständlichen „Th.S. ENEV-Q“-Isolierhülsen tatsächlich nicht den beworbenen und in der Leistungserklärung genannten Lambda-Wert von 0,038 W/mK bei einer Temperatur von 40°C aufweisen. Das Gutachten ist auch für technische Laien verständlich. Es ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige hat versierte rechtliche und technische Kenntnisse, ist bei der Gutachtenerstellung von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt.

(2) Die gegenüber diesem Gutachten erhobenen Einwände und Nachfragen der Beklagten beantwortet der Gutachter Schreiner in der daraufhin von der Kammer für Handelssachen eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 27.07.2018 erschöpfend. Der Sachverständige legt dar, warum die Bestimmung der temperaturabhängigen Wärmeleitfähigkeit der Isolierhülse „Th.S. ENEV-Q“ unter Belassung der gelben Polyolefin-Außenhaut bei Berücksichtigung der geforderten Vorgehensweise gemäß EN 14313:2009+A1:2013 /2/ nicht möglich ist, da für Profile wie die streitgegenständlichen Hülsen die Wärmeleitfähigkeit nur für den Abschnitt zu messen ist, der für die Verringerung der Wärmestromdichte in einer ebenen Form bemessen ist. Nach der angezeigten Prüfmethode mittels Zweiplattengerät müssen folglich als Probekörper Platten im ebenen Zustand verwendet werden. Damit war ein entsprechender Zuschnitt des Probematerials erforderlich. Der Sachverständige führt erneut aus, dass und warum der Einfluss der gelben Polyolefin-Außenhaut für den Wärmeschutz zu vernachlässigen ist. Ihr Anteil am gesamten Wärmedurchlasswiderstand des mehrschichtigen Dämmaufbaus beträgt nur 0,07%. Dieser verschwindend geringe Anteil könne messtechnisch durch die in der Produktnorm geforderte Angabe des Prüfergebnisses der Wärmeleitfähigkeit auf drei wertanzeigende Ziffern nicht dargestellt werden. Auch den von der Beklagten erwähnten Einfluss der nunmehr offenen Zellen widerlegt der Gutachter auf Seite 7 seiner Stellungnahme nachvollziehbar und schlüssig.

Zu dem Prüfbericht des IMBIGS-Institutes aus Kattowitz (Anlage B8) legt der Sachverständige Schreiner anhand einer Checkliste für Prüfergebnisse der Bestimmung der temperaturabhängigen Wärmeleitfähigkeit eines Produkttyps dar, dass die Prüfergebnisse seines Gutachtens mit jenem von der Beklagten vorgelegten Prüfbericht nicht verglichen werden können. Jener Prüfbericht vom 05.01.2016 basierte auf der Methode „Messplattenverfahren“, die Proben stammten direkt vom Hersteller, die Probenvorbereitung war nicht bekannt, auch fast alle anderen Prüfparameter waren unterschiedlich. Der Sachverständige hebt hervor, dass der Prüfbericht der Beklagten u.a. keine Angaben zum Anteil der nach der Herstellung verbliebenen Zellgase macht, welcher allerdings bei Schaumdämmstoffen wie Polyethylenschaum von großer Bedeutung für die Wärmeleitfähigkeit ist. Ohne das Prüfinstitut IMBIGS in Kattowitz zu diskreditieren, hält er dessen Bericht deshalb für nicht hinreichend aussagekräftig und die gefundenen Ergebnisse für nicht nachvollziehbar.

Auch diese Ausführungen des Sachverständigen sind einleuchtend und lassen keine Zweifel an der Richtigkeit der im ersten Gutachten gefundenen Ergebnisse aufkommen.

(3) Diese Ergebnisse werden schließlich gestützt durch das weitere – vom Landgericht aus Sicht des Senats überobligatorisch eingeholte – schriftliche Gutachten des Sachverständigen Schreiner vom 08.07.2019. Hierfür sollte der Sachverständige das (Wärmestrom-)Messplattenverfahren anwenden, um die Lambda-Werte der streitgegenständlichen Isolierhülsen zu ermitteln. Diese zweite Untersuchung kommt zu sehr ähnlichen Ergebnissen wie das erste Gutachten, wobei die Werte beider Isolierhülsen noch geringfügig schlechter ausfallen als bei dem zuerst angewandten Zweiplattenverfahren:

– „Th.S. ENEV-Q 22/6“: 0,044 W/mK

– „Th.S. ENEV-Q 22/20“: 0,041 W/mK.

Auch diese Begutachtung ist sorgfältig erstellt und begründet worden; die Ergebnisse sind wiederum nachvollziehbar und plausibel.

cc) Die von der Beklagten in der Berufung erneut vorgebrachten Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen vermögen deren Richtigkeit nicht in Zweifel zu ziehen. Die Angriffe sind fast ausnahmslos bereits durch den Sachverständigen selbst entkräftet worden. Sie greifen insgesamt nicht durch. Hinsichtlich des Kritikpunktes „Beschaffung der zu begutachtenden Isolierhülsen durch eine selbst initiierte Bestellung am Markt“ wird auf die oben unter 2. a) aa) erfolgten Ausführungen verwiesen. Was die (Nicht-)Belassung der gelben Polyolefin-Außenhaut der Isolierhülsen anbelangt, wird auf die Darlegungen unter 2. a) bb) (2) Bezug genommen.

Soweit die Beklagte erneut einwendet, den Messwerten des FIW-Gutachters Schreiner stünden die der Beklagten günstigeren Werte eines anderen akkreditierten und unbescholtenen Messinstitutes (gemeint ist der Prüfbericht aus Kattowitz, Anlage B8) gegenüber; hierzu habe der gerichtliche Gutachter nicht festgestellt, dass diese falsch seien; es hätte eines gerichtlichen Hinweises bedurft, dass das Gericht die Werte für „nicht hinreichend aussagekräftig“ halte, ist dem nicht zu folgen. Eines Hinweises bedurfte es nicht, nachdem der Gutachter deutlich klargestellt hatte, warum die angeblichen Prüfergebnisse aus Kattowitz nicht bewertbar seien (es fehlen u.a. Angaben zur Probenvorbereitung und zum Anteil der Zellgase, es wurde offenbar ein Produkt geprüft, welches in diesen Abmessungen gar nicht verkauft wird; vgl. im Übrigen oben unter 2. a) bb) (2)). Auf diese Aspekte hatte überdies auch die Klägerin von Beginn an hingewiesen. Ein gerichtlicher Hinweis ist aber regelmäßig entbehrlich, wenn eine Partei von der Gegenseite oder vorliegend dem Gutachter die gebotene Unterrichtung erhält (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2019, I ZR 46/19, GRUR 2020, 292 – Da Vinci). Im Übrigen lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, inwiefern ein frühzeitiger Hinweis des Landgerichts Einfluss auf ihr Prozessverhalten hätte haben können.

Nicht verständlich ist schließlich die Rüge der Beklagten, in der Leistungserklärung „Isolierhülsen Th.S. ENEV-Q“, die das FIW-Gutachten vom 12.03.2018 als Anlage aufgenommen habe, sei das FIW München erwähnt im Zusammenhang mit einer Typprüfung und Produktbeschreibung. Hierzu hatte der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht am 15.01.2019 ausgeführt: „Es wird so gewesen sein, dass vor 2014, also bevor das Produkt auf den Markt kam, die unter Ziffer 7 genannten Institute, also auch das FIW, mit gewissen Prüfungen in Bezug auf gewisse Leistungsmerkmale des Produkts beauftragt worden waren. Welche Prüfungen das in Bezug auf das FIW hier konkret waren, weiß ich nicht, weil ich auf diese Frage nicht vorbereitet bin.“ Es erschließt sich dem Senat nicht, welchen Aspekt der Begutachtung bzw. welchen Rechtsfehler des Landgerichts die Berufung hier rügen will.

dd) Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nicht deswegen unbegründet, weil in Anbetracht der Ergebnisse des Kattowitz-Reports (Anlage B8) die in den Tenor aufgenommene Einschränkung „soweit die betreffenden Produkte nicht die behaupteten technischen Eigenschaften unter Hinweis auf einen Lambda-Wert aufweisen“ vorliegend aus der Unlauterkeit herausführe, wie die Beklagte offenbar meint. Dem ist nicht zuzustimmen, denn angesichts der Ergebnisse der gerichtlich eingeholten Gutachten und Stellungnahmen des Gutachters Schreiner liegen die behaupteten technischen Eigenschaften – nämlich die Wärmedämmfähigkeit der Isolierhülsen „Th.S. ENEV-Q“ – unter Hinweis auf einen Lambda-Wert – „Lambda 0,038 W/mK bei 40°C“ – ja gerade nicht vor.

Diese Einschränkung des Tenors, die aus einer vom Landgericht der Klägerin vorgeschlagenen Antragsänderung resultierte, ist aus Sicht des Senats überflüssig und nicht sachdienlich. Denn streitgegenständlich sind allein die vorliegenden „Th.S. ENEV-Q 22/6“ und „22/20“ Isolierhülsen, wie sie in Anlagen K1 und K2 ebenso wie in der Leistungserklärung beschrieben und beworben wurden. Genau diese streitgegenständlichen Isolierhülsen sind vom gerichtlichen Sachverständigen geprüft worden und weisen eben nicht die beworbene Wärmeleitfähigkeit auf. Die Klägerin hätte mithin ihren ursprünglich angekündigten Unterlassungsantrag ohne den „soweit-Zusatz“ beibehalten und tenorieren lassen können. Ein Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt, wenn lediglich das Verbot der Handlung begehrt wird, so wie sie begangen worden ist (BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 12 – Crailsheimer Stadtblatt II). Dieser Antrag wäre auch inhaltlich nicht zu weit gefasst gewesen, da ihm kein erlaubtes Verhalten unterfällt. Sofern die Beklagte zukünftig Isolierhülsen mit einem niedrigeren Lambda-Wert auf den Markt bringen sollte, wären diese vom hiesigen Verbot nicht mehr umfasst, sondern stellten nach Maßgabe eines neuen Lebenssachverhaltes einen anderen Streitgegenstand dar.

Nur ergänzend und klarstellend sei angemerkt, dass mit dem hier tenorierten „soweit-Zusatz“ gemeint sein dürfte: „soweit die betreffenden Produkte nicht die behaupteten technischen Eigenschaften in Bezug auf einen genannten Lambda-Wert aufweisen“. Auch die so verstandene Einschränkung führt aber entgegen der Meinung der Beklagten nicht dazu, dass der Unterlassungsantrag unbegründet ist, weil die Beklagte sich auf irgendeinen von ihr beigebrachten Lambda-Wert berufen kann.

ee) Im Ergebnis ist der Senat ebenso wie das Landgericht überzeugt, dass die von der Beklagten beworbenen Lambda-Werte ihrer „Th.S. ENEV-Q“ Isolierhülsen unwahr und damit irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG sind. Der Senat folgt für diese Bewertung den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Schreiner. Dieser hat die Wärmeleitfähigkeit der Isolierhülsen auf zwei verschiedene technische Weisen begutachtet und ist jeweils zu Ergebnissen gekommen, die die beworbenen Zahlen als unrichtig belegen. Ebenso wie das von der Klägerin vorprozessual beauftragte Fraunhofer-Institut kommt er jeweils zu Wärmeleitzahlen von λ über 0,04 W/mK. Der Sachverständige hat sich als fachlich und persönlich besonders geeignet für die vorliegende Begutachtung erwiesen. Er hat seine Ergebnisse professionell ermittelt und nachvollziehbar erklärt. Auf die im Laufe des Verfahrens fortwährend wiederholten Angriffe der Beklagten hat er jeweils geduldig und sachlich geantwortet und keinerlei Belastungstendenzen gezeigt. Seine Ergebnisse sind dem vorliegenden Verfahren uneingeschränkt zu Grunde zu legen.

b) Der demnach bestehende Unterlassungsanspruch der Klägerin ist nicht gemäß § 11 UWG verjährt.

Nach § 11 Abs. 1 UWG verjähren Unterlassungsansprüche aus § 8 UWG in sechs Monaten. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 11 Abs. 2 UWG, wenn der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2). Ein auf Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützter Unterlassungsanspruch entsteht mit der Begehung der die Wiederholungsgefahr begründenden Verletzungshandlung (BGH, Urt. v. 14. Mai 2009 – I ZR 82/07, GRUR 2009, 1186 Rn. 13 – Mecklenburger Obstbrände). Begeht der Verletzer mehrere gleichgelagerte Rechtsverstöße, so setzt jede dieser Handlungen eine eigenständige Verjährungsfrist in Lauf (BGH, Urt. v. 14. Januar 2016 – I ZR 65/14 –, Rn. 55 – Freunde finden). Das Landgericht hat vorliegend eine Verjährung zu Recht verneint, da es sich bei der angegriffenen Werbung um ein Dauerdelikt handele und die Beklagte unstreitig bis zur Klagerhebung mit den angegriffenen Darstellungen geworben habe. Auch seien der Werbung nicht entsprechende Produkte noch nach Klagerhebung zu kaufen gewesen, wie sich aus dem gerichtlichen Gutachten ergebe. Auf diese Feststellungen ist die Berufung inhaltlich nicht eingegangen; sie sind rechtlich auch nicht zu beanstanden. Auf die Kenntnis der Klägerin – vorliegend z.B. durch Übersendung der Testergebnisse durch das Fraunhofer-Institut an die Klägerin gemäß Anlage K4 – kommt es nicht allein an. Solange ein wettbewerbswidriges Verhalten noch nicht aufgegeben worden ist, wie etwa im Fall fortdauernder Internetwerbung, kann die Verjährungsfrist von vornherein nicht zu laufen beginnen, wie bei jedem anderen Dauerdelikt auch (OLG Hamm, Urt. v. 02. Juli 2009 – I-4 U 43/09 –, Rn. 46; Köhler/Bornkamm /Feddersen/Köhler, UWG, 38. Aufl. 2020, § 11 Rz. 1.21).

c) Zu Recht hat das Landgericht schließlich die Beklagte zur Erteilung von Auskunft über die unter Ziffer 1. des landgerichtlichen Tenors bezeichneten Handlungen verurteilt und die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt. Der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz folgt aus § 9 Satz 1 UWG, der vorgelagerte Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch zu dessen Durchsetzung aus § 242 BGB. Die tenorierte Auskunftspflicht ist hinreichend bestimmt, denn es ist eindeutig beschrieben, welche Angaben die Beklagte machen soll.

Gemäß § 9 Satz 1 UWG ist, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Fahrlässigkeit bedeutet Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB). Vorliegend ist von einem schuldhaften Verhalten der für die angegriffene Werbung Verantwortlichen im Unternehmen der Beklagten auszugehen.

Im Lauterkeitsrecht ist an die Sorgfaltspflicht grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Schuldhaft handelt, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und deshalb mit einer von seiner Einschätzung abweichenden Beurteilung der Zulässigkeit seines Verhaltens rechnen muss. Besonders streng sind die Sorgfaltsmaßstäbe, wenn es um Werbemaßnahmen geht (BGH GRUR 1981, 286 (288) – Goldene Karte I), weil der Unternehmer nicht gezwungen ist, sich bei der Werbung auf rechtlich zweifelhaftes Gebiet zu begeben (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 38. Aufl. 2020, § 9 Rn. 1.18, 1.19 m.w.N.). Genau dies hat die Beklagte getan, indem sie bereits 2014 in der Leistungserklärung ebenso wie der hier beanstandeten Werbung die Wärmeleitfähigkeit ihres Produktes „Th.S. ENEV-Q“ mit einem Lambda-Wert von 0,038 W/mK bei 40°C ausgelobt hat.

Bis zuletzt hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht, worauf sie diesen Wert stützt. Die Behauptung der Klägerin, sie habe diesen Wert ins Blaue hinein aufgestellt, konnte die Beklagte nicht widerlegen. Soweit sie sich im Laufe dieses Verfahrens auf die Ergebnisse des Test Reports des IMBIGS Institut in Kattowitz (Anlage B8) beruft und geltend macht, ihr sei kein Verschulden anzulasten, da sie davon ausgehen durfte, dass die beworbenen Wärmeleitzahlen zutreffend seien, kann sie damit nicht gehört werden.

Tatsächlich hat die Beklagte die streitgegenständliche Werbung bereits vor der Beanstandung durch die Klägerin und mithin auch vor der Einholung des Test Reports aus Kattowitz geschaltet. Zu den beworbenen Werten hat die Beklagte keinerlei zu Grunde liegende Messungen, Prüfungen, Tests o.ä. vorlegen können. Hierzu hat der Sachverständige schon zu Beginn seines ersten Gutachtens ausgeführt, dass in Folge des EuGH-Urteils vom 16.10.2014, C-100/13, Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung keinen Konformitätsnachweis mit nationalen technischen Dämmstoffspezifikationen mehr haben müssen und das frühere Fremdüberwachungssystem mit zwei Prüfungen pro Jahr eingestellt wurde. Vorgesehen ist nunmehr lediglich eine werkseigene Produktionskontrolle. Die Nennwerte der Wärmeleitfähigkeit werden vom Hersteller in eigener Verantwortung in der Leistungserklärung angegeben.

Vorliegend konnte die Beklagte nichts dazu vortragen, wie die in der Leistungserklärung genannten Werte von λ = 0,038 W/mK für die Temperatur von 40°C zustande gekommen sind. Der Test Report aus Kattowitz datiert von Januar 2016 und konnte damit denklogisch nicht Grundlage für die Werbebehauptung sein. Es spricht daher viel für ein „Schätzen“ des beworbenen Wertes durch die Beklagte, so dass die Annahme des Landgerichts einer zumindest leichten Fahrlässigkeit auf Beklagtenseite nicht rechtsfehlerhaft ist.

3.

Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts war leicht abzuändern und in Folge dessen auch eine geänderte Kostenentscheidung für die erste Instanz auszusprechen.

Die Klägerin hat den Wert ihrer Unterlassungs- und Folgeansprüche mit insgesamt 100.000,00 Euro angegeben. Dem ist das Landgericht gefolgt und hat die gegen die ursprüngliche Beklagte zu 1) gerichteten Ansprüche mit 90.000,00 Euro und die gegen den ursprünglichen Beklagten zu 2) gerichteten Ansprüche mit 10.000,00 Euro bemessen und dementsprechend seine Kostenquote gebildet. Auf die Berufung der Beklagten, welche meint, der Inanspruchnahme beider Personen müsse dasselbe Gewicht zukommen, ändert der Senat die erstinstanzliche Streitwertverteilung dahingehend ab, dass das Verhältnis der Ansprüche 80 zu 20 Prozent beträgt. Den Ansprüchen gegen die ursprüngliche Beklagte zu 1) wird also ein Wert von 80.000,00 Euro und den gegen den ursprünglichen Beklagten zu 2) gerichteten Ansprüchen ein Wert von 20.000,00 Euro beigemessen.

Werden eine juristische Person und ihr Vertreter inhaltsgleich auf Unterlassung in Anspruch genommen, so handelt es sich rechtlich um mehrere selbständige Ansprüche. Die für jeden Antragsgegner gesondert zu bemessenden Streitwerte rechtfertigen regelmäßig einen deutlichen Abschlag hinsichtlich des Anspruchs, der auf den gesetzlichen Vertreter entfällt, da es dem Kläger in erster Linie darum geht, das unzulässige Handeln der juristischen Person zu unterbinden und daneben kaum Raum für eigene Verstöße der Organe bleibt (Cepl/Voß/Zöllner, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 3 ZPO Rn. 57). So liegt es auch hier.

Vorliegend hat die Klägerin zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers der Beklagten nichts Nennenswertes vorgetragen, womit sie zum Ausdruck bringt, dass diese allenfalls geringe Bedeutung für sie hat (§ 51 Abs. 2 GKG). Für das Interesse der Klägerin ist entscheidend, dass die beklagte GmbH, welche das streitgegenständliche Produkt „ThermaFlex ENEV-Q“ in Deutschland vertreibt, dieses zukünftig nicht mehr wettbewerbswidrig bewirbt. Allein dies ist für sie, deren Isolierhülsen in direktem Wettbewerb dazu stehen, wirtschaftlich von Bedeutung. Der ursprüngliche Beklagte zu 2), der das Unternehmen der Beklagten zu 1) mittlerweile verlassen hat, stellt unabhängig von dieser keine Gefahr für die Klägerin dar. Es gibt keine Anhaltspunkte für zukünftige Rechtsverstöße der hier streitgegenständlichen Art durch den nunmehr anderweitig tätigen ursprünglichen Beklagten zu 2). Damit ist der Wert der gegen ihn gerichteten Ansprüche auf 1/4 des Wertes der gegen die Gesellschaft (ursprüngliche Beklagte zu 1) gerichteten Ansprüche zu bemessen.

Mithin war die Kostenquote in erster Instanz in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise abzuändern.

4.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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