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Internetanbieter müssen Zahlungsmöglichkeiten entgeltfrei anbieten

05. Dezember 2022
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Urteil des BGH vom 28.07.2022, Az.: I ZR 250/20

Wird auf einer Preisvergleichs-Website im Auswahlmenü ein Preis angegeben, der nur bei einer oder wenigen (nicht gängigen) Zahlmethoden zutrifft, und ist der Preis bei der Zahlung mit anderen Zahlungsmitteln höher, so ist dies unzulässig. Auch der Einwand des Beklagten, dass es sich lediglich um eine Servicepauschale handle, ändere daran nichts. Dies stelle aus Sicht des Verbrauchers ebenfalls ein Entgelt dar, so der BGH. Im vorliegenden Fall wurde auf einer Flugvergleichs-Website in der Vergleichsansicht ein Preis angegeben, der nur bei Zahlung mit einer bestimmten Kreditkarte zutraf und bei spätere Auswahl einer anderen Zahlmethode anstieg.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 28.07.2022

Az.: I ZR 205/20

 

 

Tenor

 

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg – 15. Zivilsenat – vom 26. November 2020 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrags I.2 zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 

Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft. Die Beklagte betreibt ein Internetportal, auf dem sie unter anderem Buchungen für Flüge der Klägerin vermittelt.

Suchte ein Interessent im November 2015 auf dem Internetportal der Beklagten nach einem zu seinen Vorgaben passenden Flug, wurde das Ergebnis der Suche zunächst mit dem bei Zahlung mit der Prepaid-Kreditkarte „Visa E.   “ geltenden Preis angezeigt. Der Interessent konnte auf dieser Ergebnisseite auch andere Zahlungsmittel wählen. Dies führte – außer bei Wahl des Zahlungsmittels „V.   Prepaid MasterCard“ – zu einer Erhöhung des Gesamtpreises. Bei einer von der Klägerin durchgeführten Testbuchung erhöhte sich der Gesamtpreis bei Auswahl des Zahlungsmittels „Visa Kreditkarte“ von 41,49 € auf 59,81 €.

Die Beklagte ist der Ansicht, es handele sich bei dem Aufschlag um eine Servicepauschale.

Mit Anwaltsschreiben vom 20. November 2015 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Angabe des zu zahlenden Endpreises nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft, gegen die Verpflichtung nach § 312 Abs. 4 Nr. 1 BGB zum Anbieten einer gängigen und zumutbaren unentgeltlichen Zahlungsmöglichkeit und gegen das Verbot nach § 312 Abs. 4 Nr. 2 BGB der Vereinbarung eines Zahlungsmittelentgelts, das über die dem Unternehmer durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehenden Kosten hinausgeht, erfolglos ab.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zur Unterlassung in Bezug auf alle drei genannten Gegenstände und zudem zur Zahlung von 2.636,90 € nebst Rechtshängigkeitszinsen für die Abmahnkosten der Klägerin verurteilt.

Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung mit Blick auf den ersten und dritten Gegenstand zurückgenommen; insoweit hat das Berufungsgericht sie des Rechtsmittels für verlustig erklärt. Soweit das Landgericht der Beklagten wegen des zweiten Gegenstands (Klageantrag I.2) unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt hat,

im Wettbewerb handelnd im Hinblick auf das Auffinden und Buchen von Flugreiseangeboten auf der Internetseite www.    .de Flüge zur Buchung anzubieten, ohne dass dem Kunden mindestens eine gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit (z.B. Überweisung, Lastschrift oder Visa-Kreditkarte) zur Verfügung gestellt wird, für die er kein Entgelt zahlen muss,

hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Den Zahlungsanspruch (Klageantrag II) hat es auf 1.863,40 € nebst Rechtshängigkeitszinsen reduziert und die weitergehende Klage abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte im Umfang ihrer Verurteilung durch das Berufungsgericht ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

 

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage mit dem noch anhängigen Unterlassungsantrag sei zulässig. Insbesondere seien die aus der Vorschrift des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB in den Klageantrag übernommenen Begriffe „gängig“ und „zumutbar“ hinreichend bestimmt. Die Klage sei begründet, weil die Beklagte gegen diese mit dem Unionsrecht vereinbare Vorschrift verstoßen habe. Die von der Beklagten unentgeltlich akzeptierten Zahlungsmittel „Visa E.   “ oder „V.   Prepaid MasterCard“ seien nicht gängig, alle übrigen Zahlungsmittel akzeptiere sie nicht unentgeltlich. Auch eine „Servicepauschale“ stelle sich aus Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers als Entgelt dar. Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für ihre vorgerichtliche Abmahnung zu. Allerdings sei statt des vom Landgericht angenommenen Streitwerts von 200.000 € lediglich ein Streitwert von 90.000 €, davon 30.000 € für jeden Unterlassungsantrag, gerechtfertigt.

B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. Der Unterlassungsantrag der Klägerin, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ist nicht hinreichend bestimmt (dazu B I). Die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Abmahnkosten der Klägerin nebst Zinsen hat hingegen Bestand (dazu B II).

I. Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung richtet. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist nicht hinreichend bestimmt (dazu II 1). Dies führt jedoch nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig; vielmehr ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Klägerin Gelegenheit zur Stellung eines hinreichend bestimmten Unterlassungsantrags zu geben (dazu II 2).

1. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist nicht hinreichend bestimmt.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Aus diesem Grund sind Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Abweichendes kann gelten, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist, oder wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert. Die Bejahung der Bestimmtheit setzt in solchen Fällen allerdings grundsätzlich voraus, dass zwischen den Parteien kein Streit darüber besteht, dass das beanstandete Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfüllt. Die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands in der Antragsformulierung ist auch unschädlich, wenn sich das mit dem selbst nicht hinreichend klaren Antrag Begehrte im Tatsächlichen durch Auslegung unter Heranziehung des Sachvortrags des Klägers eindeutig ergibt und die betreffende tatsächliche Gestaltung zwischen den Parteien nicht infrage gestellt ist, sondern sich ihr Streit ausschließlich auf die rechtliche Qualifizierung der angegriffenen Verhaltensweise beschränkt. Eine auslegungsbedürftige Antragsformulierung kann im Übrigen hinzunehmen sein, wenn dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – I ZR 194/20, GRUR 2021, 1534 [juris Rn. 34] = WRP 2021, 1556 – Rundfunkhaftung, mwN).

b) Das Berufungsgericht hat gemeint, die aus der Vorschrift des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB in den Klageantrag übernommenen Begriffe „gängig“ und „zumutbar“ seien hinreichend bestimmt. Die Auslegung der Begriffe stehe zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Abgrenzung von gängigen und nicht gängigen Zahlungsmitteln könne nach objektiven Maßstäben anhand von Statistiken und anderen Erhebungen (zum Beispiel der Bundesbank) vorgenommen werden. Die Bedeutung des Begriffs „gängig“ sei durch Gerichtsentscheidungen hinreichend bestimmbar. Gleiches gelte für den Begriff „zumutbar“, für den sich in Gerichtsurteilen und der Kommentarliteratur Beispielsfälle fänden, die den Rahmen für die Auslegung steckten.

c) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg. Nach den genannten Grundsätzen ist der Unterlassungsantrag der Klägerin nicht hinreichend bestimmt.

aa) Mit der Wendung „gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit …, für die er [der Kunde] kein Entgelt zahlen muss“ greift der Unterlassungsantrag die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB nahezu wörtlich auf. Jedenfalls die Begriffe „gängig“ und „zumutbar“ sind auslegungsbedürftig, so dass die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands im Ausgangspunkt nicht den an einen Unterlassungsantrag anzulegenden Bestimmtheitsanforderungen genügt.

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht für die Begriffe „gängig“ und „zumutbar“ auch keine gefestigte Auslegung, die geeignet wäre, ihre Unbestimmtheit zu überwinden.

(1) Es besteht keine gefestigte Auslegung zu der Frage, welchen Verbreitungsgrad ein Zahlungsmittel gefunden haben muss, um als gängig zu gelten. Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 20. Mai 2010 – Xa ZR 68/09, BGHZ 185, 359 [juris Rn. 53 f.]) verhält sich zu dieser Frage nicht. Die instanzgerichtlichen Entscheidungen, die das Berufungsgericht darüber hinaus aufgeführt hat (OLG Frankfurt, K&R 2017, 135 [juris Rn. 32 bis 35]; OLG Dresden, MDR 2015, 602 [juris Rn. 18]; LG Mannheim, Urteil vom 10. Februar 2017 – 7 O 73/16, juris Rn. 24), betreffen jeweils eindeutige Fälle, erlauben aber keine hinreichende Konkretisierung des Grenzbereichs. In der Literatur wird vertreten, die Feststellung, ob eine Zahlungsmöglichkeit gängig und zumutbar ist, könne nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände getroffen werden (vgl. MünchKomm.BGB/Wendehorst, 8. Aufl., § 312a Rn. 82).

(2) Nichts anderes gilt für den Begriff „zumutbar“. Der Bundesgerichtshof hat zwar bereits entschieden, dass ein gängiges Zahlungsmittel in aller Regel dem Kunden auch zumutbar ist, die Unzumutbarkeit sich jedoch aus besonderen Umständen wie einem dem Verbraucher entstehenden Mehraufwand, eintretenden Verzögerungen und ihrer Bedeutung im Lichte des Vertragszwecks sowie Sicherheitsaspekten ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2017 – KZR 39/16, NJW 2017, 3289 [juris Rn. 21] – Sofortüberweisung; ebenso zuvor OLG Frankfurt, K&R 2017, 135 [juris Rn. 36]). Diese Konkretisierung ist jedoch nicht dazu geeignet, dem Begriff die für die Verwendung in einem Unterlassungsantrag erforderliche Bestimmtheit zu verleihen, weil sie ihrerseits auf ausfüllungsbedürftige Begriffe verweist. Die in der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorgenommene Beurteilung für das Zahlungsmittel „Sofortüberweisung“ sowie die in der Literatur aufgeführten Beispielsfälle (vgl. jurisPK-BGB Junker, 8. Aufl. Stand: 16. Januar 2019, § 312a Rn. 52 mwN) überwinden die Unbestimmtheit des Begriffs „unzumutbar“ ebenfalls nicht.

cc) Die Klägerin hat sich in ihrem Unterlassungsantrag auch nicht an der konkreten Verletzungshandlung orientiert, sondern ein umfassendes Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts begehrt. Der Antrag nimmt in keiner Weise Bezug auf die von der Klägerin konkret beanstandete Verhaltensweise, dass die Beklagte nur die Zahlungsmittel „Visa E.   “ und „V.   Prepaid MasterCard“ entgeltfrei akzeptiert hat. Auch die im Antrag enthaltenen Beispiele für aus Sicht der Klägerin gängige und zumutbare Zahlungsmittel („z.B. Überweisung, Lastschrift oder Visa-Kreditkarte“) sind von der konkreten Beanstandung losgelöst und tragen darüber hinaus – gerade im Grenzbereich – nichts zur Bestimmtheit der genannten Begriffe bei. Zudem streiten die Parteien darüber, ob die von der Beklagten als solche bezeichnete Servicepauschale ein Zahlungsmittelentgelt darstellt.

dd) Eine unbestimmte Antragsfassung ist auch nicht deswegen hinzunehmen, weil dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erforderlich wäre. Die Klägerin hätte ohne Weiteres einen auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Antrag stellen können.

2. Im Streitfall führt dieser Mangel nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig, sondern zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren gebieten es bei erstmals in der Revisionsinstanz festgestellten Mängeln des Klageantrags, von einer Abweisung der Klage als unzulässig abzusehen und dem Kläger durch die Wiedereröffnung der Berufungsinstanz Gelegenheit zu geben, den aufgetretenen Bedenken durch eine angepasste Antragsfassung Rechnung zu tragen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Februar 2021 – I ZR 227/19, GRUR 2021, 758 [juris Rn. 26] = WRP 2021, 610 – Rechtsberatung durch Architektin). Dies gilt nicht, wenn bereits feststeht, dass das Rechtsschutzbegehren in der Sache keinen Erfolg haben kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2019 – I ZR 53/18, GRUR 2019, 947 [juris Rn. 36 bis 38] = WRP 2019, 1025 – Bring mich nach Hause). So verhält es sich im Streitfall jedoch nicht (vgl. nachfolgend unter II 2).

II. Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten der Klägerin.

1. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF (seit 2. Dezember 2020: § 13 Abs. 3 UWG nF) kann ein zur Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs Berechtigter, der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG aF (§ 13 Abs. 1 UWG nF) vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens den Schuldner abmahnen und ihm Gelegenheit geben soll, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen, die dafür erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Eine Abmahnung ist berechtigt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF (§ 13 Abs. 3 UWG nF), wenn sie begründet ist, ihr also ein materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zugrunde liegt, und sie außerdem wirksam sowie erforderlich ist, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeblich (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 – I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 [juris Rn. 13 und 32 bis 34] = WRP 2021, 746 – Berechtigte Gegenabmahnung; Urteil vom 27. Januar 2022 – I ZR 7/21, GRUR 2022, 658 [juris Rn. 12] = WRP 2022, 597 – Selbständiger Erstattungsanspruch; Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 143/19, GRUR 2022, 930 [juris Rn. 54] = WRP 2022, 847 – Knuspermüsli II).

2. Der Klägerin steht hinsichtlich aller drei Gegenstände der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Soweit die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen hat, steht dies aufgrund des Urteils des Landgerichts zwischen den Parteien rechtskräftig fest. Hinsichtlich des in der Berufungsinstanz noch anhängigen Gegenstands folgt der Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG aF, § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB.

a) Die Revision wendet sich zu Recht nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung Mitbewerberin der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG aF (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG nF) und daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aF als Berechtigte des Unterlassungsanspruchs zur Abmahnung der Beklagten befugt war.

b) Auch der rechtsfehlerfreien Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte mit ihrem Internetangebot eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG aF (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UWG nF) vorgenommen hat, tritt die Revision nicht entgegen.

c) Die Beklagte hat gegen die Marktverhaltensregelung des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB verstoßen. Danach ist eine Vereinbarung unwirksam, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, wenn für den Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht.

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Vorschrift des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 aF (§ 3a UWG nF) darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2021 – I ZR 195/20, MMR 2022, 390 [juris Rn. 28]). Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.

bb) Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht einen Verstoß der Beklagten gegen § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB bejaht hat (zu einem ähnlich gelagerten Fall vgl. bereits BGH, MMR 2022, 390 [juris Rn. 16 bis 18]).

(1) Die Revision nimmt hin, dass das Berufungsgericht die Zahlungsmittel „Visa E.   “ oder „V.   Prepaid MasterCard“, die die Beklagte ohne Entgelt (und ohne die Erhebung einer Servicepauschale) akzeptiert hat, nicht als gängig im Sinne des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB angesehen hat. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

(2) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die weiteren von der Beklagten akzeptierten Zahlungsmöglichkeiten als nicht unentgeltlich im Sinne des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB betrachtet hat, weil die von ihr erhobene Servicepauschale ein verdecktes Zahlungsmittelentgelt darstellt. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, auch die Erhebung eines verdeckten Zahlungsmittelentgelts verstoße wegen des Umgehungsverbots in § 312k Abs. 1 Satz 2 BGB gegen § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB. Werde ein erhöhtes Entgelt – unabhängig von seiner Bezeichnung – nur bei Zahlung mit bestimmten Zahlungsmitteln erhoben, müsse der Verbraucher davon ausgehen, dass es wegen der Benutzung dieser Zahlungsmittel anfalle. Das gelte auch dann, wenn – wie hier – mehrere Entgeltbestandteile abhängig von der Wahl des Zahlungsmittels seien. An diesem Eindruck des Verbrauchers ändere die Rabattierung um die Servicepauschale bei einer Zahlung mit „Visa E.   “ und „V.   Prepaid MasterCard“ nichts.

Soweit die Revision geltend macht, der durchschnittliche Verbraucher stelle keinen Zusammenhang zwischen der Servicepauschale und dem gewählten Zahlungsmittel her, zeigt sie keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf. Die Würdigung des Berufungsgerichts steht im Einklang mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. August 2021 (X ZR 23/20, WRP 2021, 1600) zu einer unter vergleichbaren Umständen erhobenen und als „ServiceFee“ bezeichneten Gebühr. In diesem Fall berechnete die dortige Beklagte in ihrem Internetportal den Kunden eine solche Servicegebühr pro Flugstrecke und gewährte einen Rabatt in derselben Höhe bei Zahlung mit einer im Buchungsverlauf voreingestellten Kreditkarte, die sie in Zusammenarbeit mit einer Direktbank kostenlos vertrieb. Hierin hat der Bundesgerichtshof einen Verstoß gegen § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB gesehen, weil die voreingestellte Kreditkarte nicht gängig war und die Beklagte für die Nutzung aller anderen Zahlungsmittel ein zusätzliches Entgelt erhob (BGH, WRP 2021, 1600 [juris Rn. 15 bis 25]). Den Entgeltcharakter dieser Servicegebühr hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass sich der Preis erhöhte, sobald der Kunde ein anderes als das voreingestellte Zahlungsmittel wählte (BGH, WRP 2021, 1600 [juris Rn. 16]), und die Gegenüberstellung von Servicegebühr und Rabatt bei der voreingestellten Kreditkarte dem Kunden den Eindruck vermittelte, der höhere Preis sei nicht die Folge von – nicht näher spezifizierten – Serviceleistungen, sondern beruhe allein auf der Auswahl eines anderen Zahlungsmittels (BGH, WRP 2021, 1600 [juris Rn. 18]).

cc) Die Anwendung des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB im Streitfall steht mit dem Unionsrecht im Einklang (zu einem ähnlich gelagerten Fall vgl. bereits BGH, MMR 2022, 390 [juris Rn. 12 bis 15]).

(1) Das Berufungsgericht hat gemeint, die Vorschrift verstoße nicht gegen die in Art. 4 der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher angeordnete Vollharmonisierung, indem sie über die Vorgaben des Art. 19 der Richtlinie 2011/83/EU hinausgehe. Nach dem in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU geregelten Vorrang einer Bestimmung eines anderen Unionsrechtsakts, der spezifische Sektoren regle, trete die Richtlinie 2011/83/EU für den hier betroffenen Bereich hinter Art. 62 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt zurück. Es könne daher offenbleiben, ob der Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/83/EU bereits wegen des Vorliegens Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht eröffnet sei. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

(2) Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 24. August 2021 (WRP 2021, 1600) unter Verweis auf ein früheres Urteil (NJW 2017, 3289 [juris Rn. 19] – Sofortüberweisung) bekräftigt, dass die in der Literatur umstrittene Frage, ob § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB auf alle Arten von Verbraucherverträgen Anwendung findet, zumindest dann dahingestellt bleiben kann, wenn die in Streit befindliche Zahlungsentgeltvereinbarung in den Anwendungsbereich des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fällt. Denn nach Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2011/83/EU bleibt das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Regelungsbereich der Richtlinie unberührt (BGH, WRP 2021, 1600 [juris Rn. 13]). Werden die abstrakten und für eine Vielzahl von Vertragsschlüssen konzipierten Regeln beanstandet, die einem Buchungsvorgang zugrunde liegen, fällt auch dies in den Anwendungsbereich des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH, WRP 2021, 1600 [juris Rn. 14]).

(3) Für den Streitfall kann nichts Anderes gelten, auch wenn das Berufungsgericht offengelassen hat, ob eine Vereinbarung in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorliegt. Die Revision behauptet zwar, bei der Abrede über die Servicepauschale handele es sich um eine am Ende des Buchungsvorgangs zustande kommende Individualvereinbarung. Sie legt aber nicht konkret dar, warum die Servicepauschale nicht als Teil der zum fraglichen Zeitpunkt für jeden Buchungsvorgang geltenden Bestimmungen anzusehen sein und worin eine Abweichung von diesen Bestimmungen liegen soll.

(4) Danach bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB mit Blick auf Individualvereinbarungen gegen die in Art. 4 angeordnete Vollharmonisierung im Bereich der Richtlinie 2011/83/EU verstößt. Die Revision meint (unter Berufung auf Omlor, NJW 2014, 1703, 1706 f.), dass dies der Fall sei, weil die Voraussetzungen, unter denen Unternehmer von Verbrauchern Zahlungsmittelentgelte erheben dürften, durch den – in § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB umgesetzten – Art. 19 der Richtlinie 2011/83/EU abschließend geregelt werde. Das Berufungsgericht hat § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB demgegenüber für unionsrechtskonform gehalten, weil Art. 19 der Richtlinie 2011/83/EU allein regle, dass Unternehmer von Verbrauchern maximal kostendeckende Entgelte für die Nutzung von Zahlungsmitteln erheben dürften, und außerhalb dieses Bereichs nach Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie vorrangig Art. 62 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt anzuwenden sei, der den Mitgliedstaaten gestatte, die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger zu untersagen oder zu begrenzen (kritisch hierzu Omlor, WM 2018, 937, 939).

dd) Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Beklagte aus § 675f Abs. 6 BGB nichts für sie Günstiges herleiten kann. Nach dieser Vorschrift darf in einem Zahlungsdiensterahmenvertrag zwischen dem Zahlungsempfänger und seinem Zahlungsdienstleister das Recht des Zahlungsempfängers nicht ausgeschlossen werden, dem Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments eine Ermäßigung oder einen anderweitigen Anreiz anzubieten. Diese Vorschrift regelt nicht das hier zu beurteilende Verhältnis zwischen dem Zahlungsempfänger und seinem Kunden und schränkt daher auch die Anwendbarkeit des § 312 Abs. 4 Nr. 1 BGB nicht ein (vgl. BeckOGK.BGB/Foerster, Stand: 1. April 2022, § 675f Rn. 119 f.; MünchKomm.BGB/Casper aaO § 675f Rn. 67).

d) Mit Recht hat das Berufungsgericht den Verstoß der Beklagten als im Sinne des § 3 UWG aF (§ 3a UWG nF) geeignet angesehen, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Hiergegen wendet sich die Revision nicht (zu einem ähnlich gelagerten Fall vgl. bereits BGH, MMR 2022, 390 [juris Rn. 32]).

e) Die Revision erinnert auch nichts gegen die vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejahte Wiederholungsgefahr für einen solchen Verstoß.

3. Die Abmahnung war zudem berechtigt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF. Die Abmahnung unterliegt als vorprozessuale Handlung nicht dem strengen Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es reicht aus, wenn in der Abmahnung der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet wird, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (vgl. BGH, GRUR 2021, 752 [juris Rn. 26]; vgl. auch § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG nF). Diesen Anforderungen genügte die von der Klägerin im Anwaltsschreiben vom 20. November 2015 ausgesprochene Abmahnung; die Revision erhebt hierzu auch keine Rügen.

4. Gegen die Höhe des Anspruchs, den das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei mit einer 1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) aus einem Gegenstandswert von 90.000 € zuzüglich Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) nach den bis zum 31. Dezember 2020 gültigen Sätzen berechnet hat, wendet sich die Revision nicht. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben (§ 562 Abs. 1), soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrags I.2 zu ihrem Nachteil erkannt hat. Im Übrigen ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist insoweit nicht zur Endentscheidung durch den Senat reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

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