Irreführende Werbung mit nicht existenten Unternehmensstandorten

03. Mai 2017
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Gelbe Seiten Telefonbuch aufgeschlagen Urteil des OLG Köln vom 23.12.2016, Az.: 6 U 119/16

Die Angabe von tatsächlich nicht existenten Firmenniederlassungen im Internet oder in den Gelben Seiten verstößt gegen Wettbewerbsrecht. Eine Werbung im Internet mit fiktiven Unternehmensstandorten stellt eine wettbewerbswidrige Irreführung dar, denn durch fiktive Niederlassungen vor Ort, wird bei dem Verbraucher der Eindruck erweckt, das Unternehmen ist in der Nähe ansässig und schnell zu erreichen. Auf diese Weise wird der Kunde getäuscht und in die Irre geführt.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 23.12.2016

Az.: 6 U 119/16

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.06.2016 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 33 O 208/15 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Der klagende Wettbewerbsverband nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten wegen unrichtiger Standortwerbung im Internetportal der Gelben Seiten in Anspruch.

Die auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung tätige Beklagte ist seit 2011 in L. ansässig. Im März 2015 wies die Stadt Ennigerloh die Beklagte darauf hin, dass sie Werbung mit einer dort nicht existierenden Adresse betreibe. Im Mai 2015 erlangte der Kläger Kenntnis davon, dass die Beklagte auf der Plattform www.gelbeseiten.de unter den Adressen „www, 59320 Ennigerloh“, „xxx, 59269 Beckum“, „yyy, 48291 Telgte“ und „zzz, 48231 Warendorf“ warb, obwohl die Beklagte an den angegebenen Standorten tatsächlich keine Niederlassungen unterhält. Im Juni 2015 beauftragte die Beklagte den Verlag Gelbe Seiten, die Einträge zu den Adressen zu löschen. Im August 2015 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis darauf ab, dass sie die betreffenden Adressen nicht selbst bei den Gelben Seiten ins Netz gesetzt und sich letztlich wegen nicht nachlassender missbräuchlicher Verwendung falscher Adressen gezwungen gesehen habe, die hinter den Gelben Seiten stehenden Verlage darüber zu unterrichten, überhaupt keine Adressen mehr in Verbindung mit ihrem Unternehmen zu verwenden.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte, die auf ihrer eigenen Internetseite mit den oben genannten Standorten werbe, habe die Einträge in den Gelben Seiten selbst eingestellt.

Die Beklagte hat eingewandt, weder sie, noch einer ihrer Angestellten habe die Einträge in den Gelben Seiten veranlasst. Sie habe vielmehr alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um die falschen Adressen zu entfernen bzw. entfernen zu lassen. So habe ihre Geschäftsführerin, nachdem sie Kenntnis von der fehlerhaften Anzeige für den Ort Ennigerloh erhalten habe, den für die Werbung zuständigen Zeugen Schäfers beauftragt, sich hierum zu kümmern. Am 14. oder 15. April 2015 habe der Zeuge T. mit einem Mitarbeiter des zuständigen C.-Verlages, Herrn X. telefoniert. Der Zeuge T. habe den Zeugen X. auf den falschen Standort Ennigerloh angesprochen und aufgefordert, die falsche Adresse aus dem Online-Bereich zu entfernen. Nachdem sie im Mai/Juni 2015 von weiteren unrichtigen Adressen erfahren habe, habe sie sämtlichen Gelbe Seiten Verlagen mitgeteilt, dass sie ausschließlich ohne Adressen im Onlinebereich werben wolle, und dass, soweit sie mit einer Adresse online zu finden sei, diese unverzüglich herauszunehmen sei. Die streitgegenständlichen Adressen seien spätestens am 22.06.2015 entfernt worden, wie der C.-Verlag dem Kläger mit Schreiben vom 20.08.2015 bestätigt habe. Soweit sie daher im August vom Kläger abgemahnt worden sei, sei sie nicht die richtige Passivlegitimierte gewesen; der Kläger hätte sich unmittelbar an die Gelbe Seiten selbst wenden müssen.

Mit Urteil vom 28.06.2016, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht antragsgemäß die Werbung mit den Standorten „www, 59320 Ennigerloh“, „xxx, 59269 Beckum“, „yyy, 48291 Telgte“ und/oder „zzz, 48231 Warendorf“, jeweils in konkreter Verletzungsform, untersagt und die Beklagte zur Zahlung von 246,10 € Abmahnkosten verurteilt. Die Beklagte habe nicht widerlegt, dass überhaupt eine Beauftragung ihrerseits an den C.-Verlag erfolgt sei, und hafte jedenfalls aufgrund Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, indem sie nicht unverzüglich nach Kenntnis von den unzutreffenden Adressangaben im Internet für deren zuverlässige und vollständige Entfernung gesorgt habe.

Mit ihrer Berufung hält die Beklagte das Begehren aus erster Instanz auf Abweisung der Klage aufrecht. Der Lauterkeitsverstoß sei ihr nicht zuzurechnen. Das Landgericht lege insoweit einen falschen Haftungsmaßstab an. Da der Rechtsverstoß bereits vor der Abmahnung beseitigt worden sei, bestehe mangels Erstbegehungshandlung auch keine Wiederholungsgefahr.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung ist im Ergebnis nicht begründet.

Der Unterlassungsanspruch des Klägers folgt aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG (alte und neue Fassung), der Annexanspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Aktivlegitimation des Klägers ist unbestritten. Die Beklagte wendet sich auch nicht gegen die – zutreffende – Feststellung des Landgerichts, dass die Angabe von fiktiven Standortadressen auf einem Internetportal eine unwahre Angabe i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellt und mithin lauterkeitsrechtlich unzulässig ist, § 3 Abs. 1 UWG; die Beklagte trägt vor, selbst Wettbewerber wegen falscher Adressen abzumahnen.

Der Beklagten ist die falsche Adressangabe als geschäftliche Handlung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, zurechenbar.

1. Allein die Antwort des C.-Verlags vom 20.08.2015 auf die Anfrage des Klägers, wer die Aufträge für die Veröffentlichungen in Telgte, Ennigerloh und Beckum erteilt habe, belegt das Vorbringen des Klägers allerdings nicht. Nach der Auskunft des C.-Verlages sind im April 2014 über die Plattform „www.gelbeseiten.de“ für die Einträge Ennigerloh, Beckum und Telgte 3-Monats-Pakete von der Beklagten über Frau A. erteilt worden. Die Bestätigung kam per E-Mail über „[email protected]“. Die Beklagte trägt vor, ihr sei eine Frau A unbekannt und sie benutze selbst keine Google Mail Adresse. Einen Beweis dafür, dass Auftrag und E-Mail von der Beklagten stammen, hat der Kläger nicht angeboten. Dass die Beklagte in geschäftlichem Kontakt zum C.-Verlag steht, führt noch nicht zu der vom Landgericht angenommenen Umkehr der Beweislast.

2. Allerdings bestehen unter Würdigung der Gesamtumstände hinreichende Indizien für die Annahme, dass die Beklagte selbst die fehlerhaften Adressenangaben veranlasst hat, so dass die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis zutreffend ist:

– Die Beklagte bewarb in ihrem eigenen Internetauftritt ausweislich der vom Kläger vorgelegten Screenshots bis jedenfalls Januar 2016 die Städte Ennigerloh, Warendorf, Telgte und Beckum jeweils als „Serviceort“, u.a. mit dem Slogan „Wir lösen [Ennigerloher//Telgter/Beckumer] Schädlingsprobleme! Rufen Sie uns an: …“ und „Wir lösen Schädlingsprobleme im Raum [Ennigerloh/Telgte/Beckum]! Schnelle, direkte Hilfe vor Ort für Privathaushalte, Behörden, Gewerbetreibende aller Branchen und die Stadt …. Rufen Sie uns unter … an oder nutzen Sie für eine schnelle Problemlösung unser Kontaktformular“ bzw. „Desinfektion in Warendorf“ und „Unverbindliche Beratung zur Desinfektion in Warendorf erhalten Sie unter der Warendorf Rufnummer … oder nutzen Sie für eine Anfrage unser Kontaktformular“.

– Die streitgegenständliche Anzeige für Warendorf entspricht in ihrer Aufmachung der üblichen Werbung der Beklagten.

– Die Beklagte hat nach den in der Akte befindlichen Unterlagen die Standorte Warendorfe, Ennigerloh, Beckum und Telgte bis jedenfalls Dezember 2015 / Januar 2016 als solche nicht aus den Gelben Seiten im Internet herausgenommen, sondern aufrecht erhalten. Sie hat nach eigenem Vorbringen lediglich die Angaben zu Straße und Hausnummer entfernt und der Telefonnummer für Warendorf den Zusatz „Anrufweiterschaltung“ hinzugefügt.

– Im Internet fanden sich ausweislich der vom Kläger vorgelegten Ausdrucke aus Dezember 2015 auf einer Vielzahl anderer Internetseiten für die Beklagte die gleichen Adressen, so z.B. „www, 59320 Ennigerloh“ bei web2.cylex.de, goyellow.de und freieauskunft.de/…, „xxx, 59269 Beckum“ bei goyellow.de, web2.cylex.de, branchenbuch.meinestadt.de, yellowmap.de, dasoertliche.de und finde-offen.de, „yyy, 48291 Telgte“ bei telgte.branchen-info.net, web2.cylex.de, golocal.de und goyellow.de sowie „zzz, 48231 Warendorf“ bei nachbarschaft.immobilienscout24.de.

– In dem vom Kläger vorlegten Ausdruck der Seite „Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig.“ (Bl. 100 GA) findet sich zwischen der sowohl in der streitgegenständlichen Anzeige als auch dem Internetauftritt der Beklagten angeführten Warendorfer Telefonnummer 02581-??? und der Internetadresse der Beklagten „www.b.de/nordrhein-westfalen/warendorf“ die E-Mail-Anschrift „[email protected]“, über die dem C.-Verlag die Aufträge für Ennigerloh, Beckum und Telgte bestätigt worden sind.

– Die Mutmaßungen der Beklagten, die Anzeigen könnten von Wettbewerbern geschaltet sein, um die falsche Adressangabe anschließend bei den jeweiligen Kommunen zur Anzeige zu bringen überzeugt nicht. Zum einen bestünde für Wettbewerber keine Veranlassung, die Qualitäten der Beklagten – so wie für Warendorf geschehen – werbend herauszustellen. Zum anderen ist weder von der Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich, dass/in welcher Weise die fehlerhaften Adressangaben bislang tatsächlich zur Benachteiligung der Beklagten ernsthaft eingesetzt worden sein sollen. Allein das vorliegende Verfahren genügt insoweit nicht.

– Hinsichtlich der Anzeige für Warendorf ist nicht ersichtlich, wie ein Wettbewerber überhaupt an die für den Upload notwendigen Daten gelangt sein soll. Auf das entsprechende Vorbringen des Klägers in der Berufungserwiderung hat die Beklagte dann auch zugestanden, die Anzeige hinsichtlich des Standortes Warendorf selbst geschaltet zu haben. Wie die Adresse im Zusammenhang mit der Anzeige genannt werden konnte, hat sie ausdrücklich als nicht erklärbar angesehen. Die Beklagte hat vielmehr vorgetragen, dass gegenüber dem Verlag die klare Anweisung bestanden habe, Anzeigen nur für ein Servicegebiet bzw. einzelne Städte zu schalten, und dass nicht mit den Adressen der einzelnen Techniker (!) geworben werden dürfe.

Bezüglich der Standortwerbung für Warendorf ist damit letztlich unbestritten, dass die Beklagte auch für die Adressangabe verantwortlich zeichnet. Bezüglich der drei anderen Standorte lassen die angeführten Indizien zwar nicht einzeln betrachtet, aber doch in der Gesamtschau den sicheren Schluss zu, dass die Adressangaben von der Beklagte und nicht von einem missliebigen Mittbewerber stammen.

3. Ob der Beklagten auch ein Verstoß gegen die wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten anzulasten wäre, erscheint fraglich – die fehlerhaften Adressangaben sind bereits vor der Abmahnung beseitigt worden –, kann indes dahinstehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

Vorinstanz:
LG Köln, Urteil vom 28.06.2016 – Az.: 33 O 208/15

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