Jetzt doch Ansprüche wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen?!
Europäischer Gerichtshof
Urteil vom 21.03.2023
Az.: C‑100/21
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2007, L 263, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 385/2009 der Kommission vom 7. Mai 2009 (ABl. 2009, L 118, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2007, L 171, S. 1) sowie von Art. 267 Abs. 2 AEUV.
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen QB und der Mercedes-Benz Group AG, vormals Daimler AG, einem Automobilhersteller, über den von QB geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz und die Berechnung dieses Schadensersatzes, der ihm wegen des Erwerbs eines Kraftfahrzeugs mit einem Dieselmotor eventuell geschuldet wird, das mit einer nicht mit den sich aus dem Unionsrecht ergebenden Vorgaben in Einklang stehenden Software ausgerüstet ist, die die Rückführung der Abgase dieses Fahrzeugs je nach der Außentemperatur verringert.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rahmenrichtlinie
Die Rahmenrichtlinie wurde durch die Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46 (ABl. 2018, L 151, S. 1) mit Wirkung vom 1. September 2020 aufgehoben. In Anbetracht des für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeitraums bleibt die Rahmenrichtlinie jedoch auf diesen anwendbar.
Der dritte Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie lautete:
„Die technischen Anforderungen für Systeme, Bauteile, selbstständige technische Einheiten und Fahrzeuge sollten in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden. Diese Rechtsakte sollten vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen.“
Art. 1 der Rahmenrichtlinie bestimmte:
„Diese Richtlinie schafft einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallenden Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten; damit sollen ihre Zulassung, ihr Verkauf und ihre Inbetriebnahme in der Gemeinschaft erleichtert werden.
…
Zur Durchführung dieser Richtlinie werden in Rechtsakten besondere technische Anforderungen für den Bau und den Betrieb von Fahrzeugen festgelegt; Anhang IV enthält eine vollständige Auflistung dieser Rechtsakte.“
Art. 3 der Rahmenrichtlinie bestimmte in den Nrn. 5 und 36:
„Im Sinne dieser Richtlinie und der in Anhang IV aufgeführten Rechtsakte – soweit dort nichts anderes bestimmt ist – bezeichnet der Ausdruck
…
5. ‚EG-Typgenehmigung‘ das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser Richtlinie und der in Anhang IV oder XI aufgeführten Rechtsakte entspricht;
…
36. ‚Übereinstimmungsbescheinigung‘ das in Anhang IX wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht“.
In Art. 4 der Rahmenrichtlinie hieß es:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Hersteller, die eine Genehmigung beantragen, ihre Pflichten gemäß dieser Richtlinie erfüllen.
(2) Die Mitgliedstaaten erteilen eine Genehmigung für Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.
(3) Die Mitgliedstaaten gestatten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.
…“
Art. 8 Abs. 6 der Rahmenrichtlinie lautete:
„Die Genehmigungsbehörde unterrichtet die Genehmigungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über jede Verweigerung und jeden Entzug einer Typgenehmigung sowie über die Gründe hierfür.“
In Art. 13 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie hieß es:
„Der Hersteller unterrichtet den Mitgliedstaat, der die EG-Typgenehmigung erteilt hat, unverzüglich über jede Änderung der Angaben in den Beschreibungsunterlagen. Dieser Mitgliedstaat entscheidet dann nach den Bestimmungen dieses Kapitels, wie weiter zu verfahren ist. Sofern erforderlich, kann der Mitgliedstaat im Benehmen mit dem Hersteller entscheiden, dass eine neue EG-Typgenehmigung zu erteilen ist.“
Art. 18 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie bestimmte:
„Der Hersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge legt jedem vollständigen, unvollständigen oder vervollständigten Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine Übereinstimmungsbescheinigung bei.
…“
In Art. 26 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie hieß es:
„Unbeschadet der Artikel 29 und 30 gestatten die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen nur dann, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 versehen sind.
…“
Art. 30 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie lautete:
„Stellt der Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt hat, fest, dass neue Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten, die mit einer Übereinstimmungsbescheinigung oder einem Genehmigungszeichen versehen sind, nicht mit dem Typ übereinstimmen, für den er die Genehmigung erteilt hat, so ergreift er die notwendigen Maßnahmen, einschließlich erforderlichenfalls eines Entzugs der Typgenehmigung, um sicherzustellen, dass die hergestellten Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten mit dem jeweils genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht werden. Die Genehmigungsbehörde dieses Mitgliedstaats unterrichtet die Genehmigungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten von den ergriffenen Maßnahmen.“
Art. 46 der Rahmenrichtlinie sah vor:
„Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen diese Richtlinie, insbesondere gegen die in Artikel 31 vorgesehenen oder sich daraus ergebenden Verbote und die in Anhang IV Teil I aufgeführten Rechtsakte, anzuwenden sind, und ergreifen alle für ihre Durchführung erforderlichen Maßnahmen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der [Europäischen] Kommission diese Vorschriften bis zum 29. April 2009 sowie etwaige Änderungen so bald wie möglich mit.“
In Anhang IX der Rahmenrichtlinie wurde der Inhalt der EG-Übereinstimmungsbescheinigung beschrieben. In Abschnitt 0 dieses Anhangs hieß es:
„Die Übereinstimmungsbescheinigung stellt eine Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Gemeinschaft geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte.
Die Übereinstimmungsbescheinigung soll es außerdem den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom Antragsteller zusätzliche technische Unterlagen anfordern zu müssen.
…“
Verordnung Nr. 715/2007
In den Erwägungsgründen 1, 5, 6 und 17 der Verordnung Nr. 715/2007 heißt es:
„(1) … Die technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen sollten … harmonisiert werden, um zu vermeiden, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Vorschriften erlassen, und um ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen.
…
(5) Um die Ziele der EU für die Luftqualität zu erreichen, sind fortwährende Bemühungen zur Senkung von Kraftfahrzeugemissionen erforderlich. …
(6) Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte ist insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen [(NOx)] bei Dieselfahrzeugen erforderlich. …
…
(17) Ein einheitliches Verfahren für die Messung des Kraftstoffverbrauchs und der Kohlendioxidemissionen von Fahrzeugen ist notwendig, um zu verhindern, dass zwischen den Mitgliedstaaten technische Handelshemmnisse entstehen. Ein solches Verfahren ist auch notwendig, um zu gewährleisten, dass die Verbraucher und Anwender objektive und genaue Informationen erhalten.“
Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:
„Diese Verordnung legt gemeinsame technische Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen (nachstehend ‚Fahrzeuge‘ genannt) und Ersatzteilen wie emissionsmindernde Einrichtungen für den Austausch hinsichtlich ihrer Schadstoffemissionen fest.“
Art. 3 Nr. 10 der Verordnung bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck:
…
10. ‚Abschalteinrichtung‘ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“.
Art. 4 Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung sieht vor:
„(1) Der Hersteller weist nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft in Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Der Hersteller weist außerdem nach, dass alle von ihm in der Gemeinschaft verkauften oder in Betrieb genommenen neuen emissionsmindernden Einrichtungen für den Austausch, für die eine Typgenehmigung erforderlich ist, über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen.
Diese Pflichten schließen ein, dass die in Anhang I und in den in Artikel 5 genannten Durchführungsmaßnahmen festgelegten Grenzwerte eingehalten werden.
(2) Der Hersteller stellt sicher, dass die Typgenehmigungsverfahren zur Überprüfung der Übereinstimmung der Produktion, der Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen und der Übereinstimmung in Betrieb befindlicher Fahrzeuge beachtet werden.
Die von dem Hersteller ergriffenen technischen Maßnahmen müssen außerdem sicherstellen, dass die Auspuff- und Verdunstungsemissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeuges bei normalen Nutzungsbedingungen entsprechend dieser Verordnung wirkungsvoll begrenzt werden. …
…
(3) In einem Schriftstück, das dem Fahrzeugkäufer beim Kauf ausgehändigt wird, macht der Hersteller Angaben über die Kohlendioxidemissionen und den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs.“
Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 lautet:
„(1) Der Hersteller rüstet das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.
(2) Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:
a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten;
…“
In Art. 13 dieser Verordnung heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße von Herstellern gegen die Vorschriften dieser Verordnung Sanktionen fest und treffen die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein. …
(2) Zu den Arten von Verstößen, die einer Sanktion unterliegen, gehören folgende:
…
d) Verwendung von Abschalteinrichtungen
…“
Deutsches Recht
§ 823 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: BGB) sieht vor:
„(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.“
22 § 348 der Zivilprozessordnung (im Folgenden: ZPO) bestimmt:
„(1) Die Zivilkammer entscheidet durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter. …
…
(3) Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn
1. die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist,
2. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
3. die Parteien dies übereinstimmend beantragen.
Die Kammer übernimmt den Rechtsstreit, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 vorliegen. Sie entscheidet hierüber durch Beschluss. Eine Zurückübertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Am 20. März 2014 kaufte QB bei der Auto Y GmbH zum Preis von 29 999 Euro ein Gebrauchtfahrzeug der Marke Mercedes-Benz, Modell C 220 CDI, das mit einem Dieselmotor der Generation Euro 5 ausgestattet war und einen Kilometerstand von 28 591 km hatte. Dieses vom Automobilhersteller Daimler in Verkehr gebrachte Fahrzeug wurde am 15. März 2013 erstmals zugelassen.
Es ist mit einer Motorsteuerungssoftware ausgerüstet, die die Abgasrückführung verringert, wenn die Außentemperaturen unter einer gewissen Schwelle liegen, was eine Erhöhung der NOx-Emissionen zur Folge hat. Die Abgasrückführung ist somit nur dann voll wirksam, wenn die Außentemperatur nicht unter diese Schwelle sinkt (im Folgenden: Thermofenster). Die konkrete Außentemperatur, unterhalb der eine Reduktion der Abgasrückführung erfolgt und in welchem Umfang, ist zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens streitig.
QB erhob beim Landgericht Ravensburg (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Klage auf Ersatz des Schadens, den ihm Mercedes-Benz Group dadurch verursacht habe, dass sie das in Rede stehende Fahrzeug mit nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgerüstet habe.
Vor diesem Gericht ist zwischen den Parteien streitig, ob das in Rede stehende Fahrzeug mit solchen unzulässigen Einrichtungen ausgestattet ist, welchen Umfang ein etwaiger Schadensersatzanspruch von QB hat und ob sich QB den Vorteil aus der Nutzung des Fahrzeugs auf die Höhe des Schadensersatzanspruchs anrechnen lassen muss.
Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 sei. Die Abgasrückführung des in Rede stehenden Fahrzeugs werde nämlich schon bei über 0° C liegenden Außentemperaturen verringert und damit die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems, obwohl diese Temperatur innerhalb des „Bereichs der bei normalem Fahrzeugbetrieb zu erwartenden Bedingungen“ im Sinne von Art. 3 Nr. 10 dieser Verordnung liege.
Außerdem sei auf den ersten Blick die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar, da nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führten, geeignet seien, die Nutzung einer Abschalteinrichtung zu rechtfertigen (Urteil vom 17. Dezember 2020, CLCV u. a. [Abschalteinrichtung für Dieselmotoren], C‑693/18, EU:C:2020:1040, Rn. 114). Das vorlegende Gericht bezweifelt jedoch, dass ein Thermofenster, das den Zweck habe, Ablagerungen im Motor, also Verschleiß zu verhindern, die strengen Anwendungsvoraussetzungen dieser Ausnahme erfüllt.
QB könnte ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB zustehen, für den einfache Fahrlässigkeit genüge. Diese Bestimmung setze jedoch den Verstoß gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz voraus, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Deutschland) bedeute, dass dieses Gesetz dazu dienen solle, einen Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Insoweit genüge es, dass dieses Gesetz mit dem Ziel erlassen worden sei, diesem Einzelnen oder diesem Personenkreis einen rechtlichen Schutz zu verleihen, auch wenn es in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge habe. Außerdem setze diese Bestimmung voraus, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht habe, vor der dieses Gesetz schützen sollte, und dass die konkret geschädigte(n) Person(en) vom persönlichen Schutzbereich des betreffenden Gesetzes erfasst seien. Daher stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 außer auf den Schutz allgemeiner Interessen auch auf den Schutz der Interessen eines einzelnen Erwerbers eines nicht unionsrechtskonformen Fahrzeugs abzielen, insbesondere wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist.
Zu diesen Fragen gebe es in der deutschen Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auslegungen. Der Bundesgerichtshof sei der Auffassung, dass die zur Harmonisierung der technischen Anforderungen an Fahrzeuge erlassenen Unionsrechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit sowie einen hohen Gesundheits- und Umweltschutz abzielten. Zudem ziele Art. 5 der Verordnung Nr. 715/2007 nicht auf den Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers ab.
Dagegen seien mehrere Landgerichte der Auffassung, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie sowie Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 auch den individuellen Schutz des Käufers eines Fahrzeugs bezweckten. Eines der Ziele der Übereinstimmungsbescheinigung sei nämlich gemäß Anhang IX der Rahmenrichtlinie, dass der Hersteller eines Fahrzeugs dem Käufer dieses Fahrzeugs versichere, dass dieses zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimme. Diese Bescheinigung bezwecke auch, das behördliche Zulassungsverfahren und den freien Warenverkehr innerhalb der Union zu erleichtern.
Falls davon ausgegangen würde, dass die in Rn. 29 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen nur allgemeine Rechtsgüter und nicht die besonderen Erwerberinteressen schützen, fragt sich das vorlegende Gericht außerdem, ob es nach dem Grundsatz der Effektivität geboten sein könnte, jedes schuldhafte (fahrlässige oder vorsätzliche) Handeln eines Fahrzeugherstellers in Bezug auf das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 715/2017 ausgestattet seien, dadurch zu sanktionieren, dass der betreffende Erwerber einen auf die deliktische Haftung dieses Herstellers gestützten Schadensersatzanspruch geltend machen könne.
Nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart (Deutschland) beruhe die Anwendbarkeit von § 823 Abs. 2 BGB darauf, dass es im Interesse einer effektiven Durchsetzung des Unionsrechts geboten sei, die maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts mit zivilrechtlichen Sanktionen zu versehen.
Für den Fall, dass QB ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB zustehen sollte, fragt sich das vorlegende Gericht, ob es für die praktische Wirksamkeit der im vorliegenden Fall anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts erforderlich sei, dass eine Anrechnung von Nutzungsvorteilen auf diesen Schadensersatzanspruch unterbleibe oder nur in eingeschränktem Umfang erfolge. Zu dieser Frage gebe es in der deutschen Rechtsprechung und Literatur ebenfalls unterschiedliche Auffassungen, auch was den Einfluss betreffe, den das Verbot ungerechtfertigter Bereicherung auf eine solche Anrechnung haben könne.
In diesem Zusammenhang gehe der Bundesgerichtshof zum einen davon aus, dass der Geschädigte im Hinblick auf das im deutschen Recht vorgesehene schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden dürfe, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, und dass zum anderen nur die durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen seien, deren Anrechnung den Schädiger nicht unangemessen entlaste. Mehrere Landgerichte seien hingegen der Auffassung, dass der aus der Nutzung eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gezogene Vorteil auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden könne.
Ferner stellt das vorlegende Gericht, das im Ausgangsverfahren als Einzelrichter entscheidet, fest, dass der originäre Einzelrichter gemäß § 348 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO verpflichtet sei, den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vorzulegen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise oder grundsätzliche Bedeutung habe. Der Einzelrichter habe dabei kein Handlungsermessen. Insbesondere gehe aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hervor, dass ein Einzelrichter, wenn er dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorlege, ohne den Rechtsstreit zuvor der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vorgelegt zu haben, gegen den in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes vorgesehenen verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoße.
Das vorlegende Gericht ist jedoch der Auffassung, dass Art. 267 Abs. 2 AEUV einer solchen Pflicht zur Vorlage an die Zivilkammer entgegenstehe. Der Gerichtshof habe zwar in seinem Urteil vom 13. Dezember 2018, Rittinger u. a. (C‑492/17, EU:C:2018:1019), entschieden, dass die Vorlage eines Einzelrichters ungeachtet der Einhaltung nationaler prozessualer Vorschriften unionsrechtlich zulässig sei. Der Gerichtshof habe allerdings nicht die Frage geprüft, ob dieser Art. 267 Abs. 2 einer nationalen Bestimmung entgegenstehe, die die Möglichkeit zur Vorlage eines solchen Ersuchens beschränke.
Unter diesen Umständen hat das Landgericht Ravensburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Haben Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 auch die Zielrichtung, die Interessen individueller Erwerber von Kraftfahrzeugen zu schützen?
Wenn ja:
2. Zählt dazu auch das Interesse eines individuellen Fahrzeugerwerbers, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit den unionsrechtlichen Vorgaben nicht konform ist, insbesondere kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist?
Wenn die Vorlagefrage 1 verneint wird:
3. Ist es unvereinbar mit Unionsrecht, wenn ein Erwerber, der ungewollt ein vom Hersteller mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 in Verkehr gebrachtes Fahrzeug gekauft hat, zivilrechtliche deliktische Ansprüche gegenüber dem Fahrzeughersteller auf Ersatz seines Schadens, insbesondere auch einen Anspruch auf Erstattung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, nur ausnahmsweise dann geltend machen kann, wenn der Fahrzeughersteller vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt hat?
Wenn ja:
4. Ist es unionsrechtlich geboten, dass ein zivilrechtlicher deliktischer Ersatzanspruch des Fahrzeugerwerbers gegen den Fahrzeughersteller bei jeglichem schuldhaften (fahrlässigen oder vorsätzlichen) Handeln des Fahrzeugherstellers in Bezug auf das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist, gegeben ist?
Unabhängig von der Beantwortung der Vorlagefragen 1 bis 4:
5. Ist es unvereinbar mit Unionsrecht, wenn sich im nationalen Recht der Fahrzeugerwerber einen Nutzungsvorteil für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen muss, wenn er vom Hersteller im Wege des deliktischen Schadensersatzes die Erstattung des Kaufpreises eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 in Verkehr gebrachten Fahrzeugs Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangt?
Wenn nein:
6. Ist es unvereinbar mit Unionsrecht, wenn dieser Nutzungsvorteil sich am vollen Kaufpreis bemisst, ohne dass ein Abzug wegen des aus der Ausstattung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultierenden Minderwerts des Fahrzeugs und/oder im Hinblick auf die vom Erwerber ungewollte Nutzung eines nicht unionsrechtskonformen Fahrzeugs abgezogen wird?
Unabhängig von der Beantwortung der Vorlagefragen 1 bis 6:
7. Ist § 348 Abs. 3 ZPO, soweit diese Regelung sich auch auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV bezieht, unvereinbar mit der Vorlagebefugnis der nationalen Gerichte gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV und daher auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen nicht anzuwenden?
Zu den Anträgen auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens
Im Anschluss an die Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts haben die deutsche Regierung und Mercedes-Benz Group mit Schriftsätzen, die am 11. bzw. 14. Juli 2022 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen sind, nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt.
Zur Stützung ihres Antrags macht Mercedes-Benz Group im Wesentlichen geltend, dass der Generalanwalt in Nr. 49 seiner Schlussanträge zu Unrecht die Auffassung vertreten habe, dass der Besitz eines Fahrzeugs, das durch Schadstoffemissionen, die die festgelegten Grenzwerte überschritten, die Umweltschutzvorschriften der Union nicht einhalte, zu einem immateriellen Schaden dieses Käufers führe. Das Vorliegen eines etwaigen immateriellen Schadens sei vom vorlegenden Gericht nicht aufgeworfen und zwischen den Parteien nicht erörtert worden.
In ihrem Antrag trägt die deutsche Regierung im Wesentlichen vor, dass zum einen die Schlussanträge des Generalanwalts auf neuen Gesichtspunkten beruhten, die zwischen den Parteien noch nicht erörtert worden seien, da sie sich auf Anhang IX der Rahmenrichtlinie und dessen Abschnitt 0 bezögen. Zum anderen bezweifelt die deutsche Regierung die Gültigkeit dieses Abschnitts 0.
Des Weiteren sei sie mit den Schlussanträgen des Generalanwalts insofern nicht einverstanden, als sie die Beziehungen zwischen der Rahmenrichtlinie und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, L 171, S. 12) verkennten. Zum einen sei es mit der allgemeinen Systematik dieser letztgenannten Richtlinie unvereinbar, dem Verbraucher bereits bei einfacher Fahrlässigkeit einen Schadensersatzanspruch zuzuerkennen. Zum anderen könne in der Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne der Rahmenrichtlinie keine Garantie des Herstellers gesehen werden.
Hierzu ist festzustellen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Übrigen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Der Gerichtshof ist weder an diese Schlussanträge noch an deren Begründung gebunden. Dass ein Beteiligter nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zwar kann der Gerichtshof gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere dann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.
Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof jedoch über alle Informationen, die für seine Entscheidung erforderlich sind, und es ist kein Vorbringen entscheidungserheblich, das nicht zwischen den Beteiligten erörtert worden wäre. Die in Rn. 39 des vorliegenden Urteils genannten Anträge auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens enthalten auch keine neue Tatsache, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung wäre, die der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache zu treffen hat.
Der Gerichtshof gelangt deshalb nach Anhörung des Generalanwalts zu der Auffassung, dass kein Grund besteht, die Wiedereröffnung des Verfahrens zu beschließen.
Zu den Vorlagefragen
Zulässigkeit
Mit seiner siebten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 267 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Einzelrichter u. a. wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache, mit der er befasst ist, verpflichtet ist, diese Sache einer aus drei Richtern bestehenden Zivilkammer vorzulegen und davon abzusehen, im Rahmen dieser Sache selbst dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen.
Mercedes Benz Group macht geltend, die siebte Frage sei unzulässig, da der Gerichtshof im Rahmen eines nach Art. 267 AEUV eingereichten Vorabentscheidungsersuchens nicht dazu befugt sei, über die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht zu entscheiden.
Die deutsche Regierung hält eine Antwort des Gerichtshofs auf diese Frage für die Entscheidung des vorlegenden Gerichts über den Ausgangsrechtsstreit für nicht erforderlich.
Nach Ansicht der Kommission ist die Frage, ob das nationale Recht einem Einzelrichter erlaubt, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, für die Entscheidung dieses Rechtsstreits, der das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs betreffe, der vom Käufer eines Fahrzeugs gegen einen Fahrzeughersteller geltend gemacht werde, da das Fahrzeug eine nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung enthalte, irrelevant. Außerdem sei diese Frage hypothetisch, da aus dem Vorlagebeschluss hervorgehe, dass der Ausgangsrechtsstreit zum Zeitpunkt der Vorlage an den Gerichtshof nicht mit einem Rechtsmittel angefochten worden sei.
Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C‑709/20, EU:C:2021:602, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Infolgedessen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die siebte Frage die Auslegung von Art. 267 Abs. 2 AEUV betrifft und dass das vorlegende Gericht nicht erläutert hat, aus welchen Gründen die Auslegung dieser Bestimmung für die Entscheidung des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, erforderlich ist. Es hat nämlich lediglich erklärt, dass die Zuständigkeit des Einzelrichters zur Vorlage des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens angezweifelt werden könnte. Es erläutert jedoch nicht, welche Auswirkung der etwaige Verfahrensfehler, der sich daraus ergebe, dass ein Einzelrichter dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt habe, ohne den Ausgangsrechtsstreit einem aus mehreren Richtern bestehenden Spruchkörper vorzulegen, auf den Vorlagebeschluss oder gegebenenfalls auf die das Verfahren beendende Entscheidung haben könnte. Insbesondere geht aus dem Vorlagebeschluss nicht hervor, dass dieser in diesem Verfahrensstadium Gegenstand eines Rechtsmittels gewesen wäre, in dessen Rahmen geltend gemacht wurde, dass er mit einem solchen Fehler behaftet ist.
Daher ist die siebte Frage für unzulässig zu erklären.
Begründetheit
Vorbemerkungen
Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass eine „Abschalteinrichtung“ in Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 definiert wird als „ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass mit der in Rn. 24 des vorliegenden Urteils genannten Software ein Thermofenster eingerichtet wurde, mittels dessen die Abgasrückführung nur dann voll wirksam ist, wenn die Außentemperatur nicht unter eine bestimmte Schwelle absinkt. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass die Abgasrückführrate und damit die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bereits ab einer Außentemperatur von über 0° C verringert werde, d. h. einer Temperatur, die zu den Bedingungen zähle, die im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten seien.
In Bezug auf ein Thermofenster, das mit dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vergleichbar war, hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 1 dahin auszulegen ist, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15° und 33° C liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern erfolgt, eine „Abschalteinrichtung“ im Sinne dieses Art. 3 Nr. 10 darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C‑128/20, EU:C:2022:570, Rn. 47).
In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens streitig sei, unterhalb welcher konkreten Außentemperatur eine Verringerung der Abgasrückführung erfolge und in welchem Umfang. Allerdings ist im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig (Urteil vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C‑128/20, EU:C:2022:570, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, gegebenenfalls zu entscheiden, ob in Anbetracht der Klarstellungen in der in Rn. 58 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die in Rn. 24 dieses Urteils genannte Software eine „Abschalteinrichtung“ im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 darstellt.
Als Zweites ist nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Allerdings gibt es von diesem Verbot drei Ausnahmen, u. a. diejenige in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, die nach Ansicht des vorlegenden Gerichts als einzige in Betracht kommt. Sie betrifft den Fall, dass „die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“.
Da er eine Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen enthält, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 eng auszulegen (Urteil vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C‑128/20, EU:C:2022:570, Rn. 50).
Schon dem Wortlaut dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass eine Abschalteinrichtung, um unter die in dieser Bestimmung enthaltene Ausnahme zu fallen, nicht nur notwendig sein muss, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen, sondern auch, um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Angesichts der Verwendung der Konjunktion „und“ in dieser Bestimmung ist diese nämlich dahin auszulegen, dass die darin vorgesehenen Voraussetzungen kumulativ sind (Urteil vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C‑128/20, EU:C:2022:570, Rn. 61).
Das in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Verbot würde ausgehöhlt und jeder praktischen Wirksamkeit beraubt, wenn es zulässig wäre, dass die Hersteller Fahrzeuge allein deshalb mit solchen Abschalteinrichtungen ausstatten, um den Motor vor Verschmutzung und Verschleiß zu schützen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, CLCV u. a. [Abschalteinrichtung für Dieselmotoren], C‑693/18, EU:C:2020:1040, Rn. 113).
Daher kann eine Software wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, wenn sie als Abschalteinrichtung einzustufen ist, nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, und diese Risiken derart schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C‑128/20, EU:C:2022:570, Rn. 62).
Außerdem hat der Gerichtshof in Bezug auf ein Thermofenster, das mit dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vergleichbar ist, entschieden, dass es zwar zutrifft, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 formell keine weiteren Voraussetzungen für die Anwendung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme vorschreibt. Doch würde eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet wäre, offensichtlich dem mit dieser Verordnung verfolgten Ziel, von dem diese Bestimmung nur unter ganz besonderen Umständen eine Abweichung zulässt, zuwiderlaufen und zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Grundsatzes der Begrenzung der NOx-Emissionen von Fahrzeugen führen (Urteil vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C‑128/20, EU:C:2022:570, Rn. 63).
Der Gerichtshof ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Abschalteinrichtung nicht im Sinne dieser Bestimmung notwendig ist. Ließe man zu, dass eine solche Abschalteinrichtung unter die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen könnte, würde dies nämlich dazu führen, dass diese Ausnahme während des überwiegenden Teils eines Jahres unter den im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen anwendbar wäre, so dass der in Art. 5 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung aufgestellte Grundsatz des Verbots solcher Abschalteinrichtungen in der Praxis weniger häufig zur Anwendung kommen könnte als diese Ausnahme (Urteil vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C‑128/20, EU:C:2022:570, Rn. 64 und 65).
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Tatsachenfeststellungen zu treffen, die für die Anwendung der in den Rn. 60 bis 66 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erforderlich sind.
Zur ersten und zur zweiten Frage
Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu beantworten sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist.
Dem Vorabentscheidungsersuchen ist zu entnehmen, dass diese Fragen vor dem Hintergrund gestellt werden, dass nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die Geltendmachung des in § 823 Abs. 2 BGB vorgesehenen Schadensersatzanspruchs durch den individuellen Käufer eines nicht unionsrechtskonformen Kraftfahrzeugs einen Verstoß gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz voraussetzt.
In Bezug auf Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ist darauf hinzuweisen, dass das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 1 und 6 ergibt, darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte insbesondere die Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen bei Dieselkraftfahrzeugen zu mindern (Urteil vom 14. Juli 2022, GSMB Invest, C‑128/20, EU:C:2022:570, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das in Art. 5 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung aufgestellte Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, zielt gerade darauf ab, die Emissionen von Schadstoffen zu begrenzen und auf diese Weise zu dem mit dieser Verordnung verfolgten Ziel des Umweltschutzes beizutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Deutsche Umwelthilfe [Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen], C‑873/19, EU:C:2022:857, Rn. 57).
Es ist daher davon auszugehen, dass diese Bestimmung ebenso wie die Verordnung, zu der sie gehört, ein allgemeines Ziel verfolgt, das darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen.
Wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, trägt die in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Pflicht der Hersteller, dem Fahrzeugkäufer beim Kauf ein Schriftstück mit Angaben über die Kohlendioxidemissionen und den Kraftstoffverbrauch auszuhändigen, zur Verfolgung dieses Ziels bei. Wie dem 17. Erwägungsgrund dieser Verordnung entnommen werden kann, zielt diese Pflicht nämlich darauf ab, dass die Verbraucher und Anwender zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Kaufentscheidung treffen, objektive und genaue Informationen zur mehr oder weniger starken Umweltbelastung der Fahrzeuge erhalten.
Für die Beantwortung der ersten beiden Fragen ist allerdings die Verordnung Nr. 715/2007 in den Kontext zu setzen, in den sie sich einfügt. Art. 5 dieser Verordnung ist nicht nur im Hinblick auf die verschiedenen Bestimmungen dieser Verordnung zu prüfen, sondern auch im Hinblick auf den Regelungsrahmen für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen innerhalb der Union, in den sich die Verordnung einfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2020, CLCV u. a. [Abschalteinrichtung für Dieselmotoren], C‑693/18, EU:C:2020:1040, Rn. 75).
Art. 3 Nr. 5 der Rahmenrichtlinie definierte die „EG-Typgenehmigung“ eines Fahrzeugs wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als „Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser [Rahmenrichtlinie] und der in Anhang IV oder XI [der Rahmenrichtlinie] aufgeführten Rechtsakte entspricht“. Dieser Anhang IV („Für die EG-Typgenehmigung von Fahrzeugen anzuwendende Vorschriften“) verwies in seinem Teil I („Aufstellung der Rechtsakte für die EG-Typgenehmigung von in unbegrenzter Serie hergestellten Fahrzeugen“) für „Emissionen leichter Pkw und Nutzfahrzeuge (Euro 5 und 6)/Zugang zu Informationen“ auf die Verordnung Nr. 715/2007.
Nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Rahmenrichtlinie gestatteten die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprachen.
Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 schließlich weist der Hersteller nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Union in Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen.
Aus den in den Rn. 74 bis 76 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen ergibt sich zum einen, dass die Fahrzeuge, die in den Geltungsbereich der Rahmenrichtlinie fallen, einer Typgenehmigung bedürfen, und zum anderen, dass diese Typgenehmigung nur erteilt werden kann, wenn der fragliche Fahrzeugtyp den Bestimmungen der Verordnung Nr. 715/2007, insbesondere denen über Emissionen, zu denen Art. 5 dieser Verordnung gehört, entspricht (Urteil vom 14. Juli 2022, Porsche Inter Auto und Volkswagen, C‑145/20, EU:C:2022:572, Rn. 52).
Abgesehen von diesen Anforderungen an die EG-Typgenehmigung, die an die Hersteller gestellt werden, sind diese auch verpflichtet, dem individuellen Käufer eines Fahrzeugs eine Übereinstimmungsbescheinigung auszuhändigen. Art. 18 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie bestimmte nämlich, dass der Hersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge jedem vollständigen, unvollständigen oder vervollständigten Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine Übereinstimmungsbescheinigung beilegt.
Nach Art. 26 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie war diese Bescheinigung für die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs zwingend vorgeschrieben. Diese Pflicht erklärt sich durch den Umstand, dass diese Bescheinigung gemäß der Definition, die dafür in Art. 3 Nr. 36 dieser Richtlinie gegeben wurde, das „vom Hersteller ausgestellte Dokument [ist], mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser [Rahmenrichtlinie] genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht“.
Des Weiteren sollen die in Art. 46 der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Sanktionen neben dem mit diesem Artikel verfolgten Ziel der Schaffung und des Funktionierens eines Binnenmarkts mit fairem Wettbewerb zwischen den Herstellern auch gewährleisten, dass der Käufer eines Fahrzeugs im Besitz einer Übereinstimmungsbescheinigung ist, die es ihm erlaubt, das Fahrzeug gemäß Anhang IX dieser Richtlinie in jedem Mitgliedstaat zuzulassen, ohne zusätzliche technische Unterlagen vorlegen zu müssen (Urteil vom 4. Oktober 2018, Kommission/Deutschland, C‑668/16, EU:C:2018:802, Rn. 87).
Wenn ein individueller Käufer ein Fahrzeug erwirbt, das zur Serie eines genehmigten Fahrzeugtyps gehört und somit mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist, kann er somit vernünftigerweise erwarten, dass die Verordnung Nr. 715/2007 und insbesondere deren Art. 5 bei diesem Fahrzeug eingehalten werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2022, Porsche Inter Auto und Volkswagen, C‑145/20, EU:C:2022:572, Rn. 54).
Infolgedessen ergibt sich aus den in den Rn. 78 bis 80 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen der Rahmenrichtlinie, dass diese eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Automobilhersteller und dem individuellen Käufer eines Kraftfahrzeugs herstellt, mit der diesem gewährleistet werden soll, dass das Fahrzeug mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Union übereinstimmt. Da der Hersteller eines Fahrzeugs bei der Aushändigung der Übereinstimmungsbescheinigung an den individuellen Käufer des Fahrzeugs für die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme dieses Fahrzeugs die sich aus Art. 5 der Verordnung Nr. 715/2007 ergebenden Anforderungen beachten muss, ermöglicht diese Bescheinigung insbesondere, den Käufer davor zu schützen, dass der Hersteller seine Pflicht, im Einklang mit dieser Bestimmung stehende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, nicht einhält.
Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass ein Fahrzeugtyp, der über eine EG-Typgenehmigung verfügt, mit der dieses Fahrzeug auf der Straße verwendet werden kann, ursprünglich von der Typgenehmigungsbehörde genehmigt worden sein kann, ohne dass ihr das Vorhandensein der in Rn. 24 des vorliegenden Urteils genannten Software offenbart wurde. Die Rahmenrichtlinie spricht den Fall an, dass die Unzulässigkeit eines Bauteils eines Fahrzeugs, z. B. im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 5 der Verordnung Nr. 715/2007, erst nach dieser Genehmigung entdeckt wird. So sieht Art. 8 Abs. 6 der Rahmenrichtlinie vor, dass diese Behörde die Typgenehmigung eines Fahrzeugs entziehen kann. Außerdem ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 Sätze 1 und 3 der Rahmenrichtlinie, dass ein Mitgliedstaat, der die EG-Typgenehmigung erteilt hat, dann, wenn ihn der Hersteller über eine Änderung der Angaben in den Beschreibungsunterlagen unterrichtet, im Benehmen mit dem Hersteller entscheiden kann, dass eine neue EG-Typgenehmigung zu erteilen ist, sofern dies erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2022, Porsche Inter Auto und Volkswagen, C‑145/20, EU:C:2022:572, Rn. 56). Ferner sah Art. 30 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie vor, dass ein Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt hat, wenn er eine fehlende Übereinstimmung mit dem Fahrzeugtyp, für den er die Genehmigung erteilt hat, feststellt, die notwendigen Maßnahmen, einschließlich erforderlichenfalls eines Entzugs der Typgenehmigung, ergreift, um sicherzustellen, dass die Fahrzeuge mit dem jeweils genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht werden.
Infolgedessen kann die nach Erteilung der EG-Typgenehmigung für dieses Fahrzeug entdeckte Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung, mit der ein Kraftfahrzeug ausgerüstet ist, die Gültigkeit dieser Genehmigung und daran anschließend die der Übereinstimmungsbescheinigung, mit der bescheinigt werden soll, dass dieses Fahrzeug, das zur Baureihe des genehmigten Typs gehört, zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entsprach, in Frage stellen. In Anbetracht der in Art. 26 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie genannten Regel kann diese Unzulässigkeit somit u. a. eine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit hervorrufen, das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen, und letztlich beim Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs zu einem Schaden führen.
Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist.
Zur dritten und zur vierten Frage
In Anbetracht der Antwort auf die ersten beiden Fragen sind die dritte und die vierte Frage nicht zu beantworten.
Zur fünften und zur sechsten Frage
Mit seiner fünften und seiner sechsten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es im Rahmen des Ersatzes des Schadens, der einem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgerüsteten Fahrzeugs entstanden ist, dem entgegensteht, dass der Nutzungsvorteil für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs auf die Rückzahlung des Kaufpreises dieses Fahrzeugs angerechnet wird, und, sollte dies nicht der Fall sein, dass sich dieser Nutzungsvorteil am vollen Kaufpreis dieses Fahrzeugs bemisst.
Hierzu ist festzustellen, dass, wie aus der Antwort auf die ersten beiden Fragen hervorgeht, Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist.
Somit geht aus diesen Bestimmungen hervor, dass ein individueller Käufer eines Kraftfahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch darauf hat, dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist.
Des Weiteren ist es, wie bereits im Wesentlichen in Rn. 80 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, nach Art. 46 der Rahmenrichtlinie Sache der Mitgliedstaaten, die Sanktionen festzulegen, die im Fall der Nichtbeachtung der Richtlinienbestimmungen anwendbar sind. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Darüber hinaus legen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 für Verstöße gegen die Vorschriften dieser Verordnung Sanktionen fest. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass sich aus Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ergibt, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist.
In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines solchen Ersatzes durch die betreffenden Käufer wegen des Erwerbs eines solchen Fahrzeugs ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen.
Allerdings stünden nationale Rechtsvorschriften, die es dem Käufer eines Kraftfahrzeugs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, einen angemessenen Ersatz des Schadens zu erhalten, der ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 enthaltene Verbot entstanden ist, nicht mit dem Grundsatz der Effektivität in Einklang.
Unter diesem Vorbehalt ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte befugt sind, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt (Urteil vom 25. März 2021, Balgarska Narodna Banka, C‑501/18, EU:C:2021:249, Rn. 125).
Im vorliegenden Fall wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die Anrechnung des Nutzungsvorteils für die tatsächliche Nutzung des in Rede stehenden Fahrzeugs dem betreffenden Käufer eine angemessene Entschädigung gewährleistet, soweit festgestellt wird, dass diesem im Zusammenhang mit dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 in dieses Fahrzeug ein Schaden entstanden ist.
Dementsprechend ist auf die fünfte und die sechste Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es in Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Sache des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Vorschriften über den Ersatz des Schadens festzulegen, der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeugs tatsächlich entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 385/2009 der Kommission vom 7. Mai 2009 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge
sind dahin auszulegen, dass
sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist.
2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es in Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Sache des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Vorschriften über den Ersatz des Schadens festzulegen, der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeug tatsächlich entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht.