Top-Urteil

Sonderwünsche: EuGH zum Entfallen des Verbraucher-Widerrufsrecht

28. Oktober 2020
[Total: 0   Average: 0/5]
1055 mal gelesen
0 Shares
Gelb markiertes Wort Wiederrufsrecht mit Kugelschreiber daneben. Urteil des EuGH vom 21.10.2020, Az.: C-529/19

Grundsätzlich steht Verbrauchern ein 14 tägiges Widerrufsrecht zu, wenn sie einen Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen schließen, § 312 g Abs. 1 BGB. Dies ist jedoch nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB dann ausgeschlossen, wenn die Ware den Kundenwünschen entsprechend angepasst oder gar ganz angefertigt wird.

Der EuGH urteilte nun, dass Verbraucher von diesem Widerrufsrecht auch dann kein Gebrauch machen können, wenn die Herstellung bzw. Anpassung der Ware noch gar nicht begonnen hat. Die Richter stützen ihre Annahme darauf, dass die zugrundeliegende Richtlinie allein den Vertragsschluss als vorausgesetztes Ereignis zum Eintritt des Entfallens des Widerrufsrechts benennt.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 21.10.2020

Az.: C-529/19

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Möbel Kraft GmbH & Co. KG, einer deutschen Möbelverkaufsgesellschaft, und ML, einer Verbraucherin, betreffend eine Schadensersatzklage infolge des Widerrufs des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags durch ML.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

In den Erwägungsgründen 7, 40 und 49 der Richtlinie 2011/83 heißt es:

„(7) Die vollständige Harmonisierung einiger wesentlicher Aspekte der einschlägigen Regelungen sollte die Rechtssicherheit für Verbraucher wie Unternehmer erheblich erhöhen. Sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmer sollten sich auf einen einheitlichen Rechtsrahmen stützen können, der auf eindeutig definierten Rechtskonzepten basiert und bestimmte Aspekte von Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern unionsweit regelt. …

(40) Der Umstand, dass die Widerrufsfristen derzeit sowohl zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten als auch zwischen Verträgen im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen unterschiedlich lang sind, verursacht Rechtsunsicherheit und Kosten. …

(49) Es sollten sowohl für Fernabsatzverträge als auch für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge bestimmte Ausnahmen vom Widerrufsrecht gelten. Ein Widerrufsrecht könnte beispielsweise in Anbetracht der Beschaffenheit bestimmter Waren oder Dienstleistungen unzweckmäßig sein. … Das Widerrufsrecht sollte weder bei Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind, wie beispielsweise nach Maß gefertigte Vorhänge, noch beispielsweise bei der Lieferung von Brennstoff, der aufgrund seiner Beschaffenheit nach der Lieferung untrennbar mit anderen Gütern verbunden ist, Anwendung finden. …“

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2011/83 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke:

3. ‚Waren‘ bewegliche körperliche Gegenstände mit Ausnahme von Gegenständen, die aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden; als Waren im Sinne dieser Richtlinie gelten auch Wasser, Gas und Strom, wenn sie in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden;

4. ‚nach Verbraucherspezifikation angefertigte Waren‘ Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Entscheidung durch den Verbraucher maßgeblich ist;

7. ‚Fernabsatzvertrag‘ jeden Vertrag, der zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden;

8. ‚außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag‘ jeden Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher,

a) der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist;

c) der in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers persönlich und individuell angesprochen wurde; oder

9. ‚Geschäftsräume‘

a) unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder

b) bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt;

…“

Art. 6 („Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

h) im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B;

k) in Fällen, in denen gemäß Artikel 16 kein Widerrufsrecht besteht, den Hinweis, dass der Verbraucher nicht über ein Widerrufsrecht verfügt, oder gegebenenfalls die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert;

…“

Art. 9 („Widerrufsrecht“) Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Sofern nicht eine der Ausnahmen gemäß Artikel 16 Anwendung findet, steht dem Verbraucher eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen Fernabsatz- oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ohne Angabe von Gründen und ohne andere Kosten als in Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14 vorgesehen widerrufen kann.“

In Art. 16 („Ausnahmen vom Widerrufsrecht“) der Richtlinie 2011/83 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sehen bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Artikeln 9 bis 15 vor, wenn

a) bei Dienstleistungsverträgen die Dienstleistung vollständig erbracht worden ist, wenn der Unternehmer die Erbringung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers und dessen Kenntnisnahme, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, begonnen hatte;

c) Waren geliefert werden, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind;

e) versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde;

i) Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung geliefert wurden und die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde;

m) digitale Inhalte geliefert werden, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, wenn die Ausführung mit vorheriger ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers und seiner Kenntnisnahme, dass er hierdurch sein Widerrufsrecht verliert, begonnen hat.“

Deutsches Recht

Nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), mit dem Art. 16 der Richtlinie 2011/83 in deutsches Recht umgesetzt wird, besteht das Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

Auf einer gewerblichen Messe schlossen ML und Möbel Kraft einen Kaufvertrag über eine Einbauküche (im Folgenden: in Rede stehender Vertrag). Da ML sich später auf ein Widerrufsrecht berufen hatte und sich geweigert hatte, die Küche abzunehmen, erhob Möbel Kraft beim vorlegenden Gericht, dem Amtsgericht Potsdam (Deutschland), eine Schadensersatzklage wegen Nichterfüllung des in Rede stehenden Vertrags durch ML.

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Teile der vertragsgegenständlichen Küche, die von Möbel Kraft zur Zeit der Widerrufsentscheidung von ML noch nicht angefertigt worden waren, von einer anderen Firma nach einem Lochbild auf Fertigungsstraßen digital zusammengesetzt und bei ML von Mitarbeitern von Möbel Kraft – nicht der anderen Firma – eingebaut worden wären. Die vorgefertigten Teile hätten sich ohne Einbußen für den Unternehmer zurückbauen lassen; es wären nur die Nischenrückwand, die Arbeitsplatte sowie Blenden und Passstücke vor Ort angepasst worden und nicht woanders wiederverwendbar gewesen.

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB das Widerrufsrecht bei Verträgen über die Lieferung von Waren, für die eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf ihn zugeschnitten sind, auch dann ausgeschlossen ist, wenn

a) der Verkäufer zur Zeit des Widerrufs noch nicht damit begonnen hatte, die Ware aus den Teilen zusammensetzen zu lassen, und

b) er sie vor Ort selbst, nicht durch Dritte, angepasst hätte und

c) sich die Ware mit nur geringen Rückbaukosten, etwa 5 Prozent des Warenwerts, wieder in den Zustand vor der Individualisierung hätte versetzen lassen.

Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, der Bundesgerichtshof (Deutschland) habe in seiner Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Richtlinie 2011/83 entschieden, dass das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen sei, wenn sich die Ware ohne Einbußen an Substanz und Funktionsfähigkeit mit verhältnismäßig geringem Aufwand wieder in den Zustand vor der Individualisierung versetzen lasse. Im Fall eines nach Käuferspezifikation hergestellten Computers habe der Bundesgerichtshof Rückbaukosten in Höhe von 5 % des Warenwerts als noch verhältnismäßig geringen Aufwand angesehen.

Aus der Vorlageentscheidung geht weiterhin hervor, dass nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Deutschland) das Widerrufsrecht des Käufers einer individualisierten Ware auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer noch nicht damit begonnen hat, die Ware anzufertigen bzw. auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zuzuschneiden. In Teilen der deutschen Literatur werde diese Ansicht der Rechtsprechung jedoch nicht vertreten.

Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht Potsdam das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Widerrufsrecht gemäß Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 auch dann ausgeschlossen, wenn zwar Waren nach Kundenspezifikation angefertigt werden, der Verkäufer aber noch nicht mit der Anfertigung begonnen hat und die Anpassung beim Kunden selbst, nicht durch Dritte, vorgenommen hätte? Kommt es darauf an, ob sich die Waren mit nur geringen Rückbaukosten, etwa 5 Prozent des Warenwerts, wieder in den Zustand vor der Individualisierung hätten versetzen lassen?

Zur Vorlagefrage

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass die Ausnahme vom dort geregelten Widerrufsrecht einem Verbraucher entgegengehalten werden kann, der außerhalb von Geschäftsräumen einen Kaufvertrag über eine Ware geschlossen hat, die nach seinen Spezifikationen herzustellen ist, obwohl der Unternehmer mit der Herstellung dieser Ware noch nicht begonnen hat.

Zunächst ist festzuhalten, dass ein auf einer gewerblichen Messe geschlossener Vertrag als „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83 angesehen werden kann, wenn er nicht an einem Stand auf einer gewerblichen Messe geschlossen wurde; dieser könnte nämlich als „Geschäftsräume“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 43 bis 46).

Das vorlegende Gericht wird im Hinblick auf den ihm vorliegenden Sachverhalt nach der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung zu prüfen haben, ob der in Rede stehende Vertrag tatsächlich als „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83 anzusehen ist.

Falls ja, so gewähren die Art. 9 bis 15 der Richtlinie 2011/83 dem Verbraucher ein Widerrufsrecht u. a. bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen im Sinne von Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie und legen die Bedingungen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts fest.

So steht dem Verbraucher nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 grundsätzlich eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag u. a. ohne andere Kosten als in Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie vorgesehen widerrufen kann.

Allerdings sieht Art. 16 dieser Richtlinie Ausnahmen vom Widerrufsrecht vor, insbesondere für den in Art. 16 Buchst. c geregelten Fall der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge über die Lieferung von „Waren …, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind unionsrechtliche Vorschriften, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Vorschrift, sondern auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu erfolgen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, AFMB, C‑610/18, EU:C:2020:565, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Dem Wortlaut von Art. 16 der Richtlinie 2011/83 nach haben die Mitgliedstaaten in ihren diese Richtlinie umsetzenden nationalen Regelungen vorzusehen, dass der Verbraucher sich auf das Widerrufsrecht u. a. dann nicht berufen kann, wenn bestimmte Ereignisse nach Abschluss des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags eingetreten sind. Dies gilt für die in Art. 16 Buchst. a), e), i) und m) angeführten Umstände, in denen es um die Ausführung eines solchen Vertrags geht.

Nach diesen Bestimmungen gilt diese Ausnahme, wenn „bei Dienstleistungsverträgen die Dienstleistung vollständig erbracht worden ist, wenn der Unternehmer die Erbringung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers … begonnen hatte“, „versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“, „Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung geliefert wurden und die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“ sowie wenn „digitale Inhalte geliefert werden, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, wenn die Ausführung mit vorheriger ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers … begonnen hat“.

Hingegen weist nichts im Wortlaut von Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 darauf hin, dass die Ausnahme von dem in dieser Bestimmung geregelten Widerrufsrecht von irgendeinem Ereignis abhängt, das nach dem Abschluss eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags über die Lieferung von „Waren …, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“, eintritt. Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut ausdrücklich, dass diese Ausnahme gerade zum Gegenstand eines solchen Vertrags gehört, nämlich der Herstellung einer Ware, die im Sinne von Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2011/83 nach Verbraucherspezifikation angefertigt ist, so dass diese Ausnahme dem Verbraucher unmittelbar entgegengehalten werden kann, ohne dass es darauf ankommt, ob ein solches Ereignis eintritt oder ob der Vertrag vom Unternehmer ausgeführt wurde oder wird.

Diese Auslegung deckt sich mit dem Wortlaut von Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 und wird auch durch den Regelungszusammenhang bestätigt, in den dieser sich einfügt, insbesondere die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. h und k der Richtlinie geregelte Pflicht, den Verbraucher, bevor er durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, darüber zu informieren, ob ein Widerrufsrecht besteht oder nicht.

Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 sichergestellt werden soll, dass dem Verbraucher vor Abschluss eines Vertrags sowohl die Informationen über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses übermittelt werden, die dem Verbraucher die Entscheidung ermöglichen, ob er sich vertraglich an einen Unternehmer binden möchte, als auch die Informationen, die zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung und vor allem zur Ausübung seiner Rechte, insbesondere seines Widerrufsrechts, erforderlich sind (Urteil vom 10. Juli 2019, Amazon EU, C‑649/17, EU:C:2019:576, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Das Bestehen des Widerrufsrechts des Verbrauchers an ein zukünftiges Ereignis zu knüpfen, dessen Eintritt von der Entscheidung des Unternehmers abhängt, wäre jedoch mit dieser Pflicht zur vorvertraglichen Unterrichtung unvereinbar.

Was im Übrigen die Ziele der Richtlinie 2011/83 betrifft, so ergibt sich insbesondere aus ihren Erwägungsgründen 7 und 40, dass mit ihr die Rechtssicherheit von Geschäften zwischen Unternehmern und Verbrauchern erhöht werden soll.

Die in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführte Auslegung von Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 trägt dazu bei, dieses Ziel zu erreichen, da damit Situationen vermieden werden, in denen das Bestehen oder der Ausschluss des Widerrufsrechts des Verbrauchers davon abhängen würde, wie weit die Vertragserfüllung durch den Unternehmer fortgeschritten ist; über diesen Fortschritt wird der Verbraucher üblicherweise nicht informiert, und er hat daher erst recht keinen Einfluss darauf.

Nach alledem ist auf die gestellte Frage zu antworten, dass Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass die Ausnahme vom dort geregelten Widerrufsrecht einem Verbraucher, der außerhalb von Geschäftsräumen einen Kaufvertrag über eine Ware geschlossen hat, die nach seinen Spezifikationen herzustellen ist, unabhängig davon entgegengehalten werden kann, ob der Unternehmer mit deren Herstellung begonnen hat oder nicht.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass die Ausnahme vom dort geregelten Widerrufsrecht einem Verbraucher, der außerhalb von Geschäftsräumen einen Kaufvertrag über eine Ware geschlossen hat, die nach seinen Spezifikationen herzustellen ist, unabhängig davon entgegengehalten werden kann, ob der Unternehmer mit deren Herstellung begonnen hat oder nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a