Journalistische Verwertung privater E-Mails ist unzulässig

17. Januar 2018
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Cartoon eines gestressten Geschäftsmannes inmitten von Bergen aus Papier Urteil des LG Hamburg vom 10.03.2017, Az.: 324 O 687/16

Wer sich als Professor für Geschichte während einer offenbar privaten E-Mail-Anfrage zu aktuellen Themen des Tagesgeschehens äußert, kann darauf vertrauen, dass die Aussagen nicht journalistisch verwertet werden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Adressat – ein ehemaliger Schüler – in keiner Weise seine publizistischen Absichten zum Ausdruck bringt. Die unerlaubte Veröffentlichung der E-Mail verletzt den Geschichtsprofessor in seinem Persönlichkeitsrecht; er kann deshalb Unterlassung verlangen.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 10.03.2017

Az.: 324 O 687/16

 

Tenor

I. Der Beklagten wird es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,

untersagt,

in Bezug auf den Kläger zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen:

„’Diese Gesetze scheine ich besser zu kennen als unsere Kanzlerin‘, sagt er.“

wenn dies geschieht wie in dem Artikel mit der Überschrift „Gewaltforscher J. B. Der Stalin-Experte als Politikberater“ auf www. t..de vom 16.10.2015 geschehen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer I. jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 Euro, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages

und beschließt:

Der Gegenstandswert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist ein deutscher Historiker, Professor für Geschichte Osteuropas an der H.-Universität zu B., Verfasser zahlreicher Bücher und anderer Schriften und u.a. Träger des Preises der Leipziger Buchmesse. Er hat in der jüngsten Vergangenheit aufgrund seines Renommees als Gewaltforscher in verschiedenen Medien zur sog. Flüchtlingskrise Stellung genommen.

Die Beklagte veröffentlichte am 16.10.2016 auf www. t..de einen Beitrag, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage K 1 Bezug genommen wird und in dem es u.a. heißt:

„’Diese Gesetze scheine ich besser zu kennen als unsere Kanzlerin‘, sagt er. Zur Gewalt gegen Flüchtlinge in Tröglitz oder Heidenau befragt, nimmt er die Gewalttäter gleichsam in Schutz: ‚Überall, wo Bürger nicht eingebunden sind, kommt es natürlich zu Aggression.’“

Einer der Ausgangspunkte des Beitrags war eine E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem Verfasser des Beitrags, Herrn B.. Letzterer ist dem Kläger aus der Vergangenheit als Studierender bekannt. Herr B. ist Direktor am C. i. d. f. e. (C.). Ausgangspunkt des E-Mail-Austauschs war eine Nachricht von Herrn B. am 25.09.2015, Anlage K 2. Der Kläger antwortete am selben Tage unter anderem wie folgt:

„Aber ich habe mich ausschließlich über Deutschland und seine Gesetze geäußert. Diese Gesetze scheine ich besser zu kennen als die Kanzlerin, die sie auf dem Altar der Gesinnungsethik geopfert hat. Darüber habe ich mich geärgert.“

Herr B. erwiderte mit E-Mail vom 02.10.2015, Anlage K 3. Der Kläger antwortete am selben Tage, Anlage K 4, unter anderem wie folgt:

„Ich will nur die offene Gesellschaft erhalten und verteidigen. Wir können der Ambivalenz leicht aus dem Weg gehen, die meisten Menschen aber können es nicht ertragen, daß sich ihre Welt ständig ändert, weil sie nicht die Ressourcen haben, sie zu bewältigen. Man sollte das wissen. Mehr nicht.“

Nach Erscheinen des angegriffenen Beitrags wies Herr B. den Kläger am 17.10.2015 auf die Veröffentlichung hin, Anlage K 5.

Der Kläger ließ den Beklagten mit Schreiben vom 20.10.2015 abmahnen, Anlage K 6. Dieser wies die Abmahnung mit Antwort vom 21.10.2015 zurück, Anlage K 7. Auf eine Beschwerde des Klägers hin erging eine Entscheidung des Presserats durch Beschluss vom 10.03.2016, Anlage K 8, dahingehend, dass der Redaktion des T. Online gemäß § 12 der Beschwerdeordnung ein „Hinweis“ erteilt wurde. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung des Presserats verlangte der Kläger mit Schreiben vom 20.04.2016 (Anlage K 9) erneut eine Unterlassungsverpflichtungserklärung von der Beklagten, die diese mit Schreiben vom 27.04.2016 ablehnte, Anlage K 10.

Der Kläger trägt vor,

die streitgegenständliche Äußerung sei einer privaten E-Mail-Korrespondenz entnommen worden, Herr B. habe sich nicht als Journalist zu erkennen gegeben oder eine Veröffentlichungsabsicht offenbart.

Die Berichterstattung stelle eine mutwillige Verletzung der Privatsphäre des Klägers und auch eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Es habe sich um Aussagen im Rahmen einer rein privaten E-Mail-Korrespondenz gehandelt. Die Veröffentlichung sei für ihn abträglich. Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor,

es handele sich um eine wahre Tatsachenbehauptung, die die politische und wissenschaftliche Einschätzung des Klägers akkurat und fair wiedergebe. Einen Eingriff in die Privatsphäre anzunehmen, setze voraus, dass es sich um einen privaten Briefverkehr und nicht etwas um eine akademische Diskussion zu einer aktuellen Frage gehandelt habe. Dies sei nicht der Fall. Es habe sich um ein ausschließlich professionelles, aber freundliches Verhältnis zwischen „(Ex)Student“ und Professor gehandelt. Der Kläger sei im Bilde gewesen, dass Herr B. nach Abschluss seines Studiums in seinem beruflichen Wirken an der Schnittstelle von Zeitgeschichte und Politikwissenschaft agiere. Er habe auch gewusst, dass Herr B. journalistisch tätig sei.

Im April 2014 hätten sich der Kläger und der Beklagte nach ca. fünf Jahren wieder einmal persönlich unterhalten, unter anderem über den T.-Artikel des Beklagten zum Deutschen Historischen Museum. Insbesondere habe sich die Diskussion um die Verantwortung von Geisteswissenschaftlern, sich in aktuellen Debatten medial zu positionieren, gedreht. Es habe Übereinstimmen darin geherrscht, dass die Verantwortung von Geisteswissenschaftlern auch darin liege, akademisches Wissen, Hypothesen und These öffentlich zu teilen und zu diskutieren. Es sei wichtig, dass sich Wissenschaftler einmischten.

Herr B. habe bewusst seine berufliche E-Mail-Adresse und seine offizielle Signatur des Instituts genutzt. Es habe dem Kläger bewusst sein müssen, dass es um eine wissenschaftliche Diskussion und nicht etwa um eine private Plauderei gegangen sei. Die im Online-Kommentar des „T.“ am 16.10.2015 veröffentlichte Kritik sei dem Kläger von Anbeginn und in deutlich schärferer Fassung bekannt gewesen, denn diese Kritik habe der Beklagte in der E-Mail geäußert. Der Kläger habe sich zudem öffentlich in ähnlicher Weise geäußert und das angegriffene Zitat zeige nur, dass dieses gänzlich der Überzeugung des Klägers entsprochen habe.

Zum Zeitpunkt der fraglichen E-Mails am 25.09.2015 habe Herr B. noch nicht die Absicht gehabt, einen Kommentar für den T. zu schreiben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch in der Sache begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei fortbestehender Wiederholungsgefahr aus §§ 823, 1004 BGB analog i.V.m. Artt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu. Es kann letztlich dahinstehen, ob der Beitrag von Herrn B. der Beklagten als eigener Beitrag zuzurechnen ist, oder ob diese lediglich als Verbreiterin haftet. Denn die Erwiderungen auf die beiden Abmahnungen vom 20.10.2015 und vom 20.04.2016 (Anlagen K 6 und K 9) lassen eine Distanzierung nicht erkennen und im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beitrag nach den Abmahnungen gelöscht oder geändert worden wäre.

1. Die öffentliche „Wiedergabe“ des Zitats des Klägers aus seiner E-Mail an Herrn B. stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Das Bundesverfassungsgericht führt in dieser Hinsicht aus (Beschluss vom 03. Juni 1980 – 1 BvR 185/77 –, BVerfGE 54, 148-158, – Eppler – Rn. 16):

Dies folgt aus dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrecht zugrundeliegenden Gedanken der Selbstbestimmung: Der Einzelne soll – ohne Beschränkung auf seine Privatsphäre – grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will, ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann; dazu gehört im besonderen auch die Entscheidung, ob und wie er mit einer eigenen Äußerung hervortreten will. Insofern gilt das gleiche wie für das Recht am gesprochenen Wort, das die Befugnis des Menschen schützt, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen (BGHZ 27, 284 (286)) oder ob und von wem seine auf einem Tonträger aufgenommenen Worte wieder abgespielt werden dürfen (BVerfGE 34, 238 (246f)).

Dies gilt entsprechend für das hier gegenständliche Zitat aus einer E-Mail (vgl. dazu LG Köln, Urteil vom 28. Mai 2008 – 28 O 157/08 –, juris Rz. 29; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 13. Juni 2012 – 5 U 5/12-2- –, juris Rz. 22; OLG Braunschweig, Beschluss vom 24. November 2011 – 2 U 89/11 –, juris Rz. 4 siehe auch BGH, Urteil vom 25. Mai 1954 – I ZR 211/53 –, BGHZ 13, 334-341, juris Rz. 22).

2. Die Verbreitung des angegriffenen Zitats des Klägers im Rahmen des streitgegenständlichen Beitrags ist im Ergebnis der Abwägung der betroffenen Rechtspositionen auch rechtswidrig und hat demnach zu unterbleiben. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt sich um einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraussetzt (Palandt/Sprau, 75. Auflage, § 823 BGB Rn. 95). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall hat eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK auf der einen Seite und dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK auf der anderen zu erfolgen (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 36/07 –, juris Rz. 10).

3. Zu berücksichtigen ist auf Seiten des Klägers, dass die zitierte Äußerung aus einer E-Mail stammt, die der Kläger an Herrn B. – und nur an diesen – gesandt hat. Der Kläger durfte auch ohne ausdrücklichen Hinweis an Herrn B. zu Recht die Erwartung haben, dass seine Äußerungen in der E-Mail den Rahmen dieses Dialogs nicht verlassen. Dies gilt auch dann, wenn angenommen würde, der Kläger habe gewusst, dass Herr B. auch journalistisch tätig ist.

Dem E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger und Herrn B., wie er vom Kläger als Anlagen K 2 bis K 4 teilweise vorgelegt und von der Beklagten – soweit erkennbar – vollständig in ihrer Klagerwiderung vom 23.01.2017 vorgetragen wurde, ist auch nicht die Absicht zu entnehmen, dass Herr B. Inhalte dieses Austauschs journalistisch verwenden wollte. Insbesondere ließ Herr B. nicht erkennen, dass er einen journalistischen Beitrag vorbereitet, der sich mit dem zwischen ihm und dem Kläger diskutierten Thema befassen sollte. Und insbesondere wird an keiner Stelle angedeutet, dass Herr B. den Kläger wörtlich zitieren wolle und ihm die in der E-Mail dokumentierte Äußerung entreißen und einem breiten Leserkreis präsentieren wolle. Der Kläger durfte angesichts des Verlaufs der Kommunikation zu Recht davon ausgehen, dass die Korrespondenz zwischen ihm und Herrn B. bilateral bleibt und von Herrn B. auch so behandelt wird.

Das beginnt mit der einleitenden E-Mail von Herrn B. vom 25.09.2015, in der dieser sich als „Akademiker“, als „Politikwissenschaftler“ und vor allem als „Leser“ der „jüngsten Interventionen zu Flüchtlingen in der FAZ“ und dem „Interview in der Kulturzeit“ (3sat, 24.09.2015) bezeichnet. Er schließt damit ab, dass er sich freuen würde, mit dem Kläger „einmal ins Gespräch über dieses Thema zu kommen“. Herr B. stellt sich danach als Konsument und nicht als Lieferant journalistischer Beiträge gegenüber dem Kläger vor. Dass er aus professionellem Interesse das Gespräch mit dem Kläger gesucht habe, wie die Beklagte vorträgt, ist insoweit nicht erkennbar, jedenfalls nicht im Hinblick auf eine journalistische Tätigkeit. Die Profession von Herrn B. ist nach eigener Darstellung Wissenschaftler, nicht Journalist.

Auch der Kläger schreibt am Ende seiner Antwort-E-Mail vom 25.09.2015 (Seite 8 der Klagerwiderung), aus der das inkriminierte Zitat entnommen ist: „Gern würde ich mich mit Ihnen unterhalten …“. Der Kläger gibt damit zu erkennen, dass er an einem Austausch mit Herrn B. interessiert ist. Dass er sich mit seinen Äußerungen in dieser E-Mail an die Öffentlichkeit richten wollte, ist demgegenüber weder andeutungsweise noch ausdrücklich ersichtlich.

Soweit die Beklagte meint, es käme nur auf diese beiden E-Mails an, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Denn die einleitende E-Mail von Herrn B. lässt eine Absicht der Veröffentlichung nicht erkennen und deshalb durfte auch der Kläger hinsichtlich seiner Antwort erwarten, dass diese nicht ohne sein Einverständnis – zumal wortwörtlich – veröffentlicht werden würde. Dies räumt letztlich auch die Beklagte ein, indem sie vorträgt, Herr B. habe zum Zeitpunkt der E-Mail am 25.09.2015 noch nicht die Absicht gehabt, einen Kommentar dazu zu veröffentlichen. Dann bestand jedoch auch für den Kläger kein Anlass anzunehmen, Herr B. würde ihn in einem öffentlich verbreiteten Kommentar zitieren.

Auch die Antwort von Herrn B. vom 02.10.2015 (Seite 9 der Klagerwiderung) führte nicht dazu, dass der Kläger nun annehmen musste, Herr B. arbeite an einem journalistischen Beitrag und wolle ihn zitieren. Denn in dieser E-Mail geht es zunächst um das neue Buch des Klägers und die Erkenntnisse, die Herr B. aus den ersten Seiten zieht. Sodann kehrt Herr B. zurück zum Thema der Flüchtlinge und geht auf die Antwort des Klägers ein. Der darauffolgende Satz: „Falls Sie sich fragen sollten, warum mir unserer Korrespondenz ein solches Anliegen ist: Ich sehe nicht ein, warum ein von mir in höchstem Maße bewunderter und geschätzter Lehrer, sich in einer Gegenwartsdebatte so verirrt.“ lässt sodann keinen Zweifel daran, dass Herr B. sich im „Privaten“ – und nicht als Journalist – mit dem Kläger austauscht. Denn er äußert sich als „Schüler“, der seinen „Lehrer“ verstehen will, aber nicht versteht, und der von seinem hochgeschätzten „Lehrer“ deshalb enttäuscht ist. Diese Motive, die Herr B. damit offenlegt, fußen auf dem Verhältnis zwischen ihm und dem Kläger und drücken ein Unverständnis des „Schülers“ aus. Er wendet sich nicht als Journalist an den Kläger und es geht auch nicht um eine öffentliche Debatte oder öffentliche Kritik an der Positionierung des Klägers im Rahmen der sog. Flüchtlingskrise. Dies wird auch am Ende jener E-Mail von Herrn B. deutlich, in der dieser mit dem Wunsch nach weiterem Diskurs – inter partes – schließt: „Ich freue mich auf die Fortsetzung des schriftlichen wie hoffentlich mündlichen Gesprächs …“. Wiederum ist ein Hinweis auf einen journalistischen Beitrag über diesen Austausch mit dem Kläger nicht erkennbar.

Die Antwort des Klägers vom selben Tage (Seite 11 der Klagerwiderung) macht deutlich, dass auch der Kläger die Diskussion mit Herrn B. führen möchte und das Thema somit aus seiner Sicht zwischen beiden im Fluss ist: „… dann sollten wir uns einmal verabreden. … Nur so viel heute: …“. Ein Hinweis darauf, dass der Kläger sich bereits abschließend, oder veröffentlichungsreif geäußert hätte, lässt sich dem nicht entnehmen.

4. Demgegenüber ist auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich unstreitig um ein zutreffendes Zitat des Klägers handelt. Nur aus diesem Grunde kommt es jedoch im Rahmen des Unterlassungsanspruchs überhaupt auf eine Abwägung an, weil an der Verbreitung eines unwahren Zitats per se kein öffentliches Interesse bestehen kann. Die Wahrheit des Zitats im vorliegenden Fall begründet demgemäß zwar ein öffentliches Informationsinteresse, führt allein jedoch nicht zum Überwiegen desselben.

Zugunsten der Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass es sich um ein Thema von hohem gesellschaftlichem Interesse handelt. Der Kläger hat sich zudem selbst in der Flüchtlingsdebatte öffentlich geäußert, wie die von der Beklagten in der Klagerwiderung zitierten Beiträge und Interviews des Klägers belegen. Das inkriminierte Zitat erscheint daher nicht aus der Luft gegriffen, sondern reiht sich ein in die von dem Kläger öffentlich geübte Kritik am Umgang der Politik mit der sog. Flüchtlingskrise. Auch die Bundesregierung und im Besonderen die Bundeskanzlerin werden von dem Kläger in dieser Hinsicht kritisiert.

Seine öffentlichen Äußerungen sind jedoch im Unterschied zu dem hier gegenständlichen Zitat darauf gerichtet, die aus seiner Sicht begangenen Fehler der Politik und der Bundeskanzlerin anzusprechen und aufzuzeigen. Der Kläger weist darauf hin, dass seiner Ansicht nach ein anderer Umgang mit den Flüchtlingen und mit der Bevölkerung angezeigt gewesen wäre und dass die Bundeskanzlerin insoweit nicht die – aus seiner Sicht – richtigen Entscheidungen getroffen hat. Er benennt auch konkrete „Fehler“ der Bundeskanzlerin.

Seinen öffentlichen Äußerungen und Interviews ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Kläger der Bundeskanzlerin oder der „Politik“ im Allgemeinen vorwerfen würde, sie würden die geltenden Gesetze nicht kennen. Dies ist der Kern seines Vorwurfs in der von Herrn B. aus der E-Mail zitierten Äußerung des Klägers. Einen solchen Vorwurf hat der Kläger öffentlich nicht geäußert, jedenfalls ist dies aus dem Vortrag der Parteien nicht erkennbar. Die öffentlich geäußerte Kritik des Klägers geht vielmehr dahin, dass die Politik und die Bundeskanzlerin „die Augen verschließen“ und „unverantwortlich“ handeln würden. Aus diesem Grund besteht ein relevantes Missverhältnis zwischen der von Herrn B. zitierten Äußerung und den öffentlichen Bekundungen des Klägers. Insofern kommt zum Tragen, dass es – wie oben dargelegt – zunächst dem Kläger vorbehalten ist zu entscheiden, ob und wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. Juni 1980 – 1 BvR 185/77 – a.a.O.). Das aufgezeigte Missverhältnis lässt insoweit erkennen, dass der Kläger gegenüber Herrn B. deutlich prägnanter und pointierter Stellung genommen hat, als er es im Rahmen der öffentlichen Diskussion, an der er sich beteiligt hat, bisher getan hat. Kurz gesagt, hat der Kläger „unverblümter“ in seiner E-Mail ausgeführt, was er in der öffentlichen Diskussion in dieser Form nicht geäußert hat. Dieser Unterschied wirkt sich im Rahmen der Abwägung zu Lasten der Beklagten aus.

Ob der Kläger sich demgegenüber in ähnlicher Weise wie zitiert öffentlich geäußert hat, wie die Beklagte weiter vorträgt, führt indes nicht weiter. Unstreitig hat er sich jedenfalls in der konkret angegriffenen Form nicht geäußert. Nur in jenem Falle, wenn der Kläger das Zitat bereits selbst öffentlich kundgetan hat, wäre eine Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte durch die Wiedergabe eben jenes Zitats im Rahmen des Beitrags von Herrn B. ohne Belang. Dies ist jedoch, wie dargelegt, nicht der Fall.

5. In der Abwägung der widerstreitenden Interessen des Klägers am Schutz der Zweiseitigkeit seines Austauschs mit Herrn B. und dem Interesse der Beklagten an der Verbreitung des wahren Zitats des Klägers muss nach alledem letzteres zurücktreten. Es stellt einen empfindlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, wenn diesem eine Äußerung entrissen und der Öffentlichkeit vorgeführt wird, die er nur für den Empfänger seiner Nachricht bestimmt hatte und bei der er mangels anderer Anhaltspunkte zu Recht die Erwartung hegen durfte, dass die Nachricht auch so behandelt und insbesondere nicht an Dritte weitergeleitet oder veröffentlicht werden wird. Die Achtung des ungestörten Gedankenaustauschs ist eine Grundbedingung für die Freiheit der Meinungsäußerung, die empfindlich gestört würde, wenn der Äußernde in einem E-Mail-Austausch jederzeit damit rechnen müsste, öffentlich zitiert zu werden, obwohl diesbezüglich kein Anhaltspunkt in der Kommunikation ersichtlich ist. Das Interesse der Beklagten an der Verbreitung des wahren Zitats des Klägers ist im Hinblick auf den empfindlichen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht nicht gleichrangig.

6. Die erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor. Die Beklagte hat keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, auch andere Umstände, die die Wiederholungsgefahr ausnahmsweise entfallen lassen könnten, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Der Streitwertbeschluss hat seine Grundlage in § 3 ZPO.

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