Keine Verjährungshemmung bei inhaltlich unbestimmtem Antrag auf Erlass einer Unterlassungsverfügung

19. Oktober 2016
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Verjährung mit Kreide an Tafel geschrieben Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 24.05.2016, Az.: 6 U 171/14

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann die Verjährung hemmen, solange der Antrag bestimmt genug ist. Richtet sich der Antrag gegen die konkrete Verletzungsform, wird die Verjährung nur im Hinblick solcher Vorwürfe gehemmt, die bereits im Eilantrag genannt worden sind.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 24.05.2016

Az.: 6 U 171/14

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. 6. 2014 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a. M. wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin war ursprünglich unter der Geschäftsbezeichnung „A“ einzelkaufmännisch aktiv und geschäftsansässig unter der Anschrift …-Ring…, Stadt1. Sie produzierte und vertrieb über die Internet – Seite www.A.de verschiedene Software – Programme, darunter das Textbausteinprogramm „A1“.

Die Beklagte vertreibt das Textbausteinprogramm „B“.

Mit der am 29. Januar 2014 zugestellten Klage hat die Klägerin der Beklagten vorgeworfen, ihr Produkt durch die Aussage „B ist für Privatanwender ohne Funktionseinschränkung kostenlos“, wie geschehen in Anlage K 1 zur Klageschrift in irreführender Weise zu bewerben, da tatsächlich verschiedene Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber der kostenpflichtigen Version bestünden.

Die Beklagte hat eingewandt, sie werbe seit dem 31. März 2012 nicht mehr mit der hier angegriffenen Werbeaussage. Sie hat sich deshalb u. a. auf Verjährung berufen. Dem ist die Klägerin entgegen getreten und hat die Ansicht vertreten, die Verjährung sei durch das im März 2012 eingeleitete Eilverfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Az.: 3 – 8 O 55/12) gehemmt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die Verjährungseinrede für durchgreifend erachtet hat. Die Verjährungsfrist habe am 1. 4. 2012 zu laufen begonnen, weil die Beklagte seit dem 31. 3. 2012 nicht mehr mit dieser Werbeaussage werbe. Die Verjährungsfrist sei demnach am 1. 10. 2012 abgelaufen.

Das Eilverfahren habe die Verjährungsfrist für das nun geltend gemachten Unterlassungsbegehren nicht gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB). Das jetzt geltend gemachte Unterlassungsbegehren sei nicht Streitgegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens gewesen, weil damals andere Vorwürfe gegenüber der Beklagten erhoben worden seien.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung wirft die Klägerin dem Landgericht vor, verkannt zu haben, dass sich der Streitgegenstand bei der Hauptsacheklage nicht geändert habe, denn es sei immer darum gegangen, dass die für Privatanwender kostenlos angebotene Version nicht die volle Funktionalität aufweise. Im Übrigen verbreite die Beklagte die streitbefangene Werbeaussage in anderer Form und andernorts inhaltlich unverändert weiter. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung sowie auf den Schriftsatz der Klägerin vom 12. 4. 2016 einschließlich der dort vorgelegten Anlagen verwiesen (Bl. 777 – 869 d. A.).

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist und 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu verurteilen,

es zu unterlassen, als geschäftliche Handlung in der Bundesrepublik Deutschland im Internet auf der unter der URL http://www.B.com abrufbaren Internetseite eine Software „B“ zu bewerben mit der Aussage

„B ist für Privatanwender ohne Funktionseinschränkung kostenlos“, solange der Privatanwender nicht alle Funktionen der verfügbaren Kaufversionen uneingeschränkt nutzen kann, wenn dies geschieht, wie dargestellt in Anlage K 1,

hilfsweise

die Beklagte unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist und 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu verurteilen,

es zu unterlassen, als geschäftliche Handlung im Internet die Software „B“ zu bewerben und/oder bewerben zu lassen mit der ausdrücklichen oder sinngemäßen Aussage, dass die Software für Privatanwender ohne Funktionseinschränkungen kostenlos genutzt werden kann, solange der Privatanwender nicht alle Funktionen der verfügbaren Kaufversionen uneingeschränkt nutzen kann, insbesondere wenn es geschieht wie nachfolgend:

a.

Zu sehen auf dem Screenshot der URL http://1.com als Anlage BK 88

b.

„B ist […] Kostenlos und ohne Funktionseinschränkungen für Privatanwender unter der URL http://2.de (Anlage BK 89);

c.

„Privatanwender dürfen das Tool ohne Funktionseinschränkungen dauerhaft nutzen“ unter der URL http://3.de (Anlage BK 90);

d.

„Auch die neue Version bleibt für private Anbieter weiterhin ohne Funktionseinschränkungen kostenlos nutzbar“ unter der URL http://www.4.de (Anlage BK 91)

e.

„Privatanwender können die Software ohne jegliche Funktionseinschränkung kostenlos nutzen“ unter der URL http://5.de (Anlage BK 92)

f.

„B bietet in der kostenlosen Version einen enormen Funktionsumfang wie die Überschrift zeigt: http://B.de unter der URL http://6.de (Kommentar Nr. 86) (Anlage BK 93)

g.

Zu sehen auf dem Screenshot der Internetseite http://www.B.com als Anlage BK 94.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit ihrem erstinstanzlichen Vorbringen und weist darauf hin, dass sich hinsichtlich des Wohnsitzes und der geschäftlichen Aktivitäten der Klägerin nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung unstreitig folgendes ergeben hat:

Die Klägerin hat ihr in Stadt1 angemeldetes Gewerbe zum 31. Dezember 2014 abgemeldet. In einem Parallelverfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat die Klägerin in der öffentlichen Sitzung vom 20. Februar 2015 eine Rubrumsberichtigung beantragt, wonach ihre Anschrift nunmehr lautet: … (Anlage B 8 – Bl. 293 d. A.). Dies hat die Beklagte veranlasst, einen Antrag auf Anordnung der Prozesskostensicherheit für die Prozesskosten der Beklagten gem. § 110 ZPO zu stellen. Die Beklagte hat sich ferner auf eine Auskunft aus dem Melderegister der Gemeinde Stadt1 vom 9. 3. 2015 berufen, wonach die Klägerin „nach Land1“ abgemeldet sei (Anlage B 7 – Bl. 214 d. A.) und ihr Begehren ergänzend darauf gestützt, dass die Klägerin in einer vor der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt eingereichten Vollstreckungsgegenklage ursprünglich die o. g. Anschrift für das Aktivrubrum angegeben hat (Anlage B 11 – Bl. 307 d. A.).

Über diesen Antrag ist ausführlich gestritten worden. Die Klägerin ist dem Antrag auf Anordnung einer Prozesskostensicherheit entgegengetreten und hat Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass sie ihren Wohnsitz in die Gemeinde Stadt3, und ihren Geschäftssitz zunächst nach Stadt2 und nun nach Stadt4, Land2, verlegt hat. Die Beklagte hat ihren Antrag auf Anordnung der Prozesskostensicherheit mit Schriftsatz vom 7. Januar 2016 zurückgenommen (Bl. 726a d. A.).

Unter dem neuen Geschäftssitz der Klägerin residiert auch die von ihrem Ehemann geleitete A Unternehmensgruppe S.L., die als Nachfolgerin der A Unternehmensgruppe LLC nun die Internetseite www.A.de betreibt. Auf dieser Internet-Seite wird ein kostenlos abgegebenes Textverarbeitungsprogramm unter der Bezeichnung „…“ angeboten. Das gleiche Angebot findet sich unter den Domains „www….de und www….de, in deren Impressum die Klägerin als die nach dem Telemediengesetz verantwortliche Person genannt wird (Anlage BK 56 – Bl. 531 d. A.). Die Klägerin bietet unter der Domain www.C.com eine neue kostenpflichtige Archivierungssoftware namens „C“ an (Anlage BK 120 – Bl. 988 ff. d. A.).

Die Beklagte folgert daraus, dass die Aktivlegitimation der Klägerin entfallen sei, weil die Parteien keine Mitbewerber mehr seien.

Die Klägerin tritt dem entgegen und trägt ferner vor, sie biete unter ihrer Firma kostenpflichtigen Support für das Textbausteinprogramm „…“ an, was durch eine Rechnung an den Kunden … GmbH, Stadt5 (Anlage BK 28) und durch eine schriftliche Aussage des Geschäftsführers … (Anlage BK 51) bestätigt werde. Sie verweist ferner auf ihre Gewerbeanmeldung in Land2.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, weil die Klage nicht begründet ist. Der Klägerin stehen keine Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu. Sie ist wegen Wegfalls ihrer Mitbewerberstellung nicht mehr anspruchsberechtigt. Im Übrigen sind die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Der Hilfsantrag stellt sich als unzulässige Klageerweiterung dar.

Dazu im Einzelnen:

1.

Die Klägerin ist nur dann gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG befugt, Unterlassungsansprüche wegen des in Rede stehenden Wettbewerbsverstoßes geltend zu machen, wenn sie als Mitbewerberin der Beklagten angesehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, dass die Parteien bei Schluss der mündlichen Verhandlung in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen (Senat GRUR 2014, 1011 – Stirnlampen). Das lässt sich hier aber nicht feststellen:

Dem von der A Unternehmensgruppe S.L. betriebenen Internet-Auftritt www.A.de lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin noch in das Angebot oder den Vertrieb der Software „…“ oder anderer dort angebotener Software-Produkte einbezogen wäre. Aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Senatsmitglieder gehören, werden die dort eingestellten Software-Produkte vielmehr der A Unternehmensgruppe S.L. zugerechnet (Anlagen B 27, B 29).

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass sie die Textbausteinsoftware „…“ entwickelt hat und sie der A Unternehmensgruppe zum Vertrieb zur Verfügung stellt. Aus den von ihr vorgelegten Anlagen BK 77, 83 und 84 lässt sich bei unbefangener Lektüre nicht erkennen, dass die A Unternehmensgruppe S.L. lediglich als Lizenznehmerin und Vertriebsunternehmen der Klägerin agiert. Der angesprochene Verkehr wird vielmehr die dortigen Nennungen des Unternehmensschlagworts „A“ mit der Unternehmensgruppe verbinden, weil diese als Anbieterin der Produkte genannt ist.

Ebenso wenig kann sich die Klägerin darauf berufen, als Verantwortliche im Impressum der Internet-Seiten www ….. de und www ….. de genannt zu sein (Anlage B 28). Es ist bereits nicht erklärlich, warum diese Web-Sites von der Klägerin als Konkurrenz zu der Web-Site www.A.de betrieben werden und es ist auch nicht nachvollziehbar, ob und wie sie ihren eigenen Geschäftsbetrieb dadurch von dem der Unternehmensgruppe abgrenzen will. Dies ist bereits in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. 3. 2016 (Az.: 16 O 288/13) im Einzelnen dargelegt worden. Der Senat folgt der dortigen Einschätzung, die auch durch den Vortrag im Schriftsatz der Klägerin vom 14. 5. 2016 nicht widerlegt wird. Auf die auszugsweise zur Akte gereichten Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils wird verwiesen (Anlage B 37).

Unerheblich ist ferner die Behauptung der Klägerin, sie biete unter ihrer Einzelfirma „A“ nach wie vor kostenpflichtigen Software – Support für die … – Software „…“ an. Dies kann durch die oben bereits zitierte Rechnung und Bestätigung nicht belegt werden. Abgesehen davon, dass eine einzelne Rechnungsstellung ohnehin keine nennenswerte geschäftliche Tätigkeit belegen kann, ist diese Rechnung auch unter einer anderen Firma, nämlich der D erstellt worden, wobei als Kontaktadresse wiederum die von der Unternehmensgruppe verwendete E-Mail [email protected] eingesetzt wird. Auch dies bestätigt die Annahme, dass der Geschäftsbetrieb der Klägerin von der Unternehmensgruppe übernommen worden ist und dass jetzt keine klare Trennung der beruflichen Aktivitäten der Klägerin von denen der Unternehmensgruppe mehr besteht.

Die Klägerin kann ihre Mitbewerberstellung zu der Beklagten auch nicht durch den Ausdruck der für die Beklagte registrierten Web-Site www.C.com (Anlagen AK 120 ff.) dokumentieren, wo die vermeintlich von der Klägerin entwickelte Software „C“ angeboten wird. Selbst wenn man annehmen würde, dass der angesprochene Verkehr nach Lektüre dieser Web-Site die Klägerin als Anbieterin erkennt, so begründet dies noch keine Mitbewerberstellung zu der Beklagten, weil es an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu der Beklagten und deren Software „B“ fehlt.

Voraussetzung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses ist, dass gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endabnehmerkreises abgesetzt werden. Die Anforderungen an den Grad der Austauschbarkeit dürfen zwar nicht überspannt werden, weil an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., Rn 108b zu § 2 UWG m. w. N.). Bei den Produkten „C“ und „B“ ist allerdings eine Substitution der Produkte gänzlich ausgeschlossen:

„C“ ist ein kostenpflichtiges Komplementär-Produkt zu der über die Seite www.A.de vertriebenen Software „C1“ und dient der Konvertierung und damit Archivierung von Dokumenten im PDF/A Langzeigarchivformat (Anlage BK 121). Die Textverarbeitungssoftware „B“ hat dagegen einen völlig anderen Anwendungsbereich, der sich in der Hilfestellung bei der Textverarbeitung von Dokumenten erschöpft.

Aus den dargelegten Gründen, vermag auch die Tatsache, dass die Klägerin eine Gewerbeanmeldung in Land2 vorgelegt hat, ihre Mitbewerberstellung nicht zu begründen.

Für eine Mitbewerberstellung der Parteien unter dem Gesichtspunkt des Behinderungswettbewerbs liegen keine Anhaltspunkte vor (vgl. Köhler/Bornkamm aaO., Rn 109 zu § 2 UWG).

2.

Unabhängig davon ist der mit dem Hauptantrag verfolgte Unterlassungsanspruch bereits verjährt.

Es ist unstreitig geblieben, dass die Beklagte ihre Werbung gem. Anlage K 1 mit der dort enthaltenen Aussage: „B ist für Privatanwender ohne Funktionseinschränkung kostenlos“ am 31. 3. 2012 eingestellt hat. Das Landgericht hat zutreffend daraus abgeleitet, dass die Verjährungsfrist am 1. 10. 2012 abgelaufen ist (§ 11 Abs. 1 UWG).

a)

Soweit die Klägerin mit der Berufungsbegründung vorbringt, die Beklagte habe die streitgegenständliche Wettbewerbshandlung auch nach dem 31. 3. 2012 fortgesetzt, wird dies durch die vorgelegten Unterlagen nicht untermauert. Die Klägerin beruft sich zum einen auf mehrere ältere Presseerklärungen zu B, die bereits aus den Jahren 2006 und 2008 stammen (Anlagen BK 1 – BK 4).

Die Klägerin beruft sich ferner auf Aussagen von vermeintlichen Mitarbeitern der Beklagten in Internet-Foren bzw. auf dem Informationsdienst Twitter (Anlagen BK 5 – BK 10). Auch damit lässt sich nicht belegen, dass die Verletzungshandlung gem. Anlage K 1 fortgesetzt worden wäre, zumal unklar bleibt, ob sich diese Äußerungen auf die streitbefangene Software-Version beziehen.

Soweit die Klägerin eine neuere Veröffentlichung der Beklagten auf ihrer Internet-Seite auf mit der Aussage

„In B sind alle Funktionen der … aktiviert“.

als Beleg für eine Fortsetzung der Verletzungshandlung heranziehen will (Anlage BK 11) ist nicht nachvollziehbar, warum diese Aussage ein Kontinuum zu der streitgegenständlichen Werbeaussage sein soll. Was die „…“ ist und was sie mit der kostenpflichtigen Version der Software „B“ zu tun hat, wird nicht erläutert.

b)

Das am 13. 3. 2012 eingeleitete Eilverfahren hat den Lauf der Verjährungsfrist nicht gehemmt.

Zwar kann die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs grundsätzlich auch durch Einleitung eines Eilverfahrens gehemmt werden, sofern der Streitgegenstand des Anspruchs mit dem der Hauptsacheklage identisch ist (§ 204 I Nr. 9 BGB, vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 75. Aufl., Rn 13 zu § 204). Richten sich – wie hier – der Eilantrag und der Hauptsacheantrag gegen die konkrete Verletzungsform, so legt diese den zur Bestimmung des Streitgegenstands maßgeblichen Lebenssachverhalt fest (BGH GRUR 2013, 401, Tz. 24 -Biomineralwasser).

Der vorliegende Fall birgt aber die Besonderheit, dass der im Eilverfahren gestellte Antrag inhaltlich zu unbestimmt war und deshalb keine Hemmungswirkung entfalten konnte (vgl. dazu Palandt-Ellenberger, BGB 75. Aufl., Rn 4 zu § 204 ZPO):

Die Klägerin wirft der Beklagten im Kern eine Irreführung vor, die sich aus zwei tatsächlichen Elementen zusammensetzt, nämlich einer Werbeaussage, die verspricht, dass Privatanwender die kostenfreie Version ohne Funktionseinschränkung verwenden können und einer tatsächlichen Leistung, die dieses Versprechen angeblich nicht erfüllt, d. h. Funktionseinschränkungen gegenüber den damals kostenpflichtig vertriebenen Versionen enthält.

Letzteres muss vom Unterlassungsgläubiger im Eil- bzw. Klageantrag aufgenommen und so konkret dargelegt werden, dass sich der Unterlassungsschuldner auf die Vorwürfe überhaupt einlassen und dass darüber ggf. Beweis erhoben werden kann. Der Senat hat außerdem schon mehrfach hervorgehoben, dass das angerufene Gericht seine Entscheidung bei einem auf die konkrete Verletzungsform gerichteten Unterlassungsantrag im Hinblick auf die Dispositionsmaxime des Klägers nur auf solche Beanstandungen stützen darf, auf die sich der Kläger im Verfahren auch berufen hat (Senat GRUR-RR 2013, 302 – Zählrate sowie Senat WRP 2014, 1482).

Das spiegelt sich auch bei der Frage der Verjährung wider. Der Eilantrag war auf ein Verbot der Werbeaussage gerichtet und in dieser Form zu weitgehend und unbestimmt, weil er die vermeintlichen Funktionsbeeinträchtigungen nicht erfasst hat. Dieses Versäumnis kann der Klägerin jetzt aber nicht zum Vorteil gereichen. Vielmehr kann die Verjährungshemmung hier nur solche Vorwürfe erfassen, die bereits im Eilantrag genannt worden sind, nämlich

– Unter dem Menüpunkt „Allgemeine Einstellungen“ könne die Funktion „Zeitersparnis“ nicht deaktiviert werden,

– Unter dem Menüpunkt „Statistik“ könne die Funktion „Statistik zurücksetzen“ nicht geändert werden und

– Die Funktion „Zeitersparnisberechnung“ könne nicht deaktiviert werden.

Diese Vorwürfe spielen bei der hiesigen Hauptsacheklage keine Rolle mehr. Dies hat das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt, so dass auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann (LGU S. 7 ff.).

3.

Die Klägerin kann auch nicht mit dem Hilfsantrag zum Erfolg kommen, denn dieser stellt eine gem. § 533 S. 2 ZPO unzulässige Klageerweiterung dar.

Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch richtet sich gegen weitere Veröffentlichungen der Beklagten, die teilweise aus den Jahren 2008 bzw. 2010 stammen und damit der Veröffentlichung der Anlage K 1 vorgelagert sind (Anlagen BK 88, 91, 92), teilweise erst später veröffentlicht worden sind. Es bleibt zum einen unklar, ob sie sich jeweils auf die streitgegenständliche Software-Version beziehen. Darüber hinaus werden mit den im Hilfsantrag beispielhaft hervorgehobenen Veröffentlichungen neue und gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren inhaltlich anders gelagerte Vorwürfe erhoben, weil sowohl die Werbeaussagen in einem anderen Kontext stehen als auch neue und andere Funktionseinschränkungen der kostenfreien gegenüber der kostenpflichtigen Version angegriffen werden (vgl. Bl. 781 – 805 d. A.).

Darin liegt entgegen der Annahme der Klägerin keine Modifizierung des Klageantrags i. S. von § 264 Nr. 2 ZPO sondern eine Klageerweiterung, mit der neuer und für die Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils irrelevanter Tatsachenstoff in das Berufungsverfahren eingeführt wird. Genau dies soll § 533 Nr. 2 ZPO verhindern (vgl. BGH NJW 2004, 2152 [BGH 19.03.2004 – V ZR 104/03] Tz. 31 bei juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte ihren Antrag auf Anordnung der Prozesskostensicherheit zurückgenommen hat.

Der Antrag auf Anordnung der Prozesskostensicherheit hat hier nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts geführt. Das wird angenommen, wenn der hierdurch eingeleitete Zwischenstreit dem Beklagten die Möglichkeit verschafft, seine Einlassung in der Sache bis zur Stellung der Sicherheit zu verweigern; unter diesen Umständen ist der Streitwert für den Zwischenstreit am Wert der Hauptsache zu orientieren (BGH NJW 1962, 345 [BGH 20.11.1961 – VIII ZR 65/61]; BGH VersR 1991, 122 [BGH 21.06.1990 – IX ZR 227/89]). Hier ist der Antrag nach § 110 ZPO erst im Berufungsverfahren gestellt worden, so dass über die Sache selbst bereits ausführlich gestritten worden ist. Der Senat hat der Beklagten ferner bedeutet, dass er von ihr unabhängig von dem eine Einlassung in der Sache verlangt (Verfügung vom 16. 3. 2015 – Bl. 217 d. A.), so dass für das Zwischenverfahren kein eigener Streitwert festgesetzt werden kann. Eine Berichtigung des Urteilstenors kommt nicht in Betracht.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und die Schuldnerschutzanordnung folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht vielmehr auf einer einzelfallbezogenen Auswertung des Sach- und Streitstoffs. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung.

vorgehend:

LG Frankfurt am Main – 25.06.2014 – AZ: 3-8 O 9/14

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