Keine Kostenauferlegung im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren nach Rücknahme Widerspruch

19. Oktober 2016
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Richterhammer über Eurozeichen Beschluss des BPatG vom 22.08.2016, Az.: 27 W (pat) 37/16

Im Rahmen einer markenrechtlichen Streitigkeit können einem Beteiligten die Kosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. In die Billigkeitsentscheidung fließen die Grundgedanken der Unterliegenshaftung und Kostenteilung und der Verfahrensausgang ein. Auch Art. 19 Abs. 4 GG findet Berücksichtigung. Nimmt der Widersprechende seinen Widerspruch in einem offenen Verfahren zurück, so gesteht er nicht die Aussichtlosigkeit seines Vorgehens ein. Die Einlegung des Widerspruchs verletzt auch keine Sorgfaltspflicht, solange ein Tatbestandsmerkmal zumindest diskussionswürdig ist. Damit ist es nicht billig, dem Widersprechenden die Kosten aufzuerlegen.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 22.08.2016

Az.: 27 W (pat) 37/16

In der Beschwerdesache betreffend die Marke 30 2012 015 925 hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. August 2016 durch die Vorsitzende Richterin …, den Richter … und die Richterin kraft Auftrags … beschlossen:

1. Der Antrag des Markeninhabers auf Kostenauferlegung wird zurückgewiesen.

2. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 22. September 2014 ist wirkungslos.

Entscheidungsgründe

I.

Gegen die Marke 30 2012 015 925

[Abbildung]

u.a. geschützt für „Wurstwaren, Biere, Verpflegung von Gästen in Schnellimbissrestaurants“

hat die Beschwerdeführerin aus ihren Marken Marken 305 06 560 „CURRY 36“ und 305 06 56

[Abbildung]

u. a. geschützt für „Fleisch, Wurstwaren, Biere, Verpflegung von Gästen in Schnellimbissrestaurants“ Widerspruch eingelegt.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 29, hat die Widersprüche mit Beschluss vom 22. September 2014, zugestellt am 2. Oktober 2016, unter Ziff. 1) des Beschlusses zurückgewiesen und unter Ziff. 2) tenoriert: Kosten werden nicht auferlegt. Zur Begründung ist vorgetragen, selbst soweit sich identische oder auch sehr ähnliche Produkte gegenüberstünden, und bei Unterstellung der geltend gemachten erhöhten Bekanntheit der Widerspruchszeichen komme eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen vorliegend aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Denn der in allen Zeichen identisch enthaltene Bestandteil „CURRY“ sei als ausschließlich und unmittelbar beschreibender Hinweis auf einen elementaren Bestandteil, ein elementares Gewürz, der damit gekennzeichneten „Curry“-Würste eine schutzunfähige Angabe. Die daher relevante, konkret eingetragenen Form der Vergleichszeichen unterscheide sich ausreichend. Das angegriffene Zeichen in seiner konkreten eingetragenen Form als grafisch gestaltetes Gesamtzeichen sei ausreichend unähnlich zu dem reinen Wortzeichen 305 06 560. Das Widerspruchszeichen 305 06 561 sei zwar ebenfalls ein grafisch gestaltetes Gesamtzeichen, weise aber in der konkreten grafischen Gestaltung wiederum keinerlei Annäherungen zum angegriffenen Zeichen auf. Infolge der Schutzunfähigkeit des Wortes „CURRY“ komme auch eine Verwechslungsgefahr durch ein „gedankliches Miteinander-in-Verbindung-Bringen“ der sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen nicht in Betracht.

Dagegen hat der Widersprechende am 31. Oktober 2014 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Ähnlichkeit der Zeichen sei eng, insbesondere da sich die Grafik unnötig annähere. Die Widerspruchszeichen genössen (zumindest in Berlin) Bekanntheitsschutz.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Sach- und Rechtslage erörtert und Zustellung an Verkündungs Statt beschlossen.

In der Folgezeit hat der Beschwerdeführer seine Widersprüche zurückgenommen.

Der Beschwerdeführer beantragt nun,

festzustellen, dass der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle   für Klasse 29, vom 22. September 2014 wirkungslos sei.

Der Markeninhaber tritt dem nicht entgegen und beantragt seinerseits,

dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Widersprechende habe den Prozess sorgfaltswidrig weiter betrieben, obwohl die Zeichen nicht verwechselbar seien, zumal eine erhöhte Kennzeichnungskraft oder gar Bekanntheit auch nicht ausreichend dargelegt worden sei.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Kostenantrag zurückzuweisen.

Ein Ausnahmefall, der eine Kostenauferlegung rechtfertige, läge nicht vor.

II.

Auf Antrag des Widersprechenden war nach §§ 82 Abs. 1 MarkenG, 269 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 ZPO die Wirkunsglosigkeit des im Verfahren vor dem Deutschen Patent und Markenamt über die am 13. Mai 2016 zurückgenommenen Widersprüche ergangenen Beschlusses auszusprechen. Die Feststellung der Wirkungen der Rücknahme, wie sie aus § 269 Abs. 3 ZPO folgen, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker MarkenG, 11. Aufl. 2015, § 82 Rn. 32 f.).

Der Antrag des Inhabers des angegriffenen Zeichens auf Kostenauferlegung, über den nach Rücknahme der Widersprüche gemäß § 71 Abs. 1 und 3 MarkenG noch zu befinden ist, hat demgegenüber keinen Erfolg.

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, der auch im Falle einer Widerspruchs- oder Beschwerderücknahme anzuwenden ist (§ 71 Abs. 4 MarkenG), können einem Beteiligten die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.

Bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung darf nicht außer Betracht bleiben, dass eine generelle Versagung der Erstattung von Kosten den in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Justizgewährungsanspruch beeinträchtigt (vgl. Brandi-Dohrn, FS 50 Jahre BPatG, S. 569 ff.). § 91 ZPO ist in allen Verfahren nach seinem Grundgedanken heranzuziehen (BVerfG NJW 2006, 136). Zu diesem Grundgedanken gehört die darin verankerte Unterliegenshaftung (vgl. auch Rohan Mitt. 2014, 1). Auch soweit der Gesetzgeber – wie in § 71 Abs. 1 MarkenG – einen Kostenerstattungsanspruch nur nach Maßgabe einer Billigkeitsentscheidung zugesteht, darf der Verfahrensausgang daher nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben (BVerfG NJW 1987, 2569, 2570 zu § 78 Satz 1 GWB). Dazu verlangt der im Markenrecht gesetzlich verankerte Grundgedanke der Kostenteilung aber eine Berücksichtigung der Ausgangslage und ob das Verhalten der Beteiligten der prozessualen Sorgfalt entsprach. Ein Abweichen vom Grundsatz der Kostenaufhebung ist nämlich geboten, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten die Kosten ganz oder teilweise verursacht hat, das mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt nicht in Einklang steht. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Beteiligter seine Rechte und Interessen mit den gesetzlich gegebenen Mitteln verteidigt und dabei den Instanzenweg ausschöpft (Albrecht/Hoffmann, Die Vergütung des Patentanwalts, 2. Aufl. 2012 Rn. 598, 599). Es entspricht dem Recht auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), selbst bislang anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze einer erneuten gerichtlichen Überprüfung zu stellen (vgl. BPatG Mitt. 2010, 529 – Igel plus).

Ob gegen Sorgfaltspflichten nur derjenige verstößt, der trotz ersichtlich fehlender Verwechslungsgefahr Widerspruch einlegt (BPatG, Beschl. v. 18. Juni 2009 – 30 W (pat) 108/05, BeckRS 2009, 23711 – CigarSpa/Spa), kann vorliegend dahinstehen, denn es verstößt jedenfalls nicht gegen die Sorgfaltspflicht, in einem vom Ausgang her offenen Verfahren Widerspruch zu erheben.

Der Widersprechende hat durch die Rücknahme seiner Widersprüche nicht einer von Anfang an erkennbaren Aussichtlosigkeit Rechnung getragen oder diese gar zugestanden; jede Rücknahme kann auch andere Gründe haben.

Er hat auch entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht versucht, in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation, seine Interessen durchzusetzen. Es war vorliegend zumindest diskussionswürdig, ob die Widerspruchszeichen im Inland bekannte Zeichen darstellen, worauf auch der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 13. Juli 2016 hinweist.

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