Lieferdienste müssen über Allergene im Essen informieren

27. Mai 2020
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Verschiedene Lebensmittel auf einem weißen Tisch Urteil des LG Berlin vom 17.01.2019, Az.: 16 O 304/17

Online-Essens-Lieferanten sind verpflichtet den Endkunden hinreichend über, im Essen enthaltene, Allergene zu informieren. Dies entschied das LG Berlin in einem Verfahren zwischen einem Verbraucherschutzverband und dem Betreiber einer Lieferdienstplattform. Ein bloßer Hinweis über eventuell enthaltene Allergene in den Lebensmitteln, sowie die Möglichkeit des Verbrauchers, das Restaurant und den Betreiber der Plattform über Unverträglichkeiten zu informieren, seien nicht ausreichend. Der Kunde müsse bereits vor Vertragsschluss hinreichend über Allergene und andere Zusatzstoffe in den Lebensmitteln durch die Plattform informiert werden.

Landgericht Berlin

Urteil vom 17.01.2019

Az.: 16 O 304/17

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein auf der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherverband.

Die Beklagte betreibt die Internetplattform „….de“, über welche Verbraucher Speisen und Getränke bestellen können. Hierzu wird Verbrauchern nach vorheriger Eingabe der Lieferanschrift auf der Plattform der Beklagten eine Auswahl mit für die Lieferanschrift verfügbaren Restaurants und – nach Auswahl eines der verfügbaren Restaurants – das dort bestellbare Speisen- und Getränkeangebot angezeigt. Im Rahmen des Bestellprozesses haben Verbraucher die Möglichkeit, in einem dafür vorgesehenen Freifeld Eintragungen zur etwaigen Allergien vorzunehmen. Nach Auswahl der gewünschten Speisen und Getränke leitet die Beklagte die Bestellung – ggf. mitsamt der durch den Verbraucher eingetragenen Allergieinformationen – an das jeweilige Restaurant weiter, welches die Speisen und Getränke zubereitet und zur Abholung bereitstellt. Die Auslieferung der Speisen und Getränke an den Verbraucher erfolgt durch für die Beklagte tätige Fahrer. Die Bezahlung der Bestellung wird ebenfalls über die Plattform der Beklagten abgewickelt.

Ziffer 1.3 der „Nutzungsbedingungen für Endkunden“ der Beklagten lautet wie folgt:

„Der Vertragsschluss über die Lieferung einer Bestellung kommt ausschließlich zwischen Ihnen und dem Partner Restaurant zustande. Allein das Partner Restaurant schuldet die Erfüllung der vertraglichen Pflichten aus der Bestellung. Wir sind lediglich ein Abschlussvertreter und technischer und logistischer Dienstleister, der die Vertretung der Partner Restaurants bei Vertragsschlüssen durch die Entgegennahme und Abgabe von Erklärungen für die Partner Restaurants anbietet, ohne selbst Vertragspartner der Bestellung zu sein oder zu werden.“

Hinsichtlich der Zahlungsabwicklung bestimmt Ziffer 4.2 der „Nutzungsbedingungen für Endkunden“ der Beklagten:

„Die Bezahlung kann mittels PayPal oder Kreditkarte erfolgen. Mit der Bestellbestätigung wird die Kreditkarte mit dem Zahlungsbetrag aus der Bestellung belastet. Die Zahlung ist mit dem Versand der Bestätigungs-E-Mail fällig. Wir nehmen stellvertretend für die Partner Restaurants die Zahlung an. Mit Ihrer Zahlung an … werden Sie von Ihrer Zahlungspflicht gegenüber dem Partner Restaurant frei.“

In Ziffer 2.4 der „Nutzungsbedingungen für Endkunden“ der Beklagten heißt es:

„Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unser Partner Restaurant für die Zubereitung der Bestellung Nüsse oder ähnliche allergene Stoffe nutzt. Sofern Sie eine Allergie haben, bitten wir Sie, das Partner Restaurant vor Ihrer Bestellung telefonisch darüber zu informieren. … kann nicht gewährleisten, dass sämtliche Bestellungen frei von Allergenen sind.“

Im Februar 2017 wurden Verbrauchern auf der Plattform der Beklagten für das Restaurant „P. H.“ die bestellbaren Speisen und Getränke wie aus der Anlage K1 ersichtlich präsentiert. Die bei dem Restaurant „I. O. N. Y.“ bestellbaren Speisen und Getränke wurden Verbrauchern im Juli 2017 auf der Plattform der Beklagten wie aus der Anlage K3 ersichtlich angezeigt. Auf die Anlagen K1 und K3 wird verwiesen.

Die Präsentation des Warenangebots des Restaurants „P. H.“ auf der Plattform der Beklagten, namentlich die fehlende Ausweisung der in dem Gericht „Tom Carry – Garnelen Curry“ enthaltenen Allergene sowie die fehlende Deklaration der in dem Produkt „0,3 l Coca-Cola“ enthaltenen Zusatzstoffe, nahm der Kläger zum Anlass, um die Beklagte mit Schreiben vom 07.04.2017 abzumahnen und – erfolglos – zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung aufzufordern.

Mit seiner der Beklagten am 30.08.2017 zugestellten Klage hat der Kläger neben der Erstattung einer Abmahnpauschale in Höhe von 214 € nebst Zinsen ursprünglich auch begehrt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Internet nicht vorverpackte Speisen anzubieten, ohne die Verbraucher vor Abgabe von deren Vertragserklärung über die in den Produkten enthaltenen Allergene zu informieren und/oder vorverpackte Getränke anzubieten, ohne die Verbraucher vor Abgabe von deren Vertragserklärung über den Gehalt an Zusatzstoffen in den Getränken zu informieren, wenn dies geschieht wie in Anlage K1 oder Anlage K3 wiedergegeben.

Nachdem die Beklagte im Wege der Drittunterwerfung die als Anlage B5 eingereichte strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Unterlassungsbegehren übereinstimmend mit wechselseitigen Kostenanträgen für erledigt erklärt.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei als Lebensmittelunternehmerin für die Erfüllung der Informationspflichten aus Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (“LMIV“) verantwortlich, da sie eine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Lebensmitteln ausführe und die Produkte der kooperierenden Restaurants gezielt gegenüber einem breiten Kundenstamm vermarkte. Wer bei den über die Plattform der Beklagten abgeschlossenen Lieferverträgen Vertragspartner werde, sei daher unerheblich. Die auf der Plattform der Beklagten zur Verfügung gestellten Informationen über Lebensmittel genügten wegen fehlender Hinweise auf Allergene nicht den Anforderungen der Art. 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c) LMIV. Zudem läge aufgrund der fehlenden Angabe von Zusatzstoffen ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 ZZulV vor.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, sie sei nicht Adressatin der Informationspflichten aus der LMIV, da sie nicht als Lebensmittelunternehmerin, sondern als Logistikdienstleisterin tätig sei. Sie vermittele lediglich zwischen kooperierenden Restaurants und Verbrauchern, werde selbst aber nicht Vertragspartnerin der Lieferverträge. Ein Verstoß gegen § 9 ZZulV läge schon deshalb nicht vor, weil diese Vorschrift auf vorverpackte Lebensmittel nicht anwendbar sei. Zudem sei sie auch nicht Adressatin der Pflichten aus § 9 ZZulV.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

I.
Die Klage ist im Unterlassungsklageverfahren zulässig, insbesondere ist der Kläger gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 UKlaG klagebefugt.

II.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der bei der Abmahnung angefallenen Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale in Höhe von 214,00 € nebst Zinsen aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, §§ 288, 291 BGB, da die Abmahnung vom 07.04.2017 vollumfänglich berechtigt war.

1.
Insoweit als der Kläger beanstandet hat, dass über die Plattform der Beklagten nicht vorverpackte Speisen bestellt werden konnten, ohne dass die Verbraucher vor der Abgabe von deren Vertragserklärung über die in den Produkten enthaltenen Allergene informiert wurden, ergab sich der Unterlassungsanspruch aus § 2 UKlaG i.V.m. Art. 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 lit. a), Art. 9 Abs. 1 lit. c), Anh. II LMIV.

a)
Über die Internetplattform der Beklagten wurden nicht vorverpackte Lebensmittel – nämlich die von den kooperierenden Restaurants bei Eingang einer Bestellung zuzubereitenden Speisen – im Sinne des Art. 14 Abs. 2 LMIV durch Einsatz von Fernkommunikationstechniken (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. u LMIV) zum Verkauf angeboten.

b)
Entgegen Art. 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c), Anh. II LMIV wurde dabei die Allergenkennzeichnung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise zur Verfügung gestellt.

Nach 14 Abs. 2 LMIV müssen im Falle von nicht vorverpackten Lebensmitteln, die durch Einsatz von Fernkommunikationstechniken zum Verkauf angeboten werden, die nach Art. 44 LMIV vorgeschriebenen Angaben gemäß Art. 14 Abs. 1 LMIV, d.h. vor Abschluss des Kaufvertrags und auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts oder durch andere geeignete Mittel, die vom Lebensmittelunternehmer eindeutig anzugeben sind, verfügbar gemacht werden. Art. 44 Abs. 1 lit. a) LMIV bestimmt für den Verkauf nicht vorverpackter Lebensmittel, dass Angaben nach Art. 9 Abs. 1 lit. c) LMIV verpflichtend sind. Nach Art. 9 Abs. 1 lit. c) LMIV sind alle in Anhang II LMIV aufgeführten Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe sowie Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe, die Derivate eines in Anhang II aufgeführten Stoffes oder Erzeugnisses sind, die bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet werden und – gegebenenfalls in veränderter Form – im Enderzeugnis vorhanden sind, als Angaben verpflichtend.

Vorstehendem wurde der Inhalt auf der Plattform der Beklagten nicht (stets) gerecht.

So enthielt das Gericht „Tom Carry – Garnelen Curry“ (dokumentiert auf Seite 2 der Anlage K1) Garnelen und Erdnüsse und damit Zutaten, die in Anhang II LMIV unter Nr. 2 bzw. Nr. 5 aufgeführt sind. Es kann dahinstehen, ob die Allergenkennzeichnung hinsichtlich der enthaltenen Garnelen aufgrund der eindeutigen Bezeichnung des Gerichts als „Garnelen Curry“ gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 4 LMIV entbehrlich war. Denn jedenfalls die ebenfalls enthaltenen Erdnüssen hätten in der durch Art. 21 Abs. 1 Satz 2 LMIV vorgeschriebenen Weise ausgewiesen werden müssen. Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 2 LMIV genügt für eine ordnungsgemäße Kennzeichnung der Allergene jedoch nicht jede Nennung der betreffenden Zutat; vielmehr hat nach Art. 21 Abs. 1 Satz 2 LMIV die Angabe nach Art. 9 Abs. 1 lit. c) LMIV das Wort „Enthält“, gefolgt von der in Anhang II LMIV aufgeführten Bezeichnung des Stoffs oder Erzeugnisses, zu umfassen. Daran fehlte es vorliegend.

Gleiches gilt für die Gerichte „Daigaku Imo“ (dokumentiert auf Seite 4 der Anlage K3), „Tamago“ (dokumentiert auf Seite 3 der Anlage K3) und „Ebi Avocado Maki“ (dokumentiert auf Seite 2 der Anlage K3), welche jedenfalls auch Sesam, Ei und Garnelen und damit Zutaten, die in Anhang II LMIV unter Nr. 11, 3 und 2 aufgeführt sind, enthielten. Auch hier fehlte die nach Art. 21 Abs. 1 Satz 2 LMIV „Enthält“-Angabe.

Dass die Beklagte in Ziffer 2.4 ihrer „Nutzungsbedingungen für Endkunden“ darauf hinweist, dass die bestellbaren Speisen Allergene enthalten können und die Verbraucher bittet, sich im Falle etwaiger Allergien bei dem kooperierenden Restaurant zu informieren, führt ebenso wenig wie der Umstand, dass Verbraucher im Rahmen des Bestellprozesses in einem Freifeld Allergieinformationen angeben können, die an das kooperierende Restaurant weitergeleitet werden, zu einem anderen Ergebnis. Denn die Regelung in Art. 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c), Anh. II LMIV sieht vor, dass dem Verbraucher vor Vertragsschluss produktspezifisch die jeweiligen Allergieinformationen zur Verfügung gestellt werden. Dagegen ist ein pauschaler Hinweis auf möglicherweise enthaltene Allergene verbunden mit der Aufforderung, sich selbst weitergehend zu informieren, ebenso wenig ausreichend wie die dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Möglichkeit, selbst Allergieinformationen zu übermitteln.

c)
Die Beklagte war als Normadressatin der Vorschriften der LMIV auch Schuldnerin des Unterlassungsanspruches.

Nach Art. 8 Abs. 1 LMIV ist der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der einführende Importeur, für die Information über ein Lebensmittel verantwortlich. Lebensmittelunternehmer sind nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) LMIV i.V.m. Art. 3 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die natürlichen oder juristischen Personen, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden. Als Lebensmittelunternehmen sind nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) LMIV i.V.m. Art. 3 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 alle Unternehmen anzusehen, die – gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind – eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen.

Die Beklagte nimmt bei Bestellungen über ihre Plattform sowohl die Bestell- als auch die Zahlungsabwicklung vor und sorgt durch für sie tätige Fahrer für die Auslieferung der bestellten Speisen und Getränke. Auch bündelt sie Speisen- und Getränkeangebote der kooperierenden Restaurants auf ihrer Plattform unter ihrem Logo und vereinheitlicht deren Marktauftritt auf ihrer Plattform in ihrem corporate design. Durch die Bündelung der Speisen- und Getränkeangebote über ihre Plattform macht die Beklagte diese einem breiten Publikum zugänglich. Aus Sicht eines die Plattform der Beklagten nutzenden Verbrauchers, der ausschließlich mit ihr, nicht aber mit den kooperierenden Restaurants in Kontakt tritt, ist die Beklagte in erheblichem Umfang in den Liefer- und Abwicklungsbetrieb eingebunden.

Damit führte die Beklagte zumindest eine mit dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit aus, betrieb daher ein Lebensmittelunternehmen und war – als verantwortliche Betreiberin dieses Lebensmittelunternehmens – eine Lebensmittelunternehmerin im Sinne der LMIV, unter deren Namen bzw. Firma Lebensmittel vermarktet wurden (vgl. auch KG, Urteil vom 21.06.2017 – 5 U 185/16 – Lieferservice-Portal).

Ob die Beklagte Vertragspartnerin bei den über ihre Plattform abgeschlossenen Lieferverträgen wird oder nicht, ist angesichts der vorgenannten, weiten Legaldefinition unerheblich. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Beklagte im Rahmen der Zahlungsabwicklung lediglich als Zahlstelle agiert.

d)
Bei den Vorschriften zur Allergenkennzeichnung nach der LMIV handelt es sich um Vorschriften, die dem Schutz von Verbrauchern dienen und damit um Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG.

e)
Schließlich ergab sich die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr zum Zeitpunkt der Abmahnung aus der vorangegangenen Verletzungshandlung und der dadurch begründeten tatsächlichen Vermutung. Die erst nach Rechtshängigkeit gegenüber einem Dritten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung lässt die ursprüngliche Berechtigung der Abmahnung nicht entfallen.

2.
Insoweit als der Kläger beanstandet hat, dass über die Plattform der Beklagten vorverpackte Speisen und Getränke bestellt werden konnten, ohne dass auf den Gehalt an Zusatzstoffen hingewiesen wurde, stand dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 2 UKlaG i.V.m. § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 ZZulV bzw. i.V.m. Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. b), 18 Abs. 1, 2 und 4, Anh. VII LMIV zu.

a)
Es kann offen bleiben, ob § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 ZZulV, auf den der Kläger den Unterlassungsanspruch gestützt hat, auf vorverpackte Lebensmittel anwendbar ist oder aus Gründen unionsrechtlicher Überlagerung allein die LMIV Anwendung findet. Bedeutung hat dies allein für die Frage des „Wie“ einer Ausweisung, nicht aber für die hier allein maßgebliche Frage des „Ob“ der Bereitstellung der Angaben. Im Hinblick auf das „Ob“ der Ausweisung von Zusatzstoffen sind Inkohärenzen zwischen beiden Gesetzeswerken nicht vorhanden (vgl. KG, Urteil vom 04.12.2018 – 5 U 35/18). Denn ebenso wie nach § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 ZZulV Zusatzstoffe in Lebensmitteln kenntlich gemacht werden müssen, sind auch nach Art. 14 Abs. 1 lit. a) LMIV im Falle von vorverpackten Lebensmitteln, die unter Einsatz von Fernkommunikationstechniken zum Verkauf angeboten werden, u.a. die nach Art. 9 Abs. 1 lit. b) LMIV erforderlichen Angaben, nämlich ein Verzeichnis der Zutaten, zur Verfügung zu stellen, wobei das Zutatenverzeichnis gemäß Art. 18 Abs. 1, 2 und 4, Anh. VII Teil C auch Angaben zu Farbstoffen und Säuerungsmitteln zu enthalten hat.

Dem wurde der Inhalt auf der Plattform der Beklagten nicht gerecht.

So enthält das über die Plattform der Beklagten angebotene Getränk „Coca Cola“ (dokumentiert auf Seite 3 der Anlage K1 bzw. auf Seite 4 der Anlage K3) unstreitig den Farbstoff E150d sowie das Säuerungsmittel E338 (Phosphorsäure), ohne dass dies kenntlich gemacht worden wäre.

b)
Die Beklagte war auch Schuldnerin dieses Unterlassungsanspruches. Sie ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen Adressatin sowohl der Kennzeichnungspflichten aus § 9 ZZulV als auch derjenigen aus der LMIV.

c)
Sowohl bei § 9 ZZulV als auch bei den Regelungen zur Kennzeichnung von Zusatzstoffen aus der LMIV handelt es sich um Vorschriften, die dem Schutz von Verbrauchern dienen und damit um Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG.

d)
Hinsichtlich der zum Zeitpunkt der Abmahnung bestehenden Wiederholungsgefahr gilt das unter II. 1. e) Ausgeführte.

3.
Die vom Kläger bezifferte Kostenpauschale in Höhe von 214,00 € (200,00 € zzgl. 7 % Umsatzsteuer) begegnet keinen Bedenken und wird der Höhe nach von der Beklagten auch nicht angegriffen.

4.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Insoweit als die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, entsprach es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes dem billigen Ermessen, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Denn sie wäre aus den vorstehend erläuterten Gründen auch insoweit unterlegen.

IV.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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