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Markenrechtsverletzung durch Amazon

12. Januar 2023
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Warenkorb Online-Shopping Urteil des EuGH vom 22.12.2022, Az.: C-148/21 und C-184/21

Der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, welche neben den eigenen Verkaufsangeboten einen Online-Marktplatz umfasst, benutzt das mit einer fremden Unionsmarke identische Zeichen jedenfalls dann selbst, wenn Drittanbieter ohne die Zustimmung des Inhabers dieser Marke solche mit diesem Zeichen versehenen Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten und der Betreiber u.a. sein eigenes Logo erscheinen lässt oder sonst den Eindruck erweckt, dass er die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 22.12.2022

Az.: C-148/21 und C-184/21

 

In den verbundenen Rechtssachen C‑148/21 und C‑184/21

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg, Luxemburg) und vom Tribunal de l’entreprise francophone de Bruxelles (französischsprachiges Unternehmensgericht von Brüssel, Belgien) mit Entscheidungen vom 5. März 2021 und vom 22. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 2021 bzw. am 24. März 2021, in den Verfahren

Christian Louboutin

gegen

Amazon Europe Core Sàrl (C‑148/21),

Amazon EU Sàrl (C‑148/21),

Amazon Services Europe Sàrl (C‑148/21),

Amazon.com Inc. (C‑184/21),

Amazon Services LLC (C‑184/21)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, M. Safjan, P. G. Xuereb und D. Gratsias, der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún, der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und F. Biltgen, der Richterin I. Ziemele sowie des Richters J. Passer,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: V. Giacobbo, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Christian Louboutin, vertreten durch M. Decker, N. Decker und T. van Innis, Avocats,

–        der Amazon Europe Core Sàrl, der Amazon EU Sàrl und der Amazon Services Europe Sàrl, vertreten durch Rechtsanwältin S. Ampatziadis, Rechtsanwälte H. Bälz, A. Conrad und F. Seip sowie E. Taelman, Advocaat,

–        der Amazon.com Inc. und der Amazon Services LLC, vertreten durch L. Depypere, Advocaat, R. Dupont, Avocat, und T. Heremans, Advocaat,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, U. Bartl und M. Hellmann als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, S. L. Kalėda und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juni 2022

folgendes

Urteil

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).

Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, in denen Herr Christian Louboutin zum einen (Rechtssache C‑148/21) der Amazon Europe Core Sàrl, der Amazon EU Sàrl und der Amazon Services Europe Sàrl sowie zum anderen (Rechtssache C‑184/21) der Amazon.com Inc. und der Amazon Services LLC (im Folgenden zusammen und unterschiedslos in beiden Rechtssachen: Amazon) gegenübersteht. Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten ist, dass Amazon Zeichen, die mit der Unionsmarke, deren Inhaber Herr Louboutin ist, identisch sind, ohne die Zustimmung von Herrn Louboutin für Waren benutzt haben soll, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung 2017/1001

Art. 9 („Rechte aus der Unionsmarke“) in Kapitel II Abschnitt 2 („Wirkungen der Unionsmarke“) der Verordnung 2017/1001 sieht in den Abs. 1 bis 3 vor:

„(1)      Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.

(2)      Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn

a)      das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist;

(3)      Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,

b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

e)      das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen;

f)      das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006/114/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. 2006, L 376, S. 21)] zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.“

Richtlinie 2004/48/EG

Art. 11 („Gerichtliche Anordnungen“) der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt in ABl. 2004, L 195, S. 16) sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen können, die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt. Sofern dies nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, werden im Falle einer Missachtung dieser Anordnung in geeigneten Fällen Zwangsgelder verhängt, um die Einhaltung der Anordnung zu gewährleisten. Unbeschadet des Artikels 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/29/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10)] stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.“

Richtlinie 2000/31/EG

Art. 14 („Hosting“) der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1) bestimmt in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in Bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder

b)      der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Herr Louboutin ist ein französischer Designer von Luxusschuhen und ‑handtaschen, dessen bekannteste Waren hochhackige Damenschuhe sind. Seit Mitte der 1990er Jahre bringt er an seinen hochhackigen Schuhen eine Außensohle an, deren rote Farbe im Pantone-Farbsystem dem Code 18‑1663TP entspricht.

Diese auf der Sohle eines hochhackigen Schuhs aufgebrachte Farbe ist gemäß dem Benelux-Übereinkommen über geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle) vom 25. Februar 2005, unterzeichnet in Den Haag vom Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande, als Benelux-Marke eingetragen. Dieselbe Marke ist seit dem 10. Mai 2016 als Unionsmarke (im Folgenden: fragliche Marke) eingetragen.

Amazon betreibt Websites für den Online-Verkauf unterschiedlicher Waren, die sie sowohl direkt im eigenen Namen und für eigene Rechnung als auch indirekt durch Bereitstellung eines Online-Marktplatzes für andere Händler anbietet. Der Versand der von diesen anderen Händlern auf diesem Online-Marktplatz zum Verkauf angebotenen Waren kann entweder von diesen Händlern selbst oder von Amazon übernommen werden. Im letzteren Fall lagert Amazon die betreffenden Waren in ihren Vertriebszentren und versendet sie aus ihren eigenen Lagern an die Käufer.

Auf den Websites von Amazon erscheinen regelmäßig Verkaufsanzeigen für rotbesohlte Schuhe, die laut Herrn Louboutin ohne seine Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind.

Rechtssache C‑148/21

Am 19. September 2019 erhob Herr Louboutin beim Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg, Luxemburg), dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑148/21, eine Klage gegen Amazon, mit der er eine Verletzung seiner ausschließlichen Rechte aus der fraglichen Marke geltend macht. Herr Louboutin beantragt, die Verantwortlichkeit von Amazon für die Verletzung der fraglichen Marke festzustellen, ihr unter Androhung eines Zwangsgelds aufzugeben, die Benutzung von mit dieser Marke identischen Zeichen im geschäftlichen Verkehr im gesamten Gebiet der Europäischen Union mit Ausnahme des Benelux-Gebiets zu unterlassen, sowie sie zum Ersatz des durch die fraglichen Benutzungshandlungen entstandenen Schadens zu verurteilen.

Die Klage beruht auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001. Herr Louboutin macht geltend, Amazon habe ohne seine Zustimmung ein mit der fraglichen Marke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch seien, für die diese Marke eingetragen sei; dies sei insbesondere durch das Einblenden von Anzeigen für Waren mit einem solchen identischen Zeichen auf den Online-Verkaufsplattformen von Amazon geschehen, aber auch durch den Besitz, den Versand und die Lieferung solcher Waren. Eine solche Benutzung sei Amazon zuzurechnen, da sie bei der Benutzung des fraglichen Zeichens eine aktive Rolle gespielt habe und die Anzeigen für die markenverletzenden Waren Teil ihrer eigenen kommerziellen Kommunikation gewesen seien. Amazon könne daher nicht als bloßer Hosting-Anbieter von Websites oder als neutraler Vermittler angesehen werden, zumal sie Drittanbietern, insbesondere bei der Optimierung der Präsentation ihrer Angebote, Unterstützung gewähre.

Amazon bestreitet, dass ihr die Benutzung eines mit der fraglichen Marke identischen Zeichens zugerechnet werden könne. Sie beruft sich auf mehrere Urteile des Gerichtshofs in Rechtssachen, in denen es um Online-Marktplatzbetreiber wie eBay ging, um geltend zu machen, dass auch sie als Betreiberin eines solchen Marktplatzes nicht für die Benutzung eines mit der fraglichen Marke identischen Zeichens durch Drittanbieter, die ihren Online-Marktplatz nutzten, verantwortlich gemacht werden könne. Die Funktionsweise der in ihre Online-Verkaufsplattformen integrierten Marktplätze unterscheide sich kaum von derjenigen anderer Marktplätze. Die Einbindung ihres Logos in die Anzeigen von Drittanbietern bedeute nicht, dass sie sich diese Anzeigen zu eigen mache. Zudem könnten die Nebendienstleistungen, die sie anderen Händlern anbiete, es nicht rechtfertigen, deren Angebote als Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation von Amazon anzusehen. Der Umstand, dass ein Dienstleister die notwendigen technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines mit einer geschützten Marke identischen Zeichens schaffe und für diese Dienstleistung eine Vergütung erhalte, bedeute nicht, dass er das betreffende Zeichen selbst benutze.

Das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑148/21 führt aus, die Funktionsweise der von Amazon betriebenen Verkaufsplattformen bestehe darin, für ein und dieselbe Warenkategorie Anzeigen zu bündeln, die sowohl von Amazon selbst als auch von Drittanbietern stammten, die auf dem in diese Plattformen integrierten Online-Marktplatz tätig seien. Insoweit unterscheide sich diese Funktionsweise von derjenigen der Plattformen anderer Unternehmen wie eBay oder Rakuten, die ausschließlich einen Online-Marktplatz betrieben und daher nur Anzeigen von Drittanbietern veröffentlichten, ohne selbst Waren zu verkaufen. Allerdings sei Amazon nicht das einzige Unternehmen, das dieses „hybride“ Geschäftsmodell gewählt habe. Betreiber wie Cdiscount nähmen ebenfalls neben ihrem eigenen Sortiment auch Waren von Drittanbietern auf.

Folglich sei nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere des Urteils vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474), zu ermitteln, ob diese Funktionsweise der Verkaufsplattformen von Amazon darauf schließen lasse, dass der Betreiber dieser Plattformen ein mit der fraglichen Marke identisches Zeichen benutze, weil er Anzeigen von Drittanbietern, in denen ein solches Zeichen verwendet werde, in seine eigene kommerzielle Kommunikation einbinde.

Ferner sei fraglich, inwieweit es von der Wahrnehmung des Publikums abhänge, ob ein Betreiber von Verkaufsplattformen mit integriertem Online-Marktplatz bei der Veröffentlichung von Anzeigen eine mehr oder weniger aktive Rolle spiele.

Schließlich stelle sich die Frage, ob davon auszugehen sei, dass ein solcher Betreiber ein mit einer geschützten Marke identisches Zeichen benutze, wenn er den Versand von Waren übernehme, die mit diesem Zeichen versehen seien. Im Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany (C‑567/18, EU:C:2020:267), habe sich der Gerichtshof hierzu nicht geäußert, da in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, der Versand durch einen externen Dienstleister erfolgt sei.

Unter diesen Umständen hat das Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens in einer auf einer Website angezeigten Werbung dem Betreiber der Website oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen dadurch zuzurechnen ist, dass auf dieser Website eigene Angebote des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen und Angebote von Drittanbietern vermischt werden, indem diese Werbung in die eigene kommerzielle Kommunikation des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen eingebunden wird?

Wird eine solche Einbindung durch die Tatsache verstärkt, dass

–      die Werbeanzeigen auf der Website einheitlich präsentiert werden,

–      die eigenen Werbeanzeigen des Betreibers und die von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen und Drittanbietern ohne Unterschied der Herkunft angezeigt werden, wobei jedoch das Logo des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen in den Anzeigenbereichen von Websites Dritter in Form von „Pop-ups“ deutlich sichtbar angezeigt wird,

–      der Betreiber oder wirtschaftlich verbundene Unternehmen Drittanbietern eine umfassende Dienstleistung anbieten, einschließlich einer Unterstützung bei der Erstellung von Werbeanzeigen, bei der Preisfestsetzung, der Lagerung und dem Versand von Waren,

–      die Website des Betreibers und wirtschaftlich verbundener Unternehmen so gestaltet ist, dass sie sich in Form von Shops und Bezeichnungen wie „Bestseller“, „am häufigsten gewünscht“ oder „am häufigsten geschenkt“ präsentiert, ohne dass auf den ersten Blick eine Unterscheidung zwischen den eigenen Waren des Betreibers und wirtschaftlich verbundener Unternehmen und den Waren von Drittanbietern ersichtlich ist?

2.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens in einer Werbung auf einer Online-Verkaufsplattform grundsätzlich dem Betreiber der Plattform oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen zuzurechnen ist, wenn in der Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Internetnutzers dieser Betreiber oder ein wirtschaftlich verbundenes Unternehmen eine aktive Rolle bei der Erstellung dieser Werbung gespielt hat oder wenn die Werbung als Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation dieses Betreibers wahrgenommen wird?

Wird eine solche Wahrnehmung beeinflusst

–      durch die Tatsache, dass der Betreiber und/oder wirtschaftlich verbundene Unternehmen renommierte Vertreiber unterschiedlichster Waren sind, einschließlich Waren der in den Anzeigen beworbenen Art,

–      oder dadurch, dass die auf diese Weise angezeigte Werbung eine Kopfzeile enthält, in der die Dienstleistungsmarke des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen wiedergegeben wird, wobei diese Marke als Marke des Vertreibers bekannt ist,

–      oder dadurch, dass der Betreiber oder wirtschaftlich verbundene Unternehmen in Verbindung mit der Anzeige der Werbung Dienstleistungen anbieten, die üblicherweise von Vertreibern von Waren derselben Art wie die in den Anzeigen beworbene Ware angeboten werden?

3.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Versendung einer Ware, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen versehen ist, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers an den Endverbraucher nur dann eine dem Versender zuzurechnende Benutzung darstellt, wenn der Versender tatsächliche Kenntnis von der Anbringung des Zeichens auf dieser Ware hat?

Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen dem Endverbraucher angekündigt hat, dass er sich um die Versendung kümmern wird, nachdem er selbst oder ein wirtschaftlich verbundenes Unternehmen die Ware zu diesem Zweck gelagert hat?

Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen zuvor im Geschäftsverkehr aktiv an der Anzeige einer Werbung für die mit dem Zeichen versehene Ware mitgewirkt oder die Bestellung aufgenommen hat, die der Endverbraucher wegen dieser Werbung aufgegeben hat?

Rechtssache C‑184/21

Am 4. Oktober 2019 erhob Herr Louboutin beim Tribunal de l’entreprise francophone de Bruxelles (französischsprachiges Unternehmensgericht von Brüssel, Belgien), dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑184/21, eine Klage gegen Amazon, mit der er eine Verletzung seiner ausschließlichen Rechte aus der fraglichen Marke geltend macht. Die Klage ist darauf gerichtet, dass Amazon die Benutzung dieser Marke unterlässt und den durch die Benutzung entstandenen Schaden ersetzt. Herr Louboutin macht im Wesentlichen die gleichen Argumente geltend wie im Rahmen der Klage, die er beim vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑148/21 erhoben hat.

Amazon entgegnet, die Tatsache, dass sie auf den in ihre Verkaufsplattformen integrierten Online-Marktplätzen Angebote von Drittanbietern für angeblich markenverletzende Schuhe veröffentliche und den Versand dieser Schuhe übernehme, bedeute nicht, dass sie die fragliche Marke benutze.

Das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑184/21 ist der Ansicht, dass für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits erstens zu klären sei, unter welchen Umständen die Benutzung eines rechtsverletzenden Zeichens in einem Verkaufsangebot eines Drittanbieters dem Betreiber einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz zugerechnet werden könne, zweitens, ob und unter welchen Umständen die Publikumswahrnehmung dieses Angebots bei der Feststellung der Zurechenbarkeit einer solchen Benutzung zu berücksichtigen sei, und drittens, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen die Tatsache, dass Amazon den Versand einer Ware übernehme, die mit einem mit einer Marke identischen Zeichen versehen sei, für sich genommen eine Benutzungshandlung dieser Marke darstelle, die Amazon gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 zugerechnet werden könne.

Unter diesen Umständen hat das Tribunal de l’entreprise francophone de Bruxelles (französischsprachiges Unternehmensgericht von Brüssel) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens in einer auf einer Website angezeigten Werbung grundsätzlich dem Betreiber der Website zuzurechnen ist, wenn der Betreiber in der Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzers eine aktive Rolle bei der Erstellung der Werbung gespielt hat oder die Werbung vom Internetnutzer als Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation des Betreibers wahrgenommen werden kann?

Wird eine solche Wahrnehmung beeinflusst

–      durch die Tatsache, dass der Betreiber ein renommierter Vertreiber verschiedenster Waren ist, einschließlich Waren der in den Anzeigen beworbenen Art,

–      oder dadurch, dass die auf diese Weise angezeigte Werbung eine Kopfzeile enthält, in der die Dienstleistungsmarke des Betreibers wiedergegeben wird, wobei diese Marke als Marke des Vertreibers bekannt ist,

–      oder dadurch, dass der Betreiber in Verbindung mit der Anzeige der Werbung Dienstleistungen anbietet, die üblicherweise von Vertreibern von Waren derselben Art wie die in den Anzeigen beworbene Ware angeboten werden?

2.      Ist Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass die Versendung einer Ware, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen versehen ist, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers an den Endverbraucher nur dann eine dem Versender zuzurechnende Benutzung darstellt, wenn der Versender tatsächliche Kenntnis von der Anbringung des Zeichens auf dieser Ware hat?

Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen dem Endverbraucher angekündigt hat, dass er sich um die Versendung kümmern wird, nachdem er selbst oder ein wirtschaftlich verbundenes Unternehmen die Ware zu diesem Zweck gelagert hat?

Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen zuvor im Geschäftsverkehr aktiv an einer Werbeanzeige für die mit dem Zeichen versehene Ware mitgewirkt oder die Bestellung aufgenommen hat, die der Endverbraucher in Anbetracht dieser Werbung aufgegeben hat?

Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. April 2021 sind die Rechtssachen C‑148/21 und C‑184/21 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.

Zu den Vorlagefragen

Mit ihren Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, die neben den eigenen Verkaufsangeboten dieses Betreibers einen Online-Marktplatz umfasst, ein Zeichen, das mit einer fremden Unionsmarke identisch ist, für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist, selbst benutzt, wenn Drittanbieter ohne die Zustimmung des Inhabers dieser Marke solche mit diesem Zeichen versehenen Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten. Die vorlegenden Gerichte fragen sich insbesondere, ob insoweit relevant ist, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er den Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs ihrer Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die darin bestehen, sie bei der Präsentation ihrer Anzeigen zu unterstützen sowie die auf dem fraglichen Marktplatz angebotenen Waren zu lagern und zu versenden. In diesem Zusammenhang stellen sich die vorlegenden Gerichte auch die Frage, ob gegebenenfalls die Wahrnehmung der Nutzer der betreffenden Plattform zu berücksichtigen ist.

Nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 verleiht die Eintragung einer Unionsmarke ihrem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr ein mit dieser Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Begriff „benutzen“ im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 in dieser Verordnung nicht definiert wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Markeninhaber berechtigt, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung ein mit der Marke identisches Zeichen zu benutzen, wenn diese Benutzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt, für Waren oder Dienstleistungen geschieht, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, und die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann. Zu diesen Funktionen gehört u. a. die Hauptfunktion der Marke, nämlich die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber den Verbrauchern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2016, Daimler, C‑179/15, EU:C:2016:134, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass der Ausdruck „benutzen“ nach seinem gewöhnlichen Sinn ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraussetzt. In Art. 9 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001, der eine nicht erschöpfende Aufzählung von Benutzungsformen enthält, die der Markeninhaber verbieten darf, werden ausschließlich aktive Handlungen Dritter erwähnt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung); hierzu gehört es gemäß Art. 9 Abs. 3 Buchst. b, rechtsverletzende Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken zu besitzen.

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass Art. 9 der Verordnung 2017/1001 bezweckt, dem Inhaber einer Unionsmarke ein rechtliches Instrument an die Hand zu geben, das es ihm ermöglicht, jegliche ohne seine Zustimmung erfolgende Benutzung dieser Marke durch einen Dritten zu verbieten und somit zu beenden. Allerdings ist nur ein Dritter, der unmittelbar oder mittelbar die Herrschaft über die Benutzungshandlung hat, tatsächlich in der Lage, die Benutzung zu beenden und sich damit an das Verbot zu halten (Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Außerdem hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 zumindest bedeutet, dass der Dritte das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt. So kann eine Person zulassen, dass ihre Kunden Zeichen benutzen, die mit Marken identisch oder ihnen ähnlich sind, ohne dass darin eine Benutzung der betreffenden Zeichen durch diese Person selbst läge (Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Dementsprechend hat der Gerichtshof in Bezug auf den Betreiber eines Online-Marktplatzes festgestellt, dass die Benutzung von mit Marken identischen oder ihnen ähnlichen Zeichen in Verkaufsangeboten, die auf diesem Marktplatz angezeigt werden, ausschließlich durch die als Verkäufer auftretenden Kunden dieses Betreibers, nicht aber durch den Betreiber selbst erfolgt, sofern dieser das betreffende Zeichen nicht im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 102 und 103, sowie vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 40).

Der bloße Umstand, dass die technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens geschaffen werden und diese Dienstleistung vergütet wird, bedeutet nämlich nicht, dass deren Erbringer dieses Zeichen selbst benutzt, selbst wenn er im eigenen wirtschaftlichen Interesse handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im gleichen Sinne hat der Gerichtshof in den Rn. 45 und 53 des Urteils vom 2. April 2020, Coty Germany (C‑567/18, EU:C:2020:267), im Wesentlichen entschieden, dass, wenn der Betreiber eines Online-Marktplatzes Drittanbietern, die auf diesem Marktplatz tätig sind, Lagerdienste dergestalt anbietet, dass er markenrechtsverletzende Waren für diese Anbieter lagert, ohne aber Kenntnis von der Rechtsverletzung durch die betreffenden Waren zu haben und ohne den Zweck zu verfolgen, die gelagerten Waren selbst anzubieten oder in Verkehr zu bringen, nicht etwa der Betreiber, sondern allein die Drittanbieter die auf den gelagerten Waren angebrachten Zeichen benutzen.

Allerdings ist hervorzuheben, dass es in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, zwar um den Betreiber derselben Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz ging, nämlich um Amazon, das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache – das allein dafür zuständig war, die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen – aber unmissverständlich darauf hingewiesen hatte, dass dieser Betreiber keine Kenntnis davon gehabt habe, dass die fraglichen Waren ein Markenrecht verletzten, dass er selbst die betreffenden Waren weder zum Verkauf angeboten noch in Verkehr gebracht habe und dass er auch nicht die Absicht gehabt habe, dies selbst zu tun. Das vorlegende Gericht hatte ferner festgestellt, dass der Versand dieser Waren durch externe Dienstleister erfolgt sei (vgl. Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 9, 30 und 47).

Im Übrigen ist der Gerichtshof weder in der soeben genannten Rechtssache noch in der Rechtssache, in der das von Amazon geltend gemachte und oben in Rn. 30 angeführte Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474), ergangen ist, danach gefragt worden, wie sich der Umstand auswirkt, dass die fragliche Verkaufsplattform neben dem Online-Marktplatz auch Verkaufsangebote des Plattformbetreibers selbst umfasst.

In den vorliegenden Rechtssachen stellen sich die vorlegenden Gerichte aber gerade die Frage nach dieser Auswirkung und nach der Bedeutung, die in einem solchen Zusammenhang der Wahrnehmung der Nutzer der fraglichen Plattform sowie anderen Umständen beizumessen ist, wie etwa dem Umstand, dass der Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Verkaufsangebote einheitlich präsentiert, indem er seine eigenen Anzeigen zusammen mit den Anzeigen von Drittanbietern einblendet und bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt, oder dem Umstand, dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs ihrer Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, z. B. Unterstützung bei der Präsentation ihrer Anzeigen sowie Lagerung und Versand ihrer Waren.

In diesem Rahmen fragen sich die vorlegenden Gerichte insbesondere, ob unter solchen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass nicht nur der Drittanbieter, sondern auch der Betreiber der Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz gegebenenfalls in seiner eigenen kommerziellen Kommunikation ein mit einer fremden Marke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist, so dass er gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 für die Verletzung der Rechte des Inhabers dieser Marke verantwortlich gemacht werden könnte, wenn der Drittanbieter solche Waren, die mit diesem Zeichen versehen sind, auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbietet.

Diese Frage stellt sich wohlgemerkt unabhängig davon, dass die Rolle eines solchen Betreibers, soweit er einem anderen Wirtschaftsteilnehmer die Benutzung der Marke ermöglicht, gegebenenfalls anhand anderer Rechtsvorschriften wie Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 oder Art. 11 Satz 1 der Richtlinie 2004/48 geprüft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zwar ist es letztlich Sache der vorlegenden Gerichte, zu beurteilen, ob in jedem der beiden Ausgangsverfahren Amazon als Betreiberin einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 ein mit der fraglichen Marke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist; jedoch kann der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben, die ihnen insoweit dienlich sein können (vgl. entsprechend Urteil vom 7. April 2022, Berlin Chemie A. Menarini, C‑333/20, EU:C:2022:291, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Insoweit ist in Bezug auf die „kommerzielle Kommunikation“ eines Unternehmens im Sinne der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in den Nrn. 55 und 56 seiner Schlussanträge festzustellen, dass dieser Ausdruck im Allgemeinen jede Form der an Dritte gerichteten Kommunikation bezeichnet, die darauf abzielt, die Tätigkeit, die Waren oder die Dienstleistungen des Unternehmens anzupreisen oder auf die Ausübung einer solchen Tätigkeit aufmerksam zu machen. Die Benutzung eines Zeichens in der eigenen kommerziellen Kommunikation eines solchen Unternehmens setzt somit voraus, dass dieses Zeichen aus Sicht Dritter als fester Bestandteil der Kommunikation und damit als zur Tätigkeit des Unternehmens gehörig erscheint.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dass in dem Fall, dass der Erbringer einer Dienstleistung ein mit einer fremden Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen verwendet, um für Waren zu werben, die einer seiner Kunden mit Hilfe dieser Dienstleistung vermarktet, dieser Dienstleister das betreffende Zeichen selbst benutzt, wenn er es so verwendet, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen und den von ihm erbrachten Dienstleistungen hergestellt wird (Urteile vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 92, sowie vom 15. Dezember 2011, Frisdranken Industrie Winters, C‑119/10, EU:C:2011:837, Rn. 32).

Dementsprechend hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein solcher Dienstleister ein mit einer fremden Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen nicht selbst benutzt, wenn die von ihm erbrachte Dienstleistung ihrem Wesen nach nicht mit einer Dienstleistung vergleichbar ist, die den Vertrieb von mit diesem Zeichen versehenen Waren fördern soll, und nicht impliziert, dass eine Verbindung zwischen dieser Dienstleistung und dem Zeichen hergestellt wird, weil der betreffende Dienstleister gegenüber dem Verbraucher nicht in Erscheinung tritt, was jede gedankliche Verbindung zwischen seinen Dienstleistungen und dem betreffenden Zeichen ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 2011, Frisdranken Industrie Winters, C‑119/10, EU:C:2011:837, Rn. 33).

Dagegen hat der Gerichtshof entschieden, dass eine solche Verbindung gegeben ist, wenn der Betreiber eines Online-Marktplatzes mit Hilfe eines Internetreferenzierungsdienstes und ausgehend von einem mit einer fremden Marke identischen Schlüsselwort Werbung für Waren dieser Marke macht, die von seinen Kunden auf seinem Online-Marktplatz zum Verkauf angeboten werden. Eine solche Werbung weckt nämlich bei den Internetnutzern, die anhand dieses Schlüsselworts eine Suche durchführen, eine offenkundige Assoziation zwischen diesen Markenprodukten und der Möglichkeit, sie über diesen Marktplatz zu erwerben. Aus diesem Grund darf der Inhaber dieser Marke dem betreffenden Betreiber eine solche Benutzung verbieten, wenn die Werbung das Markenrecht verletzt, weil für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die Waren von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 93 und 97).

Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass, wie der Generalanwalt in den Nrn. 58, 59 und 72 seiner Schlussanträge der Sache nach ausgeführt hat, zur Klärung der Frage, ob der Betreiber einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz ein mit einer fremden Marke identisches Zeichen, das in Anzeigen für von Drittanbietern auf diesem Marktplatz angebotene Waren verwendet wird, selbst benutzt, zu beurteilen ist, ob ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem betreffenden Zeichen herstellt.

Die Relevanz einer solchen Analyse wird durch das von Amazon und der Europäischen Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorgebrachte Argument, dass in der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auf die Wahrnehmung der Nutzer abgestellt worden sei, keineswegs in Frage gestellt.

Zwar hat der Gerichtshof in den Rn. 102 und 103 des Urteils vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, EU:C:2011:474), deren Inhalt in Rn. 30 des vorliegenden Urteils sinngemäß wiedergegeben wird, die Wahrnehmung des Nutzers des Online-Marktplatzes, an den sich die betreffende kommerzielle Kommunikation richtet, nicht ausdrücklich erwähnt.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Gerichtshof ausgeschlossen hat, dass die Wahrnehmung der Nutzer des Online-Marktplatzes als ein relevanter Gesichtspunkt für die Feststellung berücksichtigt wird, ob das fragliche Zeichen im Rahmen der eigenen kommerziellen Kommunikation des Betreibers dieses Marktplatzes benutzt wird.

In der Rechtssache, in der das oben genannte Urteil ergangen ist, enthielt die fragliche Website nämlich nur einen Online-Marktplatz, ohne auch eigene Verkaufsangebote des Betreibers dieser Website zu umfassen.

Um festzustellen, ob eine auf einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz von einem auf diesem Marktplatz tätigen Drittanbieter veröffentlichte Anzeige, in der ein mit einer fremden Marke identisches Zeichen verwendet wird, als fester Bestandteil der kommerziellen Kommunikation des Betreibers dieser Plattform angesehen werden kann, ist folglich zu prüfen, ob diese Anzeige geeignet ist, eine Verbindung zwischen den von diesem Betreiber angebotenen Dienstleistungen und dem fraglichen Zeichen herzustellen, weil ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer glauben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die Ware, für die das fragliche Zeichen benutzt wird, im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertreibt.

Im Rahmen dieser umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls kommt insbesondere der Art und Weise, in der die Anzeigen sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit auf der fraglichen Plattform präsentiert werden, sowie der Art und dem Umfang der von ihrem Betreiber erbrachten Dienstleistungen besondere Bedeutung zu.

Was erstens die Art der Präsentation dieser Anzeigen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Online-Anzeigen nach den Rechtsvorschriften der Union über den elektronischen Geschäftsverkehr transparent sein müssen (Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 95). Anzeigen, die auf einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz erscheinen, müssen daher so präsentiert werden, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer ohne Weiteres zwischen Angeboten des Betreibers dieser Plattform und Angeboten von Drittanbietern, die auf dem integrierten Online-Marktplatz tätig sind, unterscheiden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C‑324/09, EU:C:2011:474, Rn. 94).

Wenn der Betreiber einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er seine eigenen Anzeigen zusammen mit den Anzeigen von Drittanbietern einblendet und sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber sowohl auf seiner Plattform als auch bei all diesen Anzeigen erscheinen lässt, einschließlich derjenigen für Waren, die von Dritten angeboten werden, so kann dies jedoch eine solche klare Unterscheidung erschweren und somit dem normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzer den Eindruck vermitteln, dass dieser Betreiber derjenige ist, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung auch die von diesen Dritten zum Verkauf angebotenen Waren vertreibt. Sind diese Waren mit einem Zeichen versehen, das mit einer fremden Marke identisch ist, kann eine solche einheitliche Präsentation daher aus Sicht dieser Nutzer eine Verbindung zwischen diesem Zeichen und den von diesem Betreiber erbrachten Dienstleistungen herstellen.

Insbesondere wenn der Betreiber einer Verkaufsplattform die verschiedenen Angebote, die von ihm selbst oder einem Dritten stammen, ohne Unterscheidung nach ihrer Herkunft mit Angaben wie „Bestseller“, „am häufigsten gewünscht“ oder „am häufigsten geschenkt“ versieht, um bestimmte dieser Angebote anzupreisen, so ist eine solche Präsentation geeignet, beim normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzer den Eindruck zu verstärken, dass der Betreiber die auf diese Weise angepriesenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertreibt.

Zweitens können Art und Umfang der Dienstleistungen, die der Betreiber einer Verkaufsplattform mit integriertem Online-Marktplatz an Drittanbieter erbringt, die mit dem fraglichen Zeichen versehene Waren auf diesem Marktplatz anbieten, wie etwa Dienstleistungen, die in der Bearbeitung von Fragen der Nutzer zu diesen Waren oder in der Lagerung, dem Versand und der Abwicklung des Rückversands dieser Waren bestehen, einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzer ebenfalls den Eindruck vermitteln, dass diese Waren durch diesen Betreiber im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertrieben werden, wodurch aus Sicht dieser Nutzer eine Verbindung zwischen seinen Dienstleistungen und den auf diesen Waren und in den Anzeigen der Drittanbieter verwendeten Zeichen entstehen kann.

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, die neben den eigenen Verkaufsangeboten dieses Betreibers einen Online-Marktplatz umfasst, ein Zeichen, das mit einer fremden Unionsmarke identisch ist, für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist, selbst benutzt, wenn Drittanbieter ohne die Zustimmung des Inhabers dieser Marke solche mit diesem Zeichen versehenen Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten, sofern ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem fraglichen Zeichen herstellt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn ein solcher Nutzer in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Eindruck haben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt. Insoweit ist relevant, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u. a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.

Kosten

Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke

ist wie folgt auszulegen:

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, die neben den eigenen Verkaufsangeboten dieses Betreibers einen Online-Marktplatz umfasst, ein Zeichen, das mit einer fremden Unionsmarke identisch ist, für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist, selbst benutzt, wenn Drittanbieter ohne die Zustimmung des Inhabers dieser Marke solche mit diesem Zeichen versehenen Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten, sofern ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem fraglichen Zeichen herstellt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn ein solcher Nutzer in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Eindruck haben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt. Insoweit ist relevant, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u. a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.

 

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