Markenrechtsverletzung durch das Vertreiben von „VW-Bulli-Miniaturen“?

23. März 2023
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Mehrere Auto in einer Reihe Urteil des OLG Hamburg vom 26.01.2023, Az.: 5 U 61/21

Das OLG Hamburg hatte in zweiter Instanz zu entscheiden, ob das Verkaufen und sonstige Vertreiben von Modell- und Spielzeugautos, die die Miniatur eines durch den Automobilhersteller geschützten Modells darstellen, Markenrechtsverletzungen nach § 14 Abs. 2 MarkenG erfüllt. Dabei stand insbesondere die Frage der Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) im Vordergrund. Entscheidend sei, ob der maßgebliche Verkehrskreis aus der Warenform des Modellautos auf die Herkunft der Ware aus einem konkreten Unternehmen schließen könne oder ob sie ausschließlich der äußeren Ausgestaltung der Ware selbst zuzuordnen sei. Entgegen der Ansicht des Landgerichts bejaht das OLG einen solchen - durch den Verkehr wahrgenommen - Herkunftshinweis auch bei Modell - und Spielzeugautos. Begründet wird dies hauptsächlich mit der wachsenden Bemühung der Automobilbranche, herstellertypische Modelle zu entwickeln, die einen fortlaufenden Wiedererkennungswert haben. Dadurch werde die Beschaffenheit des Autos in den Vordergrund gerückt.

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil vom 26.01.2023

Az.: 5 U 61/21

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16.04.2021, Az. 315 O 213/16, abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, an dessen Stelle im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,

zu unterlassen, Modellautos gemäß den nachfolgenden Abbildungen:

[Abbildung]

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, zu bewerben oder in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder sonstwie in den Verkehr zu bringen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den Handlungen gemäß vorstehend Ziffer I.1. entstanden ist und noch entstehen wird.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses mit folgenden Angaben:

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhen, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d) der insgesamt erzielten Umsatzerlöse und der Gestehungskosten einschließlich aller Kostenfaktoren, jeweils aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, sowie des erzielten Gewinns.

4. Die Beklagte wird – bezogen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – verurteilt, die in Ziffer I.1. benannten und abgebildeten Waren zurückzurufen, sie aus den Vertriebswegen zu entfernen sowie die in ihrem Besitz oder Eigentum stehenden widerrechtlich gekennzeichneten Waren sowie die ihr gehörenden Materialien und Geräte, die vorwiegend zur Kennzeichnung der betreffenden Waren gedient haben bzw. dienen, zu vernichten.

5. Der Klägerin wird die Befugnis zugesprochen, das Urteil ab dessen Rechtskraft auf Kosten der Beklagten in den Fachmagazinen „Toys“ bzw. „Toys Up“ sowie „Modell Fahrzeug“ bekannt zu machen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen des Unterlassungsausspruchs nach Ziffer I.1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,- €, wegen des Auskunfts- und Rechnungslegungsausspruchs nach Ziffer I.3. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- € und wegen des Rückrufs- und Vernichtungsausspruchs nach Ziffer 1.4. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,- € abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Wegen des Kostenausspruchs kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 100.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt – soweit im Berufungsverfahren noch von Belang – die Unterlassung des Anbietens, Bewerbens, Einführens oder auf sonstige Weise in den Verkehr Bringens der im Unterlassungsantrag abgebildeten Modellautos, Schadensersatzfeststellung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Urteilsveröffentlichung, gestützt auf eine Verletzung ihrer deutschen dreidimensionalen Marke (Formmarke) DE 30627911.

Die Klägerin stellt Kraftfahrzeuge her und vertreibt diese u.a. unter der Marke „Volkswagen“ bzw. „VW“ und „VW im Kreis“ weltweit.

Die Beklagte produziert und vertreibt hochpreisige Modellautos, darunter bevorzugt sog. Klassiker (Oldtimer) für Sammler und Werbekunden. Die Preise für ihre Modellautos liegen etwa zwischen 40 € und 250 €.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der VW Bus T1, der volkstümlich verbreitet als „Bulli“ bezeichnet wird (nachfolgend „Bulli“). Der VW „Bulli“ ist erstmals 1950 auf den Markt gebracht worden und findet sich bis heute im Straßenbild. Die Beklagte produziert und vertreibt die im Unterlassungsantrag wiedergegebenen Modellautos des „Bulli“.

Der „Bulli“ ist für die Klägerin u.a. als deutsche dreidimensionale Marke (Formmarke) DE 30627911 geschützt („Klageformmarke“, vgl. Anlagen K 5 und K 15). Die Marke ist mit nachfolgend wiedergegebenen grafischen Abbildungen und einer Priorität vom 02.05.2006 seit dem 12.07.2006 im Register eingetragen:

[Abbildung]

Die Klageformmarke beansprucht Schutz u.a. für die Waren der Warenklasse 12: „Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und/oder auf dem Wasser sowie deren Teile, soweit in Klasse 12 enthalten, einschließlich Kraftfahrzeuge und deren Teile (soweit in Klasse 12 enthalten), […]) und der Warenklasse 28: „Spiele, Spielzeug, einschließlich Fahrzeugmodelle (verkleinert), insbesondere Modellautos und Spielzeugautos; […]“.

Die Beklagte war bis 31.12.2012 Lizenznehmerin der Klägerin und zuletzt einer 100%igen Konzerntochter der Klägerin, der V. Z. GmbH. Unter diesem Lizenzverhältnis vertrieb die Beklagte unter ihrer Marke „Premium ClassiXXs“ u.a. das folgende Modellauto eines VW T1 Busses:

[Abbildung]

[Abbildung]

Auf der Verpackung dieses Modellautos brachte die Beklagte unstreitig bis 31.12.2012 einen Lizenzvermerk wie folgt an:

[Abbildung]

Ob die Klageformmarke Gegenstand der Lizenzierung der Parteien war, ist streitig.

Die Beklagte kündigte die Lizenzbeziehungen zur Klägerin zum 31.12.2012 und zahlt seither keine Lizenzen mehr an die Klägerin für Herstellung und Vertrieb ihrer Modellautos.

Auch noch nach Beendigung der Lizenzbeziehung befanden sich Modellautos und Verpackungen aus dem Hause der Beklagten mit dem nachfolgend abgebildeten Lizenzvermerk auf dem Markt, die die Beklagte vor Beendigung der Lizenzbeziehung in den Verkehr gebracht hat, wie ein Testkauf der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Firma P. N. Modellautos im Februar 2017 gezeigt hat (Rechnung als Anlage K 13 vorgelegt betreffend einen VW Crafter Kastenwagen):

[Abbildung]

Die Beklagte hat die dazugehörige Verkaufsrechnung an die Firma P. N. Modellautos vom 03.12.2012 als Anlage B 1 vorgelegt.

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte verletze mit den gegenständlichen Modellautos ihre, der Klägerin, Rechte an der Klageformmarke.

Die Klageformmarke sei rechtserhaltend genutzt worden.

Über Lizenznehmer lasse sie, die Klägerin, auch Miniaturmodellautos ihrer Kraftfahrzeuge herstellen und vertreibe diese über ihre eigene Vertriebsorganisation sowie im Einzelhandel, insbesondere über den traditionellen Spielzeughandel und Fachgeschäfte für Modellautos. Die Beklagte selbst habe den „Bulli“ aufgrund einer unstreitig zwischen den Parteien bis zum 31.12.2012 bestehenden Lizenzvereinbarung über Jahre originalgetreu als Modellauto hergestellt, vertrieben und mit einem entsprechenden Lizenzvermerk gekennzeichnet. Eine rechtserhaltende Benutzung folge zudem aus den weiteren, als Anlagenkonvolut K 8 vorgelegten Lizenzvereinbarungen betreffend den „Bulli“ aus den Jahren 2013, 2014 und 2015; sie hätten gemäß „Annex A“ auch jeweils die Klageformmarke zum Gegenstand. Abweichungen bei den Modellautos änderten den kennzeichnenden Charakter der Klageformmarke nicht (§ 26 Abs. 3 MarkenG).

Ihr, der Klägerin, stehe im Hinblick auf die angegriffenen Modellautos ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bzw. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu. Es bestehe markenrechtliche Verwechslungsgefahr gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil der Eindruck entstehe, dass die betreffenden Waren zumindest aus miteinander vertraglich oder sonst wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammten. Diese Erwartung bestehe, weil es zwischen den Parteien über viele Jahre eine Lizenzbeziehung gegeben habe und der Verkehr davon aufgrund des angebrachten Lizenzvermerks auch Kenntnis gehabt habe. Nach einschlägigen Verkehrsbefragungen (Anlagen K 6 und K 7) gingen mehr als 60 % der Gesamtbevölkerung und sogar fast 75 % der Käufer bzw. Verwender von Modellautos davon aus, dass diese entweder vom Originalkraftfahrzeughersteller oder dessen Lizenznehmer stammten. Es bestehe auch ein Anspruch aus Bekanntheitsschutz gem. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Die überragende Bekanntheit der Klageformmarke sei unstreitig und ergebe sich aus dem als Anlage K 6 vorgelegten GfK-Gutachten vom 12.11.2015. Die Beklagte beute mit ihren Modellen den Ruf der Klageformmarke unlauter aus.

Eine abweichende Bewertung folge auch nicht aus der „Opel-Blitz II“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2010, 726). Vorliegend gehe es nicht um eine Wort-/Bildmarke, sondern um eine Formmarke, die vollumfänglich von der Beklagten genutzt werde. Der Einwand, der Verkehr erwarte bei der originalgetreuen Wiedergabe eines Kraftfahrzeugs in Form eines Modellautos, dass dort auch die jeweilige Fahrzeugmarke angebracht sei, nämlich dort, wo dies auch beim Kraftfahrzeug der Fall sei, gelte für die Formmarke nicht. Bei der Formmarke gehe es nicht nur um die Anbringung einer Wort- und/oder Bildmarke auf dem Kraftfahrzeug bzw. dem Modellauto, sondern um die Form der Ware selbst, die hier auch für Modellautos geschützt und also verletzt sei. Dass hier die äußere Erscheinungsform der Marke weitestgehend mit der Form der Ware selbst identisch sei, ändere nichts. Zum einen entspreche dies dem Wesen der Formmarke, dessen Rechtswirkungen nicht dadurch unterlaufen werden dürften, dass im Verletzungsprozess Einwände Berücksichtigung fänden, die den Markenschutz letztlich leerlaufen lassen würden. Zum anderen erkenne der maßgebliche angesprochene Verkehr in der Form des „Bulli“ nicht nur die Ware selbst, sondern sehe diese auch als Hinweis auf die Herkunft des betreffenden Spielzeug- bzw. Modellautos aus einem bestimmten Unternehmen bzw. dessen Lizenznehmer.

Die Rückruf- und Vernichtungsansprüche folgten aus § 18 MarkenG, der Anspruch auf Urteilsbekanntmachung aus § 19c MarkenG. Ihr, der Klägerin, berechtigtes Interesse an einer Veröffentlichung des Urteils erschließe sich aus einer zitierten, vom DVSI Bundesverband der Spielwarenindustrie e.V. initiierten und unterstützten Kampagne „No More Copyright & Brand Licenses For Toys“ (Fachzeitschrift „Toys UP“, Ausgabe „Messejournal / Fair Journal 2014“, Anlage K 2). Sie, die Klägerin, habe ein berechtigtes Interesse daran, klargestellt zu wissen, dass es die dort geforderte „Lizenzfreiheit“ für Spielzeug- und Modellautos nicht gebe.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, an dessen Stelle im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,

zu unterlassen, Modellautos gemäß den nachfolgenden Abbildungen:

[Abbildung]

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, zu bewerben oder in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder sonstwie in den Verkehr zu bringen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den Handlungen gemäß vorstehend Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses mit folgenden Angaben:

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhen, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d) der insgesamt erzielten Umsatzerlöse und der Gestehungskosten einschließlich aller Kostenfaktoren, jeweils aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, sowie des erzielten Gewinns.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, die in Ziffer I. benannten und abgebildeten Waren zurückzurufen, sie aus den Vertriebswegen zu entfernen sowie die in ihrem Besitz oder Eigentum stehenden widerrechtlich gekennzeichneten Waren sowie die ihr gehörenden Materialien und Geräte, die vorwiegend zur Kennzeichnung der betreffenden Waren gedient haben bzw. dienen, zu vernichten.

V. Der Klägerin wird die Befugnis zugesprochen, das Urteil auf Kosten der Beklagten in den Fachmagazinen „Toys“ bzw. „Toys Up“ sowie „Modell Fahrzeug“ bekannt zu machen.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die Klage sei nicht begründet.

Die Beklagte hat die Einrede der Nichtbenutzung der Klageformmarke erhoben und geltend gemacht, die Klägerin habe diese Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor Klagerhebung nicht benutzt, und zwar insbesondere nicht für Waren der Klassen 12 und 28. Die Klägerin habe seit über 50 Jahren kein Kraftfahrzeug mit den Merkmalen wie in der Klageformmarke wiedergegeben mehr hergestellt und damit die Klageformmarke nicht für Waren der Klasse 12 benutzt. Auch für Waren der Klasse 28 habe die Klägerin die Klageformmarke nicht benutzt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin Miniaturmodelle ihrer Kraftfahrzeuge herstellen lasse und diese über ihre eigene Vertriebsorganisation vertreibe. Die Klageformmarke sei nicht Gegenstand einer Lizenzierung gewesen. Ihr, der Beklagten, habe es jedenfalls am notwendigen Fremdbenutzungswillen im Hinblick auf die Klageformmarke gefehlt. Ob sich auf ihren, der Beklagten, Modellen ein Lizenzhinweis befunden habe oder befinde, sei irrelevant, da sich dieser nicht auf eine Marke beziehen könne, die gar nicht Gegenstand der Lizenzvereinbarung gewesen sei.

Es sei auch nicht richtig, dass die allermeisten Hersteller VW-Modellautos mit Lizenzen herstellten, da namhafte Hersteller wie Au., AW., Br., Ke., KK., Ma., Mi., Rie., Rio., Sch., Wi. etc. VW-Modellautos ohne Lizenzen herstellten oder diese zumindest ohne entsprechenden Lizenzaufdruck vertrieben.

Zudem fehle es aber jedenfalls an einer ernsthaften Benutzung im Sinne eines Herkunftshinweises. Es werde bestritten, dass die Klageformmarke überhaupt „als Marke“ in diesem Sinne von der Klägerin benutzt worden sei. Sämtliche VW Busse T1 („Bulli“) der Klägerin und auch sämtliche Miniaturmodelle dieses Fahrzeugs seien mehrfach mit dem bekannten „VW“-Logo der Klägerin gekennzeichnet gewesen, und zwar großformatig an der Fahrzeugfront sowie seitlich auf jeder Radkappe wie auch aus den Anlagen K 3 und K 4 ersichtlich. Entsprechendes gelte für die originalgetreu hergestellten Miniaturmodelle.

Unabhängig davon stelle das Anbieten von originalgetreuen Miniaturmodellen des „Bulli“ keine rechtsverletzende Benutzung der Klagemarke dar. Wenn ein Modellauto als maßstabgetreues Abbild eines real existierenden Vorbildfahrzeugs hergestellt werde, beeinträchtige das weder die Herkunftsfunktion noch sonstige Markenfunktionen einer entsprechenden Formmarke für das Spielzeug. Analog zur „Opel-Blitz-II“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs reiche es insbesondere nicht aus, dass die angesprochenen Verkehrskreise die originalgetreue Form des Modellautos als Form des Kraftfahrzeugs „Bulli“ erkennen. Entscheidend sei vielmehr, dass die Verbraucher die Form des Modellautos nicht als Hinweis auf die Herkunft des Modellautos selbst sehen würden, sondern als Nachbildung eines realen Fahrzeugs. Daher bringe der Verbraucher das Modellauto – wenn überhaupt – mit einer Formmarke für Kraftfahrzeuge, aber nicht für Modellautos in Verbindung.

Etwas Anderes folge insbesondere nicht aus einer von der Klägerin geltend gemachten Parallele zum Merchandisinggeschäft, die nicht bestehe.

Herstellung und Vertrieb von originalgetreuen Miniaturmodellen des „Bulli“ bewirkten somit von vornherein keine rechtsverletzende Benutzung der Klageformmarke gemäß § 14 Abs. 2 MarkenG. Unabhängig davon fehle es aber auch an einer Verwechslungsgefahr. Insbesondere sei der Gesamteindruck der Modellautos ein deutlich anderer als derjenige der Klagemarke.

Das GfK-Gutachten vom 12.11.2015 (Anlage K 6) helfe der Klägerin nicht. Durch die Bezugnahme auf die Fahrzeugform lasse die Umfrage allenfalls Rückschlüsse auf die für Kraftfahrzeuge (Klasse 12) eingetragene Klagemarke zu; zu dem Bereich Miniaturmodelle (Klasse 28) sage das Gutachten nichts aus.

Zudem nutzten die streitgegenständlichen Modellautos weder die Unterscheidungskraft noch die Wertschätzung der Klagemarke in unlauterer Weise aus. Auch auf der Verpackung finde sich ein deutlicher und ausschließlicher Hinweis auf ihre, der Beklagten, Marke „Premium ClassiXXs“.

Eine nicht rechtsverletzende Benutzung sei aber auch keine rechtserhaltende Benutzung.

Mangels Rechtsverletzungen seien auch die Annexansprüche unbegründet.

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 16.04.2021 die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Mit den im Antrag zu I. wiedergegebenen Modellautos verletze die Beklagte die Markenrechte der Klägerin an ihrer Klageformmarke nicht. Ansprüche nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 MarkenG scheiterten daran, dass die Beklagte die Klageformmarke mit den gegenständlichen Modellautos nicht markenmäßig für Modellautos (Klasse 28) benutzt habe. Die Beklagte verletze mit ihren Modellautos auch nicht die Markenrechte der Klägerin an der für „Fahrzeuge für Beförderung auf dem Lande“ in Klasse 12 eingetragenen Klageformmarke. Ansprüche gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG schieden aus, weil Kraftfahrzeuge und Spielzeug- oder Modellautos unähnlich seien. Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG seien nicht gegeben, weil es an einer unlauteren Rufausbeutung fehle. Wegen der Einzelheiten wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren, soweit es auf die Klageformmarke, ihr Hauptbegehren, gestützt worden ist, im Berufungsverfahren weiter. Dabei wiederholt sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertieft es insbesondere im Hinblick auf die bestrittene rechtserhaltende Benutzung durch Vorlage weiterer schriftlicher Lizenzunterlagen zur rechtserhaltenden Nutzung der Klageformmarke für Modell-/Spielzeugautos und Vortrag zur rechtserhaltenden Nutzung der Klageformmarke für Kraftfahrzeuge.

Die Klägerin meint, das Landgericht habe zu Unrecht die rechtserhaltende Benutzung der Klageformmarke in Frage gestellt. Die Beklagte habe die rechtserhaltende Benutzung für Modell-/Spielzeugautos unzulässig mit Nichtwissen bestritten. Unstreitig habe die Beklagte bis 31.12.2012 aufgrund bestehender Lizenzvereinbarungen den „Bulli“ originalgetreu als Modellauto hergestellt und vertrieben. Die Benutzung der Marke mit Zustimmung des Markeninhabers gelte nach § 26 Abs. 2 MarkenG als Benutzung durch den Inhaber. Der Umstand, dass in dem schriftlichen Lizenzvertrag mit der Beklagten die Klageformmarke nicht aufgeführt sei, sei nicht erheblich. Die Beklagte habe während des bestehenden Lizenzverhältnisses mit ihrer, der Klägerin, 100%igen Konzerntochter die „Bulli“-Formmarke benutzt und zwar mit ihrer, der Klägerin, Zustimmung. An den Nachweis der Zustimmung i.S.v. § 26 Abs. 2 MarkenG seien keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Bei hier vorliegender jahrelanger enger Zusammenarbeit zwischen den Parteien auf der Grundlage verschiedener Lizenzverträge sei die Annahme der Benutzung der Marke ohne Wissen und Einwilligung des Markeninhabers und ohne „Fremdbenutzungswillen“ der Beklagten als Lizenznehmerin „wirklichkeitsfremd“.

Sie, die Klägerin, habe die Klageformmarke auch rechtserhaltend für Kraftfahrzeuge benutzt.

Ausreichend seien insoweit der Verkauf gebrauchter Fahrzeuge ggf. nach originalgetreuer Wiederherstellung sowie der Vertrieb von Ersatzteilen und Zubehör. Sie, die Klägerin, biete – wie unstreitig ist – originalgetreue Werksrestaurierungen auch des VW Bulli T 1 an (vgl. Prospekt Anlage K 25). Daneben sei sie – ebenfalls unstreitig – „historisch“ aktiv, u.a. mit der Vermietung von „Bulli“ Oldtimern, der Teilnahme auf Oldtimer Messeständen und Oldtimer Veranstaltungen.

Die Klägerin meint weiter, die vom Landgericht herangezogene „Opel-Blitz II“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2010, 726) sei nicht anwendbar bzw. korrekturbedürftig, sie werde den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten nicht bzw. nicht mehr gerecht, stehe nicht im Einklang mit den Vorgaben der vorausgegangenen „Adam Opel/Autec“- Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH GRUR 2007, 318) und erscheine vor dem Hintergrund nachfolgender Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs überholt. Zudem sei im Unterschied zur „Opel-Blitz II“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorliegend eine Formmarke gegenständlich, so dass die Entscheidung nicht übertragbar sei. Das Landgericht habe in tatsächlicher Hinsicht Vortrag ausgeblendet, der geeignet sei, den „starren Blick“ auf das „Opel-Blitz II“-Urteil des Bundesgerichtshofs zu stören. Dies gelte für den Vortrag zur Verkehrsauffassung bzw. Verbrauchererwartung, die inzwischen eine andere sei als im „Opel-Blitz II“-Urteil noch unterstellt worden sei, insbesondere durch den Vertrieb von Merchandisingartikeln. Es sei entscheidend, ob die Fahrzeugform selbst nach Maßgabe ggf. einschlägiger gewerblicher Schutzrechte, hier der dreidimensionalen Warenformmarke, geschützt sei. Wenn dies der Fall sei, könne der Rechtsinhaber gegen die Übernahme der äußeren Formgebung des Kraftfahrzeugs durch den Modellautohersteller auch nach der „Opel-Blitz II“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorgehen. Die „Opel-Blitz II“-Entscheidung zum Bildzeichen lasse sich nicht auf die gegenständliche Klageformmarke des „Bulli“ übertragen. Der Bundesgerichtshof unterscheide zwischen dem „Nachmachen“ des Kraftfahrzeugs in seiner Gesamtheit und der Verwendung der bekannten Marke auf einer Nachbildung. Zudem stamme die große Mehrzahl der auf dem Markt angebotenen Modell- bzw. Spielzeugautos inzwischen von Herstellern, die ihre Miniaturautomodelle nach Maßgabe einer entsprechenden Lizenz herstellten und vertrieben. Es bestehe die berechtigte Erwartung der Verbraucher, dass Hersteller eine Erlaubnis oder Lizenz des Originalfahrzeugherstellers benötigten, wenn sie Spielzeug- oder Modellautos herstellen und vertreiben wollten.

Eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion lasse sich nicht verneinen. Das Motiv, den Spielwarenmarkt als nachgelagerten Sekundärmarkt von „markenrechtlichen Monopolen“ der Kraftfahrzeughersteller freizuhalten, sei eine sachfremde Erwägung. Damit würde jeder Markentransfer in originär „fremde“ Geschäftsfelder, insbesondere das Merchandisinggeschäft, als „uninteressant“ marginalisiert und blockiert werden können, was nach Maßgabe des Markenrechts nicht zu rechtfertigen sei. Dem Markenrecht seien außerhalb markenrechtlicher Schutzschranken keine weiteren Schranken immanent, insbesondere keine wettbewerbspolitischen. Der „Anknüpfungsgedanke“ des Bundesgerichtshofs und die damit verbundene „immanente“ Beschränkung der Reichweite der geschützten Marke, wonach die auf Lizenzbeziehungen zwischen dem Kraftfahrzeughersteller und dem Hersteller von Spielzeug- bzw. Modellautos bezogenen Herkunftsvorstellungen des Verkehrs an die Verwendung der Originalmarke für Kraftfahrzeuge anknüpften, und gerade nicht für Spielzeug, sei dem Markenrecht fremd. Wenn eine Marke – wie hier – für Spielzeug- bzw. Modellautos ebenfalls Schutz genieße, könnten dem Markeninhaber seine daraus folgenden Rechte nicht mit dem Hinweis darauf abgeschnitten werden, der Verbraucher kenne die Marke aus einem anderen Zusammenhang, hier: Kraftfahrzeuge, und werde deshalb die Marke nicht (auch) mit Spielzeug in Verbindung bringen. Mit dieser Argumentation müsste der Markenschutz auch im Bereich des Merchandisinggeschäfts verneint werden. Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärmarkt finde im Markenrecht keine Stütze. Eine „Spielzeugklausel“ analog der „Reparaturklausel“ im Designrecht gebe es im Markenrecht nicht. Der Europäische Gerichtshof habe eine Anwendung der – allein in Betracht kommenden – Schrankenregelung des § 23 MarkenG auf Spielzeug- bzw. Modellautos gerade abgelehnt (EuGH GRUR 2007, 318 Rn. 39, 44 – Adam Opel/Autec).

Es seien auch andere Markenfunktionen, etwa die Qualitäts-, Werbe-, Kommunikations- und Investitionsfunktion, im Rahmen von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG relevant. Wenn identische Waren mit identischen Zeichen vertrieben würden, liege – abgesehen von der damit notwendig einhergehenden Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion – die Beeinträchtigung der Werbefunktion auf der Hand. Der Werbewert von Spielzeug- und Modellautos sei geeignet, jedenfalls das Image der Kraftfahrzeugmarke zu unterstützen. Wer dem Markeninhaber die Kontrolle über die Qualität der mit der Marke versehenen Ware entziehe, beeinträchtige die Hauptfunktion der Marke. Vorliegend sei insbesondere die Werbe- und Kommunikationsfunktion der Formmarke „Bulli“ beeinträchtigt. Der Bundesgerichtshof habe in der „Sparkassen-Rot“-Entscheidung betont, dass die Werbe- und Kommunikationsfunktion beeinträchtigt sein könne durch die „Gefährdung einer generellen Positionierung auf dem Markt im Sinne eines einheitlichen, in sich geschlossenen Marktauftritts des Markeninhabers“ (BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 81). Dies sei auf Spielzeug- und Modellautos übertragbar.

Die Verweigerung jeglichen Schutzes der für Spielzeug- und Modellautos eingetragenen Marke führe dazu, dem Markeninhaber jede Möglichkeit der Übertragung des guten Rufs seiner bekannten Marke auf andere Produktfelder abzuschneiden. Es liege eine Beeinträchtigung der Werbefunktion darin, dass seine eigenen Spielzeug- / Modellautos mit identischen Erzeugnissen Dritter konkurrierten. Es möge richtig sein, dass der Verkehr bei einem originalgetreu nachgebauten Modellauto erwarte, dass dort auch die Originalautomarke angebracht sei. Darüber, welche rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssten, gebe die bloße Feststellung dieser Verkehrserwartung keinen Aufschluss. Wer sich für ein „derivatives“ Geschäftsmodell entscheide und damit notwendig auf fremdes geistiges bzw. industrielles Eigentum zugreifen müsse, könne nicht erwarten, dass er dafür keine Erlaubnis benötige.

Der „Opel-Blitz II“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei jedenfalls im Rahmen des Bekanntheitsschutzes des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht zu folgen. Bei der Unlauterkeit der Rufausbeutung der Originalmarke (z.B. Kraftfahrzeugmarke) gehe es um eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter dem Mantel der Unlauterkeitsbeurteilung. Dieses Vorgehen des Bundesgerichtshofs sei nicht durch das Vorabentscheidungsurteil des Europäischen Gerichtshofs gedeckt gewesen und hätte einer erneuten Vorlage bedurft. Zudem komme es bei bekannten Marken auf die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der betreffenden Marke nicht an, es genüge ein gedankliches Inverbindungbringen. Vorliegend gingen über 50 % der Befragten und knapp 65 % der Befragten des engeren Verkehrskreises davon aus, dass Hersteller von Spielzeug-/Modellautos eine Erlaubnis oder Lizenz des Originalfahrzeugherstellers benötigten (vgl. GfK-Gutachten Anlage K 7), die die Beklagte unstreitig nicht mehr habe. Eine Verletzung der Klagemarke gem. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG liege daher vor.

Die Beklagte könne sich für die hier streitige Markenbenutzung nicht auf einen „rechtlich gesicherten Ausnahmetatbestand“ berufen. Ob ein gewohnheitsrechtlicher Ausnahmetatbestand zum Tragen komme, bedürfte einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. Zudem sei es Sache der Beklagten, die tatsächlichen Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes darzulegen und zu beweisen, etwa eine (ggf. fortbestehende) „Üblichkeit“, Modellautos ohne Erlaubnis des betreffenden Kraftfahrzeugherstellers originalgetreu herzustellen und zu vertreiben, die nicht bestehe.

Nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Kennzeichenrechte sei der Anwendungsbereich einer Formmarke nicht kleiner als der Anwendungsbereich anderer Markenformen. Der Schutzumfang der Formmarke dürfe nicht derart beschnitten werden, dass ihr praktisch kein Raum mehr zukäme. Originalgetreue Modellautos aus dem Anwendungs- und Schutzbereich der eingetragenen Marke außerhalb der gesetzlich festgelegten Schutzschranken auszunehmen, hieße, der Marke insoweit jedweden Schutz zu nehmen, sie also leerlaufen zu lassen. Dies dürfe nach dem Bindungsgrundsatz aber nicht sein.

Der Hinweis, der Verkehr sehe im Spielzeug- bzw. Modellauto nur die „Abbildung der Wirklichkeit“, könne kein Grund sein, die Verwendung der Marke als „gerechtfertigt“ anzusehen, solange insoweit keine Schrankenregelung angeführt werden könne. Insbesondere die gleichsam „verdeckt“ analoge Anwendung von § 23 Nr. 2 MarkenG komme nicht in Betracht. Der Bundesgerichtshof überschreite mit seiner „Anlehnung“ an § 23 Nr. 2 MarkenG die vom Europäischen Gerichtshof gezogene Grenze des Gesetzesvorbehalts.

Die Klägerin beantragt,

das mit der Berufung angegriffene Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte nach Maßgabe der Klage vom 07.03.2016 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Beklagte meint, das Landgericht sei zu dem richtigen Ergebnis gekommen, dass ihre angegriffenen Modellautos keine Rechte der Klägerin an der Klageformmarke verletzten. Zutreffend sei darüber hinaus die Feststellung des Landgerichts, dass die Klägerin eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke nicht dargetan habe. Der Übertragbarkeit der „Opel-Blitz II“-Rechtsprechung stehe im Streitfall nicht entgegen, dass es sich bei der Klagemarke um eine dreidimensionale Marke handele. Entscheidend sei, dass die Verkehrskreise vorbildgetreue Modellautos nicht mit Spielzeug in Verbindung brächten, sondern sie in jeder Hinsicht als Nachbildungen von Kraftfahrzeugen verstünden. Dieser Umstand gelte unabhängig von der Markenform und führe dazu, dass bei vorbildgetreuen Modellautos der Identitätsschutz generell nicht betroffen sei. Sie, die Beklagte, könne sich für ihre Modelle auf einen rechtlich gesicherten Ausnahmetatbestand berufen, an dem die Rechtsprechung seit über 20 Jahren festhalte.

Die Formgestaltung eines Modellautos stelle die Abbildung der Wirklichkeit dar, die der Verbraucher als detailgetreue Nachbildung des Vorbildfahrzeugs verstehe und mit der Form von Kraftfahrzeugen in Verbindung bringen werde. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erfordere jedoch, dass die Herkunftsfunktion in Bezug auf identische Waren beeinträchtigt sei. Maßgeblich sei, ob die Verbraucher in dem Zeichen einen Hinweis auf die Herkunft des Modellautos sähen, was sie aber nicht täten. Bei Verbrauchern entstünde auch nicht die Vorstellung, die angegriffenen Modellautos stammten von einem mit der Klägerin wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Der Bundesgerichtshof habe sich in der „Opel-Blitz II“-Entscheidung auch damit befasst und den Schutzbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht erfasst angesehen. Bei der Beurteilung der Herkunftsvorstellung mit Blick auf originalgetreue Modellautos mache es keinen Unterschied, ob eine zweidimensionale Marke oder dreidimensionale Marke benutzt werde. Dieses Verbraucherverständnis werde von den vorgelegten GfK-Gutachten Anlagen K 6 und K 7 nicht in Frage gestellt. Dass die Verkehrskreise in der Form eines Modellautos einen Hinweis auf dessen Herkunft sähen, ergebe sich daraus nicht. Zu Recht habe das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Klageformmarke nicht für Modellautos verkehrsdurchgesetzt sei. Lizenzvermerke auf Verpackungen änderten daran nichts. Sie, die Beklagte, bestreite weiter mit Nichtwissen, dass mehr als 60 % der Verkehrskreise davon ausgingen, dass die Modellautos vom Originalhersteller oder dessen Lizenznehmer stammten. Es treffe auch nicht zu, dass die Mehrzahl der auf dem Markt angebotenen Spielzeug- und Modellautos von lizenzierten Herstellern stammten. Es könne zudem dahinstehen, wie viele der auf dem Markt angebotenen Modellautos von lizenzierten Unternehmen stammten, weil auch dieser Gesichtspunkt den Bundesgerichtshof nicht dazu bewogen habe, die wirklichkeitsgetreue Nachbildung durch Modellautos als unlauter anzusehen. Modellautos seien nicht mit Fan-Schals, Mützen etc. vergleichbar, die die Klägerin als Merchandising-Artikel bezeichne. Diesen Alltagsprodukten werde durch die Kombination mit einer frei wählbaren Marke oder Formgestaltung ein zusätzlicher Wert verliehen, der ihnen ansonsten nicht zukäme. Originalgetreue Automodelle entstünden nicht durch die Kombination eines Alltagsprodukts mit einer wertsteigernden Marke, sondern seien als realitätsgetreue Abbilder „alternativlos“. Die Funktion eines Modellautos erschöpfe sich in der wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe eines real existierenden Kraftfahrzeugs, vergleichbar mit der redaktionellen Wiedergabe von Autos in Büchern oder Magazinen. Entgegen der Ansicht der Klägerin weise der vorliegende Fall gegenüber der „Opel-Blitz II“-Entscheidung keine Besonderheiten auf. Auch der Vergleich zum Designrecht helfe der Klägerin nicht. Die behauptete „designrechtliche Prägung der Verkehrserwartung“ finde im Markenrecht keine Stütze. Die Argumentation sei vorliegend auch deshalb verfehlt, weil es sich um die Nachbildung eines 70 Jahre alten Autos handele. Die Klägerin mache (nur) markenrechtlichen Schutz geltend und müsse sich an die von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen des Markenschutzes halten. Die Herkunftsfunktion der Klagemarke sei hiernach nicht beeinträchtigt.

Es liege auch keine Beeinträchtigung anderer Markenfunktionen vor. Die angesprochenen Verbraucher würden die Verwendung eines Zeichens auf einem Modellauto – und auch das Modellauto selbst – nicht auf die Ware „Spielzeug“ beziehen. Daher könnten andere Markenfunktionen in Bezug auf die für Spielzeug eingetragene Marke von vornherein nicht betroffen sein. Sie, die Beklagte, bestreite im Übrigen, dass ihre Modellautos Funktionen der Klagemarke einschränkten. Durch die originalgetreue Wiedergabe des „VW Bus T1“ der Klägerin finde weder ein Imagetransfer von der Klägerin auf sie, die Beklagte, oder deren Automodelle statt noch werde die Kennzeichnungskraft der Klagemarke geschwächt. Weil originalgetreue Modellautos als realgetreue Abbilder der Wirklichkeit aufgefasst würden, unterschieden sie sich von Merchandisingprodukten. Die Klägerin sei durch ihre, der Beklagten, Modellautos nicht in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, Merchandising-Produkte zu produzieren und zu vertreiben. Modellautos seien anders als Merchandising- oder Fan-Produkte imagemäßig und werbetechnisch neutral, sie „zitierten“ reale Kraftfahrzeuge bloß.

Es liege auch kein Anspruch aus Bekanntheitsschutz (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) vor. Eine unlautere Rufausbeutung sei zu verneinen. Die angegriffenen Modellautos beeinträchtigten weder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Klagemarke noch nutzten sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise aus. Es bestehe kein „entgegengestehendes Verbraucherverständnis“, insbesondere nicht aus dem GfK-Gutachten gem. Anlage K 7. Durch die originalgetreue Wiedergabe des „VW Bus T1“ finde kein Imagetransfer statt und sie, die Beklagte, begebe sich auch nicht in den Bereich der „Sogwirkung“ der Klagemarke. Die Modellautos seien hinsichtlich des Images „neutral“. Ein etwaiges positives Image der Klägerin im Bereich von Kraftfahrzeugen sei nicht auf Modellautos übertragbar. Dies gelte auch für die angebliche „Sogwirkung“. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner „Opel-Blitz II“-Entscheidung seien im Hinblick auf § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG das Ergebnis der in diesem Rahmen gebotenen Abwägungsentscheidung. Mit der Anwendung von § 23 Nr. 2 MarkenG habe dies nur insoweit zu tun, als auch im Rahmen dieser Vorschrift eine Abwägungsentscheidung zu treffen sei.

Schließlich halte sie, die Beklagte, die Einrede der Nichtbenutzung aufrecht. Die Klägerin habe die Klagemarke nicht für Kraftfahrzeuge (Klasse 12) rechtserhaltend benutzt. Hinsichtlich der Benutzung für Spielzeug (Klasse 28) habe die Klägerin eine ernsthafte Benutzung nicht dargelegt. Aus dem Lizenzvertrag mit ihr, der Beklagten, lasse sich eine ernsthafte Benutzung der Klagemarke nicht herleiten, weil es an dem notwendigen Fremdbenutzungswillen fehle. Die im Berufungsverfahren von der Klägerin neu vorgelegten Lizenzverträge mit Dritten und der hierzu neu gehaltene Sachvortrag seien gem. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Da zudem die Gestaltung eines originalgetreuen Modells keine markenverletzende Benutzung der entsprechenden Formmarke sein könne, sei hierin auch keine rechtserhaltende Benutzung zu sehen. Somit wären selbst auf der Grundlage von Lizenzverträgen gemäß der Klagemarke hergestellte Modellautos nicht als rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke anzusehen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Die Klägerin hat – wie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.11.2022 angekündigt – mit Schriftsatz vom 17.11.2022 die Anlagen K 11, K 12 und K 13 erneut zur Gerichtsakte gereicht. Die Parteien haben jeweils am 24.01.2023 einen nicht nachgelassenen Schriftsatz zur Akte gereicht.

II.

1. Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

a. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind – nach einer Berufungsrücknahme im Hinblick auf die hilfsweise verfolgten Streitgegenstände aus der zunächst ebenfalls gegenständlichen Bildmarke und aus Wettbewerbsrecht – Unterlassungsansprüche der Klägerin aus der Klageformmarke aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Identitätsschutz), § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (Verwechslungsschutz) und § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (Bekanntheitsschutz) sowie darauf bezogene Folgeansprüche.

b. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Entgegen der Ansicht des Landgerichts stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche wegen einer Verletzung ihrer Klageformmarke DE 30627911 vorliegend zu. Durch das Anbieten, Bewerben, Einführen oder auf sonstige Weise in den Verkehr Bringens der im Tenor zu I.1. wiedergegebenen Modellautos verletzt die Beklagte die Markenrechte der Klägerin an ihrer Klageformmarke. Die Klägerin kann insoweit – bezogen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – Unterlassung, Feststellung eines Schadensersatzanspruchs, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Urteilsbekanntmachung beanspruchen. Die Klage ist zulässig und begründet.

aa. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Klageanträge hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2022, 1336 Rn. 12 – dortmund.de). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn auf die konkrete Verletzungshandlung Bezug genommen wird und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Wettbewerbsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (BGH GRUR 2022, 1336 Rn. 12 – dortmund.de).

Der Unterlassungsantrag zu I. nimmt auf konkrete, eingeblendete Verletzungsformen Bezug und ist vor diesem Hintergrund hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zudem klargestellt, dass sich ihr Antrag zu IV. (Rückruf und Vernichtung) ebenfalls auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezieht. Eine hinreichende Bestimmtheit der Anträge ist damit insgesamt gegeben.

bb. Die Klage ist aus der Klageformmarke entgegen der Ansicht des Landgerichts begründet. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Nichtbenutzung bleibt im Streitfall ohne Erfolg. Die gegenständlichen Modellautos der Beklagten stellen eine Verletzung der Klageformmarke DE 30627911 dar.

aaa. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die gegenständlichen Verletzungsformen aus § 14 Abs. 2 MarkenG zu.

(1) Nach § 14 Abs. 2 MarkenG n.F. ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt (Nr. 1), ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird (Nr. 2) oder ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (Nr. 3). Sachliche Änderungen sind mit der Neuformulierung des § 14 MarkenG mit Wirkung zum 14.01.2019 nicht verbunden (vgl. BGH GRUR 2019, 522 Rn. 12 – SAM).

(2) Die Klägerin ist – wovon das Landgericht zu Recht ausgegangen ist – Inhaberin der Klageformmarke DE 30627911 (Anlagen K 5 und K 15), die nach Maßgabe der nachfolgenden Abbildungen mit Priorität vom 02.05.2006 seit dem 12.07.2006 im Register eingetragen ist:

[Abbildung]

Der Schutz besteht u.a. für Waren der Warenklasse 12 (Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande) und der Warenklasse 28 (Spiele, Spielzeug, einschließlich Fahrzeugmodelle (verkleinert), insbesondere Modellautos und Spielzeugautos).

(3) Die von der Beklagten erhobene Einrede der Nichtbenutzung gem. § 25 Abs. 2 MarkenG bleibt – entgegen der Ansicht des Landgerichts – ohne Erfolg. Die Klägerin hat die Klageformmarke sowohl für Modellautos und Spielzeugautos (Klasse 28) als auch für Kraftfahrzeuge (Klasse 12) im maßgeblichen Benutzungszeitraum rechtserhaltend benutzt.

(a) Gem. § 25 Abs. 2 Satz 1 MarkenG hat der Kläger im Verletzungsverfahren auf Einrede des Beklagten nachzuweisen, dass die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor Erhebung der Klage für die Waren oder Dienstleistungen, auf die er sich zur Begründung seines Anspruchs beruft, gem. § 26 MarkenG benutzt worden ist oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Der Zeitpunkt der Klageerhebung bestimmt sich nach § 253 Abs. 1 ZPO und stellt auf die Zustellung der Klage ab (Bogatz in BeckOK Markenrecht, 31. Ed., § 25 Rn. 21.1). Demnach ist der relevante Benutzungszeitraum vorliegend vom 02.04.2011 bis 01.04.2016. Die Klagezustellung ist am 02.04.2016 erfolgt. Insoweit gilt § 187 Abs. 1 BGB für Rückwärtsfristen entsprechend (vgl. Grüneberg-Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 187 Rn. 4).

(b) Das Landgericht hat angenommen, die Klägerin habe bisher nicht ausreichend dazu vorgetragen, dass sie die Klageformmarke rechtserhaltend für Modellautos und Spielzeugautos genutzt hat. Im Hinblick auf die Nutzung durch die Beklagte bis zur Beendigung der Lizenzvereinbarung zum 31.12.2012 fehle es an einem Fremdbenutzungswillen der Beklagten; die Klageformmarke sei nicht in dem als Anlage K 1 vorgelegten Lizenzvertrag genannt als eine der aufgelisteten, vom Lizenzvertrag erfassten Marken. Soweit die Klägerin auf die als Anlagenkonvolut K 8 vorgelegten Lizenzvereinbarungen mit der LEGO System A/S, der Castline Inc. und der Paragon Child Products Co., Ltd. verweise, sei zwar unstreitig, dass diese Verträge noch fortbestehen und die V. Z. GmbH auch berechtigt gewesen sei, die streitgegenständliche Klageformmarke zu lizenzieren. Es fehle jedoch jeglicher Vortrag zu Art und Umfang der Nutzung durch diese Lizenznehmer. Im Ergebnis komme es auf eine rechtserhaltende Benutzung aber nach Ansicht des Landgerichts nicht an, weil es an einer Markenverletzung durch die Beklagte fehle.

(c) Nach Ansicht des Senats können die Voraussetzungen des § 26 MarkenG vorliegend nicht verneint werden.

(aa) Das Landgericht ist im Ausgangspunkt von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen: Nach § 26 Abs. 1 MarkenG muss die Marke von ihrem Inhaber für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Inland ernsthaft benutzt worden sein, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Nach § 26 Abs. 2 MarkenG gilt die Benutzung der Marke mit Zustimmung des Inhabers als Benutzung durch den Inhaber. Die Beweislast für die rechtserhaltende Benutzung trägt nach § 25 Abs. 2 MarkenG der Kläger des Verletzungsverfahrens. Dabei hat der Kläger zunächst nur substantiiert zu Art und Umfang der Benutzung vorzutragen. Nur soweit der Beklagte den Vortrag wirksam bestreitet, muss in eine Beweisaufnahme eingetreten werden (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 25 Rn. 39). Ob das Bestreiten des Beklagten wirksam ist, richtet sich dabei nach den allgemeinen Regeln. Soweit der Beklagte z.B. als Lizenznehmer im relevanten Zeitraum selbst für die Benutzung der Marke zuständig war, kommt eine sekundäre Darlegungslast in Betracht bzw. kann im Einzelfall das Bestreiten unbeachtlich sein, weil es erkennbar wider besseres Wissen erfolgt (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 25 Rn. 39). Neuer Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren ist etwa dann zuzulassen, wenn ein bereits schlüssiges oder erhebliches Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (BGH GRUR 2015, 685 Rn. 17 – STAYER).

(bb) Vorliegend liegt eine Drittbenutzung mit Zustimmung der Klägerin als Markeninhaberin für Spielzeug-/Modellautos und damit Waren der Warenklasse 28 i.S.v. § 26 Abs. 2 MarkenG sogar durch die Beklagte bis zum 31.12.2012 und damit im relevanten Benutzungszeitraum vor. Der Beklagten fehlte auch nicht der erforderliche Fremdbenutzungswille. Insoweit hat die Beklagte Art und Umfang ihrer Nutzung auch nicht (erheblich) bestritten.

Unstreitig vertrieb die Beklagte bis zum 31.12.2012 den VW Bus T1 („Bulli“) als originalgetreues Modellauto im Rahmen einer Lizenzvereinbarung mit der V. Z. GmbH, einer 100%igen Konzerntochter der Klägerin. Vertrieben worden ist das folgende Modellauto:

[Abbildung]

[Abbildung]

Auf der Verpackung befand sich unstreitig bis 31.12.2012 ein Lizenzvermerk: „Officially licensed by Volkswagen“.

Zwar trifft es zu, dass über den beispielhaft als Anlage K 1 vorgelegten Lizenzvertrag auf einen Fremdbenutzungswillen betreffend die gegenständliche Formmarke nicht geschlossen werden kann. Dieser Lizenzvertrag bezieht sich zudem auf das „Modellauto Volkswagen Concept Bulli Studie Genf 2011 im Maßstab 1:43, Resin, ohne Antrieb“ und damit auf ein jüngeres Modell und führt die Klageformmarke auch nicht an. Demnach kann über den Vertrag Anlage K 1 eine rechtserhaltende Benutzung der Klageformmarke – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – nicht begründet werden.

Jedoch bezieht sich der im Berufungsverfahren vorgelegte unstreitige Lizenzvertrag Nr. L0851 vom 12./15.10.2003 mit der Beklagten (Anlage K 26) gerade auf den VW Bus T1 („Bulli“). Es handelt sich zwar um neues klägerisches Vorbringen in der Berufungsinstanz, das jedoch unstreitig ist. Neues unstreitiges Vorbringen ist in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen (Zöller-Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 531 Rn. 20). Zudem handelt es sich um ein konkretisierendes Vorbringen der Klägerin, da der Vertrieb des vorgenannten Modellautos durch die Beklagte im Rahmen einer Lizenzbeziehung zur Klägerin bzw. deren 100%iger Konzerntochter schon in erster Instanz unstreitig gewesen ist.

Dieser Vertrag aus dem Jahr 2003 führt zwar unstreitig die seit dem Jahr 2006 eingetragene Klageformmarke nicht an. Jedoch spricht für eine nicht abschließende Markenaufzählung der Zusatz in Anlage 1 zu diesem Lizenzvertrag: „und weitere Länder, in denen entsprechende Marken(-anmeldungen) eingereicht/registriert sind.“. Die Lizenzierung bezog sich zudem auch auf die Form des VW Bus T1, da auch „Urheberrechte für Volkwagen Bus und „Kastenwagen“ (T1)“ gemäß Anlage 1 Gegenstand dieses Lizenzvertrages waren. Damit ist auch die Nutzung der Form des VW Bus T1 durch die Beklagte bis zum 31.12.2012 im Rahmen einer Lizenzbeziehung mit der Klägerin bzw. deren 100%iger Konzerntochter erfolgt. Die Form konnte und sollte verwendet werden. Die Form lässt sich nicht aus dem Vertrag vom 12./15.10.2003 (Anlage K 26) herauslösen.

Es hat zudem das unstreitige Schreiben der V. Z. GmbH als 100%iger Konzerntochter der Klägerin vom 23.08.2010 (Anlage K 27) gegeben, das eine Anpassung und Heraufsetzung der Stücklizenzen auf 7 % des Nettoverkaufspreises für Modellautos (auch) des VW Bus T1 („Bulli“) und des VW T1 Kastenwagen gem. Lizenzvertrag Nr. L0851 zum 01.01.2011 zum Gegenstand hatte. Die Beklagte hat dieser Anpassung gem. Anlage K 27 unstreitig durch Unterschrift zugestimmt. Zu diesem Zeitpunkt war die gegenständliche Klageformmarke bereits eingetragen. Die Vertragsanpassung zeigt, dass auch nach dem 01.01.2011 die Nutzung der Form des VW Bus T1 („Bulli“) und des VW T1 Kastenwagen für Modellautos im Rahmen einer Lizenzbeziehung durch die Beklagte erfolgt ist, wie sich im Übrigen aus dem Vertrag vom 12./15.10.2003 (Anlage K 26) ergibt. Von einer Zustimmung der Klägerin bzw. deren 100%iger Konzerntochter zur Nutzung der Form jedenfalls ab 01.01.2011 ist über diesen Schriftwechsel auszugehen. Weiter unstreitig erzielte die Beklagte mit verschiedenen T1 Modellen in den Jahren 2011 und 2012 Umsatzerlöse i.H.v. 25.316,12 € bzw. 14.233,94 €.

Die Beklagte war hiernach unstreitig ab 01.01.2011 Lizenznehmerin der V. Z. GmbH auch betreffend verschiedene originalgetreue Miniaturmodelle des VW Bus T1 („Bulli“). Weiter ist die V. Z. GmbH nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts berechtigt gewesen, die streitgegenständliche Klageformmarke zu lizenzieren.

Soweit die Beklagte einwendet, es habe ihr am Fremdbenutzungswillen im Hinblick auf die Klageformmarke gefehlt, so bleibt dieser Einwand ohne Erfolg. Maßgeblich ist im Rahmen des § 26 Abs. 2 MarkenG zwar, dass der Dritte sich bewusst ist, eine fremde Marke zu benutzen (BGH GRUR 2008, 616 Rn. 21 – AKZENTA). Davon kann bei einem wirksamen Lizenzvertrag jedoch regelmäßig ausgegangen werden (BGH GRUR 2008, 616 Rn. 21 – AKZENTA). Der Dritte muss sich bewusst sein, eine fremde Marke zu benutzen, also die Marke nicht als eigenes, sondern als Zeichen des Markeninhabers benutzen (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 26 Rn. 165). Der Fremdbenutzungswille muss nicht nach außen hervorgehoben werden. Die Zurechnung i.S.v. § 26 Abs. 2 MarkenG hängt nicht davon ab, ob der Verkehr die Benutzungshandlungen dem Markeninhaber oder dem Dritten richtig zuordnet (BGH GRUR 2008, 616 Rn. 21 – AKZENTA; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 26 Rn. 165). Eine vertragswidrige Aufgabe des Benutzungswillens durch den Dritten berührt die rechtserhaltende Benutzung der Marke nicht (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 26 Rn. 165). Vorliegend erfolgte die Herstellung der VW Bus T1 („Bulli“)-Modellautos durch die Beklagte bis zum 31.12.2012 unter dem Lizenzvertrag mit der Klägerin bzw. der V. Z. GmbH (vgl. Anlage K 26). Dabei richtete sich auch die zulässige Form der unter dem Vertrag lizenzierten Waren nach dem Lizenzvertrag, die Form war – wie ausgeführt – ebenfalls Gegenstand des Vertrages. Im Hinblick auf die lizenzierten Waren bedurfte es nach dem Vertrag Abstimmungen mit der Klägerin (§ 5 des Vertrages gem. Anlage K 26). Vor Aufnahme einer Serienherstellung und des Vertriebs der lizenzierten Modellautos hatte die Beklagte eine schriftliche Freigabe der Klägerin einzuholen. Die Beklagte bedurfte nach § 5 Abs. 2 des Vertrages (Anlage K 26) einer gesonderten Freigabe durch die Klägerin, wenn sie Farbtöne oder ein Farbdesign hätte verwenden wollen, das die Klägerin nicht in Serienfertigung verwende oder verwendet habe. Die Beklagte war unter dem Lizenzvertrag verpflichtet, die lizenzierten Waren in einer Weise herzustellen und zu vertreiben, die den Qualitäts- und Designanforderungen entsprächen, die die Klägerin an die eigenen Produkte stelle (§ 5 Abs. 1 des Vertrages Anlage K 26). Da gemäß der Anlage zu diesem Vertrag auch Urheberrechte für den VW T1 (Bus und Kastenwagen) Gegenstand der Lizenzierung waren, war – wie ausgeführt – auch die Formnutzung lizenziert. Bei dieser Sachlage wusste die Beklagte daher, dass sie die Form bis zum 31.12.2012 in Lizenz der Klägerin bzw. deren 100%iger Konzerntochter nutzte. Sie wusste, dass sie eine fremde Form nutzte und keine eigene. Selbst wenn die Beklagte als Lizenznehmerin und Herstellerin der VW Bus T1-Modellautos nicht mitbekommen hätte, dass die Klägerin als ihr Vertragspartner seit 2006 auch eine entsprechende Formmarke besitzt, rechtfertigt dies keine abweichende Bewertung. Denn die Beklagte wusste, dass sie die Form der Lizenzgeberin nutzt und die genutzte Form kein Herkunftshinweis auf ihr, der Beklagten, Unternehmen darstellt, sondern vielmehr auf die Klägerin bzw. deren 100%ige Konzerntochter hinweist. Dies genügt im Streitfall für die Bejahung eines Fremdbenutzungswillens der Beklagten bis zum 31.12.2022.

Es fehlt vorliegend auch nicht an einer vorherigen Zustimmung des Markeninhabers zur Drittnutzung im Hinblick auf die Klageformmarke. Zwar ist eine bloße Duldung der Benutzung nicht ausreichend (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 26 Rn. 162). Es reicht jedoch eine tatsächliche Verwendung der Marke seitens eines Dritten aus, wenn sie mit dem Einverständnis des Markeninhabers geschieht (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 26 Rn. 157). An den Nachweis der Zustimmung des Markeninhabers sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Die Zustimmung unterliegt keinem Formerfordernis, kann auch mündlich oder konkludent erklärt werden. Zudem können sonstige Umstände hinreichend klar erkennen lassen, dass eine Marke im Einverständnis mit dem Markeninhaber von einem Dritten benutzt worden ist, was insbesondere bei engen wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Markeninhaber und Benutzer angenommen werden kann, die die Annahme einer Benutzung der Marke ohne Wissen und Einwilligung des Markeninhabers als wirklichkeitsfremd erscheinen lässt (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 26 Rn. 161). Nach dem Vorgenannten und dem unstreitigen Vortrag hat die Beklagte bis 31.12.2012 originalgetreue Miniaturmodelle des VW Bus T1 („Bulli“) im Rahmen einer Lizenzvereinbarung mit der Klägerin und später der V. Z. GmbH hergestellt und vertrieben. Da ausweislich des Vertrages gem. Anlage K 26, dort § 5, die Aufnahme einer Serienherstellung und deren Vertrieb der vorherigen schriftlichen Freigabe der Klägerin bedurfte, lag auch eine vorherige Zustimmung der Klägerin als Markeninhaberin zur Markennutzung vor. Ab dem Eintritt der V. Z. GmbH in den Vertrag als Lizenznehmerin ist ebenfalls von einer vorherigen Zustimmung der Klägerin zur Markennutzung auszugehen. Es handelt sich um eine 100%ige Konzerntochter der Klägerin, die nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts berechtigt gewesen ist, die streitgegenständliche Klageformmarke zu lizenzieren.

(cc) Auf weitere von der Klägerin vorgetragene und im Umfang bestrittene Drittnutzungen kommt es dann vorliegend nicht mehr an. Es kann daher dahinstehen, ob die Lizenzverträge gem. Anlagenkonvolut K 8 auch durch eine ernsthafte Benutzung „gelebt worden sind“ und ob die im Berufungsverfahren neu vorgelegten Lizenzvereinbarungen gem. Anlagenkonvolut K 19, K 20 und K 21 und der Vortrag zu erzielten Umsätzen im Berufungsverfahren gem. § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen sind. Dies gilt ebenso für den bestrittenen Vortrag, die Klägerin vertreibe auch in Eigenregie Modellautos des VW Bus T1 („Bulli“), über dessen Zulassung im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden braucht.

(dd) Die Klageformmarke ist auch für Kraftfahrzeuge (Klasse 12) rechtserhaltend benutzt worden, indem – nach dem unbestrittenen und damit zu berücksichtigenden Vortrag im Berufungsverfahren – von der Klägerin im maßgeblichen Benutzungszeitraum Ersatz- und Zubehörteile für den VW Bus T1 („Bulli“) weiter vertrieben worden sind und die Klägerin für Kunden originalgetreue Werksrestaurierungen für den Klassiker VW Bus T1 („Bulli“) angeboten hat.

Bei einer Marke, die für eine Gruppe von Waren und – wie hier – für deren Einzelteile eingetragen ist, ist davon auszugehen, dass sie für alle zu dieser Gruppe gehörenden Waren und für deren Einzelteile i.S.v. Art. 12 Abs. 1 RL 2008/95/EG (Marken-Richtlinie 2008) / Art. 16 Abs. 1 RL (EU) 2015/2436 (Marken-Richtlinie 2015) „ernsthaft benutzt“ worden ist, wenn sie nur für bestimmte Waren oder nur für die Einzelteile oder das Zubehör einiger der genannten Waren benutzt worden ist, es sei denn, aus relevanten Tatsachen und Beweisen ergibt sich, dass der Verbraucher, der solche Waren erwerben möchte, in ihnen eine selbstständige Untergruppe der Gruppe von Waren sieht, für die die betreffende Marke eingetragen wurde (EuGH GRUR 2020, 1301 Rn. 53 – Ferrari/DU [testarossa]). Angebot und Vertrieb von Ersatz- und Zubehörteilen für den VW Bus T1 („Bulli“) und die angebotenen originalgetreuen Werksrestaurierungen (vgl. Anlagenkonvolut K 25), bei denen das zu restaurierende Fahrzeug ggf. vollständig auseinander und wiederaufgebaut wird, sind unstreitig und vorliegend als rechtserhaltend für eine Markennutzung auch für Kraftfahrzeuge der Klasse 12 anzusehen.

(d) Der Einwand der Beklagten, da die Gestaltung eines originalgetreuen Modells keine markenverletzende Benutzung der entsprechenden Formmarke sei, sei hierin auch keine rechtserhaltende Benutzung zu sehen, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

(aa) Die Benutzung der für Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marke wirkt nur dann rechtserhaltend, wenn die Verwendung der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verkehr die Ursprungsidentität der Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (BGH GRUR 2009, 60 Rn. 22 – LOTTOCARD). Hierzu ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist (BGH GRUR 2009, 60 Rn. 22 – LOTTOCARD). Der angesprochene Verkehr muss die Benutzung des Kennzeichens zumindest auch als Unterscheidungszeichen für die Ware oder Dienstleistung ansehen. Das ist dann der Fall, wenn das Zeichen als Herkunftshinweis für das beworbene Produkt verstanden wird (BGH GRUR 2009, 60 Rn. 22 – LOTTOCARD). Erforderlich ist eine markenmäßige Benutzung und keine rein dekorative oder beschreibende Benutzung (Bogatz in BeckOK Markenrecht, 31. Ed., § 26 Rn. 47). Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Verkehr in dem Zeichen möglicherweise auch einen Herkunftshinweis sieht (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2016, 153 Rn. 21 – Püppi). Die Begriffe rechtserhaltende Benutzung und rechtsverletzende Benutzung sind nicht gleichzusetzen (BGH GRUR 2000, 1038, 1039 – Kornkammer; EuGH GRUR 2003, 425 Rn. 32–43 – Ansul/Ajax). Der Begriff der rechtserhaltenden Benutzung darf grundsätzlich nicht weiter gehen als der Begriff der rechtsverletzenden Benutzung (BGH GRUR 2012, 1261 Rn. 13 – Orion).

(bb) Im Streitfall sind die vorgenannten Benutzungen der Klageformmarke im Bereich der Modellautos und der Kraftfahrzeuge jedenfalls als auch herkunftshinweisend auf die Klägerin anzusehen.

Die Benutzung der (auch) für Spielzeug- und Modellautos eingetragenen Klageformmarke kann selbst bei einer originalgetreuen Fahrzeugnachbildung nicht als nicht (auch) herkunftshinweisend ausgeschieden werden, weil etwa Anknüpfungspunkt der Herkunftsvorstellungen des Verkehrs die Verwendung der Marke für Kraftfahrzeuge und nicht für Spielzeug sei und dies außerhalb des Schutzbereichs des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG liege (vgl. BGH GRUR 2010, 726 Rn. 24 – Opel-Blitz II zur Verneinung einer Herkunftsverletzung). Denn dies hätte zur Konsequenz, dass die Klageformmarke im Bereich der Spielzeug-/Modellautos, für die sie ebenfalls eingetragen ist, von vornherein eine Schutzlücke hätte bzw. dass nur nicht originalgetreue Spielzeug-/Modellautos – unter Beachtung von § 26 Abs. 3 MarkenG – eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke bewirken könnten. Eine nur 1:1 Nutzung im Spielzeug-/Modellautobereich wäre dann nie rechtserhaltend und würde zum Verlust der Markenrechte für diese Waren führen. Dies kann nach Ansicht des Senats unter Berücksichtigung der Bindung an die Eintragung nicht richtig sein. Es muss daher – wie vorliegend – auch eine originalgetreue Modellauto-Nutzung durch die Markeninhaberin möglich und rechtserhaltend sein.

Im Bereich der Warenklasse der Kraftfahrzeuge sind die vorgenannten Nutzungen (Vertrieb von Ersatz- und Zubehörteilen für den VW Bus T1 („Bulli“), Angebot von originalgetreuen Werksrestaurierungen) als (auch) herkunftshinweisend in Bezug auf die Klageformmarke anzusehen. Hiergegen bringt die Beklagte auch spezifiziert nichts vor.

(e) Schließlich werden die vorgenannten relevanten Benutzungshandlungen auch der Vorschrift des § 26 Abs. 3 MarkenG gerecht.

Nach § 26 Abs. 3 MarkenG gilt als Benutzung einer eingetragenen Marke, unabhängig davon, ob die Marke in der benutzten Form auch auf den Namen des Inhabers eingetragen ist, auch die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert.

Soweit das (über die Lizenzvereinbarung) genutzte Modellauto:

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im Gegensatz zur Klageformmarke auch das VW-Logo im Kreis enthält und farbig ausgestaltet ist, ist hierdurch der kennzeichnende Charakter der Klageformmarke nicht verändert worden. Die Veränderung des kennzeichnenden Charakters einer Marke wird danach beurteilt, ob die beteiligten Verkehrskreise unter Berücksichtigung der branchenüblichen Verwendung von Marken die registrierte und die benutzte Form trotz ihrer Unterschiede dem Gesamteindruck nach als dieselbe Marke ansehen (BGH GRUR 2013, 840 Rn. 20 – PROTI II; BGH GRUR 2014, 662 Rn. 18 – Probiotik; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 86 – Telekom-T). Bei einem in Schwarz/Weiß eingetragenen Bild wird eine farbige Wiedergabe den kennzeichnenden Charakter in der Regel nicht verändern (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 87 – Telekom-T; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., §26 Rn. 231). Vorliegend ist die Klageformmarke in Schwarz/Weiß und ohne die weitere Marke VW-Logo im Kreis eingetragen. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist jedoch bei dem benutzten Modellauto der kennzeichnende Charakter im Vergleich zur Markeneintragung aus Sicht des angesprochenen Verkehrs nicht verändert. Der Verkehr wird in der benutzten Form die Klageformmarke sehen. Über diesen Punkt streiten die Parteien im Übrigen im Berufungsverfahren auch nicht.

(4) Es liegt – entgegen der Ansicht des Landgerichts – eine Markenverletzung durch die Beklagte mit den gegenständlichen Verletzungsformen vor. Die Kennzeichnungskraft der Klageformmarke ist jedenfalls durchschnittlich, es liegt Warenidentität und jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit vor, so dass eine Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist.

(a) Es liegt – entgegen der Ansicht des Landgerichts – mit den angegriffenen Modellen eine markenmäßige Benutzung für Modellautos (Klasse 28) vor.

(aa) Das Landgericht hat angenommen, die Beklagte habe die Klageformmarke mit den streitgegenständlichen Modellautos nicht markenmäßig für Modellautos (Klasse 28) benutzt. Bei der hier vorliegenden dreidimensionalen Marke in der Form einer Ware komme es darauf an, ob die maßgeblichen Verkehrskreise in der Wiedergabe nicht nur die Ware selbst erkennen würden, sondern auch einen Herkunftshinweis. Dies sei vorliegend zu verneinen. Die Klägerin habe keine Umstände vorgetragen, wonach jedenfalls relevante Teile der angesprochenen Verkehrskreise in der Form der Modellautos einen Herkunftshinweis auf die Markeninhaberin der für Modellautos eingetragenen Klageformmarke sähen.

(bb) Dem ist unter Berücksichtigung des vorliegenden Sach- und Streitstandes nicht zu folgen. In der Form der gegenständlichen Verletzungsmuster werden erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs auch einen Herkunftshinweis sehen.

(i) Eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens liegt vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2019, 522 Rn. 25 – SAM). Eine Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken oder eine Verwendung, bei der es ausgeschlossen ist, dass die benutzte Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird, ist nicht markenrechtsverletzend (BGH GRUR 2019, 522, 524 Rn. 24 – SAM; Senat, Urteil vom 27.08.2020, 5 U 117/15, nicht veröffentlicht). Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (vgl. BGH GRUR 2019, 522, 524 Rn. 26 – SAM; BGH GRUR 2019, 1289, 1291 Rn. 22 – Damen Hose MO). Diese Beurteilung obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. Eine Verwendung als Marke (bei auch dekorativer Verwendung) liegt vor, wenn der Eindruck entstehen kann, es handele sich um autorisierte Waren (EuGH GRUR 2003, 55 ff. Rn. 56 – Arsenal Football Club; Senat, Urteil vom 27.08.2020, 5 U 117/15, nicht veröffentlicht).

(ii) In diesem Zusammenhang können die spezifischen Gewohnheiten der konkret in Rede stehenden Branche von Bedeutung sein, da sie maßgeblichen Einfluss darauf haben können, ob der Verkehr bei der betreffenden Warenart daran gewöhnt ist, dass die Warenform auf die Herkunft hindeutet.

Maßgeblich ist, ob die angesprochenen Verkehrskreise aus der konkret in Rede stehenden Warenform auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Unternehmen schließen oder die Form lediglich der funktionellen und ästhetischen Ausgestaltung der Ware selbst zuordnen (Schumacher in BeckOK Markenrecht, 31. Ed., § 8 Rn. 467). Die Frage nach der zu erwartenden Verkehrswahrnehmung hängt maßgeblich von der Art der betreffenden Ware bzw. der tatsächlichen Übung in dem jeweiligen Produktsegment und dem hierdurch bedingten Verkehrsverständnis ab, mit dem die beteiligten Kreise einer Warengestaltung entgegentreten (Schumacher in BeckOK Markenrecht, 31. Ed., § 8 Rn. 467). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beeinträchtigt die Benutzung des Zeichens die Hauptfunktion der (auch) für Spielzeug eingetragenen Klagemarke nicht, sofern die maßgeblichen Verkehrskreise das identische Zeichen auf den angegriffenen Modellen nicht als Angabe darüber verstünden, dass diese Waren von der Markeninhaberin oder einem mit dieser wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammten (EuGH GRUR 2007, 318 Rn. 24 – Adam Opel/Autec). Die entsprechende Feststellung durch Bezugnahme auf den Durchschnittsverbraucher ist Sache des Tatrichters (EuGH GRUR 2007, 318 Rn. 25 – Adam Opel/Autec; BGH GRUR 2010, 726 Rn. 18 – Opel-Blitz II).

(iii) Für die Automobilbranche gilt, dass der Verkehr seit langem daran gewöhnt ist, in der äußeren Form eines Fahrzeugs auch einen Herkunftshinweis zu sehen (BGH GRUR 2006, 679 Rn. 18 – Porsche Boxster, BPatG BeckRS 2016, 19028 – VW Bulli). Dieses Verständnis wird dadurch unterstützt, dass sich die Automobilhersteller erkennbar darum bemühen, verschiedenen Modellen, die in zeitlicher Abfolge oder parallel im Rahmen der jeweiligen Modellpalette vertrieben werden, durch gleich bleibende herstellertypische Gestaltungsmerkmale ein Aussehen zu verleihen, das die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Modellfamilie erkennen lässt und die Zuordnung zu einem bestimmten Hersteller erleichtert. Diese Entwicklung wird dadurch unterstützt und gefördert, dass die Hersteller die entsprechenden Gestaltungsmerkmale werblich herausstellen und damit den Wiedererkennungseffekt solcher Formgestaltungen erhöhen (BGH GRUR 2006, 679 Rn. 18 – Porsche Boxster). Es gibt Merkmale, die vom Verkehr als charakteristisch empfunden werden und denen infolge dessen eine identitätsstiftende Funktion zukommt. Es entspricht jedenfalls der Lebenserfahrung, dass eine auffällige Form von Automobilen ein klassisches Beispiel für eine herkunftshinweisende Formgestaltung darstellt (BGH GRUR 2006, 679 Rn. 18 – Porsche Boxster). Das Bundespatentgericht hat – zutreffend und überzeugend – für die (nicht mehr gegenständliche) Bildmarke der Klägerin die „Porsche Boxter“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den VW Bus T1 („Bulli“) übertragen (BPatG BeckRS 2016, 19028 – VW Bulli). Es gibt auch im Bereich der Waren der Klasse 28 (Spielzeug) bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten, die zweidimensionale und vorliegend dreidimensionale Klagemarke so zu verwenden, dass sie vom Verkehr ohne Weiteres als Marke verstanden wird (BPatG BeckRS 2016, 19028 – VW Bulli). Aufgrund der großen Bekanntheit des „Bulli“ als „der Kulttransporter“ aus dem Hause der Klägerin wird der angesprochene Verkehr, wenn ihm das zweidimensionale Zeichen etwa auf Druckereierzeugnissen, auf Schlüsselanhängern oder auf Spielzeug (in einer markenmäßigen Anbringungsweise) begegnet, in naheliegender Weise einen unmittelbaren Rückschluss auf den Hersteller des „Bulli“ ziehen, mithin das Zeichen (auch) als einen Unternehmenshinweis auffassen (vgl. BPatG BeckRS 2016, 19028 – VW Bulli). Sowohl für Kraftfahrzeuge (Klasse 12) als auch Spielzeug (Klasse 28) ist die Form daher im Streitfall (auch) herkunftshinweisend.

(iv) Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze lässt sich unter Berücksichtigung der Umfrageergebnisse der Verkehrsbefragung über die Verbraucherwahrnehmung bezüglich Spielzeug- oder Modellautos aus dem November 2015 (GfK-Gutachten Anlage K 7) eine (auch) herkunftshinweisende Wahrnehmung der angegriffenen Gestaltungen nicht verneinen. Bei den im Streitfall angegriffenen Nachbildungen als Spielzeug-/Modellautos des VW Bus T1 („Bulli“) nimmt der Verkehr die jeweils angegriffene Gestaltung als (auch) herkunftshinweisend wahr.

Die Feststellungen zum Verkehrsverständnis kann vorliegend der Senat selbst treffen, dessen Mitglieder ebenfalls zum angesprochenen Verkehrskreis, nämlich der Gesamtheit der Verbraucher, zählen. Ergänzend sind im vorliegenden Verfahren die als qualifizierter Parteivortrag vorgelegten GfK-Gutachten aus Oktober / November 2015 (Anlagen K 6 und K 7) zu berücksichtigen, deren Inhalt unbestritten ist. Bei der Verkehrsbefragung gem. Anlage K 7 im November 2015 ist den Befragten das von der Beklagten in Lizenz vertriebene Modellauto

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vorgelegt worden. 38,9% aller Befragten und 47,8% der Befragten des engeren Verkehrskreises waren der Auffassung, dass Spielzeug- oder Modellautos wie das gezeigte von einem ganz bestimmten Hersteller stammen. In der Folgefrage ordneten 18,5% aller Befragten und 19,8% der Befragten des engeren Verkehrskreises solche Spielzeug- oder Modellautos spontan „Volkswagen“ (inkl. der Nennung „VW Bulli“) zu. Gefragt nach einer Lizenzbeziehung („Was meinen Sie, brauchen Hersteller solcher Spielzeug- oder Modellautos eine Erlaubnis bzw. Lizenz des Originalkraftfahrzeugherstellers oder brauchen sie keine Erlaubnis bzw. Lizenz des Originalkraftfahrzeugherstellers oder können Sie dazu nichts sagen?“) gaben 51,4 % aller Befragten und 64,6% der Befragten des engeren Verkehrskreises an, dass sie davon ausgingen, dass Hersteller solcher Spielzeug- oder Modellautos eine Erlaubnis oder Lizenz des Originalkraftfahrzeugherstellers benötigten. Dass grundsätzlich die dreidimensionale Klagemarke von relevanten Teilen des angesprochenen Verkehrs als herkunftshinweisend verstanden wird, ergibt sich unter Berücksichtigung der Verkehrsbefragung gem. Anlage K 6. Darin wurde im Herbst 2015 nach der Bekanntheit und Kennzeichnungskraft der dreidimensionalen Klagemarke in Deutschland gefragt. 75,5% aller Befragten und 83,2% der Befragten des engeren Verkehrskreises waren danach der Auffassung, dass Fahrzeugformen, die so aussehen wie die gezeigte dreidimensionale Klagemarke von einem ganz bestimmten Unternehmen stammen. Zwar wurde im GfK-Gutachten Anlage K 7 unter Vorlage des vorgenannten Modellautos nicht spezifiziert danach gefragt, worauf sich die Lizenzerwartungen des Verkehrs stützten. Jedoch stellt der angesprochene Verkehr ohnehin keine detaillierten Überlegungen zu der Art erforderlicher Lizenzen (urheberrechtlicher oder markenrechtlicher Art) an (vgl. Senat, Urteil vom 27.08.2020, 5 U 117/15, nicht veröffentlicht). So gehen im Warensektor der Merchandising-Produkte erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs davon aus, dass die Verwendung des wirtschaftlich auszuwertenden Zeichens der „Erlaubnis“ eines bestimmten Unternehmens bedarf (vgl. Senat, Urteil vom 27.08.2020, 5 U 117/15, nicht veröffentlicht). In dieser Weise ist auch das Ergebnis der vorgelegten Verkehrsbefragung gem. Anlage K 7 zu bewerten. Soweit die Beklagte meint, Erwägungen aus dem Merchandising-Markt seien auf den Streitfall nicht zu übertragen, so vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn relevante Teile des angesprochenen Verkehrs werden zwischen Merchandising-Artikeln, wie dem nachfolgenden Schlüsselanhänger:

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und Modellautos, wie sie hier angegriffen sind, im Hinblick auf Lizenzerwartungen, wie die Befragung gem. Anlage K 7 gezeigt hat, nicht unterscheiden. Erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs sehen die Verwendung der dreidimensionalen Klagemarke demnach jedenfalls als (auch) herkunftshinweisend an.

(v) Dieser Bewertung des Senats steht auch nicht die „Opel-Blitz II“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2010, 726 Rn. 23 – Opel-Blitz II) entgegen. Im Streitfall lässt sich nicht feststellen, dass Anknüpfungspunkt der Vorstellung des Verbrauchers, der Hersteller des Modellautos benötige eine Erlaubnis / Lizenz, (allein) das reale Kraftfahrzeug in seiner Gesamtheit einschließlich der es als bestimmten Typ identifizierenden Marke ist. Wie ausgeführt, stellt der angesprochene Verkehr keine detaillierten Überlegungen zur Art erforderlicher Lizenzen an. Hinzu kommen die Branchengewohnheiten und das Verkehrsverständnis bei Merchandising-Artikeln. Es kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass die Lizenzerwartungen des Verkehrs auf anderen Umständen beruhten als auf einer Verwendung der dreidimensionalen Klagemarke als Marke (auch) für Spielzeug, für die die Klagemarke auch eingetragen ist.

(vi) Hinzu kommt, dass die Beklagte selbst bis 31.12.2012 bezogen auf die VW Bus T1 („Bulli“)-Modelle Lizenznehmerin der Klägerin war, was im Streitfall zusätzlicher Anhaltspunkt für ein entsprechendes Verständnis erheblicher Teile des angesprochenen Verkehrs ist. Es ist unstreitig, dass nach wie vor VW Bus T1 („Bulli“)-Modell-/Spielzeugautos sowohl mit als auch ohne Lizenzen der Klägerin vertrieben werden.

(b) Ob Ansprüche aus Identitätsschutz gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG – wie die Klägerin geltend macht – im Hinblick auf folgende drei angegriffene Modellautos:

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aus der Schwarz-/Weiß-Formmarke bestehen, kann offenbleiben. Denn die Klage ist jedenfalls unter dem Aspekt der Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) begründet.

Das Bestehen von Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Zeichen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auszugehen, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st.Rspr.; BGH GRUR 2015, 1009 Rn. 19 – BMW-Emblem).

(aa) Ob die Kennzeichnungskraft der Klageformmarke für die Waren der Klasse 28 (Modell-/Spielzeugautos) überdurchschnittlich ist, kann im Streitfall offenbleiben. Dem VW Bus T1 („Bulli“) kommt – gerichtsbekannt – „Kultstatus“ zu, was durch den Kosenamen „Bulli“ anschaulich zum Ausdruck gebracht wird (vgl. auch BPatG BeckRS 2016, 19028). Nach der Verkehrsbefragung Anlage K 6 aus dem Herbst 2015 ordneten 72,8% aller Befragten und 79,6% der Befragten des engeren Verkehrskreises Fahrzeugformen, die so aussehen wie die Klageformmarke, dem Unternehmen „VW / Volkswagen“ (inklusive Nennungen „VW Bus“, „VW Bulli“, „VW Transporter“, „VW – Volkswagen T1“ und „VW Kombi“) zu. Aus diesem Zuordnungsgrad ergibt sich eine hohe Bekanntheit der Klageformmarke für Kraftfahrzeuge (Klasse 12). Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke für Modell-/Spielzeugautos in Klasse 28, für die sie ebenfalls eingetragen ist, ist jedenfalls durchschnittlich. Wie ausgeführt, kommt der Klageformmarke auch im Segment der Modell-/Spielzeugautos eine Unterscheidungskraft und herkunftshinweisende Bedeutung im Hinblick auf die Klägerin zu.

(bb) Es besteht Warenidentität. Die Klageformmarke ist u.a. in Warenklasse 28 für Modell- und Spielzeugautos eingetragen. Angegriffen ist eine Verwendung bei Modell-/Spielzeugautos.

(cc) Die gegenüberstehenden Zeichen sind jedenfalls durchschnittlich ähnlich.

Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (st. Rspr., BGH GRUR 2015, 1009 Rn. 24 – BMW-Emblem).

Vorliegend variiert der Grad der (bildlichen) Zeichenähnlichkeit zwar hinsichtlich der verschiedenen angegriffenen Verletzungsformen, von sehr hoher Zeichenähnlichkeit (bei den Modellautos 177884, 177885 und 201847) über hohe Zeichenähnlichkeit (bei den Modellautos 201843, 200083, 194935, 177882, 200087, 177883 und 194856) bis zu durchschnittlicher Zeichenähnlichkeit (bei den Modellautos 201901, 201842, 194862, 177886, 201875, 200088, 194857, 194859). Bei allen angegriffenen Modellautos ist jedoch die markante Vorderfront, wie sie sich aus der Klageformmarke ergibt, enthalten, nämlich eine zweigeteilte Frontscheibe und das fliehende „V“, beginnend an der unteren Vorderfront. Letzteres Merkmal ist auch bei einfarbiger Frontlackierung der angegriffenen Modellautos durch einen Versatz in der Vorderfront enthalten, wie beispielhaft die vorgenannte Abbildung des angegriffenen Modellautos 201847 zeigt. Markant bei der Klageformmarke und bei allen angegriffenen Gestaltungen vorhanden ist weiter die insgesamt „rundliche Kompaktheit“ des VW T1. Hieraus ergibt sich im Ergebnis hinsichtlich aller angegriffenen Gestaltungen eine jedenfalls durchschnittliche (bildliche) Zeichenähnlichkeit. Erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs werden zudem die Klageformmarke und die angegriffenen Verwendungen mit VW „Bulli“ T1 benennen, so dass insoweit jedenfalls auch eine hochgradige klangliche und begriffliche Zeichenähnlichkeit besteht. Insgesamt ist jedenfalls eine durchschnittliche Zeichenähnlichkeit bei allen angegriffenen Verwendungen festzustellen.

(dd) Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft, Warenidentität und durchschnittlicher Zeichenähnlichkeit besteht unter Beachtung der Wechselwirkung markenrechtliche Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die angegriffenen Verwendungen liegen auch nicht etwa außerhalb des Schutzbereichs des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil Anknüpfungspunkt der Herkunftsvorstellungen des Verkehrs die Marke für Kraftfahrzeuge und nicht eine Marke für Spielzeug wäre.

Zunächst lässt sich eine solche Vorstellung des Verkehrs – wie ausgeführt – nicht feststellen. Erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs erwarten bei Modell-/Spielzeugautos Lizenzbeziehungen, auch wenn sie die Marke in erster Linie aus dem Kraftfahrzeugmarkt kennen. Dabei machen sie sich – wie ausgeführt – keine spezifizierten Vorstellungen über die Art der erforderlichen Lizenzen. Für eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ist dieses Verkehrsverständnis ausreichend.

Zudem ist das Verkehrsverständnis durch den inzwischen gewachsenen Merchandisingmarkt (mit-)geprägt. Der Verkehr weiß daher, dass Markeninhaber ihre Marke auch in sog. Sekundärmärkten auswerten.

Eine Ausnahme für den Spielzeugmarkt bei Nutzung fremder Marken erscheint – jedenfalls im Streitfall – weder geboten noch sachgerecht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Mehrzahl der angegriffenen Gestaltungen – insbesondere hinsichtlich der farblichen Gestaltung – keine Originaltreue in allen Details enthält und auch deswegen nicht außerhalb des markenrechtlichen Schutzes liegen kann (vgl. hierzu OLG Frankfurt GRUR-RS 2019, 16601 Rn. 13 – Spielzeugmodellauto Cartronic).

(5) Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche – entgegen der Ansicht des Landgerichts – auch aus dem Gesichtspunkt des Bekanntheitsschutzes gem. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu. Es liegt durch die angegriffenen Verwendungen eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung und Unterscheidungskraft der für Kraftfahrzeuge bekannten Klageformmarke vor.

(aa) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

(bb) Die Klagemarke ist eine für Fahrzeuge bekannte Marke i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

Eine Marke ist bekannt, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (BGH GRUR 2014, 378 Rn. 22 – OTTO CAP; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2004, 235, 238 – Davidoff II). Maßgeblich sind bei der Prüfung dieser Voraussetzungen alle relevanten Umstände des Falls. Das Merkmal der „Bekanntheit“ ist nicht rein quantitativ im Sinne einer Auswertung demoskopischer Gutachten zu verstehen, sondern es umfasst auch qualitative Aspekte, wobei sämtliche Faktoren in eine wertende Gesamtbeurteilung eingehen (BGH GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder). Die Tatsachen, aus denen sich eine Bekanntheit der Marke ergibt, können allgemeinbekannt und deshalb offenkundig im Sinne des § 291 ZPO sein (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Aufgrund des vorgenannten „Kultstatus“ des VW „Bulli“ T1 ist von einer im Kraftfahrzeugbereich bekannten Formmarke auszugehen. Gestützt wird dies vorliegend durch das Ergebnis der Verkehrsbefragung gem. Anlage K 6, das GfK-Gutachten aus Oktober 2015, zur Bekanntheit und Kennzeichnungskraft der Klagemarke (für Fahrzeuge). Hiergegen bringt die Beklagte auch spezifiziert nichts vor.

(cc) Das erforderliche gedankliche Inverbindungbringen der angegriffenen Verwendungen mit der Klageformmarke ist vorliegend ebenfalls zu bejahen.

Die rechtsverletzende Benutzung eines mit der bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG erfordert keine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion, wohl aber eine Benutzung, die geeignet ist, eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der bekannten Marke hervorzurufen (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 133 – Telekom-T). Ausreichend ist, dass die beteiligten Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen (BGH GRUR 2019, 165 Rn. 18 – keine-vorwerk-vertretung). Eine gedankliche Verknüpfung mit der Klagemarke liegt im Streitfall vor. Mit der Nachbildung von Kraftfahrzeugen, die es in der Wirklichkeit gibt, ist zwangsläufig durch die entsprechende Gestaltung des Spielzeugmodells eine Anlehnung (auch) an den Ruf des Herstellers des Kraftfahrzeugs oder dessen Marke verbunden (BGH GRUR 2010, 726 Rn. 29 – Opel-Blitz II). Dies gilt auch im Streitfall.

(dd) Eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung und Unterscheidungskraft der – wie hier – bekannten Klagemarke kann entgegen der Ansicht des Landgerichts im Streitfall nicht verneint werden.

(i) Versucht ein Dritter, sich durch die Verwendung eines mit einer bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen, so ist der sich aus dieser Verwendung ergebende Vorteil als eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke anzusehen (BGH GRUR 2020, 405 Rn. 58 – ÖKO-TEST II; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 140 – Telekom-T). Anders als bei der Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft kommt es bei deren Ausnutzung nicht darauf an, ob eine Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens der von der bekannten Marke angesprochenen Durchschnittsverbraucher festzustellen ist oder droht (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 393; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 140 – Telekom-T). Auch ohne eine gedankliche Partizipation an etwaigen mit der Marke verbundenen Gütevorstellungen kann eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft in der Weise erfolgen, dass sich der Verletzer den Aufmerksamkeitswert der Marke zunutze machte (Aufmerksamkeitsausbeutung, vgl. BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila-Postkarte, OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26 – Küchenmaschinen-Rezepte; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 140 – Telekom-T). Eine blickfangmäßige Zeichenverwendung kann als Zueigenmachen der Werbe- und Kommunikationsfunktion der bekannten Marke angesehen werden, so dass sich das Verletzerzeichen in deren Sogwirkung begibt, um von dem fremden guten Ruf zugunsten des eigenen Absatzes zu profitieren (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26 – Küchenmaschinen-Rezepte; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 140 – Telekom-T).

(ii) Nach diesen vorgenannten Grundsätzen lässt sich im Streitfall eine Ausnutzung der Wertschätzung und Unterscheidungskraft der Klagemarke nicht verneinen. Durch die Nutzung der Klageformmarke begibt sich die Beklagte in den Bereich der Sogwirkung der Klageformmarke, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen. Die Verwendung der Klageformmarke zeigt, dass es der Beklagten gerade auf die Form der geschützten Klageformmarke und deren Wertschätzung und Unterscheidungskraft ankam. Ansonsten hätte sie jede andere Gestaltung außerhalb eines Ähnlichkeitsbereichs wählen können.

(iii) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist im Streitfall auch die Unlauterkeit i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu bejahen.

Die Unlauterkeit der Zeichenverwendung ist aufgrund aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und umso eher zu bejahen, desto höher der Bekanntheitsgrad der bekannten Marke, deren Unterscheidungskraft, Originalität und Werbewert sowie die daraus resultierenden Möglichkeiten einer Beeinträchtigung der Marke sind (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 143 – Telekom-T; Mielke in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 31. Ed., § 14 Rn. 550). Dabei ist dem Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens der Unterscheidungskraft die Unlauterkeit bereits immanent, weshalb eine Markennutzung unter Verwirklichung dieser Eingriffstatbestandsmerkmale regelmäßig als unlauter zu qualifizieren ist (BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila Postkarte; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 143 – Telekom-T). So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte nutzt identische oder ähnliche Gestaltungen der bekannten Klageformmarke für ihre Spielzeug-/Modellautos aus und begibt sich hierdurch – ohne Gegenleistung oder wirtschaftliche Anstrengungen zum Image der bekannten Gestaltung erbracht zu haben – in den Sog der geschützten bekannten (Kraftfahrzeug-)Formmarke.

(iv) Es ergibt sich im Streitfall auch sonst kein berechtigtes Interesse der Beklagten, die Klageformmarke ohne Gegenleistung / Lizenzierung zu nutzen. Ein solches ist vorliegend insbesondere nicht aus langjährigen Gepflogenheiten auf dem Nachbildungsmarkt anzuerkennen.

Denn es kommen im Tatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG die Wertungen des § 23 MarkenG bei der Prüfung zum Tragen, ob Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden (BGH GRUR 2019, 165 Rn. 22 – keine-vorwerk-vertretung). Dabei hat der Europäische Gerichtshof in dem der „Opel-Blitz II“-Entscheidung vorausgegangenen „Adam Opel/Autec“-Urteil explizit ausgeführt, dass im dortigen Streitfall die Freistellungen des Art. 6 Abs. 1 MarkenRL-1988 / § 23 MarkenG (jetzt Art. 14 MarkenRL-2015) weder unter dem Gesichtspunkt der beschreibenden Angabe (Art. 6 Abs. 1 lit. b) RL 89/104/EG, Marken-Richtlinie 1989 / Art. 14 Abs. 1 lit. b) Marken-Richtlinie 2015 / § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) noch der Bestimmungsangabe (Art. 6 Abs. 1 lit. c) RL 89/104/EG, Marken-Richtlinie 1989 / Art. 14 Abs. 1 lit. c) Marken-Richtlinie 2015 / § 23 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG) eingreifen (EuGH GRUR 2007, 318 Rn. 39, 44 – Adam Opel/Autec; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 260). Die vom Bundesgerichtshof in der „Opel-Blitz II“-Entscheidung angeführte Anerkennung der Marktgepflogenheiten kann nur als ein die Unlauterkeit i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ausschließendes berechtigtes Interesse angesehen worden sein. Dies wäre in der Sache eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, die jedoch durch das Vorabentscheidungsurteil des Europäischen Gerichtshofs nicht gedeckt war (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 260).

Eine solche (Bereichs-)Ausnahme für eine Nachbildung von Kraftfahrzeugen als Modell-/Spielzeugauto außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Schranken, insbesondere § 23 MarkenG, erscheint indes im Streitfall nicht begründbar. Mit einer derartigen Bereichsausnahme würde eine markenrechtliche Schranke außerhalb der gesetzlichen Schranken geschaffen. Zwar ist über die „Unlauterkeit“ ein offener Tatbestand gegeben. Jedoch kann dieser Gesichtspunkt bei einer bekannten Klageformmarke für Kraftfahrzeuge, die auch Schutz für Modell-/Spielzeugautos beansprucht, Spielzeugnachbildungen markenrechtlich nicht ohne Erlaubnis rechtfertigen. Ein überwiegendes Interesse der Beklagten vermag der Senat insoweit nicht festzustellen.

bbb. Es besteht vorliegend auch Wiederholungsgefahr.

ccc. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund der Markenverletzung zudem – bezogen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatzfeststellung aus § 14 Abs. 6, § 19 MarkenG, § 242 BGB. Der Beklagten ist jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Hiergegen bringt die Beklagte auch nichts vor.

Der Vernichtungs- und Rückrufanspruch folgt aus § 18 MarkenG.

Der Klägerin steht vorliegend ein Anspruch auf Urteilsbekanntmachung gem. § 19c MarkenG innerhalb von drei Monaten ab Eintritt der Rechtskraft zu (vgl. hierzu Eckhartt in BeckOK Markenrecht, 31. Ed., § 19c Rn. 6). Der Senat bejaht im Streitfall nach einer Ermessensentscheidung und unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien ein berechtigtes Interesse der Klägerin i.S.v. § 19c MarkenG. Das berechtigte Interesse der Klägerin ergibt sich aus der im Prozess dargetanen unstreitigen Kampagne des DVSI Bundesverband der Spielwarenindustrie e.V. „No More Copyright & Brand Licences For Toys“ (vgl. Anlage K 2). Die Veröffentlichung darf nach § 19c Satz 4 MarkenG erst veranlasst werden, wenn die Entscheidung rechtskräftig ist.

2. Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 17.11.2022 und vom 24.01.2023 sowie der Beklagten vom 24.01.2023 haben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat – im Hinblick auf eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „Opel-Blitz II“ und deren Anwendbarkeit auf die hier geschützte (bekannte) Klageformmarke – grundsätzliche Bedeutung; die Fortbildung des Rechts / die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Im Hinblick auf eine Beschränkung der Übertragbarkeit der „Opel-Blitz II“-Rechtsprechung auf detailgetreue Nachbildungen des Original-Fahrzeugs, wie vom OLG Frankfurt (GRUR-RS 2019, 16601) vertreten, weicht die vorliegende Entscheidung des Senats überdies von anderer obergerichtlicher Rechtsprechung ab.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG.

 

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