Mieter vs. Vermieter: Datenauskunftsanspruch

27. Oktober 2021
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Häuser und Bücher Teilurteil des AG Wiesbaden vom 26.04.2021, Az.: 93 C 2338/20

Das AG Wiesbaden hat klargestellt, dass eine Sammlung mehrerer Mietverträge eines Vermieters, ein Dateisystem gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 6 der Datenschutz-Grundverordnung darstellt. Vorliegend hatte ein Vermieter sowohl den Namen, als auch die Telefonnummer des Mieters in sein Mobiltelefon abgespeichert und mehrere Mietverträge abgeheftet. Dem Mieter steht in diesem Fall grundsätzlich ein Anspruch auf Datenauskunft gegen den Vermieter zu.

Amtsgericht Wiesbaden

Teilurteil vom 26.04.2021

Az.: 93 C 2338/20

 

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 14.10.2020 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger eine vollständige Datenauskunft über die bei der Beklagten zur Person des Klägers gespeicherten Daten im Sinne des Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu erteilen, und zwar auch über die Verarbeitungszwecke; die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden; die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen; falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer; das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung und Löschung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung; das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; wenn die personenbezogenen Daten nicht beim Kläger erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten; sowie das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Abs. 1 und 4 DSGVO und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für den Kläger.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 €.

Tatbestand

Der Kläger als Mieter hatte mit der Beklagten als Vermieterin einen Mietvertrag über die Wohnung 9B (1. OG) in X Wiesbaden, dessen Eigentümerin die Beklagte ist, abgeschlossen. Mietbeginn war der 1.8.2017. Die übrigen Einheiten in dem Haus wurden von der Beklagten zu Wohn- und teilweise zu gewerblichen Zwecken vermietet.

Mit der Erstellung der Betriebskostenabrechnung hatte die Beklagte die A GmbH beauftragt. Diese erstellte am 24.11.2020 in Dateiform unter anderem die Betriebskostenabrechnung für den Kläger, die mit einer Nachzahlung von 720,80 € endete. Der Ehemann der Beklagten kommunizierte in Angelegenheiten des Mietvertrags mit dem Kläger per WhatsApp, unter anderem zu der Frage der Installation eines Rauchmelders im Wohnzimmer.

Mit Schriftsatz vom 29.1.2020 in dem Räumungsrechtsstreit vor dem Amtsgericht Wiesbaden mit umgekehrten Parteirollen (Aktenzeichen: 92 C 4102/19 (13)) forderte der Klägervertreter im Namen des hiesigen Klägers die Beklagte dazu auf, ihm eine umfassende Auskunft über seine personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 DSGVO zu erteilen. Der Beklagtenvertreter antwortete für die Beklagte im hiesigen Verfahren mit Schriftsatz vom 26.2.2020, diese sei keine institutionelle Vermieterin, sie speichere deshalb keine Daten ab; als private Vermieterin hefte sie den Mietvertrag ab, sonst nichts.

Der Kläger ist der Ansicht, es liege eine Datenverarbeitung durch die Beklagte vor. In dem Umstand, dass seine Telefonnummer und sein Name auf dem Mobiltelefon des Ehemanns der Beklagten zum Zwecke der Kommunikation per WhatsApp gespeichert seien, liege eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten. Dies gelte ebenso für die Speicherung der Daten im System der A zum Zwecke der Erstellung der Betriebskostenabrechnungen. Hierfür sei die Beklagte verantwortlich, da die A Auftragsverarbeiter gemäß Art. 28 DSGVO sei. Außerdem stelle die Sammlung der verschiedenen Mietverträge für das Haus … ein Dateisystem dar.

Die Auskunft vom 26.2.2020 reiche nicht aus und sei unzutreffend, da tatsächlich eine Verarbeitung der persönlichen Daten des Klägers durch die Beklagte vorliege.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine vollständige Datenauskunft über die bei der Beklagten zur Person des Klägers gespeicherten Daten im Sinne des Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu erteilen. Außerdem hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer bislang erteilten Datenauskunft entsprechend § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB an Eides statt zu versichern.

Da die Beklagte im schriftlichen Vorverfahren säumig geblieben ist, hat das Gericht der Klage mit Versäumnisurteil vom 14.10.2020 in vollem Umfang stattgegeben. Gegen dieses hat die Beklagte mit am 26.10.2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil vom 14.10.2020 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

1. unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen,

2. widerklagend, den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie 720,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gewaltigen Basiszinssatz seit Zustellung des Widerklageschriftsatzes zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe keine persönlichen Daten des Klägers gespeichert, sondern nur die betreffenden Mietverträge in einem Ordner abgeheftet. Sie benutze auch keine Hausverwaltungssoftware. Dies sei dem Kläger bekannt, weshalb es seiner Klage am Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Entscheidungsgründe

Der fristgerecht und auch ansonsten zulässig eingelegte Einspruch hat zur Folge, dass das Versäumnisurteil im Hinblick auf die Verurteilung zur eidesstattlichen Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der bisher durch die Beklagte erteilten Datenauskunft aufzuheben, im Übrigen aber aufrechtzuerhalten ist, mit Ausnahme der Kostenentscheidung, die erst mit dem Schlussurteil erfolgen kann, in dem über die Widerklage zu entscheiden ist.

Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Wiesbaden ergibt sich aus Art. 79 Abs. 2 S. 1 DSGVO i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 2 BDSG, da der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Wiesbaden hatte.

Die Klage ist insoweit begründet, als der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Datenauskunft gemäß Art. 15 DSGVO in dem aus dem Tenor hervorgehenden Umfang hat.

Der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ist insofern eröffnet. Es liegt gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO sowohl eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers durch die Beklagte, ihren Ehemann und die Firma A vor als auch eine Verarbeitung von Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind.

Zu den personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO gehört insbesondere der Name des Klägers, unter anderem aber auch seine Anschrift und seine Telefonnummer. Eine Verarbeitung liegt gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO unter anderem im Erheben, Erfassen, Speichern, Verwenden und Offenlegen durch Übermittlung.

Dies ist bereits durch die Speicherung von Namen und Telefonnummer in einem Mobiltelefon erfüllt, außerdem durch die Übermittlung an die Firma A und die automatisierte Verwendung der Daten durch diese zum Zwecke der Erstellung der Betriebskostenabrechnung. Die Firma A wurde insofern als Auftragsverarbeiter gemäß Art. 4 Nr. 8, Art. 28 DSGVO tätig, Verantwortliche im Sinne der Datenschutz Grundverordnung bleibt gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO die Beklagte, da diese gegenüber der Firma A über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung entschied.

Darüber hinaus liegt in der Sammlung der Mietverträge, u.a. auch dem Mietvertrag des Beklagten, ein Dateisystem gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO. Dabei handelt es sich gemäß Art. 4 Nr. 6 DSGVO um jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind. Der Begriff entspricht weitgehend demjenigen der „Datei“ in der unionsrechtlichen Vorgängervorschrift, der Datenschutzrichtlinie 95/46. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist für die Strukturierung nach bestimmten Kriterien ausreichend, dass die Daten über eine bestimmte Person zur späteren Verwendung leicht wieder auffindbar sind. Dafür ist nicht erforderlich, dass die Daten in spezifischen Verzeichnissen oder einem anderen Recherchesystem enthalten sind; sogar eine Sammlung von Handzetteln genügt hierfür (vgl. EuGH, Urteil vom 10.7.2018 – C-25/17 -, NZA 2018, 991 Rn. 57 ff.). Dem genügt die Sammlung der abgehefteten Mietverträge jedenfalls, da diese auch nach unterschiedlichen Kriterien strukturiert werden kann, z.B. nach den Namen der Mieter oder nach den Wohnungsnummern.

Auch soweit die Daten durch die Firma A als Auftragsverwalterin verarbeitet werden, richtet sich der Anspruch auf Datenauskunft gegen die Beklagte als Verantwortliche. Die Firma A ist gemäß Art. 28 Abs. 3 S. 2 lit. e DSGVO lediglich verpflichtet, angesichts der Art der Verarbeitung die Beklagte als Verantwortliche nach Möglichkeit mit geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen dabei zu unterstützen, ihrer Pflicht zur Beantwortung von Anträgen auf Wahrnehmung der Rechte der betroffenen Person auf Datenauskunft etc. nachzukommen.

Ein Ausnahmetatbestand von den Verpflichtungen gemäß der Datenschutz-Grundverordnung besteht nicht. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Datenverarbeitung durch eine natürliche Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO).

Die mit Schriftsatz vom 26.2.2020 erteilte Auskunft genügt nicht den Anforderungen an eine Datenauskunft gemäß Art. 15 DSGVO. Eine solche „Negativauskunft“ würde nur genügen, wenn tatsächlich keine Datenverarbeitung durch die Beklagte vorliegt, was hier aber gerade doch der Fall ist. Da gerade im Hinblick auf die Verarbeitung durch die Firma A der Kläger keine Kenntnis darüber hat, welche Daten wie verarbeitet werden, was im Übrigen auch im Hinblick auf eine eventuelle weitere Verarbeitung durch die Bekalgte oder ihren Ehemann gilt, fehlt der Klage auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Recht auf Auskunft ist, soweit eine Datenverarbeitung vorliegt, nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft. Ein Weigerungsrecht der Beklagten aufgrund offenkundig unbegründeter oder exzessiver Anträge gemäß Art. 12 Abs. 5 DSGVO ist nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der vor Klageerhebung erteilten Datenauskunft gemäß § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB. Insofern fehlt es der Klage zum einen bereits am Rechtsschutzbedürfnis, zum anderen sind auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende eidesstattliche Versicherung nicht gegeben. Der entsprechende Klageantrag bezieht sich nicht auf die von der Beklagten noch zu erteilende Datenauskunft, die ebenfalls mit der Klage (erfolgreich) geltend gemacht wird. Vielmehr soll ausdrücklich die Vollständigkeit und Richtigkeit der bislang erteilten Datenauskunft, also derjenigen aus dem Schriftsatz vom 26.2.2020, versichert werden. Insofern machte der Kläger aber mit seinem Klageantrag auf Auskunft gleichzeitig erfolgreich geltend, dass diese eben gerade nicht vollständig und richtig war. Ein Anspruch auf Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer im gerichtlichen Verfahren nachgewiesen unvollständigen bzw. unrichtigen Auskunft kann aber nicht verlangt werden. Etwas anderes könnte gegebenenfalls im Hinblick auf die noch zu erteilende Auskunft gelten. Hierauf bezieht sich der Antrag aber gerade nicht.

Im Hinblick auf die Widerklage ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, da insofern noch entsprechende Hinweise an die Parteien zu erteilen waren und jedenfalls dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom 6.4.2021 zu geben war. Auch eine Kostenentscheidung kann deshalb erst im Schlussurteil erfolgen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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