Mitgehörtes Telefonat ohne Einwilligung als Beweismittel unzulässig

02. September 2015
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Mann hält seine Hand ans Ohr und lauscht Urteil des AG München vom 10.07.2014, Az.: 222 C 1187/14

Eine Zeugenaussage über ein Telefongespräch, welches ohne die Einwilligung des Gesprächspartners von einem Dritten (hier: dem Zeugen), mitgehört wurde, führt im Rahmen der gerichtlichen Beweiswürdigung zu einem Beweisverwertungsverbot, da ein solches Mithören das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners verletzt. Auch kann im Geschäftsverkehr nicht pauschal von einer konkludenten Einwilligung ausgegangen werden. Ein Telefongespräch kann daher grundsätzlich nur als Beweismittel zugelassen werden, wenn ein Hinweis über das Mithören erfolgt oder das Mithören zur Wahrung höherrangiger Interessen gerechtfertigt ist.

Amtsgericht München

Urteil vom 10.07.2014

Az.: 222 C 1187/14

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2014 folgendes Endurteil

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.   Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten einen Kaufpreisanspruch aufgrund der Lieferung von Wildfleisch geltend.

Der Kläger handelt mit Wildspezialitäten, die Beklagte betreibt eine Gaststätte. Am 10.11.2013 fand ein Telefonat zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter statt, da der Kläger Frischfleisch im Angebot hatte. Die Einzelheiten dieses Telefonats sind zwischen den Parteien streitig. Am 11.11.2013 versandte der Kläger an die Beklagte per Email eine Auftragsbestätigung, in der die telefonische Bestellung von 15 Hirschrücken, 15 Hirschkeulen ohne Knochen sowie 20 kg gesägten Knochen bestätigt wurde. Am 14.11.2013 erhielt die Beklagte über die durch den Kläger eingeschaltete Spedition eine Lieferung Wildfleisch, die seitens des Mitarbeiters mit dem Vermerk „unter Vorbehalt“ angenommen wurde. Am 15.11.2013 nahm eine Mitarbeiterin der Beklagten wegen der Fleischlieferung Kontakt mit dem Kläger auf.

Der Kläger bringt vor, der Mitarbeiter der Beklagten habe in dem Telefonat vom 10.11.2013 die Lieferung von 15 Hirschrücken mit Knochen sowie 15 Hirschkeulen ohne Knochen bestellt. Dieses Telefonat habe die Zeugin mitgehört, nachdem der Kläger das diesbezügliche Einverständnis des Mitarbeiters der Beklagten eingeholt habe. Der Kläger behauptet, das Telefonat sei von der Zeugin entgegen genommen worden, die den Kläger an den Zeugen weiter verbunden habe.

Der Kläger meint, die E-Mail vom 11.11.2013 sei rechtlich als kaufmännisches Bestätigungsschreiben einzuordnen. Auch dadurch sei ein Kaufvertrag über die genannten Hirschrücken und -keulen zustande gekommen.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 4.066,87 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 25.11.2013 nebst 258,17 Euro vorgerichtliche Nebenkosten zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte bringt vor, sie habe die Email des Klägers vom 11.11.2013 zwar erhalten, diese sei jedoch im Spam-Ordner des Emailprogramms gelandet und dort nicht zur Kenntnis genommen worden.

Das Gericht hat zur Behauptung der Klagepartei, zwischen den Parteien sei am 10.11.2013 ein Vertrag über die Lieferung von Wildfleisch abgeschlossen worden, Beweis durch uneidliche Vernehmung der Zeugen erhoben sowie den Kläger und den Geschäftsführer der Beklagten informatorisch angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2014 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2014 und 26.05.2014 sowie die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO; §§ 23, 71 Abs. 1 GVG.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB gegenüber der Beklagten zu, da zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen ist.

1.    Die Klagepartei konnte trotz der bei ihr liegenden Beweislast nicht nachweisen, dass der Kläger sowie die Beklagte, vertreten durch den Zeugten in dem Telefonat vom 10.11.2013 übereinstimmende Willenserklärungen bezüglich des Kaufs von Wildfleisch abgegeben haben.

a)    Zwar haben der Kläger und der Zeuge unstreitig am 10.11.2013 miteinander telefoniert. Nach der Aussage des Klägers wurde hierbei auch eine Einigung über den Kauf des Wildfleisches erzielt. Die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers waren zwar detailreich und konkret. Allerdings gab der Kläger auch an, dass er an derartigen Sonntagen eine Vielzahl von ähnlichen Verkaufsgesprächen führe, so dass schon insoweit Zweifel daran bestehen, dass sich der Kläger derart konkret an dieses spezielle Telefonat erinnerte. Hinzu kommt, dass nach der Überzeugung des Gerichts zumindest die Behauptung, das Gespräch sei von der Zeugin weiter verbunden worden, durch die Aussage dieser Zeugin sowie des Zeugen widerlegt wurde. Angesichts des Aufgabenbereichs der Zeugin widerspricht eine Tätigkeit an einem Sonntag auch der allgemeinen Lebenserfahrung.

b)    Den Ausführungen des Klägers stehen die nicht weniger glaubhaften Angaben des Zeugen entgegen. Insbesondere waren keine äußeren Anzeichen dafür zu erkennen, dass der Zeuge dem Gericht den Sachverhalt anders schilderte, als er sich nach seiner Erinnerung tatsächlich ereignet hatte.

c)    Die Aussage der Zeugin    hinsichtlich der Einigung über den Kaufvertrag darf im Rahmen der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt werden, da durch das Mithören des Telefonats das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Zeugen verletzt wurde. Nach Ansicht des Gerichts kann nicht pauschal im Geschäftsverkehr von einer konkludenten Einwilligung ausgegangen werden, sondern es wäre zumindest ein Hinweis des Klägers erforderlich gewesen. Der Kläger konnte weder nachweisen, dass der Zeuge über das Mithören durch die Zeugin im Vorfeld informiert wurde, noch war dieses Mithören zur Wahrung höherrangiger Interessen gerechtfertigt. Die Zeugin konnte lediglich pauschal widergeben, dass der Kläger bei derartigen Gesprächen stets darauf hinweise, dass die Zeugin mithöre. Eine konkrete Erinnerung der Zeugin an den vorliegenden Fall fehlte jedoch, was angesichts der Vielzahl der vom Kläger geführten Gespräche mit unterschiedlichen Abnehmern auch nicht verwunderlich erscheint. Demgegenüber bekundete der Zeuge, dass ein derartiger Hinweis auf das Mithören der Zeugin nicht erfolgt sei. Das Mithören des Telefonats war auch nicht zur Wahrung höherrangiger Interessen gerechtfertigt, da das bloße Beweisinteresse hier nicht genügt (vgl. BGH NJW 2003, 1727).

d)    Selbst wenn man die Aussage der Zeugin auch hinsichtlich des Abschlusses eines Kaufvertrags berücksichtigt hätte, käme die Beweiswürdigung zu keinem anderen Ergebnis. So waren die Angaben der Zeugin  auch hinsichtlich der übrigen Kaufvertragsdetails äußerst vage und erfolgten erst auf mehrmaliges Nachfragen. Zudem gab die Zeugin selbst an, dass sie während des Telefonats andere Tätigkeiten ausführte, was darauf schließen lässt, dass nicht ihre volle Aufmerksamkeit auf das Gespräch gerichtet war. Die Angaben der Zeugin waren daher keinesfalls glaubwürdiger oder überzeugender als die Angaben des Zeugen.

e)    Auch aus den übrigen Aussagen und Unterlagen lässt sich nicht zur Überzeugung des Gerichts ein Vertragsschluss der Parteien entnehmen. Zwar könnte die Auftragsbestätigung per Email sowie die Tatsache, dass die Beklagte hierauf nicht reagierte, ein gewisses Indiz für einen Vertragsschluss der Parteien darstellen. Allerdings hat die Zeugin bekundet, dass diese Email durch die Beklagte erst im Nachhinein bemerkt worden sei und im Spam-Verdacht-Ordner abgelegt war.
Die Annahme des Fleisches „unter Vorbehalt“ durch den Zeugen lässt ebenfalls keine sicheren Rückschlüsse auf einen etwaigen Vertragsschluss zu. Vielmehr konnte der Zeuge nachvollziehbar erklären, dass auf der Ware der Name der Spedition angebracht war und er zunächst Rücksprache mit dem Geschäftsführer der Beklagten hinsichtlich der Ware halten wollte. Soweit der Kläger behauptet, die Mitarbeiterin der Beklagten habe im Anschluss an die Lieferung um Rücknahme der Ware gebeten, da das Fleisch ein bisschen zu viel sei, konnte dieses Vorbringen ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Seitens der Zeugin wurde verständlich und glaubwürdig dargelegt, dass sie um Abholung der kompletten Ware gebeten habe, da diese nicht bestellt worden sei.

2.    Zwischen den Parteien ist aufgrund der Email des Klägers an die Beklagte vom 11.11.2013 kein Vertrag nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens  zustande gekommen.

a)    Die Bezeichnung als Auftragsbestätigung steht der Annahme eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht entgegen. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kann auch per Email vorschickt werden, da ein solches Schreiben keiner bestimmten Form bedarf. Hier hat die Beklagte durch die Nennung ihrer Email-Adresse auf der Website diese auch für den geschäftlichen Verkehr freigegeben. Grundsätzlich kann bei einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben ein Kaufvertrag auch durch bloßes Schweigen zustande kommen.

b)    Jedoch sind die Voraussetzungen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht nachweislich erfüllt. Denn ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben setzt – auch in Abgrenzung zur Auftragsbestätigung – voraus, dass zwischen den Parteien Vertragsverhandlungen vorangegangen sind (BGH NJW 1974, 991). Vertragsverhandlungen sind gerade mehr als ein loser Kontakt über eine geschäftliche Zusammenarbeit. Für solche Vertragsverhandlungen ist der Kläger beweispflichtig (a.a.O.). Solche Vertragsverhandlungen konnte der Kläger nach Ansicht des Gerichts gerade nicht beweisen (s.o.).

III.

1.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

2.    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2, 709 S. 2 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht München

Prielmayerstraße 7

80335 München

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablaut von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder eilen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

 

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