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1800 vermeintliche Anrufe während dem Lenken eines Linienbusses – Einzelverbindungsnachweis gerade kein Beweis

18. August 2011
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Busfahrer im blauen Hemd sitzt hinter dem Steuer und hat das Lenkrad in der Hand.

Eigener Leitsatz:

Grundsätzlich ist der Beweis des ersten Anscheins für die Zurechnung der streitigen Entgelte zum Anschluss des Kunden geführt, wenn sich aus der technischen Prüfung und den jeweiligen Einzelverbindungsnachweisen ergibt, dass der Anschluss technisch fehlerfrei funktioniert.

Ein Einzelverbindungsnachweis, in dem die Zielnummer in verkürzter Form und verschlüsselt dargestellt wird sowie ein pauschales Prüfungsprotokoll reichen hierfür nicht aus.

Im Einzelnen:

Über 1800 Mal soll ein von uns vertretener Mandant eine 0137-Mehrwertdienste angewählt haben. Die Telekom stellte diesem daraufhin einen vierstelligen Betrag in Rechnung. Die Telekom stützte sich dabei sowohl auf einen verkürzten Einzelverbindungsnachweis aus dem hervorging, dass unser Mandant teilweise im Sekundentakt eine 0137-Rufnummer angerufen haben soll. Zusätzlich stützte sich die Telekom auf ein Prüfprotokoll. Das kuriose dabei: Unser Mandant ist Linienbusfahrer und soll die Anrufe während der Fahrt getätigt haben, teilweise über 80 Anrufe während einer Zeitspanne von ca. 10 Minuten. Herr Rechts- und Fachanwalt Julian N. Modi, LL.M. aus unserer Kanzlei konnte den Anscheinsbeweis der Telefonrechnung und des Prüfprotokolls erschüttern indem dieser Fahrgäste als Zeugen vernahm.

Dem folgte auch das AG Dachau. Die verschlüsselten Einzelverbindungsnachweise sowie das Prüfungsprotokoll begründen keinen Anscheinsbeweis für die Zurechnung der Entgelte zum Anschluss des Beklagten. Die Verbindungsdaten seien grundsätzlich ungekürzt zu speichern und das Prüfungsprotokoll sei zu pauschal und erkläre nicht wer, wann und mit welchen Mitteln die Richtigkeit der Erfassung und Berechnung geprüft habe. Selbst wenn von einem Anscheinsbeweis auszugehen wäre, wäre dieser durch den Zeugenbeweis erschüttert.

Amtsgericht Dachau

Urteil vom 16.08.2011

Az.: 2 C 1423/10

In dem RechtsstreitTelekom Deutschland GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, Landgrabenweg 151, 53227 Bonn
– Klägerin -Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte (…)

gegen

(…)
– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hild & Kollegen, Konrad-Adenauer-Allee 55, 86150 Augsburg,

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht Dachau am 12. 08.2011 durch die Richterin am Amtsgericht A(…) im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 05.08.2011 eingereicht werden konnten, folgendes

Endurteil:

Die Klage wird abgewiesen.

II.    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Mobilfunkvertrag.

Die Klägerin unterhält und betreibt den Mobilfunkdienst D1. Der Beklagte war zu dem streitgegenständlichen Zeitpunkt hauptberuflich Linienbusfahrer und steuerte einen Linienbus im Regionalverkehr Oberbayern. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestand ein bis zum 12.06.2008 befristeter Mobilfunkvertrag. Im Rahmen dieses Mobilfunkvertrages stellte die Klägerin dem Beklagten die Rufnummer 0170/XXXXXXX im D1-Netz zur Verfügung. Außerdem erhielt der Beklagte eine mit der zugeteilten Rufnummer kodierte D1-Telekarte, welche die Zugangsberechtigung zum Mobilfunkdienst D1 enthielt und die Speicherung individueller Verzeichnisse, wie beispielsweise ein Rufnummernverzeichnis, ermöglichte. Für die Zugangsberechtigung wurde eine einmalige Bereitstellunggebühr berechnet. Darüber hinaus wurden monatlich Grundentgelte für die Nutzung des Mobilfunkdienstes, sowie Verbindungsentgelte für geführte Telefonate auf Grundlage der jeweils gültigen Preislisten sowie der AGB der Klägerin fällig. Die durch die Bereitstellung und Nutzung des Mobilfunkanschlusses entstandenen Preise rechnete die Klägerin monatlich ab. Dem Beklagten wurde zu diesem Zweck ein Kunden-Konto mit der Nummer YYYYYY eingerichtet, auf welchem die Verrechnung der entstandenen Entgelte mit den Zahlungen im Kontokorrentwege erfolgte. Die Klägerin stellte dem Beklagten, der ihre Dienste üblicherweise in Höhe eines monatlichen Betrages zwischen 50 € und 80 € in Anspruch nahm, für den Abrechnungszeitraum November 2007 am 04.12.2007 einen Betrag in Höhe von 859,78 € und für den Abrechnungszeitraum Dezember 2007 am 07.01.2008 einen Betrag in Höhe von 353,00 € in Rechnung. Die Rechnung von Januar 2008 wies daraufhin wieder einen Betrag von 51,34 € auf, diejenige von Februar 2008 einen Betrag von 58,24 €. Auf Anfrage des Beklagten übersandte ihm die Klägerin am 08.01.2008 und am 22.01.2008 entsprechende Einzelverbindungsnachweise (Anlage B 5) über die geführten Telefonate in den Monaten November und Dezember 2007. Diese stellten das Ziel in verkürzter Form mit XXX-Endung dar. Aus diesen Einzelverbindungsnachweisen geht hervor, dass der Beklagte über den Zeitraum vom 20. bis 30. November 2007 in einem Abstand von wenigen Sekunden über 1000 Mal die Nummer 01379363XXX angerufen habe, ebenso vom 01. bis 07. Dezember 2007 über 830 Mal. Die Verbindungsdauer betrug etwa zwei Sekunden. Bei dieser Rufnummer handelt es sich um eine T-VoteCall Nummer, die Zuhörern oder Zuschauern bei Rundfunk- oder Fernsehsendungen die Teilnahme an Telefonaktionen mit Gewinnspielcharakter ermöglicht.

Der Beklagte legte gegen die Rechnungen von November und Dezember 2007 mit Schreiben vom 12.01.2008 sowie mit Schreiben vom 05.02.2008 Widerspruch ein und forderte die Klägerin zur Übersendung eines Prüfungsprotokolls auf. Bis zur Übersendung des Prüfberichts behielt sich der Beklagte die Zahlung der für die Sonderrufnummern angefallenen Verbindungsentgelte vor und bezahlte lediglich die übrigen angefallenen Gebühren nebst Mehrwertsteuer. Diese Beträge beliefen sich für November 2007 auf 55,91 € und für Dezember 2007 auf 52,82 €.

Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 20.02.2008 zur Zahlung von 1220,78 € auf. Mit Schreiben vom 07.03.2008 kündigte die Klägerin den Mobilfunkvertrag mit dem Beklagten. Am 10.03.2008 ließ die Klägerin dem Beklagten das im Januar angeforderte Prüfprotokoll (vorgelegt als Anlage B 11) zukommen. Eine von dem Beklagten angeforderte unverschlüsselte Darlegung der Einzelverbindungen wurde nicht vorgelegt. Daher leistete der Beklagte weder Zahlung auf die ausstehenden Beträge für die Zeiträume November und Dezember 2007, noch auf die Rechnung vom 06.04.2008 über einen Betrag in Höhe von 71,89 €, in dem die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 60,80 € forderte. Die Klägerin mahnte den Beklagten letztmalig mit Anwaltsschreiben vom 22.06.2008 und forderte von diesem einen Betrag in Höhe von 1466,50 €, der sich aus der Hauptforderung in Höhe von 1285,52 €, Auslagen in Höhe von 20,00 €, Verzugszinsen in Höhe von 4,03 € und Anwaltskosten in Höhe von 156,50 € zusammensetzt. Die Klägerin ist der Meinung, sie habe dadurch, dass sie dem Beklagten die gewünschten Einzelverbindungsnachweise und das Prüfprotokoll zusandte, den Beweis erbracht, dass sie ihre Dienste fehlerfrei erbracht habe. Daraus ginge hervor, dass entweder der Beklagte oder ein Dritter die Nummer gewählt haben müsse. Diesen Beweis des ersten Anscheins habe der Beklagte auch nicht erschüttern können. Dabei könne sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass ihm lediglich ein verschlüsselter Einzelverbindungsnachweis übersandt wurde. Die Klägerin sei nicht verpflichtet, dem Beklagten einen unverschlüsselten Einzelverbindungsnachweis zu übersenden. Darüber hinaus sei eine Manipulation bei der Datenerfassung und Abrechnung von Telefonverbindungen im Mobilfunkbereich faktisch ausgeschlossen, so dass ein Verbindungsaufbau durch einen Dialer unwahrscheinlich sei. Auch sei bei T-VoteCalls eine kurze Verbindungsdauer und die Anwahl innerhalb von wenigen Sekunden durchaus normal und üblich.

Die Klägerin beantragt:

1.    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1285,52 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.06.2009 sowie 20,00 € Nebenkosten zu bezahlen.

2.    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechts-verfolgungskosten in Höhe von 156,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, er habe die streitgegenständlichen Telefonate nicht selbst geführt. Seine Tätigkeit als Linienbusfahrer habe es nicht zugelassen, derartig häufige Telefonate zu führen. Die Steuerung des zwölf Meter langen Busses ohne Freisprecheinrichtung und ohne Automatikgetriebe bei Dunkelheit, im Winter, auf kurviger Strecke, sei nur beidhändig möglich und erfordere höchste Aufmerksamkeit. Er habe daher die Telefonate während der Arbeitszeit unter keinen Umständen führen können. Er habe täglich, außer dienstags, von 05:20 Uhr bis 18:22 Uhr gearbeitet. An Dienstagen habe er von 5:20 Uhr bis 13:33 Uhr gearbeitet. Die Fahrgäste hätten es bemerken müssen, wenn er während der Fahrt telefoniert habe. Ebenso habe er sein Telefon auch zu keiner Zeit an Dritte weitergegeben, so dass auch kein Anderer die Telefonate geführt haben konnte. Zumindest seien ihm diese Telefonate nicht zuzurechnen. Seien sie wirklich geführt worden, sei dies ohne Kenntnis des Beklagten, möglicherweise durch einen Dialer, geschehen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 02.05.2011 durch Einvernahme der Zeugen A(…), H(…) und S(…). Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf das Protokoll vom 26.05.2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

1.    Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Dachau sachlich gem. §§ 23 Nr.1, 71 I GVG und örtlich gem. §§ 12, 13 ZPO zuständig. Die Klägerin ist gemäß § 50 I ZPO i.V.m. § 13 I GmbHG parteifähig. Sie wird im Prozess gemäß § 35 I GmbHG von ihrem Geschäftsführer vertreten.

2.    Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des Entgeltes für die Verbindungen zur Zielnummer 01379363XXX aus § 611 I BGB. Zwischen den Parteien kam kein Vertrag über die Verbindung zu den streitgegenständlichen Sonderrufnummern zustande.

a)    Ein Vertrag wird geschlossen durch zwei korrespondierende Willenserklärungen. Vorliegend hat der Beklagte keine ihm zurechenbare Willenserklärung bezüglich des Zustandekommens eines Vertrages über die Verbindungen zur Zielnummer 01379363XXX abgegeben. Grundsätzlich trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Inanspruchnahme einer Leistung der Klägerin durch den Beklagten die Klägerin selbst (BGH, Urteil vom 24.06.2004, Ill ZR 104/03). Der Klägerin ist der ihr obliegende Beweis für den Umstand des Vertragsschlusses nicht gelungen. Die Klägerin berief sich vorliegend auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises zu ihren Gunsten. Nach ihrem Vortrag seiein Beweis des ersten Anscheins für die Zurechnung der streitigen Entgelte zum Anschluss des Kunden dann erbracht, wenn sich aus der technischen Prüfung und den jeweiligen Einzelverbindungsnachweisen ergebe, dass der streitgegenständlichen Anschluss technisch fehlerfrei funktionierte. Dies ergäbe sich nach ständiger Rechtsprechung aus § 45 i III TKG.

b)    Das Gericht ist der Überzeugung, dass der durch die Klägerin vorgelegte um die drei letzten Ziffern verkürzte Einzelverbindungsnachweis dafür jedoch nicht ausreicht. Die Klägerin trug vor, sie sei nach § 45 i TKG i.V.m. § 96 III TKG zur Anonymisierung der Zielrufnummern verpflichtet gewesen und habe daher die Verbindungen nur gekürzt wiedergeben dürfen. Außerdem habe der Beklagte selbst einen verkürzten Einzelverbindungsnachweis gewählt. Das Gericht teilt die Auffassung der Klägerin in diesem Punkt nicht. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, der zugrundeliegende Telefondienstvertrag sei vor Inkrafttreten der jetzigen Fassung des § 97 TKG geschlossen worden und daher lediglich die Speicherung der verkürzten Rufnummern zulässig gewesen. Gemäß § 97 III TKG dürfen Verkehrsdaten ungekürzt gespeichert werden, wenn der Teilnehmer von seinem Wahlrecht nach § 97 IV TKG keinen Gebrauch gemacht hat. Dies gilt nach Ansicht der Bundesnetzagentur, der sich das Gericht anschließt, auch bei Bestandskunden. Diese müssen, da § 97 III TKG die Vorgängerregelung des § 7 III TDSV 2000 ändert, von ihrem Wahlrecht in Kenntnis gesetzt werden und die Möglichkeit erhalten, davon Gebrauch zu machen. Eine gegenteilige Auffassung würde den Zweck der Neuregelung, den Verbraucher stärker zu schützen, ins Leere laufen lassen. Da der Beklagte von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch machen konnte sind die Verbindungsdaten ungekürzt zu speichern. Die Klägerin hat nicht ausreichend dargelegt, dass der Beklagte auf die geänderte Rechtslage hingewiesen wurde und dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde, von seinem Wahlrecht aus § 97 IV TKG Gebrauch zu machen. Aus der mit Schriftsatz vom 30.06.2011 (BI. 54/55 d. A.) vorgelegten, teilweise unleserlichen Urkunde geht nicht hervor, ob die Wahl eines unverschlüsselten Einzelverbindungsnachweises grundsätzlich möglich gewesen wäre. Auch hätte direkt nach Gesetzesänderung auf das Wahlrecht hingewiesen werden müssen. Dies hat die Klägerin nicht vorgetragen. Aus dem vorgelegten Schriftstück geht lediglich hervor, dass scheinbar eine Wahl nach Entstehen der Streitigkeit getroffen wurde. Diese erfolgte jedoch zu spät.

c) Ebenso sieht das Gericht das vorgelegte Prüfungsprotokoll über die technische Prüfung vom 06.03.2008 im Rahmen eines Anscheinsbeweises als nicht ausreichend an. Eine derartige technische Prüfung muss ausführlich darlegen in welchem Umfang die Prüfung ausgeführt wurde. Ein pauschales Schreiben für eine unbestimmte Vielzahl von Reklamationen, aus dem nicht hervorgeht, wer, wann und mit welchen Mitteln die Richtigkeit der Erfassung und Berechnung überprüft hat ist dafür nicht ausreichend (AG Papenburg, Urteil vom 30.10.2008, Az.: 4 C 247/08). Bei dem Prüfungsbericht, der dem Gericht im streitgegenständlichen Fall vorgelegt wurde handelt es sich um ein derartiges pauschaliertes Schreiben. Es ist für einen objektiven Verbraucher nicht ersichtlich, was in welchem Umfang überprüft wurde. Das Protokoll enthält lediglich Standardaussagen.

Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen eines Anscheinsbeweises ausgeht, wurde dieser durch den Vortrag des Beklagten erschüttert. Sowohl der Zeuge H(…) wie auch die Zeugin A(…) haben ausgesagt, sie hätten näher nie beobachtet, dass der Beklagte während seiner Arbeitszeit telefoniert hätte. Das Gericht hält beide Aussagen für glaubwürdig, insbesondere da der Zeuge H(…) zugab, häufig kurz nach dem Einsteigen in den vom Beklagten geführten Linienbus, eingeschlafen zu sein. Trotzdem ist das Gericht davon überzeugt, dass es den Zeugen hätte auffallen müssen, wenn der Beklagte die streitgegenständliche Nummer gewählt hätte, selbst wenn er dazu lediglich die Wahlwiederholungstaste an dem neben ihm liegenden Handy gedrückt hätte. Der Zeuge H(…) sagte aus, er sei meist erst etwa zehn Minuten nach dem Einsteigen wieder eingeschlafen und habe den Beklagten in dieser Zeit nie telefonieren sehen. Der Zeuge H(…) und die Zeugin A(…) waren sich sicher, im Jahr 2007 im November und Dezember jeweils morgens mit dem Bus des Beklagten mitgefahren zu sein und zwar von etwa 6.00 Uhr bis 20 Minuten vor 7.00 Uhr.

Nach den vorgelegten Einzelverbindungsnachweisen soll der Beklage in diesen Zeiten folgende Anrufe getätigt haben:

Mittwoch 28.11. zwischen 6.05 und 6.11 Uhr                    40 Anrufe
am 29.11.2007 zwischen 6.04 und 6.09 Uhr                     32 Anrufe
am Freitag 30.11. zwischen 6.00 und 6.11 Uhr                 84 Anrufe
am Montag, 03.12.2007 zwischen 6.04 und 6.11 Uhr         47 Anrufe
am 05.12.2007 im Zeitraum um 6.00 Uhr                        48 Anrufe
am 06.12.2007 im gleichen Zeitraum                              31 Anrufe
am Freitag 23.11.2007 von 6.06 Uhr bis 6.07 Uhr              4 mal
am Mittwoch 28.11.2007 zwischen 6.05 und 6.11 Uhr        40 mal
am Freitag 30.11.2011 zwischen 6.00 und 6.11 Uhr          84 mal.

Das Gericht hat an der Glaubwürdigkeit der völlig unbeteiligten Zeugen, die ihre Aussagen ruhig und überlegt gemacht haben, keinerlei Zweifel. Auch wenn sie sich nach der langen Zeit nicht mehr an Einzelheiten erinnern können, ist das Gericht aber überzeugt, dass sie etwas davon bemerkt hätten, wenn der Beklagte eine solche Vielzahl von Telefonverbindungen gewählt hätte, wie eben aufgeführt. Der Zeuge H(…) hat sich auch öfter mit dem Beklagten unterhalten und könne sich deshalb nicht vorstellen, dass es möglich wäre, auf der sehr kurvigen Fahrtstrecke derart häufig das Handy zu betätigen. Auch wenn die Zeugen den Beklagten sicher nicht durchgehend während der Zeiträume, in denen die Anrufe erfolgt sein sollen, beobachtet haben, ist es aber doch äußerst unwahrscheinlich, dass eine solche Vielzahl von Anwahlvorgängen von keinem der Zeugen bemerkt worden wären. Der Anscheinsbeweis, sollte er durch den vorgelegten Einzelverbindungsnachweis und das technische Prüfprotokoll ausreichend geführt sein, ist deshalb auf jeden Fall durch die Angaben der beiden Zeugen H(…) und A(…) sowie der Zeugin S(…), die ebenfalls glaubwürdig ausgeführt hat, dass der Beklagte sein Handy immer selbst bei sich geführt und niemand anderem überlassen habe, entkräftet.

d) Es wäre nun an der Klägerin, den vollen Beweis dafür zu erbringen, dass der Verbindungsaufbau zu der streitgegenständlichen Sonderrufnummer dem Beklagten zuzurechnen war. Die ist ihr jedoch nicht gelungen. Die Klägerin konnte lediglich vortragen, dass eine technische Prüfung keine Fehler ergab und dass die jeweiligen Einzelverbindungsnachweise mit der durch die Klägerin ausgestellten Rechnung übereinstimmten. Dies genügt für einen vollen Beweis jedoch nicht aus. Insbesondere leistet der Einzelverbindungsnachweis noch keinen Beweis dafür, dass der Beklagte selbst oder ein Dritter in einer dem Beklagten zurechenbarer Weise diese Telefonate geführt hat. Die Zeugin S(…) hat glaubhaft ausgesagt, der Beklagte habe sein Telefon täglich mit zur Arbeit genommen und auch niemals verliehen oder verloren. Durch diese Aussage in Verbindung mit den Aussagen der Zeugen H(…) und A(…) hat der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts ausreichend dargetan, dass ihm die streitgegenständlichen Telefonate nicht zugerechnet werden können. Die Klägerin hat Gegenteiliges nicht ausreichend vortragen können. Das Argument der Klägerin, die Einzelverbindungsnachweise hätten auch anderweitige Telefonate und den Versand von SMS ausgewiesen, die während der Arbeitszeit geführt worden wären, steht dem nicht entgegen. Der Beklagte hat eingeräumt, dass er an Haltestellen gelegentlich telefoniert hätte, wenn er zuvor angerufen worden sei. Diese Aussage erklärt jedoch lediglich das Zustandekommen der vereinzelten „normalen“ Telefonate und SMS. Auch die Vorlage der Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren, laut derer eine Manipulation der Datenerfassung und Abrechnung von Telefonverbindungen im Mobilfunknetz nahezu ausgeschlossen sei, vermag das Gericht nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Die Sachverständigengutachten betreffen nicht den vorliegenden Sachverhalt und sind bereits acht Jahre alt. Es ist nach Ansicht des Gerichts aufgrund neuer technischer Möglichkeiten nicht ausgeschlossen, dass ein aktuelles Gutachten zu einem anderen Schluss kommen könnte. Gemäß § 45 i IV TKG hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf Zahlung der Entgelte für die streitgegenständlichen Sonderrufnummern.

e) Darüber hinaus hat die Klägerin ebenfalls keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 60,80 € aus § 628 II BGB i.V.m. Ziffer 8.4 der AGB der Klägerin, da diese weder zur fristlosen Kündigung des Vertrages noch zur Sperrung des Mobilfunkanschlusses berechtigt war. Dabei kann die Frage nach der Wirksamkeit der AGB dahingestellt bleiben. Wie bereits ausgeführt hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Entgelte für die streitgegenständlichen Sonderrufnummern, da kein Vertrag über die Verbindung zu diesen zustande kam. Der Beklagte befand sich damit nicht im Rückstand der Bezahlung der Entgelte im Sinne der Ziffer 8.2 der AGB.

3.    Mangels Verzuges steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 4,03 € zu.

4.    Aus denselben Gründen kann die Klägerin auch weder Mahnkosten in Höhe von 20 €, noch vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 156,50 € geltend machen.

5.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

6.    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

2 Kommentare

  1. Lektor, 18. August 2011

    Während des Lenkens! So viel Zeit muss sein!

  2. Epp, 18. August 2011

    wie geil ist das denn???

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