Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung widerspricht Europarecht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 22.06.2017
Az.: 13 B 238/17
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Januar 2017 geändert.
Es wird vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens des Verwaltungsgerichts Köln – 9 K 3859/16 – festgestellt, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, die in § 113b Abs. 3 TKG in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2218 ff.) genannten Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang vermittelt, zu speichern.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird für das Verfahren in beiden Instanzen auf jeweils 160.000 Euro festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Die Antragstellerin ist ein IT-Unternehmen mit Sitz in N. und erbringt Internetdienstleistungen einschließlich Internetzugangsleistungen für rund 1.200 Geschäftskunden aus Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Antragstellerin beschäftigt derzeit 110 Mitarbeiter und erzielte zuletzt im Geschäftsjahr 2015 bei einem Umsatz von rund 15 Mio. Euro einen Jahresüberschuss vor Steuern von rund 1,2 Mio. Euro. Für das Geschäftsjahr 2016 rechnet sie nach gegenwärtigem Stand bei einem Umsatz von rund 15,7 Mio. Euro mit einem Jahresüberschuss vor Steuern von rund 0,9 Mio. Euro. Mit ihrer gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts eingelegten Beschwerde begehrt die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihr durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2218 ff.) auferlegte Pflicht, nach Verstreichen einer gesetzlichen Übergangsfrist ab dem 1. Juli 2017 Telekommunikationsverkehrsdaten aller Kunden, denen sie einen Internetzugang vermittelt, für einen begrenzten Zeitraum für Zwecke einer etwaigen Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr auf Vorrat speichern zu müssen.
Das Verwaltungsgericht hat den von der Antragstellerin begehrten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO mit Beschluss vom 25. Januar 2017 abgelehnt. Der sowohl auf verfassungsrechtliche als auch auf unionsrechtliche Einwände gegen die Speicherpflicht gestützte Antrag sei ausnahmsweise im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes zulässig, weil der Antragstellerin die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen eine mögliche Ordnungsverfügung der für die Überwachung der Einhaltung der Speicherpflicht nach § 115 TKG zuständigen Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen – Bundesnetzagentur – in Anbetracht der für den Fall der Nichterfüllung mit einer Ordnungswidrigkeit bewehrten Speicherpflicht nicht zuzumuten sei. Die Antragstellerin habe jedoch weder einen Anordnungsanspruch, noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend festgestellt werden, dass die Antragstellerin durch die Erfüllung der Speicherpflicht in eigenen Rechten verletzt werde. Insbesondere lasse sich nicht schon im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abschließend klären, ob die beanstandete Speicherpflicht verfassungs- oder unionrechtswidrig sei. Die hiernach vorzunehmende Folgenabwägung gehe im Ergebnis zulasten der Antragstellerin aus. Insbesondere ergebe sich aus den von der Antragstellerin selber zu tragenden Kosten für die Erfüllung der Speicherpflicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens keine unzumutbare, das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Gesetzes überwiegende Belastung.
Mit der am 13. Februar 2017 eingelegten Beschwerde macht die Antragstellerin unter näherer Ausführung im Einzelnen geltend, dass die beanstandete Speicherpflicht jedenfalls nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – in den verbundenen Rechtssachen „Tele2 Sverige AB und Watson“ unionsrechtswidrig sei, weil die Speicherpflicht anlasslos die Verkehrs- und Standortdaten nahezu sämtlicher Nutzer erfasse, ohne dass ein hinreichender Zusammenhang zu dem mit dem Gesetz verfolgten Ziel der Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe. Außerdem verstoße die Speicherpflicht auch deshalb gegen Unionsrecht, weil die Regelung des § 113c Abs. 1 Nr. 3 TKG eine Verwendung der gespeicherten Daten durch die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste für eine Datenermittlung für eine Bestandsdatenauskunft nach § 113 Abs. 1 Satz 3 TKG zulasse, ohne insoweit auf das Ziel der Bekämpfung schwerer Straftaten oder der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit beschränkt zu sein. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass sie sich ebenso wie die Nutzer der gespeicherten Daten auf die Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 7 und Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union berufen könne. Außerdem sieht sie sich in ihrer Berufsfreiheit verletzt, weil es wegen der Unionsrechtswidrigkeit der Speicherpflicht an einer erforderlichen gesetzlichen Grundlage für den Eingriff in ihre Berufsfreiheit fehle. Die Erfüllung der Speicherpflicht sei ausweislich eines in das Verfahren eingeführten Sachverständigengutachtens mit einem finanziellen Aufwand von rund 80.000 Euro für die erstmalige Investition in die erforderliche Infrastruktur sowie weiteren rund 10.000 Euro monatlich für den laufenden Betrieb zu beziffern.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Januar 2017 – 5 L 1009/16 – abzuändern und anzuordnen, dass die Antragstellerin bis sechs Monate nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht verpflichtet ist, die in § 113b Abs. 3 TKG aufgeführten Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden zu speichern, denen sie den Internetzugang vermittelt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie ist unter näherer Darlegung im Einzelnen der Auffassung, dass die Antragstellerin die Reichweite der von ihr angeführten Grundrechte verkenne und auch aus der durch die Antragstellerin angeführten neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keine Schlussfolgerungen ableitbar seien, die bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnten. Insbesondere unterscheide sich die hier im Streit stehende Regelung zur Vorratsdatenspeicherung signifikant von denjenigen, die bislang der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zugrunde gelegen hätten. Schon deshalb lasse sich diese Rechtsprechung nicht gänzlich übertragen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die fristgemäß dargelegten Gründe für die Beschwerde, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung zur Sicherung ihrer Rechte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu treffen.
A) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft und ermangelt nicht eines wegen des hier begehrten vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzinteresses.
1. Der auf die vorläufige Feststellung des Nichtbestehens einer Rechtspflicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten im Sinne von § 113b Abs. 3 TKG gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gegenüber der Antragsgegnerin als Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft.
Der Statthaftigkeit des Antrags steht zunächst nicht entgegen, dass er in der Sache auf eine vorläufige Feststellung des Gerichts zum Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist. Es entspricht der überwiegenden Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass mit einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich auch die vorläufige Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO begehrt werden kann. Insbesondere kann die durch § 123 Abs. 1 VwGO gebotene Vorläufigkeit der vom Gericht angeordneten Maßnahme auch bei einem Feststellungsbegehren gewahrt werden.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2005 – 13 B 1959/04 – Juris Rn. 17 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Oktober 2005 – 4 S 1830/05 – Juris Rn. 2; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2010 – 11 CE 09.2712 – Juris Rn. 28; Nds. OVG, Beschluss vom 4. April 2012 – 8 ME 49/12 – Juris Rn. 21; Thür. OVG, Beschluss vom 5. Juni 2014 – 1 EO 106/14 – Juris Rn. 39; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juni 2016 – 4 B 504/16 – NVwZ-RR 2016, 868 <868> = Juris Rn. 13; OVG Saarland, Beschluss vom 23. November 2016 – 1 D 308/16 – Juris Rn. 13; Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2014, § 123 Rn. 40, 64a; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsammlung, Stand: 26. Ergänzungslieferung März 2014, § 123 Rn. 35, 139; Wollenschläger, in: Gärditz, Verwaltungsgerichtsordnung, 2013, § 123 Rn. 78; a.A. etwa noch OVG NRW, Beschluss vom 25. April 1996 – 15 B 2786/95 – NVwZ-RR 1997, 310 <311> = Juris Rn. 13 f.
Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin als Rechtsträgerin der Bundesnetzagentur steht zudem ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO im Streit. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses muss zudem ein Meinungsstreit bestehen, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 1969 – 1 C 86. 64 –, Buchholz 310 § 43 Nr. 31; vom 23. Januar 1992 – 3 C 50. 89 –, BVerwGE 89, 327 <329>; vom 23. August 2007 – 7 C 2.07 – BVerwGE 129, 199 Rn. 21, und – 7 C 13.06 – NVwZ 2007, 1311 <1313> = Juris Rn. 21, und Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 – BVerwGE 136, 54 Rn. 28 f.; Glaser, in: Gärditz, Verwaltungsgerichtsordnung, 2013, § 43 Rn. 35; Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2014, § 43 Rn. 12; Pietzcker, in: Schoch/ Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsammlung, Stand: 17. Ergänzungslieferung Oktober 2008, § 43 Rn. 5.
Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Anders liegt es dagegen, wenn die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als – wenn auch streitentscheidende – Vorfrage aufgeworfen wird.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juni 2000 – BVerwG 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276 <278>; vom 23. August 2007 – 7 C 2.07 – BVerwGE 129, 199 Rn. 20 und – 7 C 13.06 – NVwZ 2007, 1311 <1313> = Juris Rn. 20, und Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 – BVerwGE 136, 54 Rn. 25; Nds. OVG, Be-schluss vom 26. Mai 2008 – 13 ME 77/08 – Juris Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juni 2016 – 4 B 504/16 – NVwZ-RR 2016, 868 <868> = Juris Rn. 11; Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2014, § 43 Rn. 9, 9a; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichts-ordnung, Loseblattsammlung, Stand: 17. Ergän-zungslieferung Oktober 2008, § 43 Rn. 25.
Steht mit der Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses in diesem Sinne auch die Frage nach der Gültigkeit einer Rechtsnorm im Raum, aus der die streitigen Rechte oder Pflichten unmittelbar folgen, eröffnet sich ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dabei grundsätzlich nicht zwischen dem Normgeber und dem Normadressaten, sondern zwischen dem Normadressaten und dem Rechtsträger der Vollzugsbehörde, die als Normanwender die im Streit stehende Rechtsnorm durchzusetzen oder ihre Befolgung zu überwachen hat. Hierfür ist ungeachtet des Umstandes, dass eine Norm „self-executing“ ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, hinreichend, dass für eine Vollzugsbehörde die Möglichkeit besteht, die Rechtsnorm gegenüber dem Normadressaten zu konkretisieren oder zu individualisieren und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse zu treffen. Ein auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichteter Rechtsbehelf des Normadressaten unmittelbar gegenüber dem Normgeber kommt hingegen allenfalls dann in Betracht, wenn die Rechtsnorm unmittelbar Rechte und Pflichten des Normadressaten begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. August 2007 – 7 C 2.07 – BVerwGE 129, 199 Rn. 21 ff. und ‑ 7 C 13.06 ‑ NVwZ 2007, 1311 <1313> = Juris Rn. 21 ff., und Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 – BVerwGE 136, 54 Rn. 28 f.; Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2014, § 43 Rn. 44; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsammlung, Stand: 17. Ergänzungslieferung Oktober 2008, § 43 Rn. 25 ff.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht vorliegend ein hinreichend konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin als Rechtsträgerin der Bundesnetzagentur im Streit. Die Antragstellerin hat dem Gericht mit dem Antrag auf vorläufige Feststellung einen hinreichend konkreten Sachverhalt zur Beurteilung unterbreitet. Die Antragstellerin begehrt nicht die abstrakte Klärung der Vereinbarkeit der angegriffenen gesetzlichen Regelung mit höherrangigem bzw. im Falle des Unionsrechts jedenfalls vorrangig anwendbarem Recht aufgrund eines noch ungewissen Sachverhalts. Vielmehr bezieht sich die begehrte Feststellung auf die Bindung der Antragstellerin als Erbringerin öffentlich zugänglicher Internetzugangsdienste für Endnutzer an die durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG angeordnete und ab dem 1. Juli 2017 geltende Speicherpflicht von Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang vermittelt. Die Pflicht zur Speicherung dieser Telekommunikationsverkehrsdaten ergibt sich zwar unmittelbar aus den angegriffenen Rechtsnormen und bedarf insoweit keines gesonderten Vollzugsaktes mehr, um eine unmittelbar grundrechtsrelevante Wirkung gegenüber der Antragstellerin zu entfalten. Allerdings ist der Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde nach näherer Maßgabe von § 115 TKG die gesetzliche Befugnis eingeräumt, individuelle Anordnungen und andere Maßnahmen gegenüber der Antragstellerin zu treffen, um die Einhaltung (auch) der durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG angeordneten Speicherpflicht sicherzustellen. Die von der Antragstellerin zunächst außergerichtlich erstrebte Bestätigung der Bundesnetzagentur, aufgrund einer behaupteten Verfassungs- und Unionsrechtsrechtswidrigkeit der gesetzlichen Regelung nicht zur Speicherung verpflichtet zu sein, hatte die Bundesnetzagentur abgelehnt und so zum Ausdruck gebracht, dass sie in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde von der Antragstellerin die Erfüllung ihrer gesetzlich angeordneten Speicherpflicht erwartet.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist als Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO statthaft. Eine Sicherungsanordnung ist statthaft, weil die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Bei der Sicherungsanordnung handelt es sich um eine zustandssichernde Maßnahme; sie dient der Bewahrung des status quo. Hingegen ist eine Regelungsanordnung auf die vorläufige Veränderung des status quo durch eine dem Antragsteller günstige Interimsentscheidung gerichtet und bewirkt die vorläufige Begründung oder Erweiterung einer bis dahin nicht innegehabten Rechtsposition.
Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Dezember 2009 – 11 S 81.08 – Juris Rn. 46; Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2014, § 123 Rn. 21 und 23; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsammlung, Stand: 26. Ergänzungslieferung März 2014, § 123 Rn. 50, 52 ff., 56 f.; Wollenschläger, in: Gärditz, Verwaltungsgerichtsordnung, 2013, § 123 Rn. 17.
2. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht auch trotz des hier geltend gemachten vorbeugenden Rechtsschutzes ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz ist vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung und des im Ausgangspunkt reaktiv konzipierten Gebots eines effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nicht vorbeugend ausgestaltet. Ein Abweichen von dieser Grundentscheidung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der nachträgliche Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen für den Betroffenen verbunden wäre. Danach ist für einen vorbeugenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO – ebenso wie für eine in der Hauptsache erhobene vorbeugende Feststellungsklage – ein qualifiziertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis notwendig. Dieses ist grundsätzlich zu verneinen, solange der Antragsteller in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Es ist in der Regel zumutbar, die Verwaltungsmaßnahme abzuwarten und anschließend Rechtsmittel gegen die Verwaltungsmaßnahme einzulegen sowie – falls erforderlich – um vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO nachzusuchen. Ein qualifiziertes Rechtschutzbedürfnis ist hingegen zu bejahen, wenn ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes die Gefahr bestünde, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden oder wenn ein nicht mehr wiedergutzumachender Schaden entstünde.
Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Dezember 2009 – 11 S 81.08 – Juris Rn. 42; OVG NRW, Beschluss vom 1. August 2013 – 4 B 608/13 – NVwZ 2014, 92 <92> = Juris Rn. 2 ff.; Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2014, § 123 Rn. 37; Schoch, in: Schoch/Schneider/ Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsamm-lung, Stand: 26. Ergänzungslieferung März 2014, § 123 Rn. 45; Wollenschläger, in: Gärditz, Verwal-tungsgerichtsordnung, 2013, § 123 Rn. 98.
Nach diesen Grundsätzen ist die Antragstellerin mit ihrem Rechtsschutzbegehren ausnahmsweise nicht darauf zu verweisen, den Erlass auf die Einhaltung der beanstandeten Speicherpflicht aus § 113a Abs. 1 i.V.m § 113b Abs. 1 und 3 TKG gerichteter Anordnungen oder Maßnahmen der Bundesnetzagentur nach näherer Maßgabe von § 115 TKG abzuwarten. Denn eine vorsätzliche oder jedenfalls fahrlässige Nichterfüllung der Speicherpflicht aus § 113b Abs. 1 und 3 TKG stellt zugleich gemäß § 149 Abs. 1 Nr. 36 TKG eine Ordnungswidrigkeit dar, die durch die Bundesnetzagentur nach § 149 Abs. 2 Nr. 1 TKG mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann. Die Antragstellerin unter diesen Umständen auf die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen ordnungsrechtliche Maßnahmen der Bundesnetzagentur bzw. gegen einen etwaigen Bußgeldbescheid der Bundesnetzagentur zu verweisen bedeutete mithin, sie dem Risiko einer Ahndung auszusetzen. Der Verweis auf die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes wäre daher mit unzumutbaren Nachteilen für die Antragstellerin verbunden.
B) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Rechts des Antragstellers getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert in diesem Zusammenhang nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über den Randbereich hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise gewichtige Gründe entgegenstehen. Ist dem Gericht hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, des Umfangs der noch erforderlichen Ermittlungen oder der Komplexität der zu behandelnden Rechtsfragen nicht möglich, erfordert die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG im Rahmen von § 123 VwGO grundsätzlich anhand einer umfassenden Folgenabwägung zu entscheiden, wobei insbesondere grundrechtliche Belange umfassend in die Abwägung einzustellen sind.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 6 C 3.13 – BVerwGE 149, 94 Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 2003 – 6 B 566/13 – Juris Rn. 3 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Dezember 2009 – 11 S 81.08 – Juris Rn. 83 ff.; Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2014, § 123 Rn. 49; differenzierend Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsammlung, Stand: 26. Ergänzungslieferung März 2014, § 123 Rn. 64 f.; Wollenschläger, in: Gärditz, Verwaltungsgerichtsordnung, 2013, § 123 Rn. 104.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung der Rechte der Antragstellerin nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO geboten. Die Antragstellerin hat mit ihrem Beschwerdevorbringen sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Auch eine ggf. hilfsweise vorzunehmende Folgenabwägung muss unter den hier vorliegenden Umständen zugunsten der Antragstellerin ausfallen.
1. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die der Antragstellerin als Erbringerin öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste für Endnutzer durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG auferlegte Pflicht zur Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie Internetzugangsdienste erbringt, ist wie die durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG geregelte Pflicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten insgesamt mit Unionsrecht nicht vereinbar und verletzt die Antragstellerin jedenfalls in ihrer durch Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützten unternehmerischen Freiheit.
a) Nach einer Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen zur Reichweite und zu den materiell-rechtlichen Anforderungen des im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Unionsrechts durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 in den verbundenen Rechtssachen „Tele2 Sverige AB und Watson“,
vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“,
steht fest, dass die durch § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG für die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste für Endnutzer geregelte Pflicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation – Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation – (ABl. L 201, S. 37) zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337 S. 11) im Lichte der Grundrechte aus Art. 7, 8 und 11 sowie Artikel 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar ist. Dies folgt jedenfalls daraus, dass die Speicherpflicht keinen Zusammenhang zwischen den auf Vorrat zu speichernden Daten und dem durch das Gesetz verfolgten Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit verlangt, sondern unterschiedslos ohne jede personelle, zeitliche oder geographische Begrenzung nahezu sämtliche Nutzer der von § 113b TKG erfassten Telekommunikationsmittel erfasst.
aa) Die durch § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG angeordnete Verpflichtung der Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste für Endnutzer zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten ist an Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG zu messen. Diese Vorschrift bestimmt, dass die Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften erlassen dürfen, die die durch die Richtlinie geregelten Rechte und Pflichten, insbesondere im Zusammenhang mit dem durch Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG garantierten Schutz der Vertraulichkeit elektronischer Kommunikation und der damit verbundenen Verkehrsdaten, beschränken, sofern eine solche Beschränkung gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) für die nationale Sicherheit, die Landesverteidigung, die öffentliche Sicherheit sowie die Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, angemessen und verhältnismäßig ist. Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten unter anderem durch Rechtsvorschriften vorsehen, dass Daten aus den in diesem Absatz aufgeführten Gründen während einer begrenzten Zeit aufbewahrt werden. Alle in diesem Absatz genannten Maßnahmen müssen den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts einschließlich den in Art. 6 Abs. 1 und 2 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Grundsätzen entsprechen.
Soweit nach der Feststellung der Ungültigkeit der Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. L 105/54) durch den Gerichtshof der Europäischen Union,
vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“,
zunächst umstritten war, ob nationale Regelungen über eine Pflicht öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten, die nicht (mehr) der Umsetzung konkreter Vorgaben aus der Richtlinie 2006/24/EG dienen, überhaupt (noch) am Maßstab des Unionsrechts, insbesondere am Maßstab von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG zu messen sind,
vgl. einerseits etwa Wollenschläger, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucher des Deutschen Bundestages am 21. September 2015 zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, Ziffer III.1, abrufbar unter https://www.bundestag.de/ausschuesse18/a06/anhoerungen/Archiv/stellungnahmen/385858; zusammenfassend auch Wollenschläger/Krönke, NJW 2016, 906 – 910; andererseits Boehm/Andrees, CR 2016, 146 <147>; von Danwitz, DuD, 2015, 581 <583>; die Gesetzesbegründung selbst geht allerdings bereits vom Prüfungsmaßstab des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG aus, vgl. BT-Drs. 18/5088 S. 22,
ist diese Frage jedenfalls inzwischen durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 in den verbundenen Rechtssachen „Tele2 Sverige AB und Watson“, dem im Ausgangspunkt die Vereinbarkeit sich an den Vorgaben der Richtlinie 2006/24/EG orientierender schwedischer und britischer Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung zugrunde lag, zweifelsfrei geklärt.
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 64 ff.; vgl. hierzu auch Frenz, DVBl. 2017, 183 <184>; Priebe, EuZW 2017, 136 <137>; Roßnagel, NJW 2017, 696 <697>; Ausarbeitung des Fachbereichs Europa des Deutschen Bundestages zur Vereinbarkeit des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten mit dem EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2016 zur Vorratsdatenspeicherung vom 12. Januar 2017 – PE 6 – 3000 – 167/16 –, Ziffer 3.2., abrufbar unter https://www.bundestag.de/analysen.
Hiernach gilt, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste vorschreibt, Verkehrs- und Standortdaten auf Vorrat für die Zwecke der Strafverfolgung bzw. der Gefahrenabwehr zu speichern, in den Geltungsbereich von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG fällt, weil damit zwangsläufig eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Betreiber elektronischer Kommunikationsdienste verbunden ist. Dem steht auch nicht die Regelung in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG entgegen, wonach die Richtlinie insbesondere nicht für die Tätigkeiten des Staates betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Tätigkeit die Sicherheit des Staates berührt) und die Tätigkeit des Staates im strafrechtlichen Bereich gilt. Zwar beziehen sich die Rechtsvorschriften, um die es in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG geht, auf spezifische Tätigkeiten des Staates oder staatlicher Stellen, die mit den Tätigkeitsbereichen von Einzelpersonen nichts zu tun haben. Auch decken sich diese Zweckbestimmungen, denen die Rechtsvorschriften nach dieser Bestimmung entsprechen müssen – Schutz der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung und der öffentlichen Sicherheit sowie Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen –, im Wesentlichen mit den Zielen, die mit den in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie genannten Tätigkeiten verfolgt werden. In Anbetracht der Systematik der Richtlinie 2002/58/EG erlaubt dies jedoch nicht den Schluss, dass die Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie von deren Geltungsbereich ausgeschlossen sind, da dieser Bestimmung damit jede praktische Wirksamkeit genommen würde. Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie setzt nämlich zwangsläufig voraus, dass die dort genannten nationalen Vorschriften, wie Vorschriften über die Aufbewahrung von Daten zum Schutz der nationalen Sicherheit, der Landesverteidigung und der öffentlichen Sicherheit sowie Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen, in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, da diese Richtlinie die Mitgliedstaaten zum Erlass solcher Vorschriften ausdrücklich nur dann ermächtigt, wenn die in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen eingehalten werden.
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 72 f.
bb) In der Auslegung, die Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG durch den Gerichtshof der Europäischen Union gefunden hat, steht die Vorschrift einer nationalen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung wie der hier zu beurteilenden deutschen Regelung jedenfalls dann entgegen, wenn die Speicherpflicht – unabhängig von einer nur auf die Verfolgung schwerer Straftaten bzw. die Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit beschränkten und unter einem strikten Richtervorbehalt stehenden Zugriffsmöglichkeit der Sicherheitsbehörden auf die gespeicherten Daten sowie ausreichender Vorkehrungen zur Datensicherheit – keinerlei Zusammenhang zwischen den auf Vorrat zu speichernden Daten und dem durch das Gesetz verfolgten Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit verlangt, sondern unterschiedslos ohne jede personelle, zeitliche oder geographische Begrenzung sämtliche Nutzer der von § 113b TKG erfassten Telekommunikationsmittel erfasst.
Im Einzelnen hat der Gerichtshof diese Anforderungen einer an den Grundrechten aus Art. 7, 8 und 11 sowie Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union orientierten Auslegung von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG entnommen. Das Erfordernis einer grundrechtsorientierten Auslegung ergibt sich bereits unmittelbar aus der Regelung in Art. 15 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2002/58/EG, die ausdrücklich bestimmt, dass alle nach dieser Vorschrift ergriffenen Maßnahmen den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, einschließlich den in Art. 6 Abs. 1 und 2 des Vertrages über die Europäische Union niedergelegten Grundsätzen entsprechen müssen, zu denen neben den sog. allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auch die Grundrechte gehören, die nunmehr durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistet werden. Aus dem 2. Erwägungsgrund der Richtlinie folgt dabei, dass der Unionsgesetzgeber mit der Richtlinie insbesondere den Schutz des durch Art. 7 der Charta garantierten Rechts jeder Person auf Achtung ihres Privatlebens und des durch Art. 8 der Charta garantierten Rechts jeder Person auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten achten will, so dass die Auslegung des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie in erster Linie anhand dieser Grundrechte zu erfolgen hat. Zu berücksichtigen ist zudem das durch Art. 11 der Charta garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung, das eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft darstellt, die zu den Werten gehört, auf die sich die Europäische Union nach Art. 2 des Vertrages über die Europäische Union gründet. Eine Einschränkung der genannten Grundrechte muss nach Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte und Freiheiten nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich und von der Europäischen Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Dieser letzte Gesichtspunkt wird dabei durch Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG insoweit aufgegriffen, als dass die Mitgliedstaaten eine Vorschrift erlassen können, die von dem Grundsatz der Vertraulichkeit von Kommunikation und der damit verbundenen Verkehrsdaten abweicht, sofern dies in Anbetracht der dort genannten Ziele „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, angemessen und verhältnismäßig“ ist.
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 82 ff.
Die sich aus den hiernach zu berücksichtigenden Grundrechten ergebenden Maßstäbe für die Zulässigkeit von Maßnahmen der Vorratsdatenspeicherung hat der Gerichtshof im Ausgangspunkt bereits in seinem Urteil zur Nichtigkeit der Richtlinie 2006/24/EG in der Rechtssache „Digital Rights“ dargelegt. Hiernach gilt zunächst, dass es für die Feststellung des Vorliegens eines Eingriffs in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens im Sinne von Art. 7 der Charta nicht darauf ankommt, ob die betreffenden Informationen über das Privatleben sensiblen Charakter haben oder ob die Betroffenen durch den Eingriff Nachteile erlitten haben könnten. Daraus folgt, dass die den Anbietern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste und den Betreibern eines öffentlichen Kommunikationsnetzes auferlegte Pflicht, Daten über das Privatleben einer Person und ihrer Kommunikationsvorgänge während eines bestimmten Zeitraums auf Vorrat zu speichern, bereits als solche einen Eingriff in das durch Art. 7 der Charta garantierte Recht darstellt. Zudem stellt der Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu diesen Daten einen zusätzlichen Eingriff in dieses Grundrecht dar. Da Maßnahmen der Vorratsdatenspeicherung mit einer Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden sind, liegt neben einem Eingriff in Art. 7 der Charta auch ein Eingriff in das durch Art. 8 der Charta garantierte Grundrecht jeder Person auf den Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten vor.
Vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“, Rn. 33 – 36.
Weiterhin hat der Gerichtshof anerkannt, dass Maßnahmen der Vorratsdatenspeicherung wie die im dortigen Verfahren in Rede stehenden angesichts der mit ihnen bezweckten Zielsetzung der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten sowie der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung der Europäischen Union verfolgen, und grundsätzlich geeignet sind, die durch Art. 7 und Art. 8 der Charta gewährleisteten Freiheiten gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta wirksam zu beschränken, allzumal nach Art. 6 der Charta jeder Mensch nicht nur das Recht auf Freiheit, sondern auch auf Sicherheit hat.
Vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“, Rn. 38 – 44.
Für die Bewältigung des sich hieraus ergebenden Spannungsfeldes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 52 Abs. 1 der Charta hat der Gerichtshof in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angenommen, dass der dem (Unions-) Gesetzgeber grundsätzlich zuzubilligende Gestaltungspielraum eingeschränkt sein kann, wenn Grundrechtseingriffe in Rede stehen. Ausschlaggebend sind insoweit insbesondere der betroffene Sachbereich und das Wesen des fraglichen durch die Grundrechtecharta gewährleisteten Rechts sowie die Art und die Schwere des Eingriffs und dessen Zielsetzung.
Vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“, Rn. 45 – 47 unter Bezugnahme auf EGMR, Urteil vom 4. Dezember 2008 – Nr. 30562/04 und 30566/034 – S. and Marper v. The United Kingdom, Rn. 102.
Für die seinerzeit konkret zu beurteilende Vorratsdatenspeicherung nach der Richtlinie 2006/24/EG nahm der Gerichtshof auf dieser Grundlage angesichts der besonderen Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten für das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens einerseits und des Ausmaßes und der Schwere des mit der Richtlinie verbundenen Eingriffs in dieses Recht andererseits – die Speicherung erfasste insbesondere die Verkehrsdaten für alle gängigen elektronischen Kommunikationsmittel wie Festnetz, Mobilfunk, Internetzugang, Internet-E-Mail und Internettelefonie, sowie alle Teilnehmer und registrierten Benutzer – eine Einschränkung des Gestaltungsspielraums des (Unions-) Gesetzgebers an, so dass die Richtlinie einer „strikten Kontrolle“ durch den Gerichtshof unterlag. Dies bedeutete einerseits, dass der Gerichtshof zwar die Geeignetheit der durch die Richtlinie ermöglichten Vorratsdatenspeicherung als ein nützliches Mittel strafrechtlicher Ermittlungen nicht in Frage stellte und auch unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit die Bedeutung moderner Ermittlungstechniken für die Wirksamkeit der Bekämpfung schwerer Kriminalität, insbesondere der organisierten Kriminalität und des Terrorismus hervorhob. Andererseits betonte der Gerichtshof jedoch, dass eine solche dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung, so grundlegend sie auch sein mag, für sich genommen die Erforderlichkeit einer Speichermaßnahme wie die durch die Richtlinie vorgesehene für die Kriminalitätsbekämpfung nicht rechtfertigt. Vielmehr verlangt der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens, dass sich die Ausnahmen vom Schutz personenbezogener Daten und dessen Einschränkungen auf das absolut Notwendige beschränken müssen. Die Regelungen über die Vorratsdatenspeicherung müssen – insoweit wiederum unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der fraglichen Maßnahme vorsehen und Mindestanforderungen aufstellen, so dass die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang zu diesen Daten und jeder unberechtigten Nutzung ermöglichen.
Vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“, Rn. 48 – 55 unter Bezugnahme auf EGMR, Urteile vom 4. Mai 2000 ‑ Nr. 28341/95 – Rotaru v. Romania, Rn. 57 ff.; vom 1. Juli 2008 – Nr. 58243/00 – Liberty and Others v. The United Kingdom, Rn. 62 f. und vom 4. Dezember 2008 – Nr. 30562/04 und 30566/034 – S. and Marper v. The United Kingdom, Rn. 99.
Auf der Grundlage dieses Erforderlichkeitsmaßstabs stützte der Gerichtshof seine Schlussfolgerung, dass die Richtlinie 2006/24/EG keine klaren und präzisen Regeln enthielt, die zu gewährleisten vermochten, dass sich der Eingriff tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkte, auf drei unterschiedliche Beanstandungen: Erstens erfasste die Speicherpflicht generell alle Personen und alle elektronischen Kommunikationsmittel sowie sämtliche Verkehrsdaten, ohne eine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen. Sie galt also auch für Personen, bei denen keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte. Zudem sah sie keine Ausnahme vor, so dass sie auch für Personen galt, deren Kommunikationsvorgänge nach den nationalen Rechtsvorschriften dem Berufsgeheimnis unterlagen. Namentlich beanstandete der Gerichtshof, dass die Richtlinie zwar zur Bekämpfung schwerer Kriminalität beitragen sollte, aber keinen Zusammenhang zwischen den Daten, deren Vorratsspeicherung vorgesehen war, und einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit verlangte. Insbesondere beschränkte sich die Vorratsspeicherung weder auf die Daten eines bestimmten Zeitraums und/oder eines bestimmten geographischen Gebiets und/oder eines bestimmten Personenkreises, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte, noch auf Personen, deren auf Vorrat gespeicherte Daten aus anderen Gründen zur Verhütung, Feststellung oder Verfolgung schwerer Straftaten beitragen können.
Vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“, Rn. 57 – 59.
Zweitens rügte der Gerichtshof das Fehlen eines objektiven Kriteriums, das es ermöglichte, den Zugang zu den Daten und ihre spätere Nutzung zwecks Verhütung, Feststellung oder strafrechtlicher Verfolgung auf Straftaten zu beschränken, deren Bedeutung das Ausmaß und die Schwere des Eingriffs in die Art. 7 und Art. 8 der Charta verankerten Grundrechte rechtfertigen können. Gerügt wurde ferner, dass die Richtlinie keine materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen enthielt, die den Zugang der Behörden zu den Daten regelten. Dieser Mangel betraf namentlich das Fehlen von Regelungen über genau abgegrenzte schwere Straftaten und die sie betreffende Strafverfolgung. Die gleiche Rüge galt für das Fehlen von Verfahrensvorschriften, die gewährleisteten, dass der Zugang auf das absolut Notwendige beschränkt wurde, vor allem durch Vorschriften, die eine vorherige Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle vorsahen.
Vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“, Rn. 60 – 62.
Drittens beanstandete der Gerichtshof, dass die Richtlinie hinsichtlich der Dauer der Vorratsspeicherung vorsah, dass die Daten für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten auf Vorrat zu speichern waren, ohne dass eine Unterscheidung zwischen den in der Richtlinie genannten Datenkategorien nach Maßgabe ihres etwaigen Nutzens für das verfolgte Ziel oder anhand der betroffenen Personen getroffen wurde. Zudem lag die Speicherfrist zwischen mindestens sechs Monaten und höchstens 24 Monaten, ohne dass ihre Festlegung auf objektiven Kriterien beruhen musste, die gewährleisteten, dass sie auf das absolut Notwendige beschränkt wurde.
Vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“, Rn. 63 – 64.
Ergänzend zu diesen drei materiell-rechtlichen Beanstandungen rügte der Gerichtshof schließlich auch das Fehlen hinreichender Garantien zum Schutz vor Missbrauchsrisiken, insbesondere vor jedem unberechtigten Zugang zu den Daten und jeder unberechtigten Nutzung der Daten, namentlich das Fehlen von Vorschriften zu technischen oder organisatorischen Maßnahmen für ein besonders hohes Schutz- und Sicherheitsniveau.
Vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 – „Digital Rights“, Rn. 66 – 68.
Soweit nach dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache „Digital Rights“ zunächst umstritten war, ob die dort angeführten Beanstandungen an der Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung durch die Richtlinie 2006/24/EG als Ausdruck kumulativ zu beachtender Mindestanforderungen an die Zulässigkeit einer Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten zu verstehen waren oder ob eine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung als solche nicht zwingend über das für die Bekämpfung schwerer Kriminalität absolut Notwendige hinausgeht, sofern mit ihr bestimmte Garantien hinsichtlich des Zugangs zu den Daten, der Dauer der Vorratsspeicherung und des Schutzes und der Sicherheit der Daten einhergehen,
vgl. etwa Wollenschläger, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucher des Deutschen Bundestages am 21. September 2015, zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, Ziffer III.2, a.a.O., andererseits etwa Boehm/Andrees, CR 2016, 146 <149 ff.>; Spieker gen. Döhmann, JZ 2014, 1109 <1112>; Wolff, DÖV 2014, 608 <610>; andeutend von Danwitz, DuD, 2015, 581 <583 f.>.
ist auch diese Frage mit dem Urteil des Gerichtshofs in den Rechtssachen „Tele2 Sverige AB und Watson“ geklärt. Der Gerichtshof ist diesem in den Vorlagenfragen angelegten und auch durch die Schlussanträge favorisierten „kompensatorischen“ Ansatz,
vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe vom 19. Juli 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 192 – 215,
den in ähnlicher Weise auch das Bundesverfassungsgericht seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2010 zugrunde gelegt hat,
vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256, 263, 586/08 – BVerfGE 125, 260 <324>,
nicht gefolgt. Statt dessen hat er – über die konkret aufgeworfenen Vorlagefragen hinaus – allgemein und verbindlich dargelegt, welche materiell-rechtlichen Anforderungen sich aus Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG für die Zulässigkeit einer nationalen Regelungen zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ergeben.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass nach dem von der Richtlinie 2002/58/EG geschaffenen System die Vorratsspeicherung von Daten die Ausnahme zu sein hat,
vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 85 und 104,
untersagt Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG im Lichte der Art. 7, Art. 8 und Art. 11 sowie des Art. 52 Abs. 1 der Charta einem Mitgliedstaat nicht, eine Regelung zu erlassen, die zur Bekämpfung schwerer Straftaten vorbeugend die gezielte Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ermöglicht, sofern die Vorratsdatenspeicherung hinsichtlich der Kategorien der zu speichernden Daten, der erfassten elektronischen Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Vorratsspeicherung auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Um diesem Erfordernis zu genügen, muss die betreffende nationale Regelung erstens klare und präzise Regeln über die Tragweite und die Anwendung einer solchen Maßnahme der Vorratsspeicherung vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen, so dass die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Sie muss insbesondere angeben, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme der Vorratsspeicherung vorbeugend getroffen werden darf, um so zu gewährleisten, dass eine derartige Maßnahme auf das absolut Notwendige beschränkt wird. Zweitens können sich die materiellen Voraussetzungen, die eine nationale Regelung, die im Rahmen der Bekämpfung von Straftaten vorbeugend die Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ermöglicht, erfüllen muss, um zu gewährleisten, dass sie auf das absolut Notwendige beschränkt wird, zwar je nach den zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten getroffenen Maßnahmen unterscheiden, doch muss die Vorratsspeicherung der Daten stets objektiven Kriterien genügen, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden Daten und dem verfolgten Ziel herstellen. Diese Voraussetzungen müssen insbesondere in der Praxis geeignet sein, den Umfang der Maßnahme und infolgedessen die betroffenen Personenkreise wirksam zu begrenzen. Bei der Begrenzung einer solchen Maßnahme im Hinblick auf die potentiell betroffenen Personenkreise und Situationen muss sich die nationale Regelung auf objektive Anknüpfungspunkte stützen, die es ermöglichen, Personenkreise zu erfassen, deren Daten geeignet sind, einen zumindest mittelbaren Zusammenhang mit schweren Straftaten sichtbar zu machen, auf irgendeine Weise zur Bekämpfung schwerer Kriminalität beizutragen oder eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern. Eine solche Begrenzung lässt sich etwa durch ein geographisches Kriterium gewährleisten, wenn die zuständigen nationalen Behörden aufgrund objektiver Anhaltspunkte annehmen, dass in einem oder mehreren geographischen Gebieten ein erhöhtes Risiko besteht, dass solche Taten vorbereitet oder begangen werden.
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 108 – 111.
Zulässig ist nach den Vorgaben des Gerichtshofs auch, die Vorratsspeicherung auf die Daten eines bestimmten Zeitraums, oder eines bestimmten Personenkreises, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte bzw. dessen auf Vorrat gespeicherte Daten aus anderen Gründen zur Bekämpfung von Straftaten beitragen könnten, zu beschränken.
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 107.
Die Frage nach den aus Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG i.V.m. mit Art. 7, Art. 8, Art. 11 und des Art. 52 Abs. 1 der Charta folgenden Anforderungen an nationale Regelungen, die den Schutz und die Sicherheit der Verkehrs- und Standortdaten, insbesondere den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den auf Vorrat gespeicherten Daten, zum Gegenstand haben, ist nach der Auffassung des Gerichtshofs unabhängig davon zu beantworten, ob eine Vorratsdatenspeicherung im Sinne der vorstehenden Kriterien generell oder gezielt erfolgt.
Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 113.
cc) Jedenfalls diesem hiernach zwingend zu beachtenden Erfordernis einer Beschränkung des von der Vorratsdatenspeicherung betroffenen Personenkreises auf diejenigen Personen, deren Daten geeignet sind, einen zumindest mittelbaren Zusammenhang mit schweren Straftaten sichtbar zu machen, auf irgendeine Weise zur Bekämpfung schwerer Kriminalität beizutragen oder eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern, genügt die Regelung des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG erkennbar nicht. Sie sieht vielmehr eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung nahezu sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten nahezu aller Endnutzer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste in Bezug auf nahezu alle elektronischen Kommunikationsmittel vor.
Im Einzelnen bezieht sich die Speicherpflicht für den Fall der Erbringung öffentlich zugänglicher Telefondienste gemäß § 113b Abs. 2 Satz 1 TKG auf die Rufnummer oder eine andere Kennung des anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie bei Um- oder Weiterschaltungen jedes weiteren beteiligten Anschlusses (Nr. 1), Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Verbindung unter Angabe der zu Grunde liegenden Zeitzone (Nr. 2) und Angaben zu dem genutzten Dienst, wenn im Rahmen des Telefondienstes unterschiedliche Dienste genutzt werden können (Nr. 3), im Fall mobiler Telefondienste ferner die internationale Kennung mobiler Teilnehmer für den anrufenden und den angerufenen Anschluss (Nr. 4a), die internationale Kennung des anrufenden und des angerufenen Endgeräts (Nr. 4b) sowie Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes unter Angabe der zu Grunde liegenden Zeitzone, wenn Dienste im Voraus bezahlt wurden (Nr. 4c). Im Fall von Internet-Telefondiensten sind auch die Internetprotokoll-Adressen des anrufenden und des angerufenen Anschlusses und zugewiesene Benutzerkennungen zu speichern. Dieselben Daten sind nach § 113b Abs. 2 Satz 2 TKG ferner zu erheben, bei der Übermittlung einer Kurz-, Multimedia- oder ähnlichen Nachricht, wobei an die Stelle von Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Verbindung insoweit die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs der Nachricht treten (Nr. 1) sowie für unbeantwortete oder wegen eines Eingriffs des Netzwerkmanagements erfolglose Anrufe, soweit der Er-bringer öffentlich zugänglicher Telefondienste die in Satz 1 genannten Verkehrsdaten für die in § 96 Abs. 1 Satz 2 genannten Zwecke speichert oder protokolliert. Nach § 113b Abs. 3 TKG speichern die Erbringer öffentlich zugänglicher Internetzugangsdienste die dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse (Nr. 1), eine eindeutige Kennung des Anschlusses, über den die Internetnutzung erfolgt, sowie eine zugewiesene Benutzerkennung (Nr. 2) und Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung unter der zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone (Nr. 3). Neben diesen Verkehrsdaten sind gemäß § 113b Abs. 4 TKG im Fall der Nutzung mobiler Telefondienste zudem die Bezeichnungen der Funkzellen zu speichern, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt wurden. Bei öffentlich zugänglichen Internetzugangsdiensten ist im Fall der mobilen Nutzung die Bezeichnung der bei Beginn der Internetverbindung genutzten Funkzelle zu speichern. Zusätzlich sind die Daten vorzuhalten, aus denen sich die geographische Lage und die Hauptstrahlrichtungen der die jeweilige Funkzelle versorgenden Funkantennen ergeben. Hingegen dürfen nach § 113b Abs. 5 TKG der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten sowie Daten von Diensten der elektronischen Post aufgrund dieser Vorschriften nicht gespeichert werden. In personeller Hinsicht sind nach § 113b Abs. 6 TKG allein Verkehrsdaten von Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern ganz oder überwiegend telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten und die selbst oder deren Mitarbeiter insoweit besonderen Verschwiegenheitsverpflichtungen unterliegen, ausgenommen. Die Daten sonstiger Berufsgeheimnisträger werden erst im Rahmen der Zugriffsregelungen für die Strafverfolgungsbehörden nach Maßgabe von § 100g Abs. 4 i.V.m § 53 StPO geschützt. Die Speicherfrist beträgt gemäß § 113b Abs. 1 TKG für Standortdaten vier Wochen, im Übrigen zehn Wochen. Nach Ablauf der Speicherfrist sind die Daten gemäß § 113b Abs. 7 TKG irreversibel zu löschen.
Gemessen an den durch den Gerichtshof nunmehr unionsrechtlich vorgegebenen Anforderungen kann zudem nicht mehr entscheidend ins Gewicht fallen, dass der Gesetzgeber mit der durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG geregelten Speicherpflicht, bewusst hinter den Vorgaben aus Art. 3 i.V.m. Art. 5 der Richtlinie 2006/24/EG und der deren Umsetzung dienenden Vorgängerregelung des § 113a TKG in der Fassung von Art. 2 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) zurückgeblieben ist, um den seinerzeit erkennbaren verfassungs- und unionsrechtlichen Maßstäben zu genügen.
Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 9. Juni 2015, BT-Drs. 18/5088 S. 2; Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 15. Juni 2015, BT-18/5171, S. 2.
Die Unterschiede bestehen dabei maßgeblich in zwei Punkten. Zum einen erstreckt sich die Speicherpflicht gemäß § 113b Abs. 5 TKG nunmehr ausdrücklich nicht auf die Daten von Diensten der elektronischen Post, während nach § 113a Abs. 3 TKG a.F. die Anbieter von Diensten der elektronischen Post verpflichtet waren, bei Versendung einer Nachricht die Kennung des elektronischen Postfachs und die Internetprotokoll-Adresse des Absenders sowie die Kennung des elektronischen Postfachs jedes Empfängers der Nachricht (Nr. 1), bei Eingang einer Nachricht in einem elektronischen Postfach die Kennung des elektronischen Postfachs des Absenders und des Empfängers der Nachricht sowie die Internetprotokoll-Adresse der absendenden Telekommunikationsanlage (Nr. 2), bei Zugriff auf das elektronische Postfach dessen Kennung und die Internetprotokoll-Adresse des Abrufenden (Nr. 3) sowie die Zeitpunkte der in den Nr. 1 – 3 genannten Nutzungen des Dienstes nach Datum und Uhrzeit unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone (Nr. 4) zu speichern. Zum anderen sieht § 113b Abs. 1 TKG mit einer Speicherdauer von zehn Wochen für Verkehrsdaten und lediglich vier Wochen für Standortdaten eine gegenüber einer pauschalen Speicherfrist von sechs Monaten in § 113a Abs. 1 Satz 1 TKG a.F. verkürzte und gegenüber einer pauschalen Speicherfrist von mindestens sechs Monaten bis höchstens zwei Jahren in Art. 6 der Richtlinie 2006/24/EG eine erheblich verkürzte Speicherdauer vor. Zudem sind nach § 113b Abs. 6 i.V.m. § 99 Abs. 2 Satz 1 TKG Verkehrsdaten von Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern ganz oder überwiegend telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten, und die selbst oder deren Mitarbeiter insoweit besonderen Verschwiegenheitsverpflichtungen unterliegen, von der Speicherpflicht ausgenommen. Diese Umstände sind zwar im Ausgangspunkt durchaus geeignet, die Schwere des mit der Speicherpflicht einhergehenden Eingriffs in die Grundrechte der Nutzer zu mildern, was auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der Bestimmung des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraums und bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Beschränkung der grundrechtlich garantierten Freiheiten zu berücksichtigen ist. In Anbetracht der durch den Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. Dezember 2016 nunmehr verbindlich dargelegten Anforderungen an die Zulässigkeit einer Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten fallen diese Unterschiede indes nicht so deutlich ins Gewicht, dass vernünftigerweise angenommen werden könnte, dass für eine Beurteilung der hier in Rede stehenden Regelung in § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG gänzlich andere Anforderungen aufzustellen wären. Insbesondere verbleibt es auch nach der Neuregelung dabei, dass die Speicherpflicht hinsichtlich der betroffenen Personen, der erhobenen Verkehrs- und Standortdaten und der erfassten Telekommunikationsmittel die Regel ist, obwohl nach dem mit der Richtlinie 2002/58/EG geschaffenen System die Vorratsspeicherung von Daten die Ausnahme zu sein hat. Zugleich ersetzen diese Einschränkungen nicht die durch den Gerichtshof geforderten objektiven Kriterien, die es ermöglichen, Personenkreise zu erfassen, deren Daten geeignet sind, einen zumindest mittelbaren Zusammenhang mit dem gesetzgeberischen Ziel der Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit herzustellen.
Vgl. in diesem Sinne auch Priebe, EuZW 2017, 136 <139>; Roßnagel, NJW 2017, 696 <698>; Ausarbeitung des Fachbereichs Europa des Deutschen Bundestages zur Vereinbarkeit des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten mit dem EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2016 zur Vorratsdatenspeicherung vom 12. Januar 2017 – PE 6 – 3000 – 167/16 –, Ziffer 4.2 (S. 13) und Ziffer 5 (S. 23), a.a.O.; zurückhaltend Frenz, DVBl. 2017, 183 <184>.
Die Regelung ist daher im Sinne des Unionsrechts nicht auf das absolut Notwendige beschränkt.
Ob die durch § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG angeordnete Verpflichtung der Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste zur Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten auch deshalb mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG unvereinbar ist, weil – wie die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen rügt – die Regelung des § 113c Abs. 1 Nr. 3 TKG eine Verwendung der gespeicherten Daten durch die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste für eine Datenermittlung für eine Bestandsdatenauskunft nach § 113 Abs. 1 Satz 3 TKG zulässt, ohne insoweit auf das Ziel der Bekämpfung schwerer Straftaten oder der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit beschränkt zu sein, kann hiernach offen bleiben. Weitere etwaige Einwände verfassungs- oder unionsrechtlicher Art sind gegen die durch § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG angeordnete Speicherpflicht mit dem Beschwerdevorbringen nicht erhoben worden und daher gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO von vornherein nicht Prüfungsgegenstand des Senats.
b) Die Antragstellerin wird durch die ihr mit § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG auferlegte, aber mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG unvereinbare Speicherpflicht und den damit verbundenen technischen und finanziellen Aufwand jedenfalls in ihrer durch Art. 16 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten unternehmerischen Freiheit verletzt. In Anbetracht dessen kann dahinstehen, ob sich die Antragstellerin zudem auf die weiteren mit ihrem Beschwerdevorbringen geltend gemachten Grundrechte berufen kann, was nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gewonnenen Einschätzung des Senats allerdings grundlegendere verfassungsrechtliche- und unionsrechtliche Fragestellungen berührt, deren abschließende Klärung allein in einem Hauptsacheverfahren möglich wäre. Zutreffend geht die Antragstellerin im Ausgangspunkt davon aus, dass die hier im Streit stehende Speicherpflicht wegen des zwar unionsrechtlich durch Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG determinierten, aber in der konkreten Ausgestaltung nicht vollständig dem Gestaltungsspielraum des deutschen Gesetzgebers entzogenen Regelungsgegenstands sowohl am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes als auch der Unionsgrundrechte zu messen ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen deutsche Gesetze, soweit sie einen solchen Spielraum ausfüllen, den Grundrechten des Grundgesetzes genügen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 – BVerfGE 118, 79 <95 ff.>; Beschluss vom 19. Juli 2011 – 1 BvR 1916/09 – BVerfGE 129, 78 <90 f.>; Urteil vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 – BVerfGE 133, 277 <313>.
Das Unionsrecht steht ungeachtet der Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte seinerseits einer Anwendung mitgliedstaatlicher Grundrechte innerhalb dieses Spielraums nicht entgegen, soweit dadurch keine unionsrechtlichen Vorgaben verletzt werden.
Vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – C-399/11 – „Melloni“ Rn. 60; Urteil vom 26. Februar 2013 – C-617/10 – „Akerberg Fransson“ Rn. 29.
a) Der Senat lässt offen, ob sich die Antragstellerin als Erbringerin öffentlicher Telekommunikationsdienste ebenso wie deren Nutzer auf das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Telekommunikationsgeheimnis berufen kann. Entgegen der durch das Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung scheint der Kreis der durch Art. 10 Abs. 1 GG berechtigten Grundrechtsträger im Licht der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls nicht gänzlich geklärt. Hiernach sind Grundrechtsträger zuvörderst und insoweit unstreitig die tatsächlichen Telekommunikationsteilnehmer, d.h. alle natürlichen oder gemäß Art. 19 Abs. 3 GG inländischen juristischen Personen, die zu privaten oder geschäftlichen Zwecken einen Telekommunikationsdienst wie insbesondere Telefondienste, Dienste der elektronischen Post oder Internet nutzen. Nicht abschließend geklärt ist hingegen, ob sich auch die Telekommunikationsmittler selber gegenüber dem Staat und seinen Sicherheitsbehörden auf Art. 10 Abs. 1 GG berufen können, wenn diese auf Telekommunikationsdaten ihrer Kunden zugreifen. So war jedenfalls in der früheren, noch zu Zeiten einer staatlich betriebenen Post ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass auch die Post gegenüber den staatlichen Sicherheitsbehörden dem Schutz des Art. 10 Abs. 1 GG unterfiel, soweit sie zu Gunsten ihrer Kunden durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Kommunikationsdienstleistungen erbrachte. Gegenstand des Schutzes seien Kommunikationen, die wegen der räumlichen Distanz zwischen den Beteiligten auf Übermittlung durch Dritte, typischerweise die Post, angewiesen seien. Das Grundrecht solle jener Gefahr für die Vertraulichkeit der Mitteilung begegnen, die sich gerade aus der Einschaltung eines Übermittlers ergebe. Seine besondere Bedeutung gewinne es aus der Erfahrung, dass der Staat unter Berufung auf seine eigene Sicherheit sowie die Sicherheit seiner Bürger häufig zum Mittel der Überwachung privater Kommunikation gegriffen habe. Dabei komme es ihm zustatten, dass als Vermittler überwiegend die staatlich betriebene Post auftrete. Der Zugriff werde dadurch sowohl leichter als auch unauffälliger. Die Tragweite des Postgeheimnisses sei daher verkürzt, wenn man es primär als Schutz vor den Bediensteten der Post ansehe. Der Grundrechtsschutz beziehe sich historisch und aktuell vor allem auf die staatlichen Sicherheitsbehörden. Dementsprechend solle Art. 10 Abs. 1 GG nicht nur den einzelnen gegenüber der Post, sondern auch Bürger und Post gegenüber anderen staatlichen Stellen schützen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 – 1 BvR 1430/88 – BVerfGE 85, 386 <396> unter Bezugnahme auf Beschluss vom 20. Juni 1984 – 1 BvR 1494/78 – BVerfGE 67, 157 <172>.
Im verfassungsrechtlichen Schrifttum sind teils beachtliche Argumente gegen die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgebracht worden; die Beurteilung fällt aber keineswegs eindeutig aus. Insbesondere wird eingewandt, dass eine Stellung von Kommunikationsunternehmen als Träger der Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG allein für die eigene Kommunikation mit anderen, sowie die unternehmensinterne eigene Kommunikation zu bejahen sei. Kommunikationsunternehmen seien hingegen weder Träger noch Sachwalter der Kommunikationsfreiheit ihrer Kunden.
Vgl. etwa Durner, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Loseblattsammlung, Stand: 57. Ergänzungslieferung Januar 2010, Art. 10 Rn. 104; Gusy, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 6. Auflage 2010, Art. 10 Rn. 49; Hermes, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Auflage 2013, Art. 10 Rn. 28; Jarass, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 13. Auflage 2014, Art. 10 Rn. 10; Löwer, in: von Münch/ Kunig, Grundgesetz – Kommentar, Bd. 1, 6. Auflage 2012, Art. 10 Rn. 10; a.A. aber etwa Pagenkopf, in: Sachs, Grundgesetz-Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 10 Rn. 11; Schmidt, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2002, Art. 10 Rn. 48.
Ob das Bundesverfassungsgericht an seiner Rechtsprechung auch heute noch unter den veränderten Bedingungen eines weitgehend privatisierten Telekommunikationsmarktes festhält oder – wie die Antragstellerin meint – im Wege eines Erstrechtschlusses sogar festhalten müsste, ist offen. Eine eindeutige Positionierung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin insbesondere nicht seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung vom 2. März 2010 entnehmen. Zwar gehörte zu den seinerzeitigen Beschwerdeführern auch ein von der Speicherpflicht betroffenes Unternehmen, dessen Verfassungsbeschwerde das Bundesverfassungsgericht zwar nicht wegen eines etwaigen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG, wohl aber wegen des durch die gesetzliche Speicherpflicht verletzten Telekommunikationsgeheimnisses als begründet ansah. Den diesbezüglichen Entscheidungsgründen lässt sich jedoch nicht ausdrücklich entnehmen, ob das Gericht den zu Grunde liegenden Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG gerade in der der Beschwerdeführerin auferlegten Pflicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden gesehen hat. Vielmehr begründet das Gericht die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden pauschal damit, dass die Beschwerdeführer privat und geschäftlich verschiedene Telekommunikationsdienste nutzten und daher geltend machen könnten, durch die Speicherung und vorgesehene Verwendung ihrer Verbindungsdaten in ihrem Grundrecht auf Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses verletzt zu sein.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256, 263, 586/08 – BVerfGE 125, 20 <304 f.; 309 ff.>.
Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin läge indes auch dann nicht auf der Hand, wenn sie sich grundsätzlich auf das Telekommunikationsgeheimnis berufen könnte. Denn die hier allein dargelegte Unionsrechtswidrigkeit der Speicherpflicht aus § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG bedeutet nicht automatisch, dass sich dieselbe Regelung am Maßstab von Art. 10 Abs. 2 GG als verfassungswidrig erweist. Das Bundesverfassungsgericht ist jedenfalls in seinem Urteil zur ersten Vorratsdatenspeicherung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten in dem seinerzeit vom Gesetzgeber in § 113a Abs. 1 bis 8 TKG vorgesehenen Umfang unter den seinerzeitigen Umständen nicht von vornherein als unverhältnismäßig angesehen werden könne. Für ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit sei allerdings Voraussetzung, dass die Ausgestaltung der Speicherung und der Verwendung der Daten dem besonderen Gewicht einer solchen Speicherung angemessen Rechnung trage.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256, 263, 586/08 – BVerfGE 125, 20 <324>.
Ob die Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2016 in den Rechtssachen „Tele2 Sverige AB und Watson“ zu einer materiell-rechtlichen Annäherung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Art.10 GG an diejenigen der Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta führt, lässt sich gegenwärtig nicht absehen. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die europäische Grundrechtecharta oder sonstiges Unionsrecht für die verfassungsrechtliche Beurteilung der durch die Antragstellerin angegriffenen Regelung von Bedeutung sind, ist Teil derjenigen Fragen, deren Klärung das Bundesverfassungsgericht im Eilrechtsschutzverfahren nicht für geeignet hält und mit Blick auf die dort gegenwärtig anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren der Hauptsachenentscheidung vorbehalten hat.
Vgl. BVerfG Beschluss vom 8. Juni 2016 – 1 BvQ 42/15 – und Beschluss vom 26. März 2017 – 1 BvR 3156/15 – Juris Rn. 1.
b) Ist ein eigenes Recht der Antragstellerin schon hinsichtlich des durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützten Telekommunikationsgeheimnisses jedenfalls nicht frei von grundlegenden Zweifeln, muss dies erst recht für die durch die Antragstellerin im vorliegenden Zusammenhang geltend gemachten Rechte aus Art. 7 und Art. 8 der Charta gelten. Dafür, dass sich die Antragstellerin in ihrer Funktion als Erbringerin öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste mit Blick auf die Telekommunikationsdaten ihrer Kunden in sinngemäßer Übertragung der vorstehend wiedergegebenen früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundrechtsträgereigenschaft der Post auf das durch Art. 7 der Charta garantierte Recht jeder Person auf Achtung ihres Privatlebens oder das durch Art. 8 der Charta garantierte Recht jeder Person auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten berufen könnte, fehlt jeder Anhalt. Zwar können sich auf die genannten Garantien dem Grundsatz nach nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen und zwar auch hinsichtlich ihrer geschäftlichen Tätigkeit berufen,
vgl. EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008 – C- 450/06 – „Varec“ Rn. 48 unter Bezugnahme auf EGMR, Urteile vom 16. Dezember 1992, Niemietz ./. Deutschland, Serie A Nr. 251-B, Rn. 29; vom 16. April 2002, Société Colas Est u.a. ./. Frankreich, Recueil des arrêts et décisions 2002-III, Rn. 41, und vom 28. Januar 2003, Peck ./. Vereinigtes Königreich, Recueil des arrêts et décisions 2003-I, Rn. 57; EuGH, Urteil vom 9. November 2010 – C-92/09 und C-93/09 – „Schecke“ Rn. 53.
Allerdings stehen hier – soweit ersichtlich – stets die eigene Privatsphäre bzw. die eigenen personenbezogenen Daten in Rede, worauf im Übrigen auch schon der Wortlaut der genannten Bestimmungen jedenfalls stärker als im Rahmen von Art. 10 Abs. 1 GG hinweist.
c) Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt sich zudem eine Rechtsverletzung der Antragstellerin nicht ohne weiteres unter dem Gesichtspunkt der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit feststellen. Dabei geht der Senat davon aus, dass die durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG geregelte Speicherpflicht der Antragstellerin im Ausgangspunkt unzweifelhaft einen Eingriff im Sinne einer Berufsausübungsregelung in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin darstellt. Indes hat die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht behauptet, dass in der Speicherpflicht für sich genommen wegen des mit ihrer Erfüllung verbundenen technischen und finanziellen Aufwands nach den hierfür durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen,
vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256, 263, 586/08 – BVerfGE 125, 20 <359 ff.>,
eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit liegt. Sie macht vielmehr allein geltend, dass es für den in der Speicherpflicht liegenden Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit wegen der Unionsrechtswidrigkeit der Speicherpflicht an einer zur verfassungsmäßigen Ordnung gehörenden gesetzlichen Grundlage fehle und daher schon aus diesem Grund eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG vorliege. Diese Rechtsauffassung begegnet jedenfalls nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewichtigen Einwänden.
Grundrechtlich geschützte Interessen können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Regelfall nur durch Normen eingeschränkt werden, die ihrerseits formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen.
Vgl. etwa BVerfG Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 253/56 – BVerfGE 6, 32 <37 ff.>; Urteil vom 10. April 1997 – 2 BvL 45/92 – BVerfGE 96, 10 <21>; Urteil vom 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. – BVerfGE 121, 317 <369>; Beschluss vom 24. Januar 2012 – 1 BvL 21/11 – BVerfGE 130, 131 <142>.
Insoweit kann, wer durch eine Norm in seinen Grundrechten beeinträchtigt wird, auch rügen, dass die Bestimmungen des Grundgesetzes über die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten und das Verfahren nicht eingehalten worden sind.
Vgl. etwa BVerfG Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 253/56 – BVerfGE 6, 32 <41>; Beschluss vom 13. Mai 1986 – 1 BvR 99/85, 1 BvR 461/85 – BVerfGE 72, 175 <187 ff.>; Beschluss vom 26. Februar 1997 – 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95 – BVerfGE 95, 193 <214>.
Ebenfalls kann gerügt werden, dass eine Norm nicht mit den obersten Grundwerten der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Einklang steht oder den ungeschriebenen elementaren Verfassungsgrundsätzen und Grundentscheidungen des Grundgesetzes widerspricht.
Vgl. etwa BVerfG Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 253/56 – BVerfGE 6, 32 <41>; Beschluss vom 23. Mai 1980 – 2 BvR 854/79 – BVerfGE 54, 143 <144>; Beschluss vom 21. November 1997 – 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94 – BVerfGE 96, 375 <398>.
Schon die durch die Antragstellerin aus dem verfassungsgerichtlich formulierten Grundsatz, eine Grundrechte beschränkende Norm müsse ihrerseits formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen, abgeleitete Schlussfolgerung, in diesem Rahmen seien auch stets Verstöße gegen Grundrechte Dritter in die Prüfung einzubeziehen, lässt sich aus der Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts nicht gänzlich eindeutig belegen, auch wenn Vieles für diese Rechtsauffassung spricht. So hat das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage eines Eingriffs in dasjenige Grundrecht, dessen Schutzbereich verkürzt wurde, Grundrechte Dritter teilweise,
vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 1972 – 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71 – BVerfGE 34, 165 <200>; Beschluss vom 15. Januar 1975 – 2 BvR 65/74 – BVerfGE 38, 312 < 320>; Beschluss vom 21. Juni 1977 – 2 BvR 70/75, 2 BvR 361/75 – BVerfGE 45, 272 <295>; Beschluss vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 – BVerfGE 61, 82 <112 f.>; Beschluss vom 9. Oktober 1991 – 1 BvR 397/87 – BVerfGE 84, 372 <381>; Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 – BVerfGE 85, 191 <205 f.>,
aber durchaus nicht in allen Fällen als inzidenten Prüfungsmaßstab herangezogen,
vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1987 ‑ 1 BvR 1086/82, 1 BvR 1468/82, 1 BvR 1623/82 ‑ BVerfGE 77, 84 <101>; Beschluss vom 17. Oktober 1990 – 1 BvR 283/85 – BVerfGE 83, 1 <13>; BVerfG, Beschluss vom 12. November 1997 – 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94 – BVerfGE 96, 375 <398>; vgl. zum Ganzen auch mit unterschiedlicher Positionierung Cornils, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Auflage 2009, § 168 Rn. 91 und 93 und Hillgruber, in: Clemens/Umbach, Mitarbeiterkommentar zum Grundgesetz, 2002, Art. 2 Rn. 183 ff.,
auch wenn die Antragstellerin zutreffend darauf hinweist, dass das Bundesverfassungsgericht im allgemeinen Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Grundrechten Dritter im Verfassungsbeschwerdeverfahren die Aufgabe der Verfassungsbeschwerde, das objektive Verfassungsrecht zu wahren sowie zu seiner Ausbildung und Fortbildung zu dienen, betont und sich damit auch grundsätzlich offen für eine Einbeziehung von Grundrechten Dritter zeigt,
vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02 – BVerfGE 113, 29 <46 f.>; hierzu Bethge, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Auflage 2011, § 203 Rn. 28.
Ungeachtet dieser verfassungsrechtlich nicht abschließend geklärten Frage ergeben sich aus dem hier allein zu prüfenden Unionsrecht keine formellen oder materiellen Anforderungen an nationale Gesetze – hier der § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG –, deren Verletzung ihre Gültigkeit in Frage stellen könnte. Da dem Unionsrecht nur ein Anwendungs-, aber kein Geltungsvorrang vor nationalem Recht zukommt, zieht ein Verstoß gegen Unionsrecht nach deutschem Recht weder ohne weiteres einen Verstoß gegen das Grundgesetz nach sich noch führt er zur Nichtigkeit der nationalen Regelung. Genügt die nationale Regelung den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, bleibt sie jedenfalls nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein grundrechtliche Schutzbereiche wirksam beschränkendes Gesetz auch dann, wenn sie gegen Unionsrecht verstößt.
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. November 2015 – 2 BvR 282/13, 2 BvQ 56/12 – NJW 2016, 1436 <1438> = Juris Rn. 19, dem folgend auch Kammerbeschlüsse vom 31. März 2016 – 2 BvR 929/14 – NJW 2016, 2401 <2401> = Juris Rn. 23 und vom 2. Februar 2017 – 2 BvR 787/16 – Juris Rn. 30 jeweils unter Berufung auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 1971 – 2 BvR 225/69 – BVerfGE 31, 145 <174 f.>, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88 u.a. – BVerfGE 82, 159 <191>, Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 – BVerfGE 110, 141 <154 f.> und Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 – BVerfGE 115, 276 <299 f.>; vgl. auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Loseblatt-Kommentar, Stand: 39. Ergänzungslieferung Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 43; a.A. Dreier, in: ders., Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Auflage 2013, Art. 2 Abs. 1 Rn. 58.
Etwas anderes folgt nicht aus dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit, der dem Verfassungsauftrag zur Verwirklichung eines vereinten Europas entspringt. Zwar verpflichtet der Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes deutsche Stellen auch verfassungsrechtlich zur Einhaltung des Unionsrechts. Sie müssen Verstöße gegen das Unionsrecht daher vermeiden, soweit dies im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts möglich ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Unionsrecht selbst zum verfassungsrechtlichen Maßstab würde. Seine Geltung und Anwendung in Deutschland beruhen – in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 GG – vielmehr auf dem mit dem Zustimmungsgesetz zu den Verträgen erteilten Rechtsanwendungsbefehl, dem selbst keine Verfassungsqualität zukommt. Dies kann nicht unter Rückgriff auf den Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit überspielt werden.
Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. November 2015 – 2 BvR 282/13, 2 BvQ 56/12 – NJW 2016, 1436 <1438> = Juris Rn. 20.
d) Zur Überzeugung des Senats wird die Antragstellerin durch die ihr auferlegte Speicherpflicht unter dem Aspekt einer unionsrechtswidrigen Ermächtigungsgrundlage allerdings jedenfalls in ihrer unionsrechtlich durch Art. 16 der Charta garantierten unternehmerischen Freiheit verletzt, die sich hinsichtlich des sachlichen Schutzbereichs teilweise mit der Garantie des Art. 12 Abs. 1 GG überschneidet. Gemäß Art. 16 der Charta wird die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt. Das Recht auf unternehmerische Freiheit umfasst insbesondere das Recht jedes Unternehmens, in den Grenzen seiner Verantwortung für seine eigenen Handlungen frei über seine wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen verfügen zu können. Insoweit geht Art. 16 der Charta als lex specialis dem durch Art. 15 Abs. 1 der Charta garantierten Recht jeder Person, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben vor.
Vgl. EuGH, Urteile vom 22. Januar 2013 – C‑283/11 – „Sky Österreich“ Rn. 42; vom 27. März 2014 – C-314/12 – „Telekabel Wien“ Rn. 49 und vom 30. Juni 2016 – C-134/15 – „Lidl“ Rn. 26 f.; Bernsdorff, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Auflage 2014, Art. 16 Rn. 10a f.; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Auflage 2013, Art. 7 Rn. 2 und 4.
Da sich der deutsche Gesetzgeber mit der Anordnung der Speicherpflicht in § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG als einer beschränkenden Maßnahme im Sinne von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG im Anwendungsbereich des Unionsrechts bewegt,
vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 – „Tele2 Sverige AB und Watson“, Rn. 72 f.,
liegt in der Speicherpflicht und dem damit verbundenen technischen und finanziellen Aufwand ein Eingriff in die durch Art. 16 der Charta garantierte unternehmerische Freiheit der Antragstellerin, der nur dann unionsrechtlich gerechtfertigt ist, wenn er nach Maßgabe von Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt dieses Rechts achtet. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen zudem nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
Vgl. etwa EuGH, Urteile vom 22. Januar 2013 ‑ C‑283/11 ‑ „Sky Österreich“ Rn. 47; vom 17. Oktober 2013 – C-101/12 – „Schaible“ Rn. 27 und vom 30. Juni 2016 – C-134/15 – „Lidl“ Rn. 31.
Das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage in Art. 52 Abs. 1 der Charta ist dabei ‑ ungeachtet eines durch den Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht unter allen Aspekten vollständig ausentwickelten Schrankenvorbehalts – im Licht der zu seiner Auslegung heranzuziehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu den Schrankenvorbehalten der Art. 8 bis 11 EMRK, auszulegen.
Vgl. etwa hierzu EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 – C-419/14 – „WebMindLicenses“ Rn. 81 unter Bezugnahme auf EGMR Urteile vom 2. August 1984, Malone ./. Vereinigtes Königreich, Serie A, Bd. 82, Nr. 67, sowie vom 12. Januar 2010, Gillan und Quinton ./. Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 4158/05, EGMR 2010, Nr. 77; Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Auflage 2014, Art. 52 Rn. 20; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Auflage 2013, Art. 52 Rn. 28,
Hiernach ist eine grundrechtsbeschränkende Maßnahme nur dann gesetzlich vorgesehen, wenn sie ihrerseits mit dem einschlägigen höherrangigen oder vorrangig anwendbaren nationalen Recht übereinstimmt, wobei sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte insoweit – allerdings nur verfahrensrechtlich – weitgehend auf eine Willkürkontrolle der Entscheidungen nationaler Gerichte beschränkt. In seiner Rechtsprechung finden sich Belege für die Überprüfung der gesetzlichen Grundlage anhand höherrangigen Verfassungs- und Unionsrechts sowie für die Überprüfung anhand völkerrechtlicher Verpflichtungen des jeweiligen Konventionsstaates.
Vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. November 1986, Gillow ./. Vereinigtes Königreich, Serie A 109, Rn. 49; Entscheidung vom 23. März 1999, Yagiz ./. Österreich, Nr. 32846/96; Urteil vom 31. Oktober 2002, Yildiz ./. Österreich, Nr. 37295/97; Urteil vom 17. Januar 2006, Aristimuno Mendizabal ./. Frankreich, Nr. 51431/99, Rn. 79; Entscheidung vom 29. Juni 2006, Weber und Saravia ./. Deutschland, Nr. 54934/00 Rn. 87 und 90; Meyer-Ladewig, Euro-päische Menschenrechtskonvention, 3. Auflage 2011, Art. 8 Rn. 101.
Der in der Speicherpflicht sowie dem damit einhergehenden technischen und finanziellen Aufwand liegende Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Antragstellerin ist hiernach jedenfalls aus unionsrechtlicher Hinsicht nicht durch die Regelung des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG als dem Grunde nach gerechtfertigt anzusehen, weil es insoweit an einer mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG im Licht der Grundrechte aus Art. 7, 8, 11 und Art. 52 Abs. 1 der Charta zu vereinbarenden gesetzlichen Grundlage fehlt. Zugleich ist die Antragstellerin damit in ihrem Recht aus Art. 16 der Charta verletzt.
2. Der erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich aus dem Umstand, dass die durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG angeordnete Pflicht der Antragstellerin zur Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden spätestens nach Ablauf der in § 150 Abs. 13 Satz 1 TKG geregelten Übergangsfrist ab dem 1. Juli 2017 zu erfüllen ist. Der Verweis der Antragstellerin auf den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens würde die zu sichernden Rechte der Antragstellerin daher jedenfalls teilweise irreversibel vereiteln.
3. Keine andere Entscheidung als der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wäre schließlich zu treffen, wenn eine Verletzung der Antragstellerin in einem eigenen subjektiv-öffentlichen Recht aus Art. 16 der Charta in Ermangelung einer insoweit noch nicht vollständig ausgebildeten Judikatur des Gerichtshof der Europäischen Union zur inhaltlichen Reichweite des Gesetzesvorbehalts aus Art. 52 Abs. 1 der Charta anzuzweifeln wäre. Denn auch die für diesen Fall – hilfsweise – vorzunehmende Folgenabwägung muss jedenfalls unter den vorliegenden Umständen zugunsten der Antragstellerin ausfallen. Steht bereits jetzt fest, dass die der Antragstellerin als Erbringerin öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste für Endnutzer durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG auferlegte Pflicht zur Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang vermittelt, jedenfalls objektiv-rechtlich mit Unionsrecht unvereinbar ist, kann der Antragstellerin nicht allein wegen einer als zweifelhaft beurteilten Frage nach einer Verletzung in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten zugemutet werden, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die gesetzliche Speicherpflicht zu erfüllen und die damit einhergehenden und im vorliegenden Verfahren hinreichend glaubhaft gemachten nicht unerheblichen Kosten aus der Bereitstellung der zur Speicherung erforderlichen Infrastruktur sowie aus dem laufenden Betrieb zu tragen. Ebenso wenig muss sich die Antragstellerin darauf verweisen lassen, den sich aus der Erfüllung der Speicherpflicht ergebenden finanziellen Aufwand – soweit möglich – auf ihre Kunden abzuwälzen oder nach einem endgültigen Obsiegen im Hauptsacheverfahren im Wege eines – ohnehin von engen Voraussetzungen abhängigen – unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs geltend zu machen.
Vgl. zu letzterem EuGH, Urteile vom 5. Mai 1996 ‑ C-46/93 – und – C-48/93 – „Brasserie du pêcheur“ Rn. 51 ff. und Urteil vom 30. September 2003 ‑ C-224/01 ‑ „Köbler“ Rn. 51 ff.; BGH, Urteile vom 20. Januar 2005 – III ZR 48/01 – NJW 2005, 742 <742> und vom 22. Januar 2009 – III ZR 233/07 –, NJW 2009, 2534 <2535>.
Denn den der Antragstellerin bei Ablehnung des Eilantrags drohenden Nachteilen stehen bei einer bereits feststehenden objektiv-rechtlichen Unionsrechtswidrigkeit der Speicherpflicht schon im Ausgangspunkt keine legitimen öffentlichen Interessen an einem vorläufigen Vollzug des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b Abs. 1 und 3 TKG gegenüber. Vielmehr ist zwingend der Erlass einer einstweiligen Anordnung angezeigt, um etwaige Rechte der Antragstellerin bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache zu sichern. Im Übrigen hat es der Gesetzgeber in der Hand, in Anbetracht der durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebenen Maßstäbe und unter Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsoptionen die Voraussetzungen für rechtlich zulässige Maßnahmen zur Verfolgung von Straftaten und zu einem wirksamen Schutz der öffentlichen Sicherheit auch für den Bereich der Telekommunikation zu schaffen.
4. Der Inhalt der getroffenen einstweiligen Anordnung beruht auf § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO. Hiernach bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes der einstweiligen Anordnung erforderlich sind. Unter den vorliegenden Umständen ist es zur Sicherung der Rechte der Antragstellerin geboten, aber auch hinreichend, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des zugehörigen Hauptsacheverfahrens des Verwaltungsgerichts festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, ab dem 1. Juli 2017 Telekommunikationsverkehrsdaten im Sinne von § 113b Abs. 3 TKG ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang vermittelt, zu speichern. Durch diese vorläufige Feststellung ist im Verhältnis der Beteiligten zueinander für die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens geklärt, dass die Antragstellerin nicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten im Sinne von § 113b Abs. 3 TKG verpflichtet ist. Die Antragstellerin ist daher insbesondere für den Fall, dass sie auch nach dem 1. Juli 2017 keine Telekommunikationsverkehrsdaten im Sinne von § 113b Abs. 3 TKG speichert, weder ordnungsrechtlichen Maßnahmen der Bundesnetzagentur nach Maßgabe von § 115 TKG ausgesetzt, noch begeht die Antragstellerin insoweit einen vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen § 149 Abs. 1 Nr. 36 TKG, der durch die Bundesnetzagentur gemäß § 149 Abs. 2 Satz 1 TKG mit einer Geldbuße geahndet werden könnte. Einer darüber hinausgehenden Anordnung für die Zeit bis sechs Monate nach rechtskräftigem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens, wie dies durch die Antragstellerin beantragt worden ist, bedarf es hingegen nicht. Zwar dürfte der Antragstellerin für den Fall ihres Unterliegens im Hauptsacheverfahren zuzugestehen sein, aufgrund der zunächst zu treffenden technischen Vorkehrungen nicht unmittelbar ab dem Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens zur vollständigen Erfüllung ihrer Speicherpflicht und den in diesem Zusammenhang gebotenen weiteren Maßnahmen, insbesondere zur Datensicherung, in der Lage zu sein. Diesem Umstand wäre jedoch ggf. nach dem rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens durch die Antragsgegnerin bei der Prüfung etwaiger ordnungsrechtlicher Maßnahmen oder Sanktionen Rechnung zu tragen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Senat legt für das Verfahren in beiden Instanzen jeweils die durch die Antragstellerin durch Vorlage des Sachverständigengutachtens hinreichend glaubhaft gemachten Kosten einer einmaligen Investition in die erforderliche Infrastruktur in Höhe von überschlägig 80.000 Euro, die aufgrund des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung mit der Hälfte des Betrages, d.h. in Höhe von 40.000 Euro, anzusetzen sind, sowie – pauschalierend – für die aufgrund der einstweiligen Anordnung bis zum voraussichtlichen rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahren endgültig ersparten laufenden Kosten aus dem Betrieb in Höhe von monatlich rund 10.000 Euro einen einfachen Jahresbetrag von 120.000 Euro zu Grunde. Hieraus ergibt sich der festgesetzte Streitwert von insgesamt 160.000 Euro.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Vorinstanz:
VG Köln, Entscheidung vom 25.01.2017 – 9 L 1009/16 –