Persönlichkeitsverletzende, veraltete Beiträge in Online-Archiven müssen modifiziert werden
Oberlandesgericht Hamburg
Urteil vom 07.07.2015
Az.: 7 U 29/12
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. März 2012, Az. 324 O 9/12, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,
die den Namen des Klägers enthaltenden Beiträge „…“ vom 25. März 2011, „…“ vom 19. Oktober 2011, „…“ vom 1. Februar 2010 oder „…“ vom 8. März 2010 auf dem Internetauftritt der Beklagten in der Weise zum Abruf bereitzuhalten, dass diese Beiträge durch Eingabe des Namens des Klägers in Internet-Suchmaschinen von diesen aufgefunden und in den Ergebnislisten ausgewiesen werden.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,00 vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss: Der Wert wird für das Berufungsverfahren unter Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 4. November 2014 festgesetzt auf € 60.000,00.
Entscheidungsgründe
I. Der Kläger verfolgt mit seiner Klage einen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung von ihn betreffenden Äußerungen über das Internet weiter.
Der Kläger ist als Kommunikationsberater tätig. Die Beklagte ist Verleger der überregionalen Tageszeitung „…“ und betreibt den zu der Zeitung gehörenden Internetauftritt www.[…].de. Hier hält die Beklagte neben aktuellen Tagesmeldungen auch Berichterstattung aus weiter zurückliegenden Zeiträumen in einem sogenannten Archiv zum Abruf bereit. Über dieses Archiv sind mehrere Artikel aus den Jahren 2010 und 2011 kostenfrei abrufbar, welche die Einleitung, den Verlauf, sowie die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft … gegen den Kläger unter dem Az. …, sowie auch Reaktionen Dritter auf die Verfahrenseinstellung zum Gegenstand haben, so die Artikel „…“ vom 1. Februar 2010 (Anlage K 13), „…“ vom 8. März 2010 (Anlage K 10), „…“ vom 25. März.2011 (Anlage K 12) und „…“ vom 19. Oktober 2011 (Anlage K 11).
Dem Kläger war aufgrund einer Strafanzeige des Politikers C. vorgeworfen worden, an diesen anonyme Telefaxschreiben beleidigenden und verleumderischen Inhalts gesendet zu haben. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, um das es in der Berichterstattung geht, wurde im Einvernehmen mit dem Kläger gegen Zahlung von € 40.000,00 nach § 153 a StPO am 23. März 2011 endgültig eingestellt. Dabei wurden die konkreten Umstände der Einstellung des Verfahrens in der Tagespresse kritisiert und kommentiert. Der Kläger hatte zunächst einzelne Äußerungen, die in den Beiträgen enthalten waren, beanstandet. Daraufhin hat die Beklagte die beanstandeten Passagen auf ihrem Internetauftritt geändert. Nachdem das gegen ihn gerichtete Strafverfahren eingestellt worden ist, beanstandet der Kläger nunmehr, dass die Beklagte überhaupt noch eine jederzeit über das Internet abrufbare Berichterstattung über die betreffenden Vorgänge zugänglich hält. Die Beiträge sind über Suchmaschinen zu finden, indem der Name des Klägers in das Suchfenster eingegeben wird. Auch nach 2012 wiesen bei Eingabe des Namens des Klägers in die Suchmaschine „Google“ die ersten drei Suchergebnisse (Anlage K 8) auf eine Seite aus dem Internetauftritt der Beklagten hin, von dem aus die Beiträge aufgerufen werden können (Anlage K 9; Anlage BK 2): Auf dieser Einstiegsseite erscheinen die Überschriften der genannten vier Beiträge und Fragmente aus diesen, ohne dass die Einträge auf dieser Einstiegsseite datiert wären. Mit Schreiben vom 20. September 2011 hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, die streitgegenständliche Berichterstattung zu unterlassen oder zumindest mit einem Hinweis auf die zwischenzeitig erfolgte Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu versehen. Diesem Begehren ist die Beklagte entgegengetreten.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, 1. unter Namensnennung des Klägers und/oder in identifizierender Weise über ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft … gegen den Kläger zum Az. … zu berichten und/oder berichten zu lassen, wie in den Artikeln „…“ vom 25.03.2011 und/oder „…“ vom 19.10.2011 auf […].de geschehen; 2. unter Namensnennung des Klägers und/oder in identifizierender Weise über eine Anzeige des Herrn C. zu berichten, die dieser auf der Grundlage der Behauptung erstattet hat, der Kläger sei Absender eines anonymen Telefaxschreibens gewesen, in dem C. der Pädophilie bezichtigt wurde, wie geschehen in dem Artikel „…“ vom 01.02.2010 und dem Artikel „…“ vom 08.03.2010 auf […].de.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung der beanstandeten Artikel – noch – nicht zu. Der Beklagten eine Löschung oder Änderung der zunächst rechtmäßig verbreiteten Beiträge aufzugeben, stelle einen erheblichen Eingriff in die Berichterstattungsfreiheit dar. Diesen rechtfertige die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht, da die Berichterstattung einen Gegenstand von im Zeitpunkt der Veröffentlichung hohem öffentlichem Interesse betreffe, einen bloßen Verdacht zum Inhalt habe und der Kläger darin nicht als überführter Täter hingestellt werde.
Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt. In der Berufung wiederholen und vertiefen die Parteien ihren Vortrag. Nachdem der Kläger zunächst angekündigt hat, seine in erster Instanz gestellten Anträge weiterzuverfolgen, hat er diese im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung modifiziert und beantragt nunmehr,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.03.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,
1. unter Namensnennung des Klägers und/oder in identifizierender Weise über ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft … gegen den Kläger zum Az. … und/oder die zugrunde liegende Strafanzeige des Herrn C. zu berichten, wenn dies geschieht, wie aus Anlage BK 2 ersichtlich; und/oder
2. den Verdacht zu verbreiten, der Kläger habe von einer Autobahnraststätte bei … ein anonymes Fax verschickt, in dem Herr C. der Pädophilie bezichtigt wurde, und/oder in einem zweiten anonymen Fax den Wirtschaftsanwalt D. fälschlicherweise als Steuersünder beschuldigt, wie in dem Beitrag „…“ vom 19.10.2011 auf „[…].de“ geschehen; und/oder
3. Artikel, in denen unter Namensnennung des Klägers und/oder in identifizierender Weise über ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft … gegen den Kläger zum Az. … und/oder die zugrunde liegende Strafanzeige des C. berichtet wurde, über das Internet zugänglich zu machen, wenn Suchmaschinen wie Google darauf zugreifen können.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Gründe der angefochtenen Entscheidung, die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber nur zu einem Teil begründet (unten 2.), im Übrigen unbegründet und insoweit zurückzuweisen (unten 1.).
1. Soweit der Kläger – auch in der modifizierten Form der Anträge zu 1. und 2. in der Fassung vom 4. November 2011 – weiterhin begehrt, der Beklagten zu untersagen, die von der Beklagten zum Abruf über das Internet bereit gehaltenen Beiträge in dieser Form weiterhin zu verbreiten, sind seine Klage und seine Berufung unbegründet, denn ein solcher Anspruch steht ihm aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) nicht zu, weil insoweit die Interessen des Klägers die aus der Informationsfreiheit der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG fließenden Interessen der Beklagten nicht überwiegen. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts und nimmt auf diese Bezug.
Die Beiträge enthalten in ihrem jetzigen, von dem Kläger nur noch im Hinblick auf die Fortdauer ihrer Verbreitung angegriffenen Bestand eine wahre Berichterstattung über Vorgänge, an denen der Kläger beteiligt war. Dass der Kläger in dem Verdacht stand, Telefax-Nachrichten versendet zu haben, in denen Dritte der Begehung von Straftaten bezichtigt wurden, und dass es deshalb zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gekommen ist, trifft zu. Die Beiträge in ihrer jetzigen Form beschränken sich auch auf die Mitteilung, dass der Kläger bloß verdächtigt werde; eine Vorverurteilung des Klägers enthalten sie nicht. Dadurch, dass über diese Vorgänge berichtet wird, wird zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers tangiert; denn für das Ansehen einer Person in der Öffentlichkeit kann schon der Umstand abträglich sein, überhaupt in den Verdacht zu geraten, sich in strafbarer Weise verhalten zu haben. Das gilt insbesondere hier, wo es um einen Vorwurf hinterhältigen und intriganten Verhaltens gegen Dritte geht. Auf der anderen Seite bestand ein zunächst erhebliches Interesse der Öffentlichkeit daran, über diese Vorgänge informiert zu werden, denn insbesondere der in den anonymen Telefaxschreiben beschuldigte Politiker trat und tritt in der Öffentlichkeit wiederholt auf und engagiert sich in mehreren Projekten von öffentlichem Belang. Das begründet ein öffentliches Interesse daran zu erfahren, in welcher Weise versucht wird, Personen zu schaden, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, und welche Schritte unternommen werden, um solche Angriffe aufzuklären und ihre Urheber zu ermitteln. Da sich solche Vorgänge wiederholen können, besteht auch ein länger dauerndes Interesse der Öffentlichkeit daran, über ein solches Geschehen informiert zu werden (vgl. BGH, Urt. v. 15. 12. 2009, NJW 2010, S. 757 ff.). Dieser Gedankengang liegt auch der – das Datenschutzrecht betreffenden – Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom 13. Mai 2014 zugrunde, die von dem Grundsatz ausgeht, dass ein von einem Presseorgan einmal rechtmäßig über das Internet verbreiteter Beitrag von diesem grundsätzlich dauerhaft in einem sogenannten Internetarchiv vorgehalten werden darf; der sich daraus ergebende Konflikt zwischen dem in dem Persönlichkeitsrecht der von der Berichterstattung betroffenen Personen wurzelnden Interesse daran, nicht dauerhaft mit in der Vergangenheit liegenden Geschehnissen konfrontiert zu werden, und dem Interesse der Organe der elektronischen Presse daran, rechtmäßig verbreitete Beiträge nicht nachträglich ändern oder löschen zu müssen, soll danach in der Weise zum Ausgleich zu bringen sein, dass die Möglichkeit beschnitten wird, durch bloße Eingabe des Namens der von der Berichterstattung betroffenen Personen in Internet-Suchmaschinen diese Beiträge ohne jeden Aufwand an Zeit und Mühe zu finden (EuGH, Urt. v. 13. 5. 2014, GRUR 2014, S. 895 ff., 896, 902).
Dem Kläger steht der modifizierte Unterlassungsanspruch auch nicht aus dem Gesichtspunkt zu, dass die Fragmente der Beiträge aus dem Internetauftritt der Beklagten auf deren Einstiegsseite nicht datiert und insbesondere nicht ausdrücklich als Altmeldungen gekennzeichnet sind. Dem Kläger ist zwar darin zu folgen, dass das Bestehen eines Abwehranspruchs naheliegt, wenn über die inzwischen abgeschlossenen Ermittlungen in der Weise berichtet wird, dass dem Leser vermittelt wird, dass es sich um einen Bericht über aktuelle Geschehnisse handle; denn in diesem Fall hätte die Berichterstattung zum Inhalt, dass der Kläger derzeit im Verdacht stehe, das Telefax mit verleumderischem Inhalt versandt zu haben, und dass derzeit gegen ihn ermittelt werde, was aktuell nicht zutrifft. Es erscheint indessen schon zweifelhaft, ob eine bloße „Einstiegsseite“ dieser Art bei dem Leser den Eindruck hervorruft, die dort erkennbar lediglich aufgelisteten Titel und Textfragmente würden sich auf aktuelle Vorgänge beziehen, oder ob nicht der Internetnutzer vielmehr erkennt, dass hier lediglich stichwortartig Hinweise auf Beiträge zu Themen aus verschiedenen Zeiten aufgeführt werden, von denen er nicht annehmen kann, dass es sich um aktuelle Meldungen handle. Das bedarf hier indessen keiner allgemeinen Erörterung; denn die Einträge auf der als Anlage BK 2 wiedergegebenen Einstiegsseite der Beklagten lassen den Nutzer ohne Weiteres erkennen, dass die in Bezug genommenen Beiträge verschiedene Entwicklungsstufen eines zeitlich gestreckten Geschehens zum Inhalt haben, nämlich „…“, dass ein (hier nicht namentlich genannter) „PR-Berater“ von C. beschuldigt werde, Gerüchte in Umlauf gebracht zu haben; „…“, dass der Kläger und C. sich gegenseitig angezeigt hätten; „…“, dass die Affäre mit einer Geldauflage ende; in dem auf der Einstiegsseite wiedergegebenen Fragment des Beitrags „…“ wird die Affäre in der Ankündigung schließlich gar nicht mehr angesprochen, es befasst sich mit anderen Vorgängen, an denen der Kläger beteiligt ist. Dieses Nebeneinanderstellen von Berichterstattungen, die erkennbar unterschiedliche zeitliche Ebenen betreffen, macht dem Nutzer deutlich, dass er sich auf einer Seite befindet, die zu bereits archivierten Artikeln führt, und dass die Ausschnitte aus diesen Artikeln und ihre Überschriften damit nicht den Anspruch erheben, ein aktuelles Geschehen zum Inhalt zu haben.
2. Die Berufung des Klägers ist aber begründet, soweit er nunmehr von der Beklagten verlangt, ihren Internetauftritt, der die in Rede stehenden Beiträge enthält, dahingehend zu modifizieren, dass der in den Beiträgen enthaltene Name des Klägers von Internet-Suchmaschinen nicht erfasst wird. Die Erstreckung der ursprünglichen Klage auf dieses Begehren ist zwar eine Klageänderung; sie ist nach § 533 Nr. 1 Fall 2 ZPO aber als sachdienlich zuzulassen, weil die Beklagte ihr nicht widersprochen hat und ihre Zulassung jedenfalls sachdienlich ist, weil sie auf Grundlage des bisherigen Prozessstoffes entschieden werden kann.
Der Anspruch des Klägers folgt aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Der Umstand, dass über das Internet die ein gegen den Kläger gerichtetes Ermittlungsverfahren thematisierenden Presseveröffentlichungen für jeden Internetnutzer ohne einen Aufwand, der über die bloße Eingabe des Namens des Klägers in eine Internet-Suchmaschine hinausginge, dauerhaft auffindbar und abrufbar sind, beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht des Klägers in nicht unwesentlichem Maße. Denn auf diese Weise wird die Verbreitung von Mitteilungen perpetuiert, die geeignet sind, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit nachhaltig zu beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigung mag der Betroffene hinzunehmen haben, wenn an den Vorgängen ein starkes öffentliches Interesse besteht. Wenn aber – wie häufig bei einer Berichterstattung über Vorwürfe strafrechtlicher oder ähnlicher Art – das berechtigte öffentliche Interesse daran, über diese Vorgänge jederzeit informiert zu sein, mit der Zeit abnimmt, gewinnt das Interesse des Betroffenen daran, dass ihm die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht ständig vorgehalten werden, an Gewicht (das ist der Grundgedanke der mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. 6. 1973, NJW 1973, S. 1226 ff. – „Lebach“ – begründeten, inzwischen vielfach modifizierten Rechtsprechung). Das muss insbesondere dann gelten, wenn die Vorwürfe wie hier über ein eingestelltes Ermittlungsverfahren nicht hinausgekommen sind, die Einstellung des Verfahrens zu einem Abschluss der Angelegenheit geführt hat und sie inzwischen mehrere Jahre zurückliegt. Auch in einem solchen Fall darf das Interesse der Presse daran, die einmal rechtmäßig erstellte Berichterstattung über diese Vorgänge nicht nachträglich ändern oder dem Zugriff der Öffentlichkeit völlig entziehen zu müssen, allerdings nicht ausgeblendet werden. Zum einen wäre eine latente Verpflichtung, einmal rechtmäßig erstellte Beiträge ändern zu müssen, mit der Gefahr verbunden, dass die Presse von vornherein anders – und insbesondere weniger kritisch – berichtet, um zu verhindern, sich später Ansprüchen auf eine Änderung der einmal erstellten Beiträge ausgesetzt zu sehen; zum anderen darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Presse nicht nur die Funktion zukommt, die Öffentlichkeit über aktuelle Vorgänge zu informieren, sondern dass ihre Berichterstattung auch einen Fundus bildet, der es interessierten Kreisen späterer Zeit ermöglichen soll, vergangenes Geschehen, soweit daran ein erneut aufkommendes allgemeines Interesse, aber auch ein Interesse sonstiger (etwa insbesondere historischer oder sonst wissenschaftlicher) Art entsteht, recherchierbar zu machen (BGH, Urt. v. 15. 12. 2009, NJW 2010, S. 757 ff., 758 f.). Die sich hieraus ergebenden Interessen sind durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Ihnen steht das ebenfalls verfassungsrechtlich in Artt. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG fundierte Interesse der von einer Berichterstattung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffenen Person gegenüber, nicht beständig mit den vergangenen Geschehnissen konfrontiert zu werden. Zu einer solchen Konfrontation wird es insbesondere dadurch kommen, dass die in älteren Beiträgen berichteten Vorgänge zufällig dadurch reaktualisiert werden, dass zahlreiche Internetnutzer aus ganz anderen Gründen als einem zeitgeschichtlichen oder sonstigen Interesse den Namen der betroffenen Person in das Suchfenster einer Internetsuchmaschine eingeben, etwa weil sie gerade mit dieser Person als Geschäftspartner oder privat zu tun haben oder weil der Name in inzwischen ganz anderen Zusammenhängen von der Presse erwähnt wird, die mit dem vergangenen Geschehen in keinem Zusammenhang stehen. Dieser Konflikt zwischen den Interessen von Presse und Betroffenem lässt sich dadurch in angemessener Weise zum Ausgleich bringen, dass dem Internetanbieter, der seine Berichterstattung dauerhaft über ein Archiv zu öffentlichem Zugriff abrufbar hält, aufgegeben wird, dass die älteren Beiträge nicht mehr durch bloße Eingabe des Namens des Betroffenen in eine Suchmaschine auffindbar sind. Das würde einerseits die Verletzung der Interessen des Betroffenen durch die stete Gefahr einer ständigen Reaktualisierung vergangener Vorgänge erheblich mildern und andererseits die berechtigten Interessen von Presse und historisch interessierten Kreisen nur geringfügig beeinträchtigen. Die Presse ist danach nicht dazu verpflichtet, nachträglich Änderungen an den einmal rechtmäßig veröffentlichten Beiträgen vorzunehmen. Soweit berechtigte Interessen der Allgemeinheit oder einzelner Angehöriger der Allgemeinheit daran bestehen, über ältere Presseartikel vergangene Geschehen zu recherchieren, erfordert dieses Interesse es nicht, dass die betreffenden Beiträge, sofern sie zum steten Abruf über das Internet bereitstehen, ohne jeden Aufwand dadurch zugänglich sind, dass sie durch bloße Eingabe des Namens der von der Berichterstattung betroffenen Person aufgerufen werden können; denn die interessierten Kreise, die sich mit einem vergangenen Geschehen beschäftigen wollen, kommen auch in der Weise an die gesuchten Fundstelle, dass sie vorgangsbezogene Suchwörter in eine Internet-Suchmaschine eingeben oder, wenn ihnen die zeitliche Einordnung des zu recherchierenden Geschehens bekannt ist, die betreffenden Jahrgänge im Internet archivierter Zeitschriften durchgehen. Auch wenn dies im Grundsatz der Vorgehensweise entspricht, wie sie bei historischer Recherche seit jeher praktiziert wird, ist die Recherche gegenüber der früher erforderlichen Benutzung von Findbüchern und Archiven von Unterlagen in Papierform dadurch erheblich vereinfacht, dass sie von einer Stelle aus am Computer vorgenommen werden kann.
Die Abwägung ergibt daher, dass der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch ein Vorhalten älterer Beiträge im Internet in der Weise aufgefangen werden kann, dass ein unmittelbarer Zugriff auf diese Beiträge durch ihre Auffindbarkeit über eine bloße Eingabe des Namens des Betroffenen in eine Internet-Suchmaschine verhindert wird. Ist ein solcher Zugriff möglich, liegt darin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, gegen die der Betroffene aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog vorgehen kann. Störer hinsichtlich der Beeinträchtigung und damit Anspruchsgegner ist jedenfalls auch diejenige Stelle, die die betreffenden Beiträge in einer solchen Weise in das Internet eingestellt hat, dass sie ohne jeden Aufwand an Zeit und sonstigen Mitteln durch die bloße Eingabe des Namens des Betroffenen auffindbar sind. Denn wenn – wenn auch auf datenschutzrechtlicher Basis – schon der Betreiber einer Suchmaschine dazu angehalten werden kann, die Erreichbarkeit von Internetbeiträgen durch bloße Eingabe des Namens der von diesen Beiträgen in erheblicher Weise betroffenen Personen zu unterbinden (EuGH, Urt. v. 13. 5. 2014, GRUR 2014, S. 895 ff.), dann kann es erst recht auch dem Urheber des betreffenden Beitrages – mag er auch das Presseprivileg für sich in Anspruch nehmen können – angesonnen werden, Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass dieser Beitrag zu einer stetig fließenden Quelle von Beeinträchtigungen persönlichkeitsrechtlicher Belange des Betroffenen wird. Dass die Begründung eines Zustandes nicht rechtswidrig gewesen ist, steht seiner Beurteilung als Störung bei seiner Fortdauer nach den allgemeinen Grundsätzen nicht entgegen (s. z.B. BGH, Urt. v. 18. 11. 2014, Az. VI ZR 76/14; std. Rspr seit BGH, Urt. v. 12. 1. 1960, GRUR 1960, S. 500 ff., 502 ff.). Ein Verschulden des Störers setzt der Beseitigungsanspruch nicht voraus.
Dass eine solche Inanspruchnahme unzumutbar wäre, weil es für die Beklagte einen unverhältnismäßig großen Aufwand bedeuten würde, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
Allerdings bedarf der Betreiber eines Internetarchivs eines Schutzes davor, dass das Vorrätighalten von Beiträgen, deren Abrufbarkeit auch durch Eingabe des Namens des Betroffenen in eine Suchmaschine solange rechtmäßig war, wie ihr Inhalt von einem noch aktuellen Interesse war, nunmehr durch bloßen Zeitablauf rechtswidrig wird und er sich allein durch den Betrieb des Internetarchivs dadurch der steten Gefahr einer Inanspruchnahme Betroffener ausgesetzt sieht. Dieser Konflikt ähnelt dem des Betreibers eines Internetforums, der dessen Inhalte nicht anlassfrei ständig auf ihre Rechtmäßigkeit überwachen kann. Es erscheint daher angemessen, diesen Konflikt auf Grundlage der für die Haftung der Betreiber von Internetforen entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 25. 10. 2011, NJW 2012, S. 148 ff.) zu lösen: Auch der Betreiber des Internetarchivs ist danach nicht verpflichtet, die in dem Archiv gesammelten Beiträge vorab darauf zu überprüfen, ob Vorkehrungen zu treffen sind, um in ihnen vorkommende Namen von einer Auffindbarkeit durch Suchmaschinen auszunehmen. Eine solche Verpflichtung entsteht erst, wenn der Betreiber des Internetforums durch einen qualifizierten Hinweis des Betroffenen darauf aufmerksam gemacht wird, dass die fortdauernde Auffindbarkeit des Beitrags durch Namenssuche nunmehr sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt und Vorkehrungen gegen diese Verletzung zu treffen sind. Handelt es sich bei dem Archiv um ein solches, in das Beiträge dritter Anbieter eingestellt sind, hat der Betreiber des Archivs ggf. bei diesen anzufragen. Erst dann, wenn sich danach ergibt, dass die Auffindbarkeit des Beitrags einzuschränken ist, setzt die Verantwortlichkeit des Archivbetreibers ein. Diese Voraussetzungen liegen hier indessen vor, weil die Beklagte nach der Antragsänderung durch den Kläger Gelegenheit erhalten hat, zu dessen geändertem Begehren Stellung zu nehmen, und die beanstandeten Beiträge von ihr selbst stammen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Von § 97 Abs. 2 ZPO hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, da die Frage, ob die einander widerstreitenden Interessen der Betroffenen durch eine Beschränkung der Auffindbarkeit der beanstandeten Beiträge zu einem Ausgleich gebracht werden können, erst durch das nach der angegriffenen Entscheidung ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Mai 2014 in die fachliche Diskussion eingeführt worden ist. Bei der Wertfestsetzung waren die weiter gestellten Klaganträge zu berücksichtigen (§ 3 ZPO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob der Interessenausgleich in der diesem Urteil zugrunde gelegten Weise vorgenommen werden kann, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, sie sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann und daher von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 511 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist.