Preiswerbung: Angabe des Gesamtpreises und des Grundpreises in „unmittelbarer Nähe“?

28. Januar 2021
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
737 mal gelesen
0 Shares
Stempel mit der Aufschrift "EU-Richtlinie" Urteil des OLG Hamburg vom 25.06.2020, Az.: 3 U 184/19

Bewirbt man Waren auf einer Online-Handelsplattform, muss sowohl der Grundpreis als auch der Gesamtpreis angegeben werden. Diese Angaben müssen unmissverständlich, klar erkennbar sowie gut lesbar ausgestaltet sein. Im Zusammenhang damit hatte sich das OLG Hamburg mit der Frage zu beschäftigen, ob der Grundpreis auch unmittelbar in der Nähe des Gesamtpreises stehen muss. Entscheidend sei hierbei, ob der Grundpreis auch klar zu erkennen ist, wenn er nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis steht.

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil vom 25.06.2020

Az.: 3 U 184/19

 

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 21. August 2019 des Landgerichts Hamburg, Az. 416 HKO 141/19 in Form des Urteils vom 6. November 2019 wird abgeändert und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, soweit der Verfügungsbeklagten aufgegeben worden ist, den Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) „in unmittelbarer Nähe“ zum Gesamtpreis anzugeben.

2. Von den Kosten der ersten Instanz haben der Kläger 5/9 und die Beklagte 4/9 zu tragen. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob bei der Werbung für Waren auf einer Online-Handelsplattform der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben ist.

Der Verfügungskläger (nachfolgend; Kläger) ist ein eingetragener Verein, dessen Vereinszweck gemäß § 2 Abs. 2 seiner Satzung u.a. die Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler ist. Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) ist als gewerbliche Verkäuferin auf der Handelsplattform „Google Shopping“ tätig.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. August 2019 beim Landgericht Hamburg, ZK 12, den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte beantragt und hierbei geltend gemacht, es fehle in mehreren Angeboten der Beklagten im Rahmen ihrer Google-Shopping-Präsentation an einer den gesetzlichen Regelungen entsprechenden Grundpreisangabe.

Nach teilweiser Antragsrücknahme bzgl. eines der Angebote hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 21. August 2019 antragsgemäß erlassen und der Beklagten Preiswerbungen untersagt, „für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden.“

Die Beklagte hat wegen des Klammerzusatzes „in unmittelbarer Nähe“ Widerspruch erhoben und im Übrigen eine dem Beschluss entsprechende Abschlusserklärung abgegeben.

Nach Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen, KfH 16, hat diese die Verfügung im Umfang des Widerspruchs bestätigt. Zu den Einzelheiten wird auf das Urteil vom 6. November 2019 Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die am 15. November 2019 eingelegte und mit am 18. Dezember 2019 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Vorgabe in § 2 Abs. 1 PAngV müsse europarechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass das über die Preisangabenrichtlinie 98/6/EG hinausgehende Erfordernis der „unmittelbaren Nähe“ entfalle.

Die Beklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 21. August 2019 des Landgerichts Hamburg, Az. 416 HKO 141/19 in Form des Urteils vom 6. November 2019 abzuändern und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, soweit der Verfügungsbeklagten aufgegeben wird, den Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) „in unmittelbarer Nähe“ zum Gesamtpreis anzugeben.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Angaben des Grund- und Hauptpreises ohne den angegriffenen Zusatz nicht klar erkennbar i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Preisangabenrichtlinie 98/6/EG seien. Es sei nicht ersichtlich, wie ein optimaler Preisvergleich möglich sein solle, wenn nicht beide Preise von Verbraucherinnen und Verbrauchern „auf einen Blick“ wahrgenommen werden könnten. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung müsse zudem die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen werden.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung nach § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Berufung, über die der Senat gemäß §§ 525, 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig und begründet.

1.

Das angefochtene Urteil muss abgeändert und der Verfügungsantrag im Umfang des Widerspruchs zurückgewiesen werden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufnahme des streitigen Klammerzusatzes.

Der Senat geht mit der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des OLG Naumburg im Urteil vom 9. April 2015 (9 U 98/14, n.v.) davon aus, dass das in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV genannte Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie 98/6/EG hinausgeht und deshalb die genannte Vorschrift vor dem Hintergrund der Vorrangregelung des Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG und angesichts der am 12. Juni 2013 ausgelaufenen Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 Satz 1 UGP-Richtlinie 2005/29/EG a.F. richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass dieses Kriteriums nicht zu berücksichtigen ist (ebenso Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 2 PAngV, Rn. 3 m.w.Nw.).

Dem steht nicht entgegen, dass die Preisangabenrichtlinie 98/6/EG (und damit auch deren Öffnungsklausel in Art. 10) nach Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG Vorrang vor letzterer hat. Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG regelt nur das Verhältnis unionsrechtlicher Vorschriften zueinander, wohingegen Art. 3 Abs. 5 UGP-Richtlinie 2005/29/EG (sowohl in alter als auch in neuer Fassung) das Verhältnis des Unionsrechts zum nationalen Recht betrifft. Zweck der Regelung des Art. 3 Abs. 5 UGP-Richtlinie 2005/29/EG ist es, nach Ablauf der Übergangsfrist am 12. Juni 2013 im Interesse einer vollständigen Rechtsangleichung die Anwendung solcher Vorschriften des nationalen Rechts auszuschließen, die lediglich aufgrund einer Mindestangleichungsklausel erlassen oder beibehalten werden durften, aber restriktiver oder strenger sind als die UGP-Richtlinie 2005/29/EG selbst (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, PAngV vor § 1 Rn. 11b). Davon erfasst ist insbesondere die hier im Raume stehende Vorschrift des § 2 PAngV.

Soweit der Kläger sich demgegenüber darauf beruft, dass beide Normen – § 2 Abs. 1 PAngV und Art. 4 Abs. 1 Preisangabenrichtlinie 98/6/EG – den gleichen Regelungsgehalt haben, so kann dem nicht gefolgt werden. Diesem Verständnis entsprechend hat der Kläger das Kriterium „in unmittelbarer Nähe“ als Klammerzusatz hinter das Kriterium „klar erkennbar“ gesetzt. Daran ist zwar richtig, dass beide Kriterien im Zusammenhang stehen. Das Erfordernis der Angabe des Grundpreises in „unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises geht aber über die Anforderungen der Preisangabenrichtlinie 98/6/EG hinaus und ist damit restriktiver als diese. Nach Art. 4 Abs. 1 Preisangabenrichtlinie 98/6/EG müssen der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit lediglich unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein, nicht aber „in unmittelbarer Nähe“ angegeben werden (vgl. dazu auch Köhler, WRP 2013, 723, 727). Es ist nicht für alle Fallgestaltungen zwingend, dass sich diese von der Richtlinie geforderte „Trias“ (so Willems, GRUR 2014, 734, 740) nur durch die Angabe des Grundpreises in „unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises herstellen lässt. Von daher kann der streitige Klammerzusatz nicht Teil eines auf § 2 PAngV gestützten Verbots sein.

Die Beschränkung des Verbots durch Streichung des Klammerzusatzes ist auch erforderlich, um für den Fall behaupteter Zuwiderhandlungen gegen das ausgesprochene Verbot deutlich zu machen, dass sich die Beurteilung der Frage, ob ein solcher Verstoß vorliegt, allein an den übrigen im Verbot angeführten – gesetzeswortlautwiederholenden – Kriterien zu orientieren hat. Ob die klare Erkennbarkeit der Grundpreisangabe danach möglicherweise nur durch deren Angabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises hergestellt werden kann, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.

2.

Die Kostenentscheidung folgt §§ 91, 92, 269 ZPO unter Berücksichtigung des Umstands, dass nur ein Teil der erstinstanzlichen Entscheidung (nach einem Streitwert von 3.000,- €) angefochten worden ist.

Eine Zulassung der Revision kommt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a