Regulierter Roaming-Tarif muss bei Mobilfunkverträgen voreingestellt sein

23. Februar 2018
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eine Weltkugel und der Schriftzug "Roaming" auf einem Smartphone, das in Händen gehalten wird Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 20.09.2017, Az.: 2-06 O 263/17

Einen Mobilfunkvertrag mit einer anderen Voreinstellung als den regulierten Roaming-Tarif zu versehen ist nach Art. 6e Abs. 3 Roaming-VO unzulässig. Die Verbraucherschützende Norm beinhaltet für Mobilfunkanbieter die Verpflichtung, den sogenannten regulierten Tarif auf alle bestehenden und neuen Roaming-Kunden automatisch anzuwenden. Andere Roaming-Tarife dürften zwar grundsätzlich angeboten, nicht jedoch voreingestellt werden.

Landgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 20.09.2017

Az.: 2-06 O 263/17

 

In dem Rechtsstreit

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (…)

(…)

gegen

Drillisch Online AG (…)

(…)

hat das Landgericht Frankfurt am Main (…)

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.9.2017 für Recht erkannt:

Der Beschluss – einstweilige Verfügung – vom 08.08.2017 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Eilverfahren um Unterlassungsansprüche wegen Verstoßes gegen die europäische Roaming-VO.

Der Antragsteller ist die u.a. vom Land Nordrhein-Westfalen finanzierte Verbraucherzentrale. Sein Vereinszweck ist es, für Verbraucherinteressen einzutreten und insbesondere Rechte der Verbraucher durch Einleitung gerichtlicher Maßnahmen wahrzunehmen. Er ist in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagegesetzes eingetragen.
Die Antragsgegnerin ist ein Mobilfunkprovider. Sie bietet auf Internetseiten verschiedene Mobilfunktarife an. Dazu gehören unter anderem die unter der Marke SmartMobil angebotenen LTE-Tarife. Diese LTE-Tarife umfassendes Datenvolumen zwischen 1,5 und 5 GB innerhalb Deutschlands. In diesen Tarifen ist jeweils ein Europa-Paket enthalten, das in den Weltzonen 1 und 2 (EU-Mitgliedstaaten und einige zusätzliche Länder) Anwendung findet. Danach gilt abweichend vom Inland für Datenvolumen im europäischen Ausland ein geringeres Auslanddatenvolumen, nämlich 500 MB bzw. 1 GB im teuersten LTE-Tarif. Das höhere Inlandsdatenvolumen kann der Verbraucher um Ausland nicht nutzen. Nach dem Verbrauch des Auslandsdatenvolumens im Ausland ist keine Internetverbindung mehr möglich. Wenn der Kunde eine weitere Nutzung wünscht, muss er einen „Data Reset“ für 6,99 € buchen. In den Tarifdetails weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass das Auslandspaket ein alternativer Roaming-Tarif im Sinne der europäischen Roaming-VO ist. Ferner erläuterte sie, dass nachträglich nach Abschluss des Mobilfunkvertrages von dem alternativen Roaming-Tarif in den regulierten Tarif nach der Roaming-VO („Roam Like At Home“) gewechselt werden könne, und zwar kostenlos. Eine Abwahl innerhalb des Bestellvorgangs ist jedoch nicht möglich. Auf ihren Seiten weist die Antragsgegnerin außerdem darauf hin, dass der Wechsel in den EU-Roaming-Tarif Nachteile mit sich bringen könne, beispielsweise die Erhebung von Roaming- Aufschlägen in der Schweiz. Außerdem werde das im EU-Ausland verbrauchte Datenvolumen immer vom Gesamt-Datenvolumen abgezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Screenshot vom 3.8.2017 in Anlage Ast 3 (Bl. 16 ff. d.A.) Bezug genommen.
Ferner bewarb die Antragsgegnerin unter der Marke winSIM Mobilfunk-Verträge mit Datenvolumen zwischen 2 und 4 GB. In diesen Tarifen ist ebenfalls jeweils ein Europa-Paket enthalten, das denselben Konditionen unterliegt wie die unter der Marke SmartMobil beworbenen Tarife. Auch hier kann der Verbraucher im Bestellvorgang das Europa-Paket nicht ablehnen.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin gegen Art. 6e Abs. 3 Roaming-VO verstoße.
Der Antragsteller behauptet, er habe von den Rechtsverstößen erst infolge einer gezielten Recherche bei verschiedenen Providern am 04. Und 12.07.2017 Kenntnis erlangt.

Der Antragsteller hat beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu untersagen,

Im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern beim Abschluss von Verträgen über Telekommunikationsdienstleistungen im Mobilfunk, die auch Roamingdienste umfassen, einen anderen als den regulierten Roamingtarif („Roam Like At Home“) voreinzustellen,
wenn dies geschieht sie bei den Tarifen unter den Marken SmartMobil bzw. winSIM in Bezug auf den Tarifbestandteil „Europa-Paket“\“Auslands-Paket“.

Das Gericht hat die einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 8.8.2017 (Bl. 44 ff. d.A.) antragsgemäß erlassen. Der Beschluss ist dem Antragsteller am 14.08.2017 zugestellt worden (Bl. 48 d.A.)
Laut Zustellungsurkunde des Obergerichtsvollziehers Zitzmann vom 15.08.2017 ist der Antragsgegnerin eine beglaubigte Abschrift der mit der Zustellungsurkunde verbundenen Beschlussausfertigung zugestellt worden. Tatsächlich haben die Antragsgegnerin und am 29.08.2017 auch ihre Prozessbevollmächtigten lediglich eine vom Gericht beglaubigte Abschrift des Beschlusses erhalten. Jedenfalls mit der beglaubigten Abschrift des von den Prozessbevollmächtigten übersandten Beschlusses war eine beglaubigte Abschrift der Antragsschrift nebst beglaubigten Abschriften der im Beschluss in Bezug genommenen Anlagen Ast 1 – 10 verbunden (siehe Anlage AG 19 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 15.09.2017).
Am 11.09.2017 ist der Antragsgegnerin der am 01.09.2017 bei Gericht eingegangenen Antrag des Antragstellers auf Verhängung von Ordnungsmitteln wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung zugestellt worden (EB v. 11.09.2017).
Gegen die einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch erhoben.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss – einstweilige Verfügung – vom 8.8.2017 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss – einstweilige Verfügung – vom 8.8.2017 aufzuheben und den Antrag auf seinen Erlass zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt ihre Angebote auf Abschluss von Mobilfunkverträgen als rechtmäßig und im Einklang mit der Rechtsauffassung der zuständigen Regulierungsbehörde stehend. Sie meint, dem Eilantrag fehle die Dringlichkeit, weil der Antragsteller ihre Internetseiten bereits seit über einem Jahr kenne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Beschluss – einstweilige Verfügung – unterliegt nicht der Aufhebung wegen fehlender Vollziehung innerhalb der Monatsfrist gemäß §§ 936, 929 Ab s. 2 ZPO.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin bedurfte es im vorlie­genden Fall nicht der Zustellung der beglaubigten Abschrift der Beschlussausfertigung einschließlich des Ausfertigungsvermerks; vielmehr genügte die Zustellung der von der Geschäftsstelle beglaubigten Beschlussabschrift nebst der hiermit verbundenen Antragsschrift mit Anlagen.
Die wirksame Vollziehung der nicht mit Gründen versehenen Beschlussverfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, setzt voraus, dass der Schuldner Umfang und Inhalt des bereits mit einer Ordnungsmittelandrohung versehenen Verbots zweifelsfrei und zuverlässig ermitteln kann (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 01.06.2011, 6 W 12/11, Rn. 7, zitiert nach juris). Die für die zweifelsfreie Ermittlung des Verbotsinhalts erforderliche Gewähr der Übereinstimmung des dem Schuldner übermittelten Beschlusses nebst Anlagen mit den beiden Gerichtsakten befindlichen Originalen bietet nach der neueren Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt nicht nur die Zustellung der Ausfertigung oder der beglaubigten Abschrift der Ausfertigung, sondern seit der Änderung des § 317 Abs. 1 (1) ZPO bereits die Zustellung einer von der Geschäftsstelle gemäß § 169 Ab s. 2 ZPO beglaubigten Abschrift der Beschlussverfügung nebst Anlagen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.11.2016 , 6 U 167/16, Rn. 20 f., zitiert nach juris). Allerdings dient die Zustellung nicht nur dazu, dem Schuldner Kenntnis vom Umfang des Verbots zu vermitteln. Vielmehr muss sie außerdem zur Kundgabe des Vollziehungswillens des Gläubigers geeignet sein (vgl. OLG Frankfurt am Main a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.04.2015, 20 U 181/14, Rn. 56). Die Vollziehung, das heißt die Zwangsvollstreckung des Verbots findet aber nach wie vor nur auf der Grundlage einer vollstreckbaren Ausfertigung der Beschlussverfügung nach §§ 724, 936, 929 Abs. 1 ZPO statt. Ob deshalb für die Kundgabe der Ernsthaftigkeit des Vollziehungswillens zu verlangen ist, dass der Gläubiger überhaupt eine vollstreckbare Ausfertigung beantragt hat (insofern die Kundgabe gegenüber dem Gericht genügt), oder ob eine Kundgabe gerade auch gegenüber dem Schuldner erfolgen muss und erfordert, dass zumindest die Zustellung der beglaubigten Abschrift der Ausfertigung erfolgen muss, damit der Schuldner weiß, dass er nunmehr nicht mehr sanktionslos gegen die Beschlussverfügung verstoßen darf, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn der Antragstellerin ist innerhalb der Vollziehungsfrist eine (vollstreckbare) Ausfertigung der Beschlussverfügung erteilt worden. Ferner kann die Kundgabe des Durchsetzungswillens des Gläubigers gegenüber dem Schuldner wirksam auch durch Zustellung eines Ordnungsmittelantrags innerhalb der Vollziehungsfrist erfolgen (vgl. Feddersen in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl. 55. Kap. Rn. 42 m.w.N.).
Das ist hier geschehen.

Dem Eilantrag fehlt die Dringlichkeit nicht. Auf eine Kenntnis der Angebote der Antragsgegnerin vor dem 15.06.2017 kommt es nicht an. Das streitgegenständliche Verbot besteht gemäß Art. 6e Abs. 3, 6a Roaming-VO erst seit 15.06.2017. Es ist daher glaubhaft, dass der Antragsteller erst aufgrund von Recherchen Anfang Juli 2017 von dem Verstoß Kenntnis erlangt hat bzw. sich Gewissheit verschafft, dass frühere Angebote nach dem 15.06.2017 unverändert aufrechterhalten worden sind. Anschließende Abmahnung und Eilantragseingang bei Gericht am 03.08.2017 lassen vor diesem Hintergrund ein dringlichkeitsschädliches Zuwarten nicht erkennen.

Der Eilantrag ist begründet.

Der Antragsteller kann nach §§ 3, 2 Abs. 1 UKlaG in Verbindung mit der verbraucherschützenden Norm des Art. 6e Abs. 3 Roaming-VO verlangen, dass die Antragsgegnerin das Angebote von Mobilfunkverträgen unterlässt, bei denen andere als der regulierte Roaming-Tarif voreingestellt sind.

Die angegriffenen Mobilfunktarife mit den voreingestellten Auslandstarifen der Antragsgegnerin verstoßen gegen Art. 6e Abs. 3 Roaming-VO. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 6e Abs. 3 S. 3 Roaming-VO haben Mobilfunkanbieter einen nach den Artikeln 6a, 6b und 6e Abs. 1 Roaming-VO bestimmten Tarif – also einen seit 15.7.2017 geltenden sogenannten regulierten Tarif zu denselben Bedingungen, die für das Inland gelten – auf alle bestehenden und neuen Roaming-Kunden automatisch anzuwenden.
Das Angebot von alternativen Roaming-Tarifen ist gemäß Art. 6e Abs. 3 S. 1 Roaming-VO zwar grundsätzlich zulässig. Ein solches Angebot darf aber nicht wie bei der Antragsgegnerin voreingestellt sein. Vielmehr hat die Antragsgegnerin in den regulierten Roaming-Tarif nach dem eindeutigen Wortlaut das Art. 6e Abs. 3 S. 3 Roaming-VO automatisch anzuwenden.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann dieses Erfordernis auch nicht anders als durch eine Voreinstellung umgesetzt werden, so dass das ausgesprochene Verbot nicht über das hinausgeht, was der Kläger verlangen kann.
Gemäß Art. 6e Abs. 3 S. 3 Roaming-VO hat die Antragsgegnerin nämlich den regulierten Roaming-Tarif nicht nur automatisch auf alle alten und neuen Mobilfunkverträgen anzuwenden. Sie darf darüber hinaus – umgekehrt zu ihrem angegriffenen Verhalten – dem Kunden lediglich eine bewusste und nur eine bewusste Entscheidung ermöglichen, aufgrund derer er zu dem alternativen Roaming-Tarif wechselt. Alle Abschlüsse eines Mobilfunkvertrags, bei denen der Kunde gar keine Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Roaming-Tarif trifft – etwa weil die Konditionen des Inlandstarifs für ihn ganz im Vordergrund stehen und er sich über Roaming-Tarife zur Zeit keine Gedanken macht – müssen dazu führen, dass der regulierte Roaming-Tarif Vertragsgegenstand wird. Denn anderenfalls hätte der Kunde keine bewusste, sondern allenfalls eine unbewusste Entscheidung zugunsten des alternativen Roaming-Tarifs getroffen. Folglich kann die Antragsgegnerin den Anforderungen der Roaming-VO nur gerecht werden, indem sie bei Abschluss von Mobilfunkverträgen den regulierten Roaming-Tarif – in welcher Form auch immer – voreinstellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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