Sicherheitsgefährdender Garagentorantrieb stellt Wettbewerbsverstoß dar

03. Juli 2015
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Fotolia_80184821, graues Garagentor in einer roten Ziegelsteinwand Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 21.05.2015, Az. 6 U 64/14

Der Vertrieb eines Garagentorantriebes kann einen abmahnfähigen Verstoß gegen § 3 I ProdSG darstellen, wenn bei dem vertriebenen Produkt die Möglichkeit einer Geräteeinstellung besteht, wonach bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht ausgeschlossen ist.

Der Hersteller muss Vorkehrungen treffen, dass Verbraucher, denen die vorgeschriebenen Grenzwerte der Betriebswerte unbekannt sind, keine Einstellungen wählen können, die zu einer Überschreitung diese Grenzwerte führen. Der Gefahr kann auch durch einen geeigneten Warnhinweis in der Betriebsanleitung des Produktes begegnet werden, sofern die Gefährdung nicht bei jeder denkbaren Verwendung des Garagentorantriebes besteht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 21.05.2015

Az.: 6 U 64/14

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.2.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,

a) geschäftlich handelnd Garagentorantriebe in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben und/oder zur Verwendung abzugeben, sofern diese die in den jeweils einschlägigen technischen Normen (DIN EN 13241-1, DIN EN 12453 und DIN EN 12445) in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung an den vorgesehenen Messstellen überschreiten, wie geschehen bei dem Antrieb A;

und/oder

b) geschäftlich handelnd auf Garagentorantrieben eine CE Kennzeichnung anzubringen oder anbringen zu lassen, wenn die gemäß der jeweils einschlägigen technischen Normen (DIN EN 13241-1, DIN EN 12453 und DIN EN 12445) in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung an den vorgesehenen Messstellen überschritten werden, wie geschehen bei dem Antrieb A.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.780,00 € nebst Zinsen Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.07.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 120.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe

A.

Die Parteien streiten über die Verletzung von Produktsicherheitsvorschriften.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt für Garagentorantriebe. Die Klägerin stellt her und vertreibt sowohl Antriebe als auch komplette Toranlagen. Die Beklagte beschränkt sich auf Antriebstechnik nebst Zubehör. Sie stellt u.a. den Antrieb „A“ her, der mit einem CE-Kennzeichen versehen ist. Sie vertreibt den Antrieb in Deutschland über ein Fachhändlernetz. Er wird jedoch auch von Händlern auf Internetplattformen an Endverbraucher vertrieben. Der Antrieb kann unter anderem in Verbindung mit den Toren der Klägerin eingesetzt werden. Das Produkt wurde vom TÜV … nach den Normen DIN EN 60335-1: 2012 und DIN EN 60335-2-95:2004 überprüft und zertifiziert (Anlage B3). Die Beklagte gibt für das Produkt eine als „Gebrauchsanleitung“ bezeichnete Installationsanleitung sowie eine Bedienungsanleitung heraus (Anlage K6). Nach der Gebrauchsanleitung (S. 7) kann die Sensibilität der Hinderniserkennung des Antriebs gegenüber der werkseitig vorgegebenen Standardeinstellung in 4 verschiedenen Stufen von „sehr sensibel“ bis hin zu „sehr wenig sensibel“ verändert werden. Die textliche Beschreibung der verschiedenen Stufen ist mit folgender Anmerkung versehen:

„Wenn diese Einstellung geändert wird, muss unbedingt eine Belastungsmessung wie am Ende der Montage durchgeführt werden.“

Die Klägerin ließ einen Antrieb der Beklagten „A“ nach Einbau in ein Garagentor aus dem Hause der Klägerin von dem Institut B GmbH auf Einhaltung der DIN-EN 12453 überprüfen. Das Institut kam nach Änderung der Standardeinstellung auf die Stufe 1 („sehr wenig sensibel“) zu dem Ergebnis, dass die zulässigen Grenzwerte für die Betriebskräfte an den Messpunkten des Garagentores und die Einwirkzeiten bis zur Reversierung deutlich überschritten werden. Das Institut sah daher die Anforderungen aus der DIN-Norm als nicht erfüllt an (Anlage K5).

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Garagentorantriebe zu vertreiben, sofern diese die in den jeweils einschlägigen technischen Normen in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung an den vorgesehenen Messstellen überschreiten, sowie auf solchen Antrieben eine CE-Kennzeichnung anzubringen. Außerdem hat sie Erstattung der Abmahnkosten verlangt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Vorgaben in den in den Anträgen zitierten technischen Normen seien auf isoliert vertriebene Garagentorantriebe nicht anwendbar. Die Klageanträge zielten allein auf die Einhaltung der genannten technischen Spezifikationen ab.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 26. Februar 2014 verkündeten, der Klägerin am 5. März 2014 zugestellten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2-06 0 419/13),

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

a) geschäftlich handelnd Garagentorantriebe in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben und/oder zur Verwendung abzugeben, sofern diese die in den jeweils einschlägigen technischen Normen (DIN EN 13241-1, DIN EN 12453 und DIN EN 12445 und DIN EN 60335-2-) in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung an den vorgesehenen Messstellen überschreiten, wie geschehen bei dem Antrieb A;

hilfsweise zu Antrag 1. a),

geschäftlich handelnd den Garagentorantrieb „A“ als Antrieb mit der Angabe eines „Anwendungsbereiches“ für vertikal bewegte Tore (Sektionaltore) in der Abmessung bis zu 3,00 Meter Höhe mal bis zu 3,00 Meter Breite zu vertreiben und/oder zur Verwendung abzugeben, wenn der Antrieb durch die dafür vorgesehenen Drucktasten ohne Werkzeug einfach in die Einstellung 1 („sehr wenig sensibel“) eingestellt werden kann und in dieser Einstellung bei Einsatz in einem vertikal bewegten Tor in der maximalen Abmessung bis zu 3,00 Meter Höhe mal bis zu 3,00 Meter Breite in entsprechender Anwendung der technischen Normen DIN EN 12445 und DIN EN 12453 an zumindest einem von insgesamt 10 Messpunkten, nämlich in vertikaler Richtung zwischen der Hauptschließkante und der Gegenschließkante (Fußboden) in einem Abstand von 200 mm von jeder seitlichen Begrenzung der horizontalen lichten Weite der Toröffnung und in der Mitte der lichten Weite der Toröffnung und zwar jeweils bei den Öffnungsweiten von 50 mm und 300 mm, jeweils gemessen von der Gegenschließkante (Fußboden) und in einer Höhe von 2500 mm, oder, wenn die lichte Öffnungshöhe < 2800 mm ist, 300 mm unterhalb der völlig geöffneten Stellung des Tores an der Hauptschließkante sowie einem weiteren, frei gewählten Messpunkt folgende Betriebskräfte (im Mittelwert aus drei Messungen) gemessen werden: Innerhalb der ersten 0,75 Sekunden (Zeitdauer = Td ≤ 0,75 s) nach dem erstmaligen Überschreiten von 150 N (dem Aufprall) dynamische Kräfte > 400 N und/oder nachdem Td abgelaufen ist, eine statische Kraft > 150 N und/oder nach einer Gesamtdauer von maximal 5 Sekunden, nachdem das erste Mal eine Kraft von 25 N überschritten wurde (nach dem Aufprall), eine statische Kraft von größer >25 N.

und/oder

b) geschäftlich handelnd auf Garagentorantrieben eine CE-Kennzeichnung anzubringen oder anbringen zu lassen, wenn die gemäß der jeweils einschlägigen technischen Normen (DIN EN 13241-1, DIN EN 12453 und DIN EN 12445 und DIN EN 60335-2-95) in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung an den vorgesehenen Messstellen überschritten werden, wie geschehen bei dem Antrieb A;

hilfsweise zu Antrag 1. b),

geschäftlich handelnd auf dem Garagentorantrieb „A“ eine CE Kennzeichnung anzubringen oder anbringen zu lassen, wenn der Antrieb durch die dafür vorgesehenen Drucktasten ohne Werkzeug einfach in die Einstellung 1 („sehr wenig sensibel“) eingestellt werden kann und in dieser Einstellung bei Einsatz in einem vertikal bewegten Tor (Sektionaltor) in der maximalen Abmessung bis zu 3,00 Meter Höhe mal bis zu 3,00 Meter Breite in entsprechender Anwendung der technischen Normen DIN EN 12445 und DIN EN 12453 an zumindest einem von insgesamt 10 Messpunkten, nämlich in vertikaler Richtung zwischen der Hauptschließkante und der Gegenschließkante (Fußboden) in einem Abstand von 200 mm von jeder seitlichen Begrenzung der horizontalen lichten Weite der Toröffnung und in der Mitte der lichten Weite der Toröffnung und zwar jeweils bei den Öffnungsweiten von 50 mm und 300 mm, jeweils gemessen von der Gegenschließkante (Fußboden) und in einer Höhe von 2500 mm, oder, wenn die lichte Öffnungshöhe < 2800 mm ist, 300 mm unterhalb der völlig geöffneten Stellung des Tores an der Hauptschließkante sowie einem weiteren, frei gewählten Messpunkt folgende Betriebskräfte (im Mittelwert aus drei Messungen) gemessen werden: Innerhalb der ersten 0,75 Sekunden (Zeitdauer = Td ≤ 0,75 s) nach dem erstmaligen Überschreiten von 150 N (dem Aufprall) dynamische Kräfte > 400 N und/oder nachdem Td abgelaufen ist, eine statische Kraft > 150 N und/oder nach einer Gesamtdauer von maximal 5 Sekunden, nachdem das erste Mal eine Kraft von 25 N überschritten wurde (nach dem Aufprall), eine statische Kraft von größer > 25 N.

c) höchst hilfsweise,

geschäftlich handelnd auf dem Garagentorantrieb „A“ eine CE Kennzeichnung anzubringen oder anbringen zu lassen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.780,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15. Juli 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

I. Den Unterlassungsanträgen fehlt es nicht an der Bestimmtheit. Die Klägerin verfolgt mit ihren Hauptanträgen (1. a und 1. b) die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Mit ihnen möchte sie den Vertrieb von Garagentorantirieben untersagen lassen, die nicht die maximal zulässigen Betriebskräfte bzw. die maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung nach Maßgabe der zitierten DIN-Normen einhalten. Dabei geht es der Klägerin nicht um die Vereinbarkeit mit den DIN-Normen an sich, sondern um einen Verstoß gegen das Produktsicherheitsgesetz, der ihrer Auffassung nach darauf beruht, dass wegen Überschreitens der fraglichen Grenzwerte die Produktsicherheit nicht gegeben ist. Dies erschließt sich aus der Klageschrift, in der die Klägerin der Beklagten einen Verstoß gegen das Produktsicherheitsgesetz vorwirft (S. 7). Die Anträge sind auf die konkrete Verletzungsform, namentlich den beanstandeten Antrieb „A“ bezogen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist darüber hinausgehend kein konkreter Verweis auf die Gebrauchsanleitung notwendig.

II. Antrag zu a):

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs des Garagentorantriebs gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 II, III Nr. 1 UWG i.V.m. § 3 I ProdSG zu.

1. Die Klägerin ist als Mitbewerberin aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Tätigkeitsbereiche der Parteien überschneiden sich jedenfalls beim isolierten Vertrieb von Antrieben ohne dazugehörige Tore.

2. Bei § 3 I ProdSG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Nach dieser Bestimmung darf ein Produkt nur dann „auf dem Markt“ bereitgestellt werden, wenn bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet wird. Die Vorschrift dient dem Schutz der Verbraucher und sonstigen Abnehmer der Produkte im Hinblick auf die Einhaltung sicherheitstechnischer Anforderungen. Sie regelt damit das Marktverhalten ihrer Anbieter. Bereits bei der Vorgängerregelung des § 4 Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), das seit 1. Dezember 2011 durch das ProdSG ersetzt wurde, handelte es sich nach allgemeiner Ansicht in der Literatur um eine Marktverhaltensregelung (Köhler in Köhler/Bornkamm, 33. Aufl., § 4 Rn. 11.155a; v. Jagow in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 2. Aufl., § 4 Rn. 90). Nichts anderes gilt für § 3 I, II ProdSG (Schaffert in MüKo-UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 223).

3. Der Antrieb A darf nach §§ 3 I, 8 I ProdSG i.V.m. § 3 I Maschinenverordnung (ProdSV, 9. VO zum ProdSG v. 12.5.1993, zul. geändert durch Art. 19 d. G. v. 8.11.2011) nicht auf dem Markt bereitgestellt werden, weil er bei vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen gefährdet.

a) Der Antrieb stellt eine „Maschine“ im Sinne des § 2 Nr. 2 lit. c ProdSV dar. Es handelt es sich um ein einbaufertiges Antriebssystem, das nach Einbau in einem Gebäude funktionsfähig ist. Die Qualifizierung als „Maschine“ ist zwischen den Parteien unstreitig.

b) Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit von Personen eintreten kann, wenn der Antrieb entsprechend seiner werkseitig vorgegebenen Standardeinstellung installiert und betrieben wird. Eine Gefährdung kann allerdings unter Umständen dann eintreten, wenn die Sensibilität bei der Installation oder im Nachhinein auf Stufe 1 („sehr wenig sensibel“) eingestellt wird. Es ist vorhersehbar, dass Teile der Endverbraucher diese Einstellung vornehmen werden, ohne ausreichend über die damit verbundenen Risiken unterrichtet zu sein. Denn es handelt sich um eine planmäßige Einstellmöglichkeit, die in der Gebrauchsanleitung vorgesehen ist und weder besondere Fachkenntnisse noch Werkzeug erfordert. Die Änderung der Einstellung der Sensibilität wird auf S. 7 der Gebrauchsanleitung unter Verweis auf die Abbildungen 24-30 beschrieben. Die Beklagte trägt selbst vor, dass die Änderung der Einstellung zum Beispiel dann nahe liegt, wenn das Tor alterungsbedingt schwergängiger wird oder wenn das Tor mit Schnee belastet ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für den Endverbraucher nicht ersichtlich, dass sich die Gebrauchsanleitung ausschließlich an professionelle Installateure wendet. Hierfür genügt insbesondere nicht der Hinweis, bei Einhaltung der Gebrauchsanweisung sei ein den bezeichneten Euro-Normen entsprechender Einbau möglich und es seien die – in der Anleitung im einzelnen beschriebenen – Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Eine vorhersehbare Fehlanwendung durch Endverbraucher wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte nach ihrem Vortrag die Antriebe nur an Fachunternehmer verkauft. Da es sich um ein Produkt für die „Verwendung im Wohnbereich“ (Gebrauchsanleitung S. 2) handelt, ist damit zu rechnen, dass nicht nur ausgebildete Installateure, sondern auch Wiederverkäufer das Produkt erwerben und direkt und vollständig an Endverbraucher weitervertreiben. Genau dies geschieht auch, wie die Klägerin durch ihren aus der Anlage K13 ersichtlichen Testkauf nachgewiesen hat. Es kommt ferner nicht darauf an, dass die für die Installation vorgesehene „Gebrauchsanleitung“, die die Hinweise zur Änderung der Einstellungen enthält, von der zusätzlichen „Bedienungsanleitung“ abtrennbar ist. Bei dem Testkauf der Klägerin wurden beide Anleitungen mitgeliefert. Auch damit musste die Beklagte rechnen.

c) Bei der Beurteilung, ob ein Produkt eine Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit von Personen darstellt, können Normen und andere technische Spezifikationen zugrunde gelegt werden. Insbesondere können die in DIN-Normen enthaltenen anerkannten Regeln der Technik herangezogen werden (Schaffert in MüKo-UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 223). Für den Auffangtatbestand des § 3 II ProdSG ergibt sich dies explizit aus § 5 I ProdSG. Für den § 3 I ProdSG i.V.m. der ProdSV unterliegenden Antrieb gilt nichts anderes. Denn diese Normen enthalten keine nähere Konkretisierung der maximal zulässigen Betriebskräfte und der maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung.

aa) Die Sicherheit des Antriebs ist – unstreitig – jedenfalls am Maßstab der der Euro-Norm EN 60335-2-95 zu messen. Diese regelt „besondere Anforderungen für Antriebe von Garagentoren mit Senkrechtbewegung zur Verwendung im Wohnbereich“. Die Beklagte beruft sich in Ihrer Gebrauchsanleitung selbst darauf, dass ihr Antrieb der Euro-Norm EN 60335-2-95 entspreche. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin einen Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Norm nicht substantiiert dargelegt hat (LGU S. 10f.). Auf das Gutachten des B kann sich die Klägerin insoweit nicht stützen. Denn das Institut hat nur die Nichterfüllung der Anforderungen der Norm EN 12453 festgestellt. Ohne Erfolg verweist die Klägerin darauf, die Euro-Norm EN 60335-2-95 sehe unter Ziff. 20.Z103.1 (S. 8) ein Prüfungsverfahren für die Betriebskräfte des Garagentores vor, die exakt die gleichen Grenzwerte wie die Normen DIN EN 12453 und 12445 enthalte (Bl. 182 d.A.). Das Landgericht hat zutreffend und von der Berufung unbeanstandet ausgeführt, dass diese Bestimmung nur für „Antriebe mit Einklemm-Schutz mit Sensoren“ gilt, wenn der Antrieb mit einem Tor geliefert wird. Die Beklagte liefert nur isolierte Antriebe. Dem Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 355, 366 d.A.) ist mangels ausreichender Tatsachengrundlage nicht nachzugehen. Es hätte genaueren Vortrags bedurft, welche auf das Produkt der Beklagten konkret anwendbaren Bestimmungen verletzt wurden. Die Verurteilung kann daher nicht auf die Nichterfüllung der Anforderungen der DIN EN 60335-2-95 gestützt werden. Eine Teilabweisung der Klage ist damit allerdings nicht verbunden, weil es der Klägerin ersichtlich nur um die Einhaltung der – in den DIN-Normen übereinstimmenden – Grenzwerte, nicht um die kumulative Verletzung der im Antrag genannten DIN-Normen an sich geht.

bb) Die Beklagte kann sich allerdings nicht umgekehrt darauf berufen, die Produktsicherheit ihres Antriebs sei nach § 4 II ProdSG zu vermuten, weil er der Euro-Norm EN 60335-2-95 entspreche. Der TÜV-Süd hat die Konformität mit der Euro-Norm EN 60335-2-95 festgestellt (Anlage B3). Die Vermutungswirkung greift jedoch nur dann ein, wenn es sich bei dieser Norm um harmonisierte Normen handelt, die bereits im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind. Dies ist nicht der Fall (vgl. Bl. 207, 443 d.A.).

cc) Für die Produktsicherheit des streitgegenständlichen Antriebs müssen auch die Grenzwerte für die Betriebskräfte von Toren aus den DIN EN 13241-1 und 12453 eingehalten werden. Nach der Norm EN 13241-1 (Anlage K8), die hinsichtlich der Nutzungssicherheit kraftbetätigter Tore auf die Normen EN 12445 und EN 12453 verweist, ist als Verantwortlicher derjenige anzusehen, der ein Tor aus verschiedenen Produkten fertigt (Ziff. 6.1). Dies ist nicht die Beklagte, die nur den Antrieb herstellt und vertreibt. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Der Antrieb darf bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung nicht die Sicherheit von Personen gefährden. Bei der Beurteilung, ob eine Gefährdung vorliegt, ist auch die Einwirkung des Produkts auf andere Produkte zu berücksichtigen, mit denen zusammen die Verwendung zu erwarten ist. Dies ergibt sich aus § 3 II Nr. 2 ProdSG. Weiterhin ist die Bedienungs- und Installationsanleitung zu berücksichtigen (§ 3 II Nr. 1, Nr. 3 ProdSG). Die teleologische Auslegung ergibt, dass die in § 3 II S. 2 ProdSG aufgeführten, für die Beurteilung der Gefährdung zu berücksichtigenden Umstände auch im Rahmen des hier einschlägigen § 3 I Nr. 2 ProSG gelten. Denn in beiden Absätzen geht es gleichermaßen um den Begriff der Gefährdung der „Sicherheit und Gesundheit von Personen“.

Der Antrieb ist bestimmungsgemäß für Garagentore mit Senkrechtbewegung zur Verwendung im Wohnbereich vorgesehen (Gebrauchsanleitung S. 2). Er kann für bestimmte Torarten (Schwingtor, Sektionaltor, Seitensektionaltor) bestimmter Größen verwendet werden (Gebrauchsanleitung S. 3 mit Verweis auf Abb. 2). Nach der Gebrauchsanleitung soll ausdrücklich ein den Euro-Normen EN 13241-1 und EN 12453 entsprechender Einbau in Toranlagen möglich sein (Anlage K6, S. 2). Bei dieser Zweckbestimmung müssen bereits bei Herstellung und Vertrieb des Antriebs die für entsprechende Tore geltenden Sicherheitsanforderungen beachtet werden. Die Verantwortung trifft nicht allein die Hersteller der kompletten Tore, also Installateure oder Verbraucher, die einen Antrieb nachrüsten bzw. Tor und Antrieb getrennt erwerben. Die Beklagte muss vielmehr Vorkehrungen dafür treffen, dass Verbraucher, die die entsprechenden Grenzwerte nicht kennen und die Betriebskräfte nicht selbst messen können, nicht Einstellungen wählen, die zu einer Überschreitung der Grenzwerte für Toranlagen führen.

dd) Der Antrieb hält in der Einstellung „sehr wenig sensibel“ nicht die Grenzwerte der Betriebskräfte aus den DIN EN 13241-1 und 12453 ein, wenn er mit einem Tor kombiniert wird, wie es vom Institut B verwendet wurde (Anlage K5, S. 5). Das Tor entspricht unstreitig den Vorgaben der Gebrauchsanleitung. Die Messungen des Instituts und die Versuchsbedingungen sind unstreitig (vgl. Bl. 42, 470 d.A.). Die Beklagte hat auch die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts nicht angegriffen (LGU S. 9 oben). An der unteren Messstelle (50 mm) wurden die zulässigen Betriebskräfte und die Einwirkzeiten um mehr als das Doppelte überschritten. Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung unter Beweisantritt bestreitet, dass die Kraftmessungen „die allgemeine Sicherheit“ ihres Produkts in Frage stellen, kommt es darauf nicht an (Bl. 465 d.A.). Es geht um die vorhersehbare Änderung der Standardeinstellung bei der bestimmungsgemäßen Verwendung mit einem Tor.

ee) Auf die Ausnahmeregelung in Ziff. 5.5.2 Der DIN EN 12453 kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Danach kann von den Grenzwerten abgewichen werden, wenn Tore durch Antriebe betätigt werden, die alle Anforderungen der DIN EN 60335-2-95 erfüllen. Dies gilt allerdings nur für Garagentore für Einzelhaushalte, die nicht auf eine öffentliche Verkehrsfläche öffnen. Auf solche Toranlagen ist der Antrieb der Beklagten nicht beschränkt.

ff) Die Produktsicherheit setzt im Streitfall allerdings nicht notwendig eine andere Gerätekonstruktion voraus. Der Gefährdung könnte grundsätzlich auch durch einen geeigneten Warnhinweis in der Gebrauchsanleitung begegnet werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn bei jeder denkbaren Verwendung des Antriebs, also z.B. auch bei der Kombination mit Toren, deren Gewicht von dem der Begutachtung zugrundeliegenden Tor deutlich abweicht, die Einstellung nach Stufe 1 zu einer Nichteinhaltung der Grenzwerte führen würde. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Deshalb kommt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht der Grundsatz „Konstruktion vor Instruktion“ nach Ziff. 1.1.2 lit. b) des Anhangs 1 der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) zur Anwendung. Eine Änderung der Standardeistellung ist bei vorhersehbarem Gebrauch erst nach Lektüre der Gebrauchsanweisung zu erwarten. Das entsprechende Bedienfeld liegt nicht frei, sondern wird erst nach Abnahme der Gehäuseabdeckung sichtbar. In montiertem Zustand befindet sich der Antrieb an der Garagendecke. Von dieser Konstruktion konnte sich der Senat anhand der zur Akte gereichten Lichtbilder sowie anhand des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Antriebs überzeugen. Nach menschlichem Ermessen kann ausgeschlossen werden, dass unkundige Verbraucher die Standardeinstellung verändern werden, ohne vorher die Gebrauchsanleitung zu Rate zu ziehen. Der vorhandene Hinweis, dass „unbedingt eine Belastungsmessung wie am Ende der Montage“ durchgeführt werden muss, wenn die Standardeinstellung geändert wird, ist jedoch nicht ausreichend. Denn der Verbraucher erfährt nicht, was damit konkret gemeint ist. Er erfährt insbesondere nicht, dass bei der Stufe „sehr wenig empfindlich“ die Sicherheit von Personen gefährdet ist, wenn sie von dem Tor eingeklemmt werden und dass die in den Euro-Normen EN 13241-1 und EN 12453 hierfür vorgesehenen Grenzwerte dann nicht eingehalten werden.

4. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf den „unclean hands“-Einwand. Die Beklagte hat dargelegt, dass die Klägerin ihren Antrieb „C“ über Baumärkte an Endverbraucher verkauft. Die Betriebsanleitung sieht vor, wie die Kräfte „nachgestellt“ werden können (Anlage B17). Damit ist aber nicht gesagt, dass auch Einstellungen möglich sind, die die Grenzwerte überschreiten.

III. Antrag zu 1. b)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5 II Nr. 1, 8 UWG Anspruch auf Unterlassung, auf ihrem Antrieb eine CE-Kennzeichnung anzubringen.

1. Der Hersteller einer Maschine muss vor dem Inverkehrbringen und/oder der Inbetriebnahme die CE-Kennzeichnung anbringen. Dies ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 lit. f, 16 Maschinenrichtlinie und aus § 7 V ProdSG i.V.m. 3 3 II Nr. 6, 5 I ProSV, die diese Bestimmungen umsetzen. Indem der Hersteller die CE-Kennzeichnung anbringt oder anbringen lässt, gibt er an, dass er die Verantwortung für die Konformität des Produkts mit allen in den einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft enthaltenen für deren Anbringung geltenden Anforderungen übernimmt (Art. 30 III VO 765/2008/EG). Es ist irreführend, die CE-Kennzeichnung zu verwenden, wenn entweder die Sicherheitsanforderungen entgegen der Zertifizierung nicht erfüllt sind oder die angesprochenen Verkehrskreise der Kennzeichnung jedenfalls eine Bedeutung zumessen, die über den zertifizierten Bereich hinausgehen.

2. So liegt es im Streitfall. Der Antrieb wird zwar nicht unmittelbar von der Beklagten, jedoch in vorhersehbarer Weise über Dritte auch an Endverbraucher vertrieben. Nicht unerhebliche Teile der Endverbraucher gelangen aufgrund der Kennzeichnung zu der Vorstellung, das Produkt würde allgemein anerkannten Sicherheitsanforderungen auch dann entsprechen, wenn es in Kombination mit Toren verwendet wird, für die es bestimmungsgemäß vorgesehen ist und wenn die Sensibilität entsprechend den in der Gebrauchsanleitung vorgegebenen Stufen verändert wird. Dann handelt es sich jedoch aus den oben genannten Gründen nicht mehr in jedem Fall um ein sicheres Produkt. Solange die Gebrauchsanleitung nicht klarer gefasst ist, darf daher auch die CE-Kennzeichnung nicht verwendet werden.

IV. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten (Antrag zu 2.). Sie hat die Beklagte mit Schreiben vom 6.6.2013 gemahnt (Anlage K11).

V. Dem Antrag der Beklagten auf Schriftsatznachlass auf den letzten Schriftsatz der Klägerin war nicht zu entsprechen, da es für die Entscheidung des Senats auf keinen neuen Sach- und Rechtsvortrag aus diesem Schriftsatz ankam.

VI. Da die Klägerin mit den Hauptanträgen Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung über die Hilfsanträge. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VII. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren für die Entscheidung nicht tragend.14-19d Rn. 305).

3. Die Höhe der geltend gemachten Anwaltskosten ist nicht zu beanstanden, einschließlich des zugrundegelegten Gegenstandswerts von 130.000 EUR. Maßgeblich ist insoweit nicht der Wert der mit dem geschützten Zeichen versehenen Gegenstände, sondern der Wert des Zeichens.

II.

Die Annahme der Berufung ist auch nicht aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO veranlasst. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Voraussetzungen, unter denen über das Rechtsmittel mündlich zu verhandeln wäre, liegen nicht vor.

III.

Gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO gibt der Senat dem Beklagten unter Hinweis auf die beabsichtigte Zurückweisung des Rechtsmittels und die hierfür maßgeblichen Gründe Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der in der Beschlussformel bezeichneten Frist, sofern er nicht die Berufung aus Gründen der Kostenersparnis zurücknehmen möchte.

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