Vollständige Informationspflicht bei Zeitungsannoncen
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
Urteil vom 03.07.2013
Az.: 6 U 28/12
Tenor
Das Urteil der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Kiel vom 26. Juni 2012 wird geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgelds bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Identität und die Anschrift des Unternehmens mit anzugeben, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 1 wiedergegeben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2012 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger beanstandet die Werbeanzeige in der Tageszeitung „…“ vom … für zwei „Mini-Kreuzfahrten“ und eine „Oslo-Städtereise“ als wettbewerbswidrig, weil die Beklagte in dieser Anzeige weder ihre genaue Identität noch ihre Anschrift angegeben hat. Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 hat der Kläger die Beklagte vorprozessual abgemahnt. Neben Unterlassung der Werbung fordert er den Ersatz von Abmahnkosten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen:
Die Beklagte habe in der in Streit stehenden Zeitungswerbung keine unter Berücksichtigung aller Umstände im konkreten Fall wesentlichen Informationen vorenthalten und nicht gegen das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen aus den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG verstoßen. Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte zur Angabe ihrer Identität und Anschrift nach § 5a Abs.2, Abs. 3 Nr. 2 UWG verpflichtet sei, lägen nicht vor. Die Werbeanzeige enthalte nicht die für einen Verbraucher wesentlichen Informationen, die für eine Entschließung über die Inanspruchnahme der beworbenen Leistung erforderlich seien. Insbesondere sei weder der für einen Verbraucher wesentliche konkrete Reisezeitraum für die Seereisen genannt, noch lasse die Anzeige erkennen, für welche konkreten Übernachtungsmodalitäten (Kabinentyp) die genannten „ab-Preise“ der beworbenen Reisen gälten.
Ein durchschnittlicher Verbraucher werde durch die in der Anzeige enthaltenen Angaben nicht veranlasst, sich für die Buchung einer der angebotenen Seereisen zu entscheiden.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er nimmt Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach die Werbung hinreichend konkret sei und den Verbraucher über das beworbene Produkt in einer Weise informiere, die ihn in die Lage versetze, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils:
1. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgelds bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Identität und die Anschrift des Unternehmens mit anzugeben, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 1 wiedergegeben,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn – den Kläger – 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage (24. Februar 2012) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Sie meint, bei der vorgelegten Anzeige handele es sich nur um eine Aufmerksamkeitswerbung/Imagewerbung. Ein Anbieten im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG liege nicht vor. Die in der Anzeige enthaltenen Angaben seien für einen Verbraucher nicht ausreichend, auf dieser Grundlage eine konkrete geschäftliche Entscheidung zu treffen. Unter Berücksichtigung der in der Werbung enthaltenen Angaben und der ihnen zugrundeliegenden Umstände werde der Verbraucher nicht in die Lage versetzt, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen.
II.
Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner auf Unterlassung einer Werbung im „Hamburger Abendblatt“ vom 31. Dezember 2011/1. Januar 2012 und Zahlung von Abmahnkosten gerichteten Klage hat Erfolg.
Dem Kläger steht der begehrte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.
Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigt.
Die Beklagte hat gegen das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen verstoßen, indem sie gegenüber Verbrauchern in der auf Seite 3 des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Werbeanzeige eine „Oslo-Städtreise“ und zwei „Mini-Kreuzfahrten“ beworben hat, ohne in dieser Anzeige ihre Identität und die Anschrift ihres Unternehmens zu nennen.
Ihre Werbung verstößt gegen § 3 UWG i.V.m. § 5a Abs. 2 UWG und § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG. Nach § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände, einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels, wesentlich ist.
Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preise so angeboten, dass ein durchschnittlicher, nämlich ein angemessen gut unterrichteter, angemessen aufmerksamer und kritischer Verbraucher (hierzu Köhler, in: Köhler/Bornkamm UWG 30. Aufl. 2012 § 3 Rn. 13) das Geschäft abschließen kann (1), gelten nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG die Angabe der Identität und Anschrift des Unternehmers als wesentliche Informationen (2), sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben (3).
1. Aufgrund der Angaben in der beanstandeten Zeitungsanzeige über die beworbenen Seereisen konnte ein durchschnittlich informierter Verbraucher eine Entschließung für oder gegen eine Buchung treffen. Ein abschlussfähiges Angebot i.S.v. § 5 a Abs. 3 UWG setzt weder voraus, dass es sich um ein bindendes Angebot i.S.v. § 145 BGB handelt, noch, dass es sich um eine Aufforderung zur Abgabe eines solchen Angebots handelt. Es ist auch nicht erforderlich, dass alle vertragswesentlichen Regelungen bekannt sind (Bornkamm, in Köhler/Bornkamm UWG 31. Aufl. 2013 § 5a Rn. 30a). Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist vielmehr schon dann eröffnet, wenn die für den Kaufentschluss wichtigsten Vertragsbestandteile, mithin das beworbene Produkt und dessen Preis hinreichend konkret benannt werden und den Verbraucher in die Lage versetzen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen (im Ergebnis auch OLG München, Urt. v. 31.03.2011, 6 U 3517/10; OLG Hamm, Beschl. v. 13.10.2011, 4 W 84/11; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.10.2011, 5 W 134/11, OLG Brandenburg, Beschl. v. 19. 03. 2012, 6 U 79/11).
Dieses Auslegungsergebnis steht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 12.05.2011 – Ving Sverige (C-122/10, GRUR 2011, 930) zum Verständnis der Wörter „den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen“ in Art. 2 Buchst. i) der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) in Einklang. Der Gerichtshof führt insoweit aus, dass nur eine nicht-restriktive Auslegung des Begriffs der Aufforderung zum Kauf mit dem in § 1 der UGP-Richtlinie zum Ausdruck kommenden Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen, in Übereinstimmung stehe (EuGH a. a. O. – Ving Sverige, Tz. 29)) und eine Aufforderung zum Kauf vorliege, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert sei, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können (vgl. EuGH a. a. O. – Ving Sverige, Tz. 33).
Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch die Systematik der Regelung in § 5a Abs. 3 UWG: Wäre das Anbieten von Waren oder Dienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift an die Voraussetzung geknüpft, dass alle wesentlichen Merkmale der angebotenen Leistung benannt sein müssen, bliebe für eine Informationspflicht nach § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG, nämlich für die Verpflichtung, über alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung zu informieren, kein Anwendungsbereich. Benennt der Anbietende nicht alle wesentlichen Merkmale seiner beworbenen Leistung, würde es dann bereits an einem die Informationspflicht nach § 5a Abs.3 Nr. 1 UWG auslösenden Angebot fehlen und die in dieser Vorschrift normierte Verpflichtung ins Leere laufen.
Abzugrenzen von einem abschlussfähigen Angebot ist eine Image- oder Erinnerungswerbung, die nicht die für eine informationsgeleitete geschäftliche Entscheidung erforderlichen Einzelheiten nennt (Bornkamm, in Köhler/Bornkamm aaO. Rn. 30c).
In Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den zur Entscheidung gestellten Sachverhalt enthält die Werbeanzeige im „Hamburger Abendblatt“ zur Überzeugung des Senats ein abschlussfähiges Angebot zur Buchung der beworbenen Seereisen.
In der streitgegenständlichen Zeitungsanzeige sind die für einen Vertragsschluss maßgeblichen Leistungsinhalte wie Gegenstand der Leistung und Preis in einer Weise beschrieben, dass ein durchschnittlicher Verbraucher eine entsprechende geschäftliche Entscheidung treffen kann. Der Verbraucher erfährt Abfahrts- und Zielort für die beworbenen Seereisen, deren Dauer, die vom Preis umfassten Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen sowie die Gewährung zusätzlicher Leistungen wie Showprogramm und Besuch des Spa/Fitnessstudios während der angegebenen Zeiträume. Dass nicht ausdrücklich ein konkreter Reisezeitraum benannt ist, kann zwanglos dahin verstanden werden, dass die Angebote vom Zeitpunkt der Veröffentlichung an zunächst auf unbestimmte Dauer, allein begrenzt durch bestehende Kapazitäten, gelten sollen.
Auch in Bezug auf den Reisepreis wird der Verbraucher hinreichend informiert. Bei der Angabe von „Ab-Preisen“ ist der durchschnittliche Verbraucher daran gewöhnt, dass sich die Mindestpreise auf die einfachste Kategorie der Unterkunft beziehen. Ein durchschnittlicher Verbraucher weiß, dass es sich hierbei um die Doppelbelegung in der einfachsten Zimmer-/Kabinenkategorie handelt. Aufgrund dieser Angaben ist ein durchschnittlicher Verbraucher in der Lage, sich für oder gegen eine Buchung der Reise zu entscheiden.
2. Mit Vorliegen eines abschlussfähigen Angebots im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG trifft die Beklagte die Informationspflicht aus § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG, wonach sie die Identität und Anschrift ihres Unternehmens in der Werbeanzeige zu benennen hat. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nicht nachgekommen.
3. Die Identität und die Anschrift der Beklagten werden dem Verbraucher nicht bereits dadurch in hinreichender Weise zugänglich gemacht, dass die Beklagte in der Werbung eine Internetadresse und eine Telefonnummer nennt. Sinn und Zweck der Informationspflicht ist es, dass der Verbraucher aufgrund der Angaben ohne Schwierigkeiten mit dem anbietenden Unternehmen Kontakt aufnehmen kann. Er soll wissen, mit wem er es zu tun hat, mit wem er in geschäftlichen Kontakt tritt und wie er seinen potentiellen Geschäftspartner erreichen kann (Pfeifer, in: Fezer, UWG, 2. Auf.. 2010, § 5a Rn. 50). Die Regelung verfolgt weiter den Zweck, den Verbraucher davor zu bewahren, im Falle einer Auseinandersetzung die exakte Identität und eine Anschrift seines Vertragspartners erst ermitteln zu müssen, an die ggfs. eine Zustellung von Schriftverkehr erfolgen kann (OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.06.2012, 6 W 72/12 zit. nach juris Rn. 15).
Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob sich das Fehlen der Anschrift und der Identitätsangabe auf die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung auswirkt, kommt es nicht an, denn beim Tatbestand der Irreführung durch Unterlassen nach § 5a Abs. 3 UWG wird unwiderleglich vermutet, dass sich die Informationspflichtverletzung auf die geschäftliche Entscheidung des Kunden auswirken kann (vgl. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5a Rdnr. 5, 57). Dies folgt aus dem Zusammenspiel mit § 5a Abs. 2 UWG, denn mit der Bejahung der Wesentlichkeit der vorenthaltenen Information sind unwiderleglich auch die Erfordernisse des § 3 Abs. 2 UWG erfüllt (Bornkamm, WRP 2012, 1, 5).
Die in § 8 Abs. 1 vorausgesetzte Wiederholungsgefahr liegt vor; aufgrund des vorstehend festgestellten Wettbewerbsverstoßes wird diese vermutet.
4. Die Abmahnkosten kann der Kläger aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG verlangen, weil die Abmahnung des Klägers berechtigt war. Die von ihm substantiiert dargelegte Höhe der Abmahnkosten hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs.1 Satz 2 BGB.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch gebieten die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).