Software zur Beeinflussung des Abgasverhaltens berechtigt nicht zur Anfechtung des Kaufvertrages

15. November 2016
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Auto bei der Abgasuntersuchung Urteil des LG Braunschweig vom 27.09.2016, Az.: 7 O 585/16

Der Verkauf eines Pkws, welcher mit einer Software zur Beeinflussung des Abgasverhaltens ausgestattet ist, stellt nicht zwingend eine arglistige Täuschung des Käufers dar. Werden die Vorgaben der relevanten Euro-5-Abgasnorm auch ohne Einsatz der Software weiterhin erreicht, liegt keine Täuschung über das Vorhandensein einer EG-Typengenehmigung vor. Kann der Kläger nicht hinreichend substantiiert darlegen, dass die Stickoxidwerte des Fahrzeuges für ihn (mit)kaufentscheidend waren, kann auch keine Täuschung über diese Werte angenommen werden.

Landgericht Braunschweig

Urteil vom 27.09.2016

Az.: 7 O 585/16

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist Journalist und kaufte unmittelbar bei der Beklagten, die Kraftfahrzeuge herstellt, mit Kaufvertrag vom 21.11.2013 einen Pkw VW Touran TDI 2.0 (Diesel) zu einem Preis von 33.954,79 € brutto, nachdem zuvor Rabatte abgezogen worden waren. In dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 189 eingebaut, der eine Software zur Beeinflussung des Abgasverhaltens hinsichtlich der Stickoxidwerte (NOx) auf dem Prüfstand beinhaltet. Der Kauf wurde ausschließlich im Internet abgewickelt. Eine Verkaufsverhandlung in gegenständlichen Räumlichkeiten fand nicht statt.

Das Fahrzeug wurde am 01.02.2014 ausgeliefert.

Ende September 2015 wurden Unregelmäßigkeiten betreffend den Motor EA 189 bekannt. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die Software in bestimmten Fahrzyklen nur den Ausstoß von Stickoxid (NOx) beeinflusst und nicht auch die CO2-Emissionen oder den Kraftstoffverbrauch.

Der Kläger focht den Kaufvertrag mit Schreiben vom 29.12.2015 wegen arglistiger Täuschung an (Anlage 2 zur Klageschrift, Bl. 12 GA).

Die EG-Typengenehmigung nach der Abgasnorm Euro-5 wurde für das Fahrzeug durch das Kraftfahrtbundesamt erteilt und nicht widerrufen.

Der Kläger ist der Ansicht, er sei durch die Beklagte über die Abgaswerte des Fahrzeugs arglistig getäuscht worden.

Die Beklagte habe die Emissionswerte nicht nur öffentlich beworben und die besondere Umweltfreundlichkeit der VW-Motoren herausgestellt, sondern diese seien auch Vertragsbestandteil geworden. Dem Kaufvertrag sei als Vertragsbestandteil eine „EG-Übereinstimmungsbescheinigung“ beigefügt worden, die von dem „Leiter Typprüfung“ unterzeichnet worden sei (Anlage 6 zur Klageschrift, Bl. 17 GA).

Der EG-Übereinstimmungsbescheinigung komme die Bedeutung zu, dass die europäischen Grenzwerte im Sinne des Prüfverfahrens Typ 1 (Euro 5 oder 6) / WHSC (Euro VI) als eingehalten versichert gelten. Diese Werte würden derzeit nicht erfüllt werden. Der Einbau der Software sei vom europäischen Ableger des International Council on Clean Car Transportation entdeckt worden. Es sei festgestellt worden, dass die Abgaswerte der Euro-5-Norm ohne die Software nicht eingehalten würden. Es gehe dabei nicht nur darum, dass die Abgaswerte zu hoch seien und gegen die geltenden gesetzlichen Bestimmungen verstießen, sondern auch darum, dass die Beklagte durch „Einprogrammierung“ einer Software realitätsfremde Emissionswerte vorgespiegelt habe. Es gehe um eine sehr erhebliche Eigenschaft der betroffenen Fahrzeuge. Die Erfüllung der Euro-5-Abgasnorm könne entscheidend dafür sein, ob in die Innenstädte eingefahren werden dürfe. So plane z. B. die Stadt Köln mittlerweile strengere Umweltzonen, die an die Euro-6-Norm anknüpften.

Ihm, dem Kläger, seien konkrete Abgaswerte zugesichert worden. Auf diese Zusicherungen habe er sich beim Kauf verlassen. Er habe vor dem Kauf die Umweltverträglichkeit der verschiedenen beim Kauf in Betracht kommenden Fahrzeugmodelle verglichen und sich für das streitgegenständliche Fahrzeug gerade wegen dieser Werte entschieden. Genaugenommen habe der Kläger sich auf die Empfehlung seines Sohnes, der Sales-Manager bei einem multinationalen Zulieferbetrieb für die Autoindustrie sei, verlassen und sei dieser gefolgt. Die Abgaswerte seien ihm auch deshalb wichtig gewesen, da ein Freund von ihm heute mit einem als umweltfreundlich beworbenen VW-Bus nicht mehr in die Innenstädte einfahren dürfe. Ihm sei daher geraten worden, auf die Abgaswerte zu achten und die Erfüllung der Euro-5-Norm zum „KO-Kriterium“ für den Kauf zu machen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er auch vorgetragen, über die Stickoxidwerte, die ihm als erfüllt zugesichert worden seien, arglistig getäuscht worden zu sein.

Ebenfalls in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung seien auch die Kraftstoffverbrauchswerte zugesichert worden. Wegen der Werte im Einzelnen wird auf die Klageschrift Bezug genommen (Bl. 2 GA).

Der Kläger habe sich auf die öffentlichen Aussagen der Beklagten, es handele sich um ein besonders umweltfreundliches Fahrzeug, verlassen. Die Erfüllung der geltenden Abgaswerte sowie ein niedriger Verbrauch bei hoher Leistung sei eine wesentliche Eigenschaft, die dem Kläger bei der Fahrzeugwahl besonders wichtig gewesen sei.

Zum Zeitpunkt des Kaufes sei keineswegs bekannt gewesen, dass mit der Erfüllung der Euro-5-Norm lediglich der Abgasausstoß am Prüfstand Grundlage der Bewertung sein solle. Es sei aus der Werbung und der Übereinstimmungsbescheinigung nicht erkennbar gewesen, dass es sich nur um die auf dem Prüfstand ermittelten Abgaswerte handele. Selbst wenn mit dem Zusatz „EUR 5“ in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung als verstecktem Hinweis auf die Geltung von Laborwerten hingewiesen werden sollte, sei dieser Hinweis nicht eindeutig und verstoße gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Auch hierin liege eine arglistige Täuschung.

Die Beklagte habe Kenntnis von dem Einbau der Software gehabt. Der Sachverhalt sei aufgrund der vielen Zeitungs-, Rundfunk- und sonstigen Medienberichte bekannt. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, nur untergeordnete Mitarbeiter hätten die Manipulationen ohne Wissen der Geschäftsleitung begangen. Es handele sich um ein systemisches Versagen. Letztlich komme es darauf jedoch nicht an, da die Täuschung über § 123 Abs. 2 BGB zugerechnet werde.

Darüber hinaus sei das Fahrzeug aufgrund der Manipulation mit einem erheblichen merkantilen Minderwert belastet. Auch befürchte der Kläger, nach einer Nachbesserung käme es zu einer Leistungsminderung sowie einer Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs.

Der Kläger ist zudem der Ansicht, er könne auch die ihm für die Abholung des Fahrzeugs am 01.02.2014 entstandenen Kosten in Höhe von 447,50 € ersetzt verlangen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Replik Bezug genommen (Bl. 64 GA).

Der Kläger lässt sich als an die Beklagte zu leistende Nutzungsentschädigung einen Betrag in Höhe von 2.971,04 € anrechnen, was er bei der Bestimmung des Klageantrages zu 1) berücksichtigt hat. Wegen der Berechnung des Betrages wird auf die Klageschrift Bezug genommen (Bl. 4 GA).

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.983,71 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Kfz Touran 2,0 TDI Fahrgest.-Nr. xxx zu bezahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadenersatz in Höhe von 447,50 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger lege eine arglistige Täuschung durch die Beklagte nicht dar. Er sei nicht über Eigenschaften des Fahrzeuges getäuscht worden.

Über das Vorliegen einer EG-Typgenehmigung sei nicht getäuscht worden. Das Fahrzeug verfüge über die EG-Typgenehmigung und ihr Entzug drohe nicht, da die Beklagte derzeit einen mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan umsetze.

Der Kläger verweise unsubstantiiert auf „Emissionswerte“, welche öffentlich beworben worden sein sollen. Er lege nicht substantiiert dar, dass er bei Kenntnis der Stickoxidwerte im „Normalbetrieb“ oder ohne die Software von dem Abschluss des Kaufvertrages Abstand genommen hätte. Für den Kläger sei, wenn überhaupt, allein das Vorliegen der Typgenehmigung für die Emissionsklasse „Euro-5“ relevant gewesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, Abgaswerte seien grundsätzlich unter Laborbedingungen zu messen. Die so ermittelten Werte seien maßgebend. Gesetzliche Vorgaben, welche die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte im normalen Fahrbetrieb regelten, seien nicht vorhanden.

Zur Entfernung der Beeinflussung des Abgasverhaltens durch die Software sei lediglich ein Software-Update durchzuführen. Die Umsetzung erfolge in einer Vertragswerkstatt, werde weniger als eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen und voraussichtlich weniger als 100,00 € kosten. Mit diesen Kosten werde der Kläger nicht belastet werden.

Anhaltspunkte dafür, dass der Vorstand oder einzelne seiner Mitglieder bei Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von dem Einsatz der Software gehabt haben, bestünden nicht. Der Kläger habe keine Umstände vorgetragen, aus denen sich eine vorvertragliche Aufklärungspflicht ergebe. Auch die Verletzung einer Aufklärungspflicht sei nicht vorgetragen.

Abschließend bestreitet die Beklagte die klägerseits in Ansatz gebrachten Werte für den Nutzungsersatz, wobei an dieser Stelle auf die Klageerwiderung Bezug genommen wird (Bl. 50 f GA).

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist nicht begründet.

1. a) Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.

Es besteht mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag vom 21.11.2013 ein Rechtsgrund. Der Kaufvertrag über den VW Touran ist nicht durch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen.

Zwar hat der Kläger die Anfechtungsfrist des § 124 BGB gewahrt, es fehlt indes an den Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB. Nach dieser Norm kann derjenige, der zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, die Erklärung anfechten.

Der Kläger ist nicht durch eine arglistige Täuschung zur Abgabe seiner auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung bestimmt worden. Eine solche legt er nicht dar. Eine arglistige Täuschung ist dabei gegeben, wenn durch positives Tun oder Unterlassen trotz einer bestehenden Aufklärungspflicht ein Irrtum erregt oder aufrechterhalten wird. Dabei ist Arglist gegeben, wenn der Handelnde im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Unrichtigkeit seiner Angaben kennt oder zumindest für möglich hält. Zudem muss der Handelnde wissen, dass der andere Teil durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird, d. h. der Vertrag bei wahrheitsgemäßer Erklärung nicht oder nur zu anderen Bedingungen zustande gekommen wäre, wobei die Täuschung auch zumindest mitursächlich für die abgegebene Willenserklärung geworden sein muss (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, § 123 Rn. 11, 24).

aa) Der Kläger ist nicht über das Vorhandensein der EG-Typgenehmigung Euro 5 getäuscht worden. Als vereinbarte Beschaffenheit des Fahrzeuges ist das Vorhandensein der EG-Typgenehmigung/Abgasnorm Euro-5 anzusehen. Eine Beschaffenheit ist vereinbart, wenn sie nach dem Inhalt des Kaufvertrages die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übergeben und zu übereignen, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Auflage, § 434 Rn. 15). Das Vorhandensein der EG-Typgenehmigung bezüglich der Euro-5-Abgasnorm für das streitgegenständliche Fahrzeug ist Vertragsbestandteil geworden. Sie ist in den „technischen Daten“ (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 08.07.2016, AH) zu dem Fahrzeug angegeben. Das Fahrzeug verfügt allerdings nach wie vor über eine gültige Übereinstimmungsbescheinigung/Typgenehmigung (vgl. auch LG Paderborn, Urt. v. 09.06.2016 – 3 O 23/16). Das Kraftfahrtbundesamt hat die Übereinstimmungsbescheinigung durch Verwaltungsakt erteilt, ohne sie zwischenzeitlich widerrufen zu haben.

Der Kläger legt nicht dar, dass die Voraussetzungen der Euro-5-Abgasnorm ohne die Verwendung der Software nicht erreicht werden. Zwar ist der in dem technischen Datenblatt angegebene Wert für den Stickoxidausstoß unstreitig nicht zutreffend, da er unter Zuhilfenahme der Software ermittelt worden ist. Dass ohne die Software indessen ein Wert erzielt wird, der die Vorgaben der Euro-5-Abgasnorm verletzt, wird nicht substantiiert vorgetragen.

Der Kläger legt mit dem Vortrag, die Abgaswerte seien zu hoch und verstießen gegen die geltenden Bestimmungen nicht dar, welche Abgaswerte konkret zu hoch seien und gegen welche gesetzlichen Bestimmungen verstoßen werde. Soweit der Kläger in der Replik vorträgt, er habe die Stickoxidwerte explizit benannt, bezieht sich dies auf Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung. Dies bedeutet nicht, dass er substantiiert dargelegt hat, dass der Stickoxidwert ohne die Software dazu führt, dass die EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt nicht erteilt worden wäre.

Weiter trägt der Kläger vor, ein Freund habe ihm vor dem Kauf dringend geraten, auf die Abgaswerte zu achten und die Erfüllung der Euro-5-Norm zum „KO-Kriterium“ zu machen. Damit legt der Kläger dar, dass es ihm insgesamt auf die Erfüllung der Euro-5-Norm angekommen ist, nicht hingegen auf die Höhe der einzelnen ihr zugrunde liegenden Werte, sofern sie sich innerhalb des Bereichs bewegen, der die Euro-5-Norm erfüllt.

Der Kläger legt darüber hinaus nicht hinreichend substantiiert dar, dass die Stickoxidwerte des Fahrzeuges für ihn (mit)kaufentscheidend waren. Er hat in der Replik vorgetragen, vor dem Kauf die Umweltverträglichkeit der verschiedenen beim Kauf in Betracht kommenden Fahrzeugmodelle verglichen zu haben und sich für das streitgegenständliche Fahrzeug gerade wegen dieser Werte entschieden zu haben. Konkrete Einzelheiten trägt er nicht vor. So trägt er nicht dazu vor, welche Fahrzeuge von einem oder mehreren Herstellern er mit welchen Werten im Einzelnen verglichen haben will.

Ferner legt der Kläger, dem nach seinem Vortrag die Erfüllung der Abgaswerte sowie ein niedriger Verbrauch bei hoher Leistung besonders wichtig waren, nicht dar, ob und ggf. wie die einzelnen Kriterien oder auch nur einzelne Werte zugunsten oder zu Lasten anderer der genannten Kriterien/Eigenschaften in den Hintergrund getreten oder gar zurückgestellt worden sind. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass eine Mitursächlichkeit zur Begründung einer arglistigen Täuschung genügen kann. Der Kläger trägt indessen nicht substantiiert vor, dass die Stickoxidwerte des Fahrzeuges für die Kaufentscheidung ein (mit)ursächliches Kriterium waren. Er belässt es bei dem allgemeinen Vortrag, es seien die Abgaswerte gewesen, wobei er die Stickoxidwerte benannt habe. Hinzu kommt, dass er nach seinem Vortrag nicht einzelne Abgaswerte, sondern die Einhaltung der Euro-5-Abgasnorm zum KO-Kriterium gemacht hat.

Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass der Stickoxidwert ohne Verwendung der Software den zulässigen Grenzwert der Euro-5-Norm überschreitet. Er benennt den Zeugen xxx, der in Berlin bei dem „International Council on Clean Transportation“ tätig ist, dafür, dass festgestellt worden sei, dass die Werte der Euro-5-Abgasnorm nicht erreicht würden. Zwar mag dem Kläger nicht zuzumuten sein, selbst oder durch sachverständige Hilfe den „richtigen“ Stickoxidwert ohne Einschaltung der Software anzugeben. Wenn aber festgestellt worden ist oder sein soll, dass eine Überschreitung der Werte gegeben ist, hätte der Kläger entsprechend substantiiert vortragen können und müssen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, den dann substantiierten Parteivortrag im Wege der Beweisaufnahme, soweit erforderlich, zu verifizieren. Die Vernehmung des Zeugen wäre indes eine im Zivilprozess grundsätzlich unzulässige Ausforschung des Sachverhalts. Sie führte erst dazu, dass der Sachvortrag um die relevanten Angaben ergänzt würde.

Es fehlt auch an Vortrag dazu, ob die angesprochenen Feststellungen für das streitgegenständliche Fahrzeug oder nur für andere Fahrzeugmodelle der Beklagten oder anderer Hersteller gelten. Soweit der Kläger auch diesbezüglich Zeugnis des Herrn xxx anbietet, fehlt es wiederum an substantiiertem Vortrag, da sich der Kläger an dieser Stelle zudem nur auf die „tatsächlichen Abgaswerte“ bezieht. Maßgeblich sind indes die auf dem Prüfstand gemessenen Abgaswerte.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Vernehmung der hierzu als Zeugen angebotenen, namentlich genannten Redakteure einer Autozeitschrift.

Unabhängig von der Frage, ob die einzelnen, zur Ermittlung der Euro-5-Abgasnorm heranzuziehenden Werte (hier auch: Stickoxidangabe) in der Zulassungsbescheinigung Teil II (unter Ziffer 48: Prüfverfahren Typ I) und dem „technischen Datenblatt“ zur vereinbarten Beschaffenheit geworden bzw. dem Kläger „zugesichert“ worden sind, trägt der Kläger nicht substantiiert vor, aufgrund der Angabe einzelner Werte arglistig getäuscht worden zu sein. Auch fehlt es an substantiiertem Vortrag dazu, dass ein anderer als der angegebene Stickoxidwert die Kaufentscheidung beeinflusst und der Kläger von dem Kauf des Fahrzeugs Abstand genommen hätte. Der Kläger hat nicht einzelne Werte, sondern die Erfüllung der Euro-5-Norm zum KO-Kriterium für die Kaufentscheidung erklärt. Dies bestätigt auch der weitere Vortrag des Klägers, wonach er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben haben wollte, wenn er gewusst hätte, dass die Werte der Euro-5-Norm nicht erfüllt würden. Allerdings trägt er nicht substantiiert vor, dass die Werte der Euro-5-Abgasnorm ohne die Verwendung der Software nicht erfüllt werden.

Eine Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat insoweit keine weitere Aufklärung gebracht. Dort hat der Kläger angegeben, es sei für ihn kaufentscheidendes Argument gewesen, dass das streitentscheidende Fahrzeug als das sauberste Fahrzeug beworben worden sei. Er habe ein sauberes und zukunftsfähiges Auto haben wollen, mit dem er in die Innenstädte haben fahren können. Das Fahrzeug habe auch sofort die grüne Plakette zugeteilt bekommen.

Hinzu kommt, dass unklar bleibt, inwieweit sich der Kläger selbst mit den Abgaswerten im Allgemeinen und den Stickoxidwerten im Besonderen auseinandergesetzt hat und eine Beeinflussung seines Willens stattgefunden hat. Mit der Replik hat der Kläger vorgetragen, sein Sohn, der Zeuge xxx, sei für ihn bei der Kaufentscheidung ein wichtiger Ratgeber gewesen. Dessen Empfehlung, der er gefolgt sei, sei auf das streitgegenständliche Fahrzeug entfallen. Genaugenommen habe er sich auf die Empfehlung seines Sohnes verlassen. Inwieweit sich sein Sohn allerdings mit den einzelnen Werten, wobei unklar ist, mit welchen Werten im Einzelnen, auseinandergesetzt hat und ob und inwiefern diese in seine Empfehlung eingeflossen sind, wird nicht vorgetragen und bleibt unklar. Es fehlt an substantiiertem Vortrag.

Der Kläger trägt nicht vor, er hätte von dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeuges Abstand genommen, wenn er gewusst hätte, dass eine Software eingebaut worden ist, die die Stickoxidwerte für die Dauer des Prüfzyklus gegenüber dem realen Fahrbetrieb günstig beeinflusst. Er trägt nur vor, die Erfüllung der Euro-5-Norm sei zum KO-Kriterium für die Kaufentscheidung gemacht worden. Soweit er der Ansicht ist, die Abgaswerte würden nicht eingehalten werden, bleibt der Vortrag vage und ist unsubstantiiert.

Soweit der Kläger einen Mangel darin sieht, dass das Fahrzeug entgegen der Werbung und den öffentlichen Aussagen der Beklagten nicht besonders umweltfreundlich sei, legt er diesbezüglich keine arglistige Täuschung der Beklagten ihm gegenüber dar, insbesondere keine solche über eine negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Zwar gehören nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB auch solche Eigenschaften zur Beschaffenheit, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers insbesondere in der Werbung oder bei Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann. Der Vortrag des Klägers ist allerdings nicht hinreichend substantiiert. Darüber hinaus ist die Bezeichnung eines Fahrzeuges als „besonders umweltfreundlich“, wie es der Kläger behauptet, mit einem erheblichen Wertungsspielraum betroffen, ohne dass der Kläger aufgezeigt hat, dass dieser überschritten worden ist. Einer solchen Aussage kommt lediglich werbender Charakter zu. Bloße subjektive Werturteile begründen kein Anfechtungsrecht (BGH, Urt. v. 19.09.2006 – XI ZR 204/04; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, § 123 Rn. 3).

bb) Der Kläger zeigt hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs keinen Mangel auf, über den die Beklage arglistig getäuscht hätte.

Auszugehen ist von den Verbrauchsangaben, wie sie bei der Prüfstandmessung ermittelt werden (LG Ravensburg, Urt. v. 06.03.2007 – 2 O 297/06). Für das streitgegenständliche Fahrzeug ergeben sie sich aus den technischen Daten des Fahrzeuges (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 08.07.2016, AH) sowie aus den damit übereinstimmenden Angaben in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Anlage 6 zur Klageschrift, Bl. 17 GA). Dass diese bereits fehlerhaft ermittelt oder angegeben worden sein sollen, legt der Kläger nicht dar.

Auf die Verbrauchswerte, wie sie sich bei der Benutzung des Fahrzeugs durch den Kläger ergeben, ist nicht abzustellen. Der Kraftstoffverbrauch wird dabei über die Ermittlung der Abgasemissionen errechnet, die wiederum in einem genormten und eng definierten Fahrzyklus auf einem Rollenprüfstand erfolgt (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.02.2008 – 1 U 97/07). Dabei reproduziert der durchzuführende Fahrzyklus reproduzierbare und vergleichbare Ergebnisse. Der genormte Fahrzyklus soll Durchschnittswerte ermitteln, um die Fahrzeuge untereinander vergleichen zu können. Dabei ist in dem meisten Fällen keine Übereinstimmung mit dem Nutzungsprofil des Kunden gegeben. Dem technischen Datenblatt (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 08.07.2016, AH) lässt sich am Ende entnehmen, dass die angegebenen (kombinierten) Werte nach den vorgeschriebenen Messverfahren (VO (EG) 715/2007 in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt wurden. Die Angaben bezögen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und seien nicht Bestandteil des Angebotes, sondern dienten lediglich Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen.

Ein Sachmangel kann zwar auch dann vorliegen, wenn der tatsächliche Verbrauch von dem auf dem Prüfstand gemessenen und den Verkaufsangaben zugrunde liegende Verbrauch nicht eingehalten wird, wobei die Abweichungen vom Durchschnittswert maßgeblich sind, wenn sich die Herstellerangaben auf verschiedene Fahrzyklen beziehen (BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05).

Der Kläger legt allerdings nicht dar, dass er von der Beklagten über die tatsächlichen Kraftstoffverbräuche getäuscht worden ist. Zum einen macht der Kläger hierzu nur die nicht weiter substantiierte Angabe, selbst bei sparsamster Fahrweise erreiche er keinen Kraftstoffverbrauch unterhalb von 7,0 l/km (kombiniert). Es fehlt an substantiiertem Vortrag, wie und unter welchen Bedingungen/Voraussetzungen der Kläger diesen Wert ermittelt hat. Zum anderen verhält es sich dergestalt, dass zur Ermittlung des tatsächlichen Kraftstoffverbrauchs wiederum ein allgemeiner Maßstab zugrunde zu legen wäre, da die verschiedene Fahrweise verschiedener Kraftfahrzeugführer mit ein und demselben Fahrzeug zu unterschiedlichen Kraftstoffverbräuchen führt.

Selbst wenn ein Mangel gegeben sein sollte, legt der Kläger nicht dar, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von etwaigen Abweichungen des tatsächlichen Kraftstoffverbrauchs von dem mittels des Prüfzyklus ermittelten Kraftstoffverbrauch hatte.

cc) Hinsichtlich der Geltung der Abgaswerte, wie sie im tatsächlichen, täglichen Gebrauch auftreten, gilt das zum Spritverbrauch Gesagte entsprechend. Der Vortrag, die Beklagte habe „realitätsfremde“ Emissionswerte vorgespiegelt, stellt auf ein etwaiges Auseinanderfallen der am Prüfstand gemessenen Werte mit denen „in der Realität“ festzustellenden Werten ab. Dieser Vortrag ist indessen unsubstantiiert.

dd) Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG erfüllt sind, legt der Kläger nicht dar, dass die Beklagte ihn mittels der von ihr gemachten Angaben arglistig getäuscht hat.

ee) Auch die weiteren Umstände/Tatsachen, die der Kläger vorträgt, legen eine arglistige Täuschung durch die Beklagte, die den Kläger zur Anfechtung berechtigten würde, nicht dar.

Es kann dahinstehen, ob es aufgrund des Einbaus der Software in das Fahrzeug des Klägers zu einem erheblichen merkantilen Minderwert gekommen ist. Sofern ein merkantiler Minderwert eingetreten ist, handelt es sich dabei um eine Folge des Einbaus der Software, die sich seit dem öffentlichen Bekanntwerden des Einbaus der Software in Fahrzeuge der Beklagten ergeben haben mag. Demgegenüber stellt die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auf den Zeitpunkt der Abgabe der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung ab (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, § 123 Rn. 24), da sie die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit schützt (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, § 123 Rn. 1).

Ebenso führen die Befürchtungen des Klägers, im Anschluss an eine etwaige Nachbesserung seines Fahrzeuges käme es zu Einbußen an Leistung sowie einem erhöhten Kraftstoffverbrauch nicht zum Erfolg der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Es handelt sich um Tatsachen, die – ihr Eintreten als wahr unterstellt – erst im Anschluss an den Abschluss des Kaufvertrages eingetreten sind.

Soweit es sich bei diesen klägerseits vorgetragenen Umständen/Behauptungen um einen berechtigten Mangelverdacht handelt oder handeln könnte, begründet auch dieser aufgrund der dargestellten zeitlichen Zusammenhänge nicht den Erfolg der Anfechtung.

Ob es in Zukunft aufgrund der bekanntgewordenen Tatsachen hinsichtlich des Einbaus der Software und der tatsächlichen Stickoxidwerte der betroffenen Fahrzeuge zu Änderungen hinsichtlich städtischer Umweltzonen kommen wird, ist kein Umstand, der zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt, da es sich wiederum um einen Umstand handelt, der erst nach dem Vertragsschluss eintreten kann.

ff) Die Frage der Kenntnis der Beklagten von dem Einbau der Software auf Seiten der Beklagten kann dahinstehen, da es bereits an den weiteren Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung fehlt. Es bedarf auch keiner Festlegung dazu, welche Anforderungen an den Vortrag der Parteien zu dieser Frage zu stellen sind.

b) Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG i.V.m. §§ 8 ff UWG der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da dem Kläger die Aktivlegitimation fehlt.

c) Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche schließlich nicht aufgrund anderer/weiterer Anspruchsgrundlagen zu, insbesondere nicht aus § 826 BGB.

Bei § 3 UWG (i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG) handelt es sich auch nicht um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (LG Limburg, Urt. v. 21.11.2014 – 5 O 18/14; siehe auch Palandt/Sprau, BGB, 75. Auflage, § 823 Rn. 72 zu § 3 UWG).

d) Schließlich kann auch die Frage dahinstehen, auf welche Weise im Klageantrag und in welcher Höhe sich der Kläger eine Nutzungsentschädigung für die bisherige Benutzung des Pkw hätte anrechnen lassen müssen, da der Kaufvertrag weiterhin Bestand hat.

2. Dem Kläger steht auch der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 447,50 € gegen die Beklagte nicht zu. Da der Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht durch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung untergegangen ist, waren die mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachten Aufwendungen nicht vergebens. Sie stellen keinen wie auch immer gearteten Schaden dar.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

III.

Soweit der Kläger mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 29.08.2016 (Bl. 93 ff GA) und 04.09.2016 (Bl. 132 ff GA) weiter vorgetragen hat, erfolgte dieser Vortrag nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, so dass er nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen war. Dies gilt insbesondere für den seitens des Klägers erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag sowie den dazu erfolgten Vortrag.

Die Schriftsätze gaben auch nicht gemäß § 156 ZPO Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Soweit in dem Schriftsatz vom 29.08.2016 ein neuer, weiterer Klageantrag (Feststellungsantrag zu Ziffer 3) enthalten ist, ist dieser dem Rechtsstreit nicht zugrunde zu legen. Nach § 297 ZPO müssen Klageanträge in mündlicher Verhandlung verlesen oder auf sie in mündlicher Verhandlung Bezug genommen werden. Dies war nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) möglich.

Streitwert: 31.431,21 €

Klageantrag zu 1: 30.983,71 €

Klageantrag zu 2): 447,50 €

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