Unerhebliche Form-Abweichung eines Schokoriegels ist kein Herkunftshinweis
Bundesgerichtshof
Urteil vom 21.10.2015
Az.: I ZR 23/14
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter …, die Richter …, …, … und …
Für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Dezember 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage mit dem Hauptantrag 2 abgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 25. April 2013 zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten und der zweiten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, die Süßwaren, darunter den Schokoriegel „Bounty“, herstellt und vertreibt, wendet sich gegen die Vermarktung eines Schokoriegels mit Kokosfüllung durch die Beklagte, die ebenfalls Süßwaren vertreibt
Die Muttergesellschaft der Klägerin, die Mars Inc., ist Inhaberin der am 11. Oktober 2011 u.a. für „nicht medizinische Süßwaren“ eingetragenen dreidimensionalen deutschen Klagemarke Nr. 3020 1003 3190, die wie folgt gestaltet ist:
[Abbildung]
Die Klägerin ist Lizenznehmerin dieser Marke und zur Geltendmachung der Markenrechte ermächtigt. Die Beklagte hat bei dem Deutschen Patent- und Markenamt Löschungsantrag gestellt und vor dem Landgericht München I Löschungsklage erhoben, weil sie die Marke mangels Nachweises der Verkehrsdurchsetzung als nicht unterscheidungskräftig ansieht.
Die Klägerin erzielte mit dem Produkt „Bounty“ in den Jahren 2010 und 2011 jeweils Umsätze von über 22 Mio. € bei einem Marktanteil von mehr als 2,6% im Produktsegment der Schokoladenriegel.
Bei einer im Oktober und November 2004 durchgeführten Verkehrsbefragung der G. Marktforschung GmbH ordneten 42,7% aller Befragten den unverpackten Schokoladenriegel der Klägerin dem Produkt „Bounty“ oder dessen Hersteller sowie 6,7% der Befragten den von der Mars Inc. weiterhin angebotenen Erzeugnissen „Mars“, „Milky Way“ oder „Snickers“ zu. Weitere 3,8% der Befragten gaben an, die Form des Schokoriegels weise auf einen bestimmten Hersteller hin, konnten aber keine Angaben zur Bezeichnung des Produkts oder des Herstellers machen.
Im Januar 2012 präsentierte die Beklagte auf der Internationalen Süßwarenmesse (ISM) in Köln den mit Kokos gefüllten und mit Schokolade umhüllten Riegel „Wish“ und verteilte entsprechende Produkte an Messebesucher.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit dem Angebot ihrer Schokoriegel die Rechte an der eingetragenen dreidimensionalen Klagemarke.
Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung – beantragt,
1. (…)
2. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, mit Kokos gefüllte Schokoladenriegel in der nachstehend von mehreren Seiten wiedergegebenen dreidimensionalen Form im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, zu vertreiben, in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben:
[Abbildung]
(…)
sowie – in der Berufungsinstanz – hilfsweise
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, den im Antrag 2 abgebildeten, mit Kokos gefüllten Schokoladenriegel in der nachfolgend wiedergegebenen Verpackung
[Abbildung]
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, zu vertreiben, in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.
Vor dem Landgericht hatte die Klage mit dem Hauptantrag zu 2 Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht den Hauptantrag zu 2 und den darauf bezogenen Hilfsantrag abgewiesen (OLG Köln, GRUR-RR 2014, 210). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin diese Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die zu 2. geltend gemachten markenrechtlichen Unterlassungsansprüche nicht zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es handele sich bei der angegriffenen Produktform nicht um ein mit der Klagemarke identisches Zeichen im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die beanstandete Produktform sei flacher und wirke aufgrund der breiter gestalteten Verwerfungen auf der Oberseite plumper als die eingetragene Form.
Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lägen nicht vor. Die Beklagte habe die angegriffene Form nicht markenmäßig verwendet. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass der Verbraucher bei Schokoriegeln angesichts des reichen Formenvorrats auf diesem Marktsegment üblicherweise aus der Form auf eine bestimmte betriebliche Herkunft schließe. Unterschiedliche Abmessungen und Oberflächenstrukturen von Schokoriegeln würden vielmehr nur als funktionelle oder ästhetische Mittel des jeweiligen Produkts angesehen. Es sei nicht ersichtlich, dass die angegriffene Form erheblich von der bei Schokoriegeln üblichen Form abweiche und deshalb als Herkunftshinweis aufgefasst werde. Weder im Zeitpunkt der Kaufentscheidung noch des Verzehrs nehme der Verbraucher die beanstandete Form als Hinweis auf die Herkunft des Produkts wahr. Beim Hauptantrag könne für die Frage der markenmäßigen Benutzung nicht auf die Produktverpackung abgestellt werden, weil der Antrag sich darauf nicht beziehe. Eine herkunftshinweisende Wahrnehmung der Form im Zeitpunkt des Produktverzehrs erfolge nicht, weil der Verbraucher vor dem Verzehr durchweg mit der Verpackungsaufschrift „Wish“ konfrontiert werde und deshalb der Produktform einen weiteren Herkunftshinweis nicht entnehme. Eine Gewöhnung des Verkehrs an den herkunftshinweisenden Charakter der Produktform folge ferner nicht aus einer durch Benutzung erhöhten Kennzeichnungskraft der Formmarke für den Schokoriegel „Bounty“. Der Kennzeichnungsgrad dieser Formmarke sei auch bei Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragung bei einem Durchsetzungsgrad von 53,2% allenfalls durchschnittlich.
Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG hat das Berufungsgericht verneint, weil für den Bekanntheitsschutz einer infolge Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marke eine über den Mindestgrad der Verkehrsdurchsetzung von 50% deutlich hinausgehende Bekanntheit des Zeichens erforderlich sei, über die die Klagemarke ausweislich der vorgelegten Verkehrsbefragung nicht verfüge.
Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag sei unzulässig, weil er eine Klageerweiterung darstelle, die in der Berufungsinstanz eine – nicht erfolgte – Anschlussberufung der Klägerin erfordert habe.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft den mit dem Hauptantrag zu 2 verfolgten Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 5 MarkenG verneint. Zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Produktform ist zwar keine Zeichenidentität im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben (dazu B II). Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verneint (dazu B III).
I. Das vorliegende Verfahren ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Löschung der Klagemarke auszusetzen.
1. Die Aussetzung eines markenrechtlichen Verletzungsverfahrens gemäß § 148 ZPO ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen und damit auch noch im Revisionsverfahren möglich (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2007 – I ZR 22/04, BGHZ 171, 89 Rn. 17 – Pralinenform I; Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 228/12, GRUR 2014, 1101 Rn. 16 = WRP 2014, 1314 Gelbe Wörterbücher; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 148 Rn. 2).
2. Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens liegt, wenn die Voraussetzungen des § 148 ZPO erfüllt sind, im Ermessen des Gerichts.
a) Im Markenverletzungsverfahren sind das Interesse des Klägers an einer zeitnahen Entscheidung und das Interesse des Beklagten, nicht aufgrund einer löschungsreifen Marke verurteilt zu werden, und das Interesse, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, gegeneinander abzuwägen. Eine Verfahrensaussetzung kommt in Betracht, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren besteht, die die mit der Aussetzung verbundene Prozessverzögerung rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2003 – I ZR 257/00, BGHZ 156, 112, 119 Kinder I; BGH, GRUR 2014, 1101 Rn. 17 Gelbe Wörterbücher).
b) Die Beklagte hat am 20. März 2013 einen Löschungsantrag bei dem Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und nachfolgend Löschungsklage vor dem Landgericht München I erhoben. Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt eine der Klagemarke entsprechende Gemeinschaftsmarke mangels Unterscheidungskraft und wegen Freihaltebedürfnisses für nichtig erklärt habe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde sei vor dem Gericht der Europäischen Union erfolglos geblieben (EuG, Beschluss vom 8. Juli 2009 T-28/08).
c) Dieser Vortrag rechtfertigt nicht die Annahme einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Löschung der deutschen Klagemarke. Aus der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union geht hervor, dass die gegen die Löschung gerichtete Beschwerde erfolglos geblieben ist, weil die Anmelderin unzureichende Nachweise dafür vorgelegt hatte, dass die Marke in sämtlichen (seinerzeit 15) Mitgliedstaaten Unterscheidungskraft durch Benutzung im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) 40/94 (heute: Verordnung [EG] 207/2009) erlangt hatte. Im Rahmen der von der Beklagten angestrengten, auf Löschung der Klagemarke gerichteten Verfahren kommt es dagegen darauf an, ob die Klagemarke im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG als verkehrsdurchgesetzt anzusehen ist. Angesichts des von der Klägerin vorgelegten demoskopischen Gutachtens aus dem Jahr 2004, das einen inländischen Durchsetzungsgrad von 53,2% ergeben hat, erscheint die Löschung der Klagemarke gegenwärtig nicht als hinreichend wahrscheinlich, um die Aussetzung des Verfahrens zu rechtfertigen.
II. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht erfüllt sind.
Zeichenidentität im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist gegeben, wenn das angegriffene Zeichen ohne Änderung oder Hinzufügung alle Elemente wiedergibt, die die Marke bilden, oder wenn es als Ganzes betrachtet Unterschiede gegenüber der Marke aufweist, die so geringfügig sind, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können (EuGH, Urteil vom 25. März 2010 C-278/08, Slg. 2010, I2517 = GRUR 2010, 451 Rn. 25 – Bergspechte; Urteil vom 8. Juli 2010 – C-558/08, Slg. 2010, I6963 = GRUR 2010, 841 Rn. 47 Portakabin/Primakabin; BGH, Urteil vom 12. März 2015 – I ZR 153/14, GRUR 2015, 1009 Rn. 15 = WRP 2015, 1224 BMW-Emblem). Die Beurteilung der Zeichenidentität liegt – ebenso wie die Frage der Zeichenähnlichkeit (hierzu vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Rn. 32 = WRP 2009, 616 – METROBUS) – im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet und kann im Revisionsverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, bestehende Erfahrungssätze angewandt und den Sachvortrag umfassend gewürdigt hat.
Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, Klagemarke und angegriffene Produktform seien nicht identisch, weil letztere flacher und aufgrund der breiter gestalteten Verwerfungen auf der Oberseite plumper wirke als die eingetragene Form und deshalb in den Gestaltungsmerkmalen nicht nur so geringfügig von der Form der Klagemarke abweiche, dass die Unterschiede einem Durchschnittsverbraucher entgehen könnten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.
III. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG seien nicht erfüllt.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die angegriffene Form nicht markenmäßig benutzt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Eine markenmäßige Benutzung oder – was dem entspricht – eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die beanstandeten Bezeichnungen im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dienen. Die Rechte aus der Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dessen Anwendung eine Verwechslungsgefahr voraussetzt, sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion der Marke, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – C533/06, Slg. 2008, I-4231 = GRUR 2008, 698 Rn. 57 – O2/Hutchison; Urteil vom 18. Juni 2009 C487/07, Slg. 2009, I-5185 = GRUR 2009, 756 Rn. 59 – L’Oréal/Bellure; BGH, Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 214/11, GRUR 2013, 1239 Rn. 20 = WRP 2013, 1601 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion). Im Falle einer dreidimensionalen Marke ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr nach der Lebenserfahrung die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasst, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst wird danach eher diesem Umstand zugeschrieben werden als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (vgl. BGHZ 171, 89 Rn. 26 – Pralinenform I; BGH, Urteil vom 22. April 2010 I ZR 17/05, GRUR 2010, 1103 Rn. 30 = WRP 2010, 1508 – Pralinenform II).
b) Die Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2005 – I ZR 45/03, GRUR 2005, 414, 415 = WRP 2005, 610 – Russisches Schaumgebäck; BGH, GRUR 2014, 1101 Rn. 26 Gelbe Wörterbücher). Dem Berufungsgericht sind jedoch bei seiner Beurteilung Rechtsfehler unterlaufen.
aa) Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend geprüft, welche Kennzeichnungskraft die Klagemarke erreicht hat, weil der Grad der Kennzeichnungskraft einer dreidimensionalen Marke sich darauf auswirkt, ob der Verkehr einer Form, der er als Ware begegnet, einen Herkunftshinweis entnimmt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 2004 – I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 428 f. = WRP 2005, 616 – Lila-Schokolade; BGHZ 171, 89 Rn. 30 – Pralinenform I). Verkehrsdurchgesetzte Zeichen haben üblicherweise eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft (BGHZ 171, 89 Rn. 35 – Pralinenform I; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 279). Auch hinsichtlich der Kennzeichnungskraft gilt, dass in der Revisionsinstanz nur zu prüfen ist, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 20 = WRP 2014, 452 REAL-Chips).
Die Feststellung des Berufungsgerichts, die als verkehrsdurchgesetzt eingetragene Klagemarke sei lediglich durchschnittlich kennzeichnungskräftig, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die Ergebnisse des von der Klägerin vorgelegten Umfragegutachtens nicht die Feststellung erhöhter Kennzeichnungskraft der Klagemarke. Der von der Revision angeführte Grad der Bekanntheit des unverpackten „Bounty“-Riegels von 74,4% innerhalb der Gesamtbevölkerung und 90% bei den Käufern und Verwendern von Schokoladenriegeln folgt aus den Antworten auf die Frage: „Ist Ihnen im Zusammenhang mit Schokoladenriegeln diese Form bekannt?“. Die so ermittelte Bekanntheit bezieht sich nicht auf die Funktion als Produktkennzeichen und spricht deshalb nicht für eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Klagemarke. Vielmehr ist von dem Kennzeichnungsgrad von 53,2% auszugehen, den auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Die Feststellungen des Berufungsgerichts schöpfen auch den Vortrag der Klägerin zu Marktpräsenz und Umsatz aus. Die langjährige, seit 1962 andauernde Marktpräsenz des Produkts „Bounty“ und der Umsatz von über 22 Mio. € im Jahr 2010 und über 21 Mio. € im Jahr 2011 vermögen die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Klagemarke nicht zu begründen, da diese Umstände sich auf das Produkt „Bounty“ insgesamt beziehen und spezifische Rückschlüsse auf die herkunftshinweisende Wahrnehmung der Produktform nicht zulassen.
bb) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme, eine angegriffene Gestaltung werde markenmäßig benutzt, nicht schon aus der Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Klagemarke folgt. Durch die Eintragung der Klagemarke ist es dem Tatrichter lediglich verwehrt, vom Vorliegen von Eintragungshindernissen auszugehen und der Klagemarke jeden Schutz zu versagen. Die Markeneintragung hat nicht zur Folge, dass das Zeichen in jedweder Verwendungsform die Funktion eines Herkunftshinweises erfüllt. Deshalb ist es im Kollisionsfall Aufgabe des Verletzungsrichters zu prüfen, ob gerade die beanstandete Verwendungsform herkunftshinweisend ist (vgl. BGHZ 171, 89 Rn. 24 – Pralinenform I; BGH, GRUR 2010, 1103 Rn. 28 – Pralinenform II).
cc) Bei dieser Prüfung hat das Berufungsgericht allerdings einen unzutreffenden Maßstab angelegt, indem es angenommen hat, aus der Verkehrsdurchsetzung der Klagemarke könne nicht abgeleitet werden, dass der Verkehr die beanstandete, der Klagemarke hochgradig ähnliche Warenform ebenfalls als Herkunftshinweis verstehe.
In der Senatsrechtsprechung ist zwar anerkannt, dass die Umfrageergebnisse zu einer Klagemarke nicht uneingeschränkt der Beurteilung zugrunde zu legen sind, ob die beanstandete Form bei der konkreten Verwendung als Herkunftshinweis aufgefasst wird, wenn zwischen den Zeichen nicht unerhebliche Unterschiede bestehen (vgl. BGHZ 171, 89 Rn. 31 – Pralinenform I). Besteht jedoch zwischen einer verkehrsdurchgesetzten dreidimensionalen Klagemarke und der beanstandeten, für identische Waren verwendeten Form eine hochgradige Ähnlichkeit, so ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Verkehr nicht nur die Form der Klagemarke, sondern auch die angegriffene Gestaltung als herkunftshinweisend wahrnimmt.
dd) Im Streitfall ist danach auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts von einer markenmäßigen Verwendung der angegriffenen Gestaltung durch die Beklagte auszugehen.
(1) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben im Rahmen der von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragung 42,7% aller Befragten die Form der Klagemarke dem Hersteller oder dem Produkt „Bounty“ zugeordnet. 6,7% der Befragten haben die von der Klägerin stammenden Erzeugnisse „Mars“, „Milky Way“ oder „Snickers“ benannt. 3,8% haben den Hersteller des Produkts zwar nicht benennen können, die Ware aber auch keinem anderen ausdrücklich benannten Hersteller zugeordnet. Danach ergibt sich ein Durchsetzungsgrad von 53,2% (vgl. BGH, GRUR 2010, 1103 Rn. 43 – Pralinenform II).
(2) Das Berufungsgericht hat weiter ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet festgestellt, dass die Beklagte Schokoladenriegel in der angegriffenen Form vertreibt und somit zwischen dem Schutzbereich der Klagemarke „nicht medizinische Süßwaren“ und der angegriffenen Ware Identität besteht.
(3) Das Berufungsgericht hat ferner rechtsfehlerfrei die Klagemarke und die angegriffene Gestaltung als hochgradig ähnlich angesehen. Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist grundsätzlich in Ansehung ihres Gesamteindrucks nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Zeichen auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. EuGH, Urteil vom 3. September 2009 – C-498/07, Slg. 2009, I-7371 = GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – La Española/Carbonell; BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 26 = WRP 2009, 1533 – airdsl). Stehen sich – wie vorliegend – dreidimensionale Gestaltungen gegenüber, so kann sich die Zeichenähnlichkeit lediglich in bildlicher oder begrifflicher Hinsicht ergeben. Vorliegend sind die zu vergleichenden Gestaltungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aufgrund der genannten Unterschiede in der Form zwar nicht identisch (s.o. B II Rn. 24), es besteht jedoch hochgradige bildliche Ähnlichkeit. Beide Zeichen bestehen aus einem länglichen braunen Schokoladenriegel mit abgerundeten Ecken und drei charakteristischen wellenförmigen Ausgestaltungen auf der Produktoberseite. Dass das angegriffene Produkt flacher und die Ausgestaltungen der Oberseite weniger fein als die Klagemarke geformt sind, sind nur geringfügige Abweichungen, die zwar aus dem Identitätsbereich herausführen, an der hochgradigen Zeichenähnlichkeit aber nichts ändern. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr die Kollisionszeichen im Regelfall nicht gleichzeitig wahrnimmt und deshalb seine Auffassung aufgrund eines unvollkommenen Erinnerungsbildes gewinnt (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 I ZR 59/13, GRUR 2015, 1114 Rn. 20 = WRP 2015, 1343, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen Springender Pudel). In der Erinnerung fallen die Unterschiede der in Rede stehenden Zeichen kaum ins Gewicht.
(4) Bei dieser Sachlage erweist sich die Benutzung der angegriffenen Form durch die Beklagte als markenmäßig, weil der Verkehr keinen Anlass hat, nur die Klagemarke, nicht aber die ihr hochgradig ähnliche angegriffene Gestaltung bei der Verwendung für identische Waren als herkunftshinweisend anzusehen. Abweichendes ergibt sich nicht aus der Senatsentscheidung „Russisches Schaumgebäck“ (BGH, Urteil vom 3. Februar 2005 I ZR 45/03, GRUR 2005, 414 = WRP 2005, 610). Die der Entscheidung zugrunde liegende Klagemarke war nicht aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragen.
2. Zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Gestaltung besteht Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
a) Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Ausführungen zur Verwechslungsgefahr gemacht. Einer Zurückverweisung bedarf es jedoch insoweit nicht. Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die grundsätzlich auch das Revisionsgericht beantworten kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2000 – I ZR 223/97, GRUR 2000, 506, 509 = WRP 2000, 535 – ATTACHÉ/TISSERAND; Urteil vom 5. Dezember 2012 – I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rn. 67 = WRP 2013, 1038 – Culinaria/Villa Culinaria). Die Beurteilung der dafür maßgeblichen Kriterien liegt zwar im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 I ZR 79/01, GRUR 2004, 514, 516 = WRP 2004, 758 – Telekom). Eine abschließende Entscheidung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn der hierzu erforderliche Sachverhalt feststeht und weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BGH, GRUR 2009, 1055 Rn. 62 – airdsl). So verhält es sich vorliegend.
b) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG anzunehmen.
aa) Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2014, 382 Rn. 14 REAL-Chips; BGH, Urteil vom 5. März 2015 – I ZR 161/13, GRUR 2015, 1004 Rn. 18 = WRP 2015, 1219 – IPS/ISP).
bb) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass vorliegend identische Waren betroffen sind (s.o. B III 1 b [dd] [2], Rn. 36), die Klagemarke durchschnittliche Kennzeichnungskraft besitzt (s.o. B III 1 b [aa], Rn. 29) und die zu vergleichenden Zeichen hochgradig ähnlich sind (s.o. B III 1 b [dd] [3], Rn. 37). Die Gesamtbetrachtung aller dieser Umstände führt zu dem Ergebnis, dass unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht, weil zu erwarten ist, dass der angesprochene Verkehr die angegriffene Gestaltung für die Klagemarke hält.
3. Der Anspruch der Klägerin erstreckt sich auf ein Verbot des Herstellens, Anbietens, Vertriebs, Inverkehrbringens und Bewerbens des beanstandeten Schokoriegels in der Bundesrepublik Deutschland.
a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte im Januar 2012 auf der Internationalen Süßwarenmesse ISM in Köln den streitgegenständlichen Schokoriegel in der aus dem Hilfsantrag ersichtlichen Verpackung präsentiert und an Messebesucher verteilt hat.
b) Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt rechtfertigt die Annahme, dass die Beklagte auf der Süßwarenmesse im Januar 2012 für ihr beanstandetes Produkt geworben und dieses in den Verkehr gebracht hat. Wird ein Produkt auf einer Messe ausgestellt, so liegt darin regelmäßig unabhängig davon eine Benutzung zu Werbezwecken, ob das Produkt verpackt oder unverpackt ausgestellt worden ist (BGH, GRUR 2010, 1103 Rn. 20 – Pralinenform II). Inverkehrbringen ist jede Tätigkeit, durch die die Ware tatsächlich in den Verkehr gelangt, wie etwa das Verkaufen, Vermieten oder Verschenken (Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 14 Rn. 165). Vorliegend hat die Beklagte das beanstandete Produkt ausgestellt und an Messebesucher verteilen lassen. Sie hat es mithin beworben und in den Verkehr gebracht.
c) Aus der Verwirklichung einer der in § 14 Abs. 3 MarkenG genannten Handlungsmodalitäten folgt regelmäßig die Erstreckung des Verbots auf sämtliche in dieser Vorschrift genannten Verwertungshandlungen (Urteil vom 23. Februar 2006 – I ZR 272/02, GRUR 2006, 421 Rn. 42 = WRP 2006, 590 – Markenparfümverkäufe; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 123; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rn. 565). Der Anspruch der Klägerin erstreckt sich somit, wie beantragt, auch auf das Verbot des Herstellens, Anbietens und des Vertriebs.
IV. Auf die Revision der Klägerin ist daher das Urteil des Landgerichts im Urteilsausspruch zu 2 wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 25.04.2013 – 81 O 91/12 –
OLG Köln, Entscheidung vom 20.12.2013 – 6 U 85/13 –