Widerrufsbelehrung darf keinen zum Muster-Widerrufsformular verschiedenen Adressaten aufweisen

06. März 2018
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Widerrufsbelehrung; Widerrufsrecht Urteil des OLG Hamm vom 30.11.2017, Az.: I-4 U 88/17

Geht aus einer Widerrufsbelehrung nicht eindeutig hervor, an wen ein etwaiger Widerruf zu richten ist, so stellt dies einen Wettbewerbsverstoß dar. Derart widersprüchliche Informationen liegen insbesondere dann vor, wenn in der Widerrufsbelehrung und dem Muster-Widerrufsformular zwei verschiedene Adressaten genannt werden.

Oberlandesgericht Hamm

Urteil vom 30.11.2017

Az.: I-4 U 88/17

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.06.2017 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Klägerin vertreibt über den Online-Shop in ihrem Internetauftritt „www.xxxxxx.de“ Sonnenschirme, Sonnensegel und entsprechendes Zubehör.

Die Beklagte vertreibt u.a. über die Internetplattform „Z“ ebenfalls Sonnenschirme und entsprechendes Zubehör.

Vor dem 22.10.2016 enthielten die Produktangebote der Beklagten auf der Internetplattform „Z“ einen mit „Widerrufsbelehrung“ überschriebenen Text (Internetausdrucke Blatt 2-7 der Gerichtsakte sowie Anlage K4). Unter dem Gliederungspunkt „4.1 Widerrufsrecht“ enthielt diese „Widerrufsbelehrung“ u.a. folgende Formulierung:

„(…) Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns:

Y1 GmbH

D-Straße

K

##a##@##.##

TelNr: (…)

FaxNr: (…)

mittels einer eindeutigen Erklärung (…) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. (…)“

Ebenfalls noch unter dem Gliederungspunkt „4.1 Widerrufsrecht“ enthielt die „Widerrufsbelehrung“ ein „Muster-Widerrufsformular“ mit folgendem Wortlaut:

„Muster-Widerrufsformular

(Wenn Sie den Vertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus, und senden Sie es zurück.)

An Y2 GmbH, L-Weg, O, Fax: (…), ##b#@##.##

Hiermit widerrufe(n) ich/wir (…)“

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 22.10.2016 (Anlage K1) ab. Die von der Beklagten vorgehaltene „Widerrufsbelehrung“ sei im Hinblick auf die Frage, an wen die Widerrufserklärung zu richten sei, unzutreffend.

Die Beklagte wies den erhobenen wettbewerbsrechtlichen Vorwurf mit anwaltlichem Schriftsatz vom 31.10.2016 (Anlage K9) zurück.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung der Beklagten sei unzureichend. Der Verbraucher dürfe keinem Zweifel unterliegen, an welchen Empfänger er seine Widerrufserklärung richten müsse. Dieser Anforderung werde die streitgegenständliche Belehrung nicht gerecht, da sie zunächst die Beklagte und später dann die „Y2 GmbH“ als Adressatin der Widerrufserklärung benenne.

Mit Versäumnisurteil vom 04.01.2017 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13.02.2017) hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen,

„im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs handelnd, im elektronischen Geschäftsverkehr Sonnenschirme und das entsprechende Zubehör an Verbraucher zu verkaufen, ohne zutreffend über das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren, wenn dies wie folgt geschieht:

(es folgt eine Wiedergabe des Internetausdruckes Blatt 2-7 der Gerichtsakte)“

Die Beklagte hat gegen dieses Versäumnisurteil Einspruch eingelegt; das Landgericht hat der Beklagten mit Beschluss vom 22.03.2017 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruches gewährt.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 04.01.2017 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13.02.2017) aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe die „Y2 GmbH“ für den Empfang von Widerrufserklärungen bevollmächtigt. Ihre, der Beklagten, Widerrufsbelehrung entspreche daher den gesetzlichen Anforderungen.

Mit dem angefochtenen, am 22.06.2017 verkündeten Urteil hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg das Versäumnisurteil vom 04.01.2017 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13.02.2017) aufrechterhalten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung mache für den Verbraucher „ganz deutlich“, dass dieser sein Widerrufsrecht nach seiner Wahl entweder ihr, der Beklagten, gegenüber oder gegenüber der „Y2 GmbH“ ausüben könne. Bei einem Kauf über die Internetplattform „Z“ komme es für den Verbraucher auch gar nicht darauf an, wer in der Widerrufsbelehrung oder im Muster-Widerrufsformular als Widerrufsempfänger angegeben sei, weil eine Rückabwicklung des Vertrages automatisch über das EDV-System von „Z“ erfolgen könne und hierbei keinerlei Verunsicherung über den Widerrufsempfänger entstehen könne.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, das Versäumnisurteil vom 04.01.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die dort befindlichen Dokumente verwiesen.

B.

Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist begründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG, Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 EGBGB.

I. Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 EGBGB muss der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informieren.

Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung nicht gerecht. Der Belehrung lässt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – keineswegs entnehmen, dass der Verbraucher „nach seiner Wahl“ den Widerruf entweder gegenüber der Beklagten selbst oder gegenüber der „Y2 GmbH“ erklären könne. Die Angaben zum Widerrufsempfänger unter dem Gliederungspunkt „4.1 Widerrufsrecht“ der Widerrufsbelehrung sind vielmehr widersprüchlich und damit weder klar noch verständlich.

Dass der Betreiber der Internetplattform „Z“ für den Verbraucher im Vergleich zu dem gesetzlich vorgesehenen Weg für den Widerruf des Vertrages einfachere und komplikationslosere Wege zur Rückabwicklung eines Vertrages zur Verfügung stellen mag, entbindet einen Unternehmer, der über diese Plattform Produkte vertreibt, nicht von der Erfüllung der hier in Rede stehenden gesetzlichen Verpflichtungen.

II. Der Verstoß ist auch spürbar im Sinne des § 3a UWG. Werden im Rahmen eines Verstoßes gegen § 3a UWG Informationspflichten verletzt, die – wie hier – auf unionsrechtlichen Regelungen beruhen, ist das Erfordernis der Spürbarkeit grundsätzlich erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 61/14 – [Wir helfen im Trauerfall] <juris>). Darüber hinaus ergibt sich die Erfüllung des Spürbarkeitserfordernisses auch aus den Umständen des vorliegenden Einzelfalles. Es besteht die Gefahr, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Verbrauchern angesichts der widersprüchlichen Angaben in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung von der Ausübung des Widerrufsrechts absieht, weil diese Verbraucher entweder durch die Widersprüchlichkeit der Angaben nachhaltig verwirrt sind, weil sie – ob nun zu Recht oder zu Unrecht – angesichts der widersprüchlichen Angaben befürchten, die Beklagte und die „Y2 GmbH“ seien nicht hinreichend professionell organisiert, um einen Widerruf korrekt bearbeiten zu können, oder weil sie davon ausgehen, der Widerruf müsse, um wirksam zu werden, gegenüber beiden angegebenen Empfängern abgegeben werden, und den hiermit verbundenen Aufwand scheuen.

III. Anhaltspunkte dafür, dass die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr ausgeschlossen ist, liegen nicht vor.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Anlass für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) besteht nicht.

Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 8 O 122/16

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