Zu den Prüfpflichten eines File-Hosting-Dienstes bei Urheberrechtsverletzungen

19. September 2016
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Video Symbol weist auf Video on Demand hin Beschluss des OLG München vom 28.04.2016, Az.: 29 W 542/16

Der Betreiber eines File-Hosting-Dienstes haftet für Urheberrechtsverletzungen seiner Nutzer als Störer, wenn er seinen Prüfpflichten nicht nachkommt und einschlägige Linksammlungen nur unzureichend überprüft. Der Filehoster kann verpflichtet sein, einen Wortfilter mit naheliegenden Suchbegriffen einzusetzen, um urheberrechtlich geschützte Werke zu überprüfen.

Oberlandesgericht München

Beschluss vom 28.04.2016

Az.: 29 W 542/16

Tenor

I.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 14. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.
III.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 150.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Von einem Tatbestand wird in entsprechender Anwendung der Vorschriften § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.
Die gemäß § 793, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung der Schuldnerin ist die Begründung des angegriffenen Beschlusses nicht nachgeschoben und deshalb auch nicht als „verspätet zurückzuweisen“. Der Beschluss ist im Termin am 14. Januar 2016 verkündet und am 19. Februar 2016 der Schuldnerin vollständig, d. h. mit Gründen, zugestellt worden. Dass der Schuldnerin bereits am 21. Januar 2016 der Beschlusstenor zugestellt worden ist, führt nicht dazu, dass dem Beschluss die Gründe fehlten.
2. Auch die weiteren Angriffe der Schuldnerin auf den beanstandeten Beschluss bleiben ohne Erfolg.
a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, die Schuldnerin habe schuldhaft dem im Titel ausgesprochenen Verbot zuwider gehandelt. Die von dieser dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.
aa) Das Landgericht hat sich im angegriffenen Beschluss mit dem bereits im Termin am 14. Januar 2016 vorgebrachten (vgl. S. 5 f. d. Prot. v. 14. Januar 2016 = Bl. 175 f. d. Ordnungsmittelheftes) Einwand der Schuldnerin auseinandergesetzt, die Linksammelseite boerse.bz sei für Deutschland gesperrt gewesen, und ist unter Würdigung der Aussage des Zeugen V. in jenem Termin zu der Feststellung gelangt, diese Sperre habe ganz leicht umgangen werden können. Allein die in der Beschwerdebegründung aufgestellte Behauptung, die Aussage des Zeugen V. sei insoweit falsch, verbunden mit der Vorlage eines Screenshots, ist nicht geeignet, dieser Feststellung die Grundlage zu entziehen.
bb) Die Ausführungen der Schuldnerin unter Ziffer II. ihres Schriftsatzes vom 4. März 2016 (vgl. Bl. 206 – 210 d. Ordnungsmittelheftes) zum Verhältnis der rechtmäßigen zur rechtswidrigen Nutzung ihres Dienstes sind nicht geeignet, einen Fehler des angegriffenen Beschlusses aufzuzeigen. Insbesondere ist die Gefahrgeneigtheit ihres Dienstes, auf welche die Schuldnerin abstellt, im Vollstreckungsverfahren nicht mehr zu prüfen, weil es sich dabei um eine bereits im Erkenntnisverfahren zu prüfende Anspruchsvoraussetzung handelt; diese hat der Senat in seinem Urteil vom 7. Mai 2015 im Erkenntnisverfahren festgestellt.
cc) Die allgemein gehaltenen Ausführungen des Schuldnerin dazu, dass Wortfilter nicht alle für Menschen verständlichen Bezeichnungen erfassen könnten, stehen der Annahme der Verletzung von konkreten Prüfpflichten im Streitfall nicht entgegen. So war etwa bereits im Erkenntnisverfahren bekannt geworden, dass Dateien mit dem streitgegenständlichen Film Fack ju Göthe durch Links mit dem Bestandteil FujuGoe abrufbar waren (vgl. Anl. ASt 19) oder diesen Bestandteil selbst in ihrem Namen führten (vgl. Anl. ASt 29_2). Es war der Schuldnerin daher zumutbar, in ihre Wortfilterliste diesen Bestandteil sowie naheliegende Abwandlungen wie FujuGo oder FajuGo als Suchbegriffe aufzunehmen und so zumindest einen Teil der von der Gläubigerin herbeigeführten Downloads zu verhindern.
dd) Die Schuldnerin beruft sich darauf, dass sie verpflichtet sei, externe Linksammlungen auf etwa 25.000 Werke zu überwachen, und es auf der Hand liege, nicht all diese Werke auf sämtlichen Linksammlungen pausenlos und gleichzeitig überprüfen zu können. Das steht indes der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung im Streitfall nicht entgegen.
Dieser Einwand räumt den Vorwurf einer objektiven Prüfpflichtverletzung nicht aus, da sich die Prüfpflichten nicht dadurch verringern, dass sie in Bezug auf eine große oder sehr große Werkzahl erfüllt werden müssen (vgl. BGH GRUR 2013, 1030 – File-Hosting-Dienst Tz. 59; Senat, Urt. v. 7. Mai 2015 im Erkenntnisverfahren). Im Vollstreckungsverfahren ist zwar der Einwand mangelnden Verschuldens nicht von vornherein auszuschließen, wenn der als Störer in Anspruch Genommene im Einzelfall die Prüfpflicht für eine Vielzahl von Werken einer großen Zahl von Rechteinhabern nicht gleichzeitig erfüllen konnte, obwohl er seinen Geschäftsbetrieb angemessen ausgestattet hatte, um seinen Prüfpflichten nachzukommen. Allerdings werden häufig viele Rechte zahlreicher Rechtsinhaber in denselben Linksammlungen verletzt. Dementsprechend steigt die Zahl der zu prüfenden Linksammlungen regelmäßig nicht im selben Verhältnis wie die Zahl der urheberrechtlich geschützten Werke an, die zu überprüfen sind. Die Annahme mangelnden Verschuldens bei der Verletzung der Prüfpflicht kommt daher allenfalls sehr zurückhaltend in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BGH, a. a. O.).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil das Landgericht zu Recht festgestellt hat, dass die Schuldnerin einschlägige Linksammlungen völlig unzureichend durchsuchte. So hat das Landgericht der Anlage S 21, die einen Zeitraum von etwa sieben Monate (1. Juli 2014 bis 29. Januar 2015) umfasst, entnommen, dass diejenigen Seiten, auf denen der Film hauptsächlich gefunden wurde, nur selten überprüft wurden. So wurde die Seite ddl-warez.in in dem Sieben-Monats-Zeitraum nur dreimal besucht; die Seiten leecher.to oder lee-cher.club nur zweimal, die Seite mygully.com nur dreimal sowie die Seiten boerse.bz oder bo-erse.to fünfmal. Alle diese Seiten waren bereits aus dem Erkenntnisverfahren bekannt (ddl-wa-rez.in: vgl. Anl. ASt 4, ASt 13, ASt 19, ASt 34; leecher.to: vgl. Anl. ASt 4, ASt 13, ASt 33; leecher.club: vgl. ASt 34; mygully.com: vgl. Anl. ASt 4, ASt 13, ASt 33, ASt 34; boerse.bz: vgl. Anl. ASt 4, ASt 13, ASt 18, ASt 33; boerse.to: vgl. ASt 34) und hätten deshalb vordringlich überprüft werden müssen.
b) Auch die Beanstandung des Ausmaßes der festgesetzten Ordnungsmittel hat keinen Erfolg.
aa) Ordnungsmittel i. S. d. § 890 ZPO sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Zu berücksichtigen sind deshalb bei der Festsetzung von Ordnungsmitteln insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten. Eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen (vgl. BGH GRUR 2004, 264 [268] – Euro-Einführungsrabatt m. w. N.).
bb) Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht verkannt.
Insbesondere hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der streitgegenständliche Film nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung in der Zeit vom 15. Juli 2014 bis zum 23. Juni 2015 in insgesamt 42 Fällen über den Dienst der Schuldnerin öffentlich zugänglich gemacht wurde, wobei 23 Fälle erfolgten, nachdem die Schuldnerin am 15. Dezember 2015 durch eine E-Mail der Gläubigerin (vgl. Anl. G 4) auf derartige Rechtsverletzungen hingewiesen worden war und vier weitere Fälle (auf der auch der Schuldnerin längst bekannten Seite ddl-warez.in) sogar nach der Zustellung des Ordnungsmittelantrags der Gläubigerin. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht daraus den Schluss gezogen hat, die Organe der Schuldnerin hätten eine letztlich wirtschaftliche Abwägungsentscheidung getroffen, ob hinreichend wirksame Maßnahmen getroffen werden sollten, um dem gerichtlichen Verbot zu genügen, oder ob diese Maßnahmen unterblieben, um das Geschäftsmodell nicht zu gefährden, so dass jedenfalls seit dem Empfang der E-Mail vom 15. Dezember 2015 Vorsatz vorliege. Als Zumes-sungsgesichtspunkt genügt es, dass sich der Vorwurf des Vorsatzes auf die Prüfpflichtverletzungen bezieht; ein Vorsatz der Schuldnerin hinsichtlich der von ihren Nutzern begangenen Urheberrechtsverletzungen ist insoweit nicht erforderlich. Entgegen der Auffassung der Schuldnerin hat das Landgericht auch nicht die allgemeine Gewinnerzielungsabsicht hinsichtlich des Geschäftsbetriebs als solchen ahndungserhöhend berücksichtigt, sondern die Motivation für das bewusste Unterlassen ausreichender Prüfmaßnahmen, die Gewinne aus dem Geschäftsmodell nicht zu gefährden.
Zu ahnden ist deshalb eine lang anhaltende, jedenfalls weitgehend vorsätzliche und von Ge-winnerzielungsabsicht getragene Zuwiderhandlung, die geeignet war, zu einer erheblichen Zahl von Verletzungen des urheberrechtlichen Nutzungsrechts der Gläubigerin beizutragen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind das festgesetzte Ordnungsgeld von 150.000,- € und auch die festgesetzte Ersatzordnungshaft von 30 Tagen angemessen, obwohl es sich um eine erste Ordnungsmittelfestsetzung handelt.
Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Schuldnerin auch nicht aus Art. 12 GG oder Art. 16 GrCh. Als schweizerische juristische Person kann sie sich schon nicht mit Erfolg auf diese Grundrechtsverbürgungen berufen. Im Übrigen verletzt die Verhängung angemessener Ordnungsmittel die entsprechenden Grundrechte nicht.

III.
Zu den Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung beruht auf § 891 Satz 3, § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Maßgebend ist das Interesse des Schuldners an der Abwehr des verhängten Ordnungsgeldes (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 4. April 2014 – 4 W 55/14, juris, dort Tz. 10; Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 3 Rz. 32a; Zöllner in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2015, § 3 Rz. 66; jeweils m. w. N.).
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht (vgl. § 574 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 ZPO).

Vorinstanz:
LG München I Beschluss vom 14.01.20167 O 26752/13

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