Zulässigkeit gesundheitsbezogener Angaben bis zur Aufnahme in die Gemeinschaftsliste

08. Juni 2017
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Tablettenansammlung auf Holzlöffel Urteil des OLG Düsseldorf vom 09.02.2017, Az.: I-20 U 10/16

Sofern gesundheitsbezogene Angaben noch nicht in die Gemeinschaftsliste der Health-Claims-Verordnung (HCVO) aufgenommen wurden, sind sie nur zulässig, wenn sie den allgemein anerkannten Nachweis ernährungsphysiologischer Wirksamkeit erbringen.

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 09.02.2017

Az.: I-20 U 10/16

Tenor

Die Berufungen der Beklagten gegen das am 6. Januar 2016 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Tenor das Wort „insbesondere“ entfällt und sich die Kostentragung nach diesem Urteil richtet.

Die Beklagte zu 2.) trägt vorab die Kosten des Berufungsverfahrens I-20 U 178/13. Von den übrigen Kosten des Rechtstreits tragen die Beklagten die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von jeweils 10.000,00 € abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet, und eine Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe

A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Durch dieses hat das Landgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt, es unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel „X. Hyaluronsäure-Kapseln“ zu werben

1. „Spürbar jüngere Haut“,

2. „Die sanfte Faltenbehandlung von innen!“,

3. „Sie haben die beste Entscheidung getroffen, wenn Sie schnell und hocheffektiv Falten so sichtbar jetzt glätten wollen und die Haut wesentlich besser aufpolstern wollen, als es je möglich war“,

4. „in bester medizinisch-pharmakologischer Qualität“,

5. „Mit dem Tagesangebot bekommen Sie erstmalig Hyaluronsäure zum Schlucken, die sonst in der Medizin verwendet wird für Injektionen, für Implantate“,

6. „Warum Sie mit dem Tagesangebot jetzt wesentlich schneller Falten im gesamten Gesicht, Hals- und Dekolleté-Bereich glätten werden und die Haut noch wesentlich besser aufgepolstert wird…“,

8. „wieso werden Sie mit diesem Tagesangebot Falten unter den Augen, Stirnfalten, Nasolabialfalten, Halsfalten, Dekolletefalten wesentlich schneller glätten“,

9. „Mikrofeine Hyaluronsäuremoleküle, die Hautzelle, jede einzelne Hautzelle kann die Hyaluronsäure in höchster Konzentration jetzt aufnehmen. Und dadurch werden die Falten wesentlich schneller geglättet als sie mit jedem herkömmlichen Hyaluronsäureprodukt, was Sie momentan in Deutschland kaufen können…“,

10. „Jetzt bekommen Sie die effektivsten, hoch dosiertesten, wirksamsten und ergebnisreichsten Hyaluronsäurekapseln, die es jemals, nicht bei Y., sondern auf dem Markt gab … Das ist genau das Hyaluron, genau die Hyaluronsäure, die Sie gerade in der Medizin bekommen, wenn Sie sich ein Injektion spritzen lassen“,

11. „Erstmalig beste medizinische Qualität zum Schlucken“,

12. „ab dem 30sten, ab dem 35sten Lebensjahr lässt die körpereigene Hyaluronsäureproduktion nach. Die Haut wird schlaff. Und Falten entstehen. Viele lassen sich dann Hyaluronsäure spritzen. Brauchen Sie nicht! Das Tagesangebot … besitzt beste medizinisch-pharmakologische Qualität. Bekommen Sie wesentlich preiswerter. Eine Hyaluronsäure zum Spritzen kostet um die 150 Euro. Aber Sie müssen mehrere Spritzen setzen lassen, damit … Sie können ja verschiedene Falten damit glätten.“,

13. „Und jetzt schauen Sie, was passiert, wenn Hyaluronsäure auf die Feuchtigkeit in Ihrer Haut trifft!

Ganz easy werden Stirnfalten geglättet. Augenfalten werden geglättet. Nasolabialfalten werden geglättet. Halsfalten werden geglättet. Dekolletefalten werden geglättet. Sie müssen nichts anderes machen, als morgens eine Kapsel nehmen und abends“,

14. „Und jetzt aufgrund der neuen, besten, medizinischen Qualität werden Sie die Falten wesentlich schneller geglättet haben“,

18. „wann sehe ich einen Effekt? Mit dem neuen Tagesangebot locker nach 2 Wochen“,

21. „Damit haben Sie ein Tagesangebot, das sich um wirklich alle Problemzonen kümmert, wenn es darum geht, die Zeit optisch zurückzudrehen“,

22. „Die Hautzelle kann sich richtig voll saugen. Höchste Hyaluronsäurekonzentration, die Sie bekommen können. Und damit haben Sie wesentlich schneller und effektiver die Haut aufgepolstert und Falten deutlich sichtbar geglättet. Besser geht es nicht!“,

23. „Wenn Sie mit einem Minimum an Aufwand die Jahre optisch zurückdrehen wollen…“,

25. „sichtbare Ergebnisse nach ca. 2 Wochen“;

insbesondere sofern dies geschieht wie in der Werbesendung vom 20. Mai 2012 (Anlage K1).

Darüber hinaus hat es die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt, soweit der Unterlassungsanspruch die Angaben

7. „Chrysin ist ein Flavonoid, was zusätzlich das Bindegewebe strafft, und zwar so hoch wirksam … von der Wirksamkeit genauso effektiv wie verschreibungspflichtige Produkte“,

15. „Zusätzlich im Tagesangebot, in den Hyaluronsäurekapseln MM sind so genannte Immunglobuline …. Schützen Sie als Baby vor Viren, Bakterien und so weiter und so fort“,

16. „Immunglobuline zum Beispiel stimulieren die körpereigene Collagenproduktion, super, die Zellregeneration. Die Hautzellen bekommen mehr Sauerstoff“,

17. „diese Immunglobuline erneuern die Struktur der Hautzellen. Das wiederum hat zur Folge, dass die Feuchtigkeit, die Sie mit den Hyaluronsäurekapseln ja wieder erneut den Hautzellen zuführen, wesentlich länger drin bleibt. Sie haben so ‘ne Art Depoteffekt“,

19. „Die Immunglobuline sind drin. Die sind übrigens auch wie so’n Weichzeichner für die Haut“,

20. „Chrysin kann etwas hoch Interessantes. Kann das komplette Bindegewebe straffen“,

24. „Und dass wir noch Chrysin drin haben. Ein Flavonoid, das so stark das Bindegewebe strafft wie sonst nur verschreibungspflichtige Produkte“,

betraf, hinsichtlich derer die Beklagten sich unterworfen haben, sowie soweit der Kläger von den Beklagten Ersatz der Abmahnkosten verlangt hatte.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der die Beklagte zu 1.), die einen Teleshopping-Sender betreibt, über den sie unter anderem von der Beklagten zu 2.) hergestellte Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, und die Beklagte zu 2.) wegen Äußerungen über das Produkt „X. Hyaluronsäure-Kapseln“ in der Sendung Y. – X. – natürlich gut vom 20. Mai 2012 in Anspruch nimmt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Sendung, in der ein Gespräch zwischen dem Moderator der Beklagten zu 1.) und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2.) wiedergegeben wird, wird auf die Abschrift Anlage K1 Bezug genommen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, bei sämtlichen Angaben handele es sich um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Verordnung (EG) 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (im Folgenden: HCVO). Die Angaben seien auch nicht in die Liste nach Art. 13 und 14 HCVO aufgenommen. Da jedoch die sog. „Botanicals“ aus der Liste herausgelassen wurden, sei die Übergangsvorschrift des Art. 28 HCVO anzuwenden. Die Behauptungen seien aber auch danach unzulässig, weil sie dann nach Art. 28 Abs. 5 HCVO den Vorschriften der HCVO und den nationalen Vorschriften entsprechen müssten. Dies sei mangels wissenschaftlicher Nachweise bezüglich der Wirkung nicht der Fall.

Gegen diese Beurteilung wenden sich beide Beklagte mit ihren form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfristen begründeten Berufungen.

Die Beklagten machen geltend, es lägen bereits keine gesundheitsbezogenen Angaben vor. Selbst dann, wenn man einen Gesundheitsbezug bejahen wolle, handele es sich ersichtlich um eine allgemeine gesundheitsbezogene Angabe, die erst nach endgültiger Fertigstellung der Liste zulässiger Angaben unzulässig sei. Das Urteil sei auch nicht aus anderen Gründen richtig. Soweit es sich um „freiwillige Angaben“ im Sinne von Art 36 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (im Folgenden: LMIV) handele, seien niedrigere Maßstäbe anzulegen. Die angegriffenen Werbeangaben seien danach hinreichend belegt, zumal insoweit die Darlegungs- und Beweislast den Kläger treffe.

Die Beklagte zu 1.) macht darüber hinaus geltend, der Kläger nehme sie missbräuchlich in Anspruch. Sie habe den Kläger vorgerichtlich auf ein Vorgehen gegen die primär Verantwortliche Beklagte zu 2.) verwiesen und zu seiner Rechtewahrung sei sie bereit gewesen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gegen die Beklagte zu 2.) auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Ein Wiederaufruf des durch ihre Unterwerfung abgedeckten Teils sei zudem nicht erforderlich gewesen. Schließlich sei nach Art. 8 Abs. 1 LMIV allein die Beklagte zu 2.) für die Angaben über das Produkt verantwortlich.

Die Beklagten beantragen jeweils,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass im Tenor das Wort „insbesondere“ entfällt.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortages.

Das Landgericht hatte zunächst durch Teilurteil vom 26.07.2013 allein die Beklagte zu 2.) antragsgemäß verurteilt. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zu 2.) hat der Senat mit Urteil vom 16.12.2014 (I-20 U 178/13) dieses Teilurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, weil ein Teilurteil nicht hätte ergehen dürfen.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)

Die zulässigen Berufungen der Beklagten haben in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht verurteilt, denn die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig. Dass der Kläger in Bezug auf den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktiv legitimiert ist, ziehen die Beklagten zu Recht nicht in Zweifel.

Die Klage ist, auch soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1.) richtet, nicht missbräuchlich, § 8 Abs. 4 UWG. Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (BGH GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgungen; BGH GRUR 2012, 286 Rn. 13 – Falsche Suchrubrik). Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich (BGH GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld I). Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH GRUR 2012, 286 Rn. 13 – Falsche Suchrubrik). Ein Indiz für einen Missbrauch ist es, wenn dem Anspruchsberechtigten schonendere Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung zu Gebote stehen, er sie aber nicht nutzt (Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm, UWG, 35 Aufl., § 8 Rn. 4.10).

Die Inanspruchnahme der Beklagten zu 1.) lässt einen Rechtsmissbrauch des Klägers nicht erkennen. Die beanstandeten Aussagen entstammen einer von der Beklagten zu 1.) produzierten Dauerwerbesendung und sind Ergebnis einer Konversation zwischen dem von der Beklagten zu 1.) gestellten Moderator und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2.). In dieser Situation muss sich der Kläger nicht darauf verweisen lassen, allein die Beklagte zu 2.) in Anspruch zu nehmen. Daran ändert auch eine möglicherweise bestehende Bereitschaft der Beklagten zu 1.), auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, nichts. Wenn der Kläger sich darauf eingelassen hätte, hätte er mit der Rechtsverfolgung jahrelang zuwarten müssen. Es lässt danach keine sachfremden Erwägungen erkennen, wenn beide Beklagte gleichzeitig – zumal in einem einzigen Rechtsstreit – in Anspruch genommen werden. Kein Anhaltspunkt für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ist auch der Umstand, dass der Kläger den Rechtsstreit insgesamt wieder aufgenommen hat. Zum einen sind zusätzliche Kosten hierdurch schon deshalb nicht entstanden, weil der Kläger vor dem Termin den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt hat. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, wie der Kläger den Rechtsstreit sonst hätte weiter betreiben sollen.

Die Klage ist auch begründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit den nachstehend näher ausgeführten gesetzlichen Vorschriften zu. Insoweit ist durch die Änderung des UWG mit Wirkung zum 10.12.2015 keine sachliche Änderung erfolgt, so dass es einer gesonderten Erörterung insoweit nicht bedarf.

Es kann letztlich dahin stehen, ob es sich bei den angegriffenen Aussagen um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handelt, wie das Landgericht angenommen hat oder nicht, denn ersterenfalls wären sie aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils unzulässig, andernfalls nach § 11 Abs. 1 LFGB in der bis zum 12. Dezember 2014 und damit zum Sendezeitpunkt geltenden Fassung beziehungsweise nach Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b), Abs. 4 Buchstabe a) i.V.m. Art. 36 Abs. 2 Buchstabe c) LMIV.

Die Angaben werden im Zusammenhang der Sendung insgesamt so verstanden, dass der Verzehr des beworbenen Mittels dadurch zu einer jüngeren Haut führt, indem die Falten geglättet werden und dies sogar gleichwertig oder besser/schneller wie die unter anderem in der kosmetischen Medizin eingesetzte Injektion.

Ob dies gesundheitsbezogene Angaben sind, ist fraglich. Die altersbedingte Veränderung der menschlichen Haut ist allerdings für sich genommen ebenso wenig eine Krankheit oder ein von der Gesundheit abweichender Zustand wie das Altern selbst. Die altersbedingte Veränderung der menschlichen Haut erfolgt grundsätzlich auch unabhängig von der Gesundheit des Einzelnen (vgl. hierzu KG Urt. v. 11.12.2015, 5 U 63/15 Rn. 43 f. – zitiert nach juris). Dies kann indes – wie nachfolgend erörtert – dahin stehen.

Geht man von gesundheitsbezogenen Angaben aus, kann ferner dahin stehen, ob es sich bei dem Mittel – wie das Landgericht angenommen hat – um ein „Botanical“ handelt mit der Folge dass sich die Zulässigkeit der Angaben wegen insoweit bewusster Unvollständigkeit der Liste zugelassener Angaben nach der Übergangsvorschrift des Art. 28 HCVO richtet oder ob sich die Zulässigkeit nach Art. 10 HCVO richtet. In Bezug auf Hyaluronsäure zur Behandlung der Falten sind keine Claims zugelassen.

Nach Art. 28 Abs. 5 HCVO dürfen gesundheitsbezogene Angaben nur bis zur Annahme der Liste verwendet werden, wenn die Angaben sowohl der HCVO als auch den einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen. Somit ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a) HCVO für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Angaben der Nachweis der ernährungsphysiologischen Wirksamkeit anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise zu führen. Dies ist allerdings aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht der Fall.

Der Beitrag einer Heilpraktikerin in der Zeitschrift „Natur und Heilen“ (Anlage B4) ist von vorneherein als wissenschaftlicher Nachweis ungeeignet. Der Beitrag von Balogh et al. (Anlage B5) berichtet über eine Studie an Ratten und Hunden und besagt im Zusammenhang mit der Faltenbekämpfung bei Menschen nichts. Die Studie von Sato et al. (Anlage B6) vermag über das hier beworbene Mittel nichts auszusagen. Zum einen wurde eine Dosis von 120 mg untersucht. Zum anderen weist das Landgericht zu Recht darauf hin, dass die Art der Gewinnung von Hyaluronsäure entscheidend ist. Dies zeigt bereits der Hinweis in der Anlage B4 der dies als besonderen Fortschritt des Mittels Injuv® beschreibt. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die in der Studie – zumal in höherer Dosierung – verwendete Hyaluronsäure mit der im Präparat der Beklagten verwendeten vergleichbar ist. Gleiches gilt für die als Anlagen B7 und B8 vorgelegten Studien bezüglich des Mittels Injuv®. Die Studie von Kajimoto et al. (Anlage B2-14) erfolgte mit noch höherer Dosierung (240 mg) und ermöglicht auf die Wirkung des hier streitgegenständlichen Mittels keine Rückschlüsse. Es fehlt damit zusammenfassend an einem wissenschaftlichen Nachweis, dass das Produkt die angepriesenen Wirkungen entfaltet. Hierfür spricht schon der von der Beklagten zu 2.) vorgelegte Ausdruck aus der Wikipedia (Anlage B3), wo es heißt „Der Großteil der in Deutschland angebotenen hyaluronsäurehaltigen Supplemente wird für die Gelenkfunktion vermarktet; es sind Multipräparate mit anderen Nährstoffen, die oft wissenschaftlich besser dokumentiert sind.“

Bei den Angaben handelt es sich auch jedenfalls im Gesamtzusammenhang um spezifische Angaben im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO, und nicht um unspezifische im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO, deren Zulässigkeit in der Zeit bis zum Erlass einer vollständigen Liste zulässiger Claims streitig ist (vgl. BGH GRUR 2013, 958 – Vitalpilze). Art. 10 Abs. 3 HCVO erfasst nur Aussagen, die zwar auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO genannten Funktionen Bezug nehmen, aufgrund ihrer allgemeinen und unspezifischen Formulierung aber nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten (vgl. BGH a.a.O.).

Für die Angaben, die konkret eine Verjüngung der Haut und eine Faltenglättung versprechen (Nr. 1., 2., 3., 6., 8., 9., 12., 13., 14., 21., 22. und 23.) ist dies offensichtlich. Aber auch die übrigen Angaben werden als spezifische Wirkungsangabe verstanden, wenn sie im Gesamtzusammenhang der Werbesendung wahrgenommen werden.

Die Angaben 4. und 5.: „in bester medizinisch-pharmakologischer Qualität“ „Mit dem Tagesangebot bekommen Sie erstmalig Hyaluronsäure zum Schlucken, die sonst in der Medizin verwendet wird für Injektionen, für Implantate“ werden nicht als bloße Beschreibung verstanden, sondern es wird der Eindruck erweckt, das beworbene Mittel habe die gleichen Wirkungen wie medizinisch-pharmakologische Hyaluronsäure zur Injektion. die ja mehrfach als Anwendungsbeispiel für Hyaluronsäure herangezogen werden.

Das gilt auch für die Behauptungen Nr. 10. und 11.: „Jetzt bekommen Sie die effektivsten, hoch dosiertesten, wirksamsten und ergebnisreichsten Hyaluronsäurekapseln, die es jemals, nicht bei Y., sondern auf dem Markt gab … Das ist genau das Hyaluron, genau die Hyaluronsäure, die Sie gerade in der Medizin bekommen, wenn Sie sich ein Injektion spritzen lassen“ „Erstmalig beste medizinische Qualität zum Schlucken“.

Die Angaben Nr. 18 und 25: „wann sehe ich einen Effekt? – Mit dem neuen Tagesangebot locker nach 2 Wochen“ „sichtbare Ergebnisse nach ca. 2 Wochen“ geben im Gesamtzusammenhang ebenfalls an, das Mittel glätte Falten und versehen den versprochenen Erfolg zudem mit einer Zeitangabe.

Aber auch dann, wenn man mit den Beklagten davon ausgeht, dass es sich nicht um gesundheitsbezogene Angaben handelt, sind diese nach § 11 Abs. 1 LFGB in der bis zum 12. Dezember 2014 und damit zum Sendezeitpunkt geltenden Fassung beziehungsweise nach Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b), Abs. 4 Buchstabe a) i.V.m. Art. 36 Abs. 2 Buchstabe c) LMIV unzulässig, so dass die Frage offen bleiben kann, ob es sich um gesundheitsbezogene Angaben handelt.

Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt. (BGH GRUR 2013, 301 – Solarinitiative, Rn. 17; BGH GRUR 2015, 283 – Hörgeräteversorgung III, Rn. 22)  Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB in der bis zum 12. Dezember 2014 gültigen Fassung war es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB in dieser Fassung sollte eine Irreführung insbesondere dann vorliegen, wenn einem Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in der seit dem 13. Dezember 2014 gültigen Fassung ist verboten, als nach Art. 8 Absatz 1  LMIV verantwortlicher Lebensmittelunternehmer oder Importeur Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen des Art. 7 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 4,LMIV nicht entsprechen, in den Verkehr zu bringen oder allgemein oder im Einzelfall dafür zu werben.

Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b) und Abs. 4 Buchstabe a) LMIV verbieten irreführende Informationen und Werbung über Lebensmittel, insbesondere indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt. Schließlich müssen die Angaben über Lebensmittel nach Art. 36 Abs. 2 Buchstabe c) LMIV auf einschlägigen wissenschaftlichen Daten beruhen.

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur HCVO ergibt, erfüllen die streitbefangenen Angaben diese Anforderungen nicht. Das gilt selbst dann, wenn man mit den Beklagten davon ausgeht, das in diesem Bereich geringere Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachweis zu stellen sind, denn letztlich ist eine Wirkung gerade dieses Produktes nicht belegt. Es ergibt sich aus den von der Beklagten zu 2.) vorgelegten Studien  und sonstigen Unterlagen gerade, dass schon die Aufnahme oral verabreichter Hyaluronsäure problematisch ist, weshalb ja gerade das Produkt Injuv® als Fortschritt angepriesen wird. Dass ein Produkt mit einer Tagesdosis von 100 mg Hyaluronsäure in der hier vorliegenden Beschaffenheit überhaupt eine Wirkung entfaltet, geschweige denn eine derart schnelle und effektive Faltenglättung bewirkt, wie in der Werbung versprochen, ist nicht ersichtlich.

Für die Werbung in diesem Sinne ist neben der Beklagten zu 2.) auch die Beklagte zu 1.) verantwortlich. Allerdings weist Art. 8 Abs. 1 LMIV – worauf die Beklagte zu 1.) im Ansatzpunkt mit Recht hinweist) – die Verantwortung für die Information über Lebensmittel demjenigen Lebensmittelunternehmer zu unter dessen Namen oder Firma das Produkt vermarktet wird. Dies ist hier die Beklagte zu 2.).

Das schließt allerdings nicht aus, auch im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 LMIV Unternehmer für die Richtigkeit einer Produktinformation einstehen zu lassen, wenn diese die Produktinformation gemeinsam mit dem Vermarkter erstellt haben und auch gemeinsam mit ihm nach außen vertreten. In diesem Fall wirken sie bewusst und gewollt zusammen und haben als Mittäter auch gemeinsam für die Richtigkeit der Produktinformation einzustehen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 40 Rn. 98 – Hängewangen). In diesem Sinne ist auch die angegriffene Werbung von beiden Beklagten gemeinsam erstellt worden. Sie bestand ausweislich der als Anlage K1 vorgelegten Sendungsniederschrift aus einem Gespräch zwischen einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1.) und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2.). Die angegriffenen Aussagen sind damit das Ergebnis eines gelenkten Gesprächs, welches die Beklagten gemeinsam gestaltet haben.

Aus den genannten Gründen hat das Landgericht auch zu Recht die Teilerledigung des Rechtsstreits festgestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Eine Vorlage zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst, weil die im Urteil des Senats vom 16.12.2014 angerissenen Fragen aus den vorgenannten Gründen nicht entscheidungserheblich sind.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Streitwert: 40.300,00 €, wobei auf die Berufungen der Beklagten jeweils 20.150,00 € entfallen (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung auf insgesamt 40.000,00 € zuzüglich des Kosteninteresses in Bezug auf den einseitig für erledigt erklärten Teil)

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