Online-Bank haftet nicht für unvollständige Angaben auf einer Informationsseite

02. März 2015
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Online Banking auf dem Bildschirm eines Laptops Beschluss des OLG Schleswig-Holstein vom 02.06.2014, Az.: 5 U 67/14

Eine Online-Direktbank haftet nicht für unvollständige Angaben auf einer Internetseite, auf der sie den Kunden Informationen zu über 1 Mio. Wertpapieren zur Verfügung stellt (sogenannter "informer"). Zwischen der Bank und ihren Kunden ist kein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zustande gekommen, da eine Auslegung nach objektivem Empfängerhorizont ergibt, dass die Informationen nicht abschließend sein sollen und die Bank keine Haftung übernehmen will. Auch eine Haftung wegen Verletzung einer Warnpflicht aus dem bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag scheidet mangels grober Fahrlässigkeit aus, da sich die Vielzahl von Informationen von vornherein und von jedermann nicht sicher überblicken lässt.

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein

Beschluss vom 02.06.2014

Az.: 5 U 67/13

Sachverhalt

Die Beklagte ist eine Direktbank. Aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt sich, dass sie ihren Kunden keine Beratung anbietet, sondern nur deren Aufträge ausführt („execution only“). Der Kläger war und ist Kunde der Beklagten; er unterhält bei ihr ein Girokonto, ein Tagesgeldkonto und ein Wertpapierdepot.

Die Beklagte stellt ihren Kunden im Internet einen sogenannten „informer“ zur Verfügung. Auf dieser Internetseite findet sich eine Suchmaske, mit deren Hilfe die Kunden Informationen zu ca. 1.170.000 Wertpapieren abfragen können. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Nutzung dieses „informers“ erklärt die Beklagte, keine Gewähr für Vollständigkeit, Richtigkeit oder Genauigkeit der Informationen zu übernehmen. Ferner schloss und schließt die Beklagte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihre Haftung für einfache Fahrlässigkeit aus.

Der Kläger nutzte den „informer“. Er fand dort eine Information zu einer Anleihe der C-bank AG AAL Classic 11.12 XXX, in der es unter anderem heißt: „Rückzahlungskurs: 100 Prozent.“ Diese Anleihe konnte der Emittent, also die C-bank AG, unter bestimmten Bedingungen nicht in Geld, sondern in Aktien zurückzahlen; ein Hinweis darauf findet sich in der Beschreibung auf dem „informer“ nicht.

Der Kläger erwarb am 23. Juni 2011 und am 26. Juni 2011 über die Beklagte jeweils die vorgenannten Anleihen im Nennbetrag von jeweils 20.000 Euro. Bei Ende der Laufzeit der Anleihe löste der Emittent die Anleihe durch Lieferung von 11.080 Aktien ein.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen: Die Beklagte hafte nicht für die Richtigkeit der Informationen auf ihrer Internetseite „informer“. Die Beklagte habe ihre Haftung sowohl in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch in den Bedingungen zur Nutzung des „informers“ wirksam ausgeschlossen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er ausführt: Die Beklagte habe grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich gehandelt. Sie werbe für den „informer“. Gleichwohl überprüfe sie die dort niedergelegten Informationen nicht. Aufgrund der Werbung könne sie ihre Haftung nur durch direkte Warnhinweise ausschließen. Die Beklagte habe die streitgegenständliche Anleihe als eine solche mit einem Rückzahlungskurs von 100 Prozent dargestellt. Tatsächlich habe aber kein Rückzahlungskurs von 100 Prozent bestanden.

Der Kläger beansprucht die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Verurteilung der Beklagten, an ihn 33.851,94 EURO Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte an 11.080 Inhaberaktien O.N. C.-bank AG WKN xxxxxx nebst Zinsen zu zahlen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch zu.

1.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus Prospekthaftung zu.

Sowohl gesetzliche als auch richterrechtliche Ansprüche aus Prospekthaftung setzen voraus, dass der Kläger einen Prospekt erhalten hat. Prospekt in diesem Sinne ist eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Anschein eines solchen Inhalts erweckt. Sie muss dabei tatsächlich oder zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach den Anspruch erheben, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein (BGH, Urt. v. 7. November 2011 – III ZR 103/10, Rn. 21).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Beschreibung der streitgegenständlichen Anleihe in dem „informer“ der Beklagten ersichtlich kein Prospekt. Sie erweckt nicht im Ansatz den Anschein, die Anlage umfassend zu beschreiben.

2.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten aus einem im Rahmen eines Anlagevermittlungsverhältnisses geschlossenen Auskunftsvertrages zu (§ 280 Abs. 1 BGB). Zwischen den Parteien ist kein Auskunftsvertrag zustande gekommen.

Ein derartiger Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen kommt im Rahmen der Anlagevermittlung stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH, Urt. v. 25. Oktober 2007 – III ZR 100/06, Rn.7).

Vorliegend fehlt es an einem Angebot der Beklagten auf Abschluss eines derartigen Auskunftsvertrages. Die Auslegung des „informers“ der Beklagten von einem objektivierten Empfängerhorizont her ergibt, dass die dort erteilten Auskünfte ersichtlich nicht abschließend sein sollen und die Beklagte für die Richtigkeit der dort niedergelegten Informationen zu über 1 Mio. Anlagen ersichtlich nicht haften will. Das ergibt sich insbesondere aus den von dem Landgericht herangezogenen Passagen der Nutzungsbedingungen, in denen die Beklagte deutlich macht, für die Richtigkeit der Informationen keine Gewähr zu übernehmen.

Da es insoweit bereits an einem Auskunftsvertrag fehlt, kommt es auf das Verschulden nicht an.

3.

Die Beklagte haftet dem Kläger auch nicht wegen der Verletzung einer Warnpflicht aus dem zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag.

Eine Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) besteht nach den Umständen des Einzelfalls dann, wenn der Discount-Broker, hier also die Beklagte erkennt, dass die Aufträge des Kunden von dessen zuvor erklärten Zielvorstellungen deutlich abweichen, wenn für ihn klar erkennbar ist, dass Tragweite und Risiko des Auftrags falsch eingeschätzt werden oder wenn der Discount-Broker eine tatsächlich bestehende Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden erkennt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat (BGH, Urt. v. 19. März 2013 – XI ZR 431/11, Rn. 25). Diese Voraussetzungen liegen allesamt nicht vor.

Der Erwerb der Anleihe wich nicht von den zuvor erklärten Zielvorstellungen des Klägers ab. Er hatte sich in den Risikoerfassungsbogen der Beklagten vom 23. Januar 2000 in die Risikostufe fünf von sechsen eingeordnet. Hierzu passt der Erwerb der Anleihen. Dass er seine Risikoeinstufung in einer Erklärung gegenüber der Beklagten geändert habe, hat der Kläger substantiiert nicht dargetan.

Dass für die Beklagte klar erkennbar gewesen wäre, dass der Kläger Tragweite und Risiko der Anleihe falsch einschätzte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Beklagte verkannte auch die tatsächlich bestehende Aufklärungsbedürftigkeit des Klägers über die Rückzahlungsmodalitäten der Anleihe nicht aufgrund grober Fahrlässigkeit. Zwar behauptet der Kläger insoweit, die Beklagte habe die unzureichende oder gar falsche Information in dem „informer“ grob fahrlässig zu verantworten. Damit trägt er aber nicht vor, dass sie die unrichtige Darstellung in dem „informer“ bei Ausführung des Auftrags grob fahrlässig nicht bemerkte. Eine Verpflichtung der Beklagten, vor Ausführung des Auftrags ihre eigenen Informationen zu der in Rede stehenden Anlage in dem „informer“ zu überprüfen, besteht nicht. Doch selbst wenn eine derartige Verpflichtung bestünde, hätte die Beklagte sie nicht grob fahrlässig verletzt. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger trägt keine Umstände vor, die für grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten – bei Ausführung des Auftrags – sprechen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. § 277 Rn. 5). Ein derartiges Fehlverhalten der Beklagten ist vorliegend nicht zu erkennen. Denn die Vielzahl von über 1 Mio. Informationen zu verschiedenen Anlagen lässt sich von vornherein und von jedermann nicht sicher überblicken.

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