Das „Montagsauto“

19. Juli 2012
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Eigener Leitsatz:

Ein Verkäufer muss sich etwaige Reparaturversuche im Rahmen des Gewährleistungsrechts nicht als vergebliche Versuche der Nacherfüllung zurechnen lassen, wenn sie in einer anderen Vertragswerkstatt durchgeführt wurden. Der Rücktritt vom Kaufvertrag aufgrund eines "Montagsautos" ist hingegen auch ohne Einräumung von Nachbesserungsversuchen grundsätzlich möglich. Handelt es sich jedoch lediglich um Bagatellmängel (hier: Mängelbeseitigungskosten 3 % des Gesamtkaufpreises), ist ein Fahrzeug nicht als "Montagsauto" einzuordnen.

Oberlandesgericht Oldenburg

Urteil vom 04.04.2012

Az.: 3 U 100/11

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 17. November 2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.,

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.
Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Kaufvertrages vom 14. Juni 2008 über den Erwerb eines (neuen) Wohnmobils des Herstellers K…, , von der Beklagten zum Preis von 133.743,- Euro.

Das Wohnmobil wurde Ende April 2009 an den Kläger gegen Zahlung des Kaufpreises ausgeliefert.

In der Zeit von Mai 2009 bis Juli 2010 brachte er das Fahrzeug insgesamt dreimal in die Werkstatt der Beklagten zwecks Beseitigung zum Teil unstreitiger, zum Teil behaupteter Mängel. Der erste Reparaturauftrag an die Beklagte vom 16. Mai 2009 beinhaltete zwanzig von dem Kläger gerügte Mängel (u. a. Knarren der Satellitenantenne, Flecken in der Spüle, schief sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder, lose Stoßstange, Lösen der Toilettencassette aus der Halterung während der Fahrt). Mit seinem Auftrag vom 6. August 2009 beanstandete der Kläger vier Mängel und verlangte u. a. den Austausch der Nasszellentür. Schließlich suchte der Kläger die Werkstatt der Beklagten ein letztes Mal am 1. März 2010 auf und rügte diesmal neun Mängel (u. a. keine richtige Funktion der Stützen bei kaltem Wetter, Entlüftung Fäkalientank, Entleeren der Batterien nach einem Tag).

Wohl im Herbst 2009, jedenfalls aber bis spätestens Juli 2010, erlitt das Wohnmobil einen Sturmschaden, als ein Ast auf das Dach des Fahrzeugs fiel, wobei u. a. der Sonnenkollektor beschädigt wurde, aber auch Schäden im Fahrzeuginneren auftraten.

Die Beklagte hat ihren Sitz in einer Entfernung von ungefähr 200 km von dem Wohnsitz des Klägers. In direkter Nähe zum Kläger befindet sich die Werkstatt der Firma D…, bei der es sich wie bei der Beklagten um eine Vertragshändlerin des Wohnmobilherstellers K… handelt.

In einer E-Mail vom 14. Juli 2010 an den Kläger teilte die Beklagte diesem auf seine Nachfrage hin mit, dass die Firma D… „jegliche K…-Garantie-Arbeiten durchführen und direkt mit der Firma K… abrechnen“ könne. Zuvor hatte der Kläger erneut Mängel gegenüber der Beklagten gerügt.

Der Kläger brachte das Wohnmobil im Mai 2010, im Juli/August 2010, im November/Dezember 2010 und zuletzt Ende Dezember 2010, insgesamt also viermal, in die Werkstatt der Firma D… zur Durchführung (angeblicher) Mangelbeseitigungsarbeiten.

Weitere behauptete Mängel beseitigte der Kläger zudem eigenhändig.

Zwischen den Parteien gab es seit Juli 2010 zunächst keinen Kontakt mehr. Am 1. April 2011 wandten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers schriftsätzlich an die Beklagte und erklärten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Rücktritt wurde mit dem angeblichen Vorhandensein von insgesamt 15 Mängeln an dem Fahrzeug begründet, deren Beseitigung 5.464,- Euro kosten würde.

Die Beklagte wies den Rücktritt zurück und bot ausdrücklich Mangelbeseitigung an.

Bei den zuletzt behaupteten 15 Sachmängeln soll es sich um neue bzw. neu aufgetretene Mängel handeln. Das heißt, alle bis dahin tatsächlich oder angeblich aufgetretene Mängel an dem Wohnmobil sind entweder von dem Kläger selbst, der Beklagten oder der Firma D… jedenfalls zunächst erfolgreich beseitigt worden. Soweit der Kläger zum Teil das wiederholte Auftreten ein und desselben Mangels behauptet (Ablösung der Chromkante der Motorradbühne, Lackierung des rechten Seitenteils, mangelhafte Stützen), hat er ein zweites Nachbesserungsverlangen nicht gestellt.

Eine Ausnahme gilt für das Navigationsgerät des Wohnmobils. Insoweit hat die Firma K… dem Kläger nach zweimaliger erfolgloser Reparatur den Kaufpreis anteilig erstattet, um diesem selbst den Erwerb eines neuen Geräts von dritter Seite zu ermöglichen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein Rücktritt sei ohne Fristsetzung zur Mangelbeseitigung zulässig. In Anbetracht der Vielzahl der insgesamt aufgetretenen Mängel sei anzunehmen, dass es sich bei dem Wohnmobil um ein „Montagsauto“ handle. Eine erneute Nachbesserung sei ihm daher nicht zumutbar.

Der Kläger lässt sich eine Wertminderung des Fahrzeugs anrechnen. Er verlangt zudem die Erstattung der Kosten für ein privates Schadensgutachten.

Er hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 125.185,86 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18. Mai 2011 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des Wohnmobils K… …, Ident Nummer Z… und

2. festzustellen, dass die Beklagte sich im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet das Vorhandensein von Mängeln im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. Wenn Mängel zu diesem Zeitpunkt vorhanden gewesen sein sollten, hätten diese jedenfalls nicht im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen, sondern seien nachträglich durch den Gebrauch des Wohnmobils bzw. durch die zum Teil vom Kläger selbst durchgeführten Reparaturen verursacht worden. Unabhängig von der nicht gesetzten Nachfrist sei der Rücktritt auch deshalb unwirksam, weil die zuletzt gerügten Mängel unerheblich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es fehle an der erforderlichen Fristsetzung zur Nachbesserung. Die Arbeiten der Firma D… müsse sich die Beklagte nicht zurechnen lassen. Unabhängig davon seien die mit dem Rücktrittsschreiben gerügten Mängel auch unerheblich, weil die Mangelbeseitigungskosten sich gemäß dem eigenen Vortrag der Klägerin – nach Herausrechnung der Kosten für ein neues Navigationsgerät – nur auf 2,61 % des Kaufpreises beliefen.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Insbesondere der Umstand, dass er das „weitere Mängelmanagement“ in die Hände der Firma D… gegeben habe, könne nicht dazu führen, dass entgegen seiner Rechtsansicht eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung gegenüber der Beklagten vor Rücktrittserklärung erforderlich gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und entsprechend seinen in erster Instanz gestellten Anträgen zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Kläger der Beklagten (erneute) Gelegenheit zur Nachbesserung hätte geben müssen, so dass der Wirksamkeit des erklärten Rücktritts jedenfalls § 323 Abs. 1 i. V. m. § 437 Nr. 2 BGB entgegensteht.

Die Fristsetzung zur Nachbesserung war entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht ausnahmsweise gemäß § 323 Abs. 2 Nummer 3 BGB bzw. gemäß § 440 Satz 1 BGB entbehrlich.

Zutreffend sind die Ausführungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zunächst insoweit, als es angenommen hat, dass es hinsichtlich sämtlicher jetzt noch nach dem Vortrag des Klägers bestehender bzw. neu aufgetretener Sachmängel an einem Nacherfüllungsverlangen gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB fehlt. Das wird auch durch die Berufung nicht in Frage gestellt.

Auch hat der Kläger insbesondere nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 440 Satz 2 BGB behauptet. Das ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Eine fehlgeschlagene Nachbesserung, insbesondere wegen mindestens zweier erfolgloser Reparaturversuche, kann daher hinsichtlich der jetzt geltend gemachten Mängel nicht angenommen werden.

Das gilt entsprechend der auch insoweit zutreffenden Wertung des Landgerichts insbesondere für das Navigationsgerät. Diesbezüglich sind zwar unstreitig zwei erfolglose Nachbesserungsversuche durch die Beklagte erfolgt. Die Firma K…hat dem Kläger jedoch den Kaufpreis für ein entsprechendes Gerät erstattet, so dass Gewährleistungsansprüche nunmehr nicht mehr gegen die Beklagte, sondern gegen den Verkäufer des Geräts zu richten wären.

Bei Einzelbetrachtung der angeblich noch vorhandenen Mängel sind die Voraussetzungen für einen Rücktritt folglich von vorneherein nicht erfüllt. Auch der Kläger bezweifelt dieses Zwischenergebnis nicht.

Er behauptet auch keine, wegen nicht behebbarer Qualitätsmängel grundsätzlich denkbare (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 989 m. w. N.), Unmöglichkeit der Nacherfüllung aus technischen Gründen gemäß § 275 Abs. 1 BGB.

Der Kläger hat allerdings darin Recht, dass im Einzelfall ein weiteres Nacherfüllungsverlangen unzumutbar (§ 440 Satz 1 BGB) bzw. aufgrund der besonderen Umstände unter Abwägung der beiderseitigen Interessen entbehrlich (§§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) sein kann, wenn das in Frage stehende Kraftfahrzeug als sogenanntes „Montagsauto“ bzw. „Zitronenauto“ anzusehen ist (zuletzt OLG Düsseldorf, NJW-RR 2011, 1276 m. w. N.; vgl. auch KG, NJW-RR 2010,706; OLG Rostock, DAR 2009, 204; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1147; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 983 ff. m. w. N. ). Dass der Verkäufer zuvor bereits andere Mängel nachgebessert hat, führt für sich gesehen ansonsten nicht zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung für die Nachbesserung der noch in Frage stehenden Mängel, weil im Grundsatz wegen jedes einzelnen Mangels Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden muss (BGH NJW 2011, 2873).

Ob ein Fahrzeug als „Montagsauto“ anzusehen und deshalb eine (weitere) Nachbesserung im Sinne von § 440 BGB unzumutbar ist, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei die Zahl der Nachbesserungsversuche entgegen der Ansicht des Klägers keine ausschlaggebende Rolle spielt. Klar ist, dass es einer Vielzahl, gegebenenfalls auch mehr oder weniger kleinerer, herstellerbedingter Defekte bedarf, die in einem relativ kurzen Zeitraum auftreten müssen (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., Juris Rn. 28; KG NJW-RR a. a. O. ; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 440 Rn. 8 m. w. N.; Reinking/Eggert, a. a. O.).

Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt und annimmt, dass sämtliche behauptete Mängel an dem Wohnmobil tatsächlich und schon bei Gefahrübergang (§ 434 Abs. 1 BGB) vorlagen, ordnet der Senat das von dem Kläger erworbene Fahrzeug noch nicht als „Montagsauto“ ein. Zwar ist eine Vielzahl von Mängeln in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum aufgetreten. Entscheidend ist jedoch, dass es sich im Wesentlichen um Probleme im Bagatellbereich handelte bzw. noch handelt, die zudem ganz überwiegend abschließend und beim ersten Nachbesserungsversuch oder sogar durch den Kläger selbst erfolgreich beseitigt werden konnten. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Käufer eines Neufahrzeugs anderes erwartet und auch erwarten darf. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass die geltend gemachten Fehler in ihrer Gesamtheit größtenteils lediglich als „lästig“ einzustufen sind.

Auch und gerade die Reparaturkosten für die zuletzt durch den Kläger mit seinem Rücktrittsschreiben behaupteten Sachmängel belaufen sich (nach Herausrechnung der nicht zu berücksichtigenden Reparaturkosten für das Navigationsgerät) nach seiner Darstellung zusammen auf lediglich etwa 3 % des gezahlten Kaufpreises. Sie dürften daher deutlich im Bereich der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung im Sinne von §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB liegen (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a. a. O., § 323 Rn. 32: mindestens 10 % des Kaufpreises; ähnlich Gröschler, NJW 2005, 1601; Skamel, SVR 2010, 172; nach anderer Auffassung werden sogar noch deutlich höhere Sätze angenommen, vgl. nur Ernst, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 323 Rn. 243 m. w. N.: 20 bis 50%; vom BGH bislang offengelassen, vgl. zuletzt NJW 2011, 2872: Jedenfalls kein erheblicher Mangel, wenn die Mangelbeseitigungskosten etwa ein Prozent des Kaufpreises ausmachen). Auch dieser Umstand spricht gegen die Bewertung des Wohnmobils als „Montagsauto“. Eine Differenzierung nach der Höhe des gezahlten Kaufpreises ist dabei nicht geboten (BGH, a. a. O.). Es sind also nicht etwa deshalb geringere Anforderungen zu stellen, weil es sich im vorliegenden Fall um ein Fahrzeug der „Luxusklasse“ handelt.

Eine Fristsetzung zur Nachbesserung der zuletzt gerügten Mängel als Rücktrittsvoraussetzung war im vorliegenden Fall aber auch unabhängig von den vorstehenden Überlegungen nicht entbehrlich. Es besteht die Besonderheit, dass nur die ersten Nachbesserungsversuche bei der Beklagten als der Vertragspartnerin des Klägers erfolgten. Danach und bis zum schließlich erklärten Rücktritt wandte er sich ausschließlich an einen anderen Vertragshändler des Wohnmobilherstellers, die Firma D…, weil dieser Händler seinen Sitz näher am Wohnort des Klägers hat.

Dieser Umstand ändert allerdings zunächst nichts daran, dass die Beklagte sich bei der Frage, ob es sich bei dem Wohnmobil „objektiv“ um ein „Montagsauto“ handelt, auch die (angeblichen) Mängel zurechnen lassen muss, die in diesem Zeitraum aufgetreten und von der Firma D… beseitigt worden sind. Auf der anderen Seite kann aber nicht außer Betracht bleiben, dass die Beklagte selbst nicht die Möglichkeit hatte, die behaupteten (weiteren) Mängel einer eigenen Prüfung zu unterziehen. Gelegenheit zur Nacherfüllung geben, heißt, dass der Verkäufer den beanstandeten Mangel sachgerecht prüfen und gegebenenfalls beseitigen können muss (vgl. nur BGH NJW 2010, 1448, Juris Rn. 12 f.). Vorangegangene Nachbesserungsversuche in einer anderen Werkstatt stellen daher einen „Störfaktor“ im Rahmen der Gewährleistung dar (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 900). Richtigerweise muss sich der Verkäufer Reparaturversuche in einen anderen Werkstatt nicht als vergebliche Versuche der Nacherfüllung zurechnen lassen (ebenso OLG Schleswig-Holstein, NJW-RR 2011, 993, Juris Rn. 10 sowie – jedenfalls in der Tendenz – Reinking/Eggert, a. a. O.).

Im vorliegenden Fall hätte der Kläger in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Landgerichts auch nach Ansicht des Senats der Beklagten abschließend zumindest noch einmal Gelegenheit zur Nacherfüllung geben müssen. Erst wenn auch dieser Versuch sich als vergeblich herausgestellt hätte bzw. danach erneut andere Mängel aufgetreten wären, wäre er gegebenenfalls wegen Unzumutbarkeit gemäß § 440 BGB bzw. gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB zum Rücktritt ohne weitere Fristsetzung berechtigt gewesen. Das gilt umso mehr, als in der Erörterung der Angelegenheit im Termin vor dem Senat unstreitig geblieben ist, dass die Beklagte vor dem Rücktritt über die Durchführung von Garantiearbeiten durch die Firma D… sowie deren Inhalt und Umfang weder von dieser noch von dem Hersteller K… noch von dem Kläger informiert worden ist.

Eine abweichende Bewertung der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung folgt nicht aus der E-Mail der Beklagten vom 14. Juli 2010. Danach war sie (nur) damit einverstanden, dass der Kläger sich an die Firma D… wandte, die „jegliche K…-Garantiearbeiten durchführen und direkt mit der Firma K… abrechnen“ könne. Durch das Abstellen auf die Herstellergarantie hat die Beklagte aus Sicht eines verständigen Empfängers gemäß §§ 133, 157 BGB hinreichend deutlich gemacht, dass sie durch ihr „Einverständnis“ nicht auf ihre aus den Gewährleistungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches folgenden, aus Sicht des Käufers einschränkenden, Rechte verzichten wollte. Vielmehr beinhaltet die E-Mail letztlich nur einen Verweis auf die üblichen Garantiebedingungen der Automobilhersteller, wonach Garantieansprüche bei jedem ihrer Vertragshändler deutschlandweit geltend gemacht werden können.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch gerade nicht um die Durchsetzung eines Garantieanspruchs gegen den Hersteller, sondern um den aus der Perspektive des Verkäufers schwerwiegendsten Gewährleistungsanspruch gegen den Vertragspartner, den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Kläger konnte auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht annehmen, die Beklagte wolle sich aufgrund der zitierten E-Mail insoweit die „Nachbesserungsversuche“ der Firma D…(richtig: Garantiearbeiten) als quasi eigene zurechnen lassen, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, vor einer Rückabwicklung des Kaufvertrages das Fahrzeug wenigstens einer letzten eigenen Prüfung und gegebenenfalls einer abschließenden Mangelbeseitigung zu unterziehen. Hinzukommt, dass der Maßstab bei Garantiearbeiten ein anderer ist als bei Gewährleistungsarbeiten. Die Gewährleistungsverpflichtung besteht nur für bei Gefahrübergang vorhandene Mängel. Die Herstellergarantie erstreckt sich dagegen im Zweifel auf alle Mängel, die während der Garantiezeit auftreten (§ 443 Abs. 2 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung, als die Frage der Zurechnung von Mangelbeseitigungsarbeiten durch einen anderen Vertragshändler des Herstellers an den Verkäufer eines Fahrzeugs im Rahmen von dessen Gewährleistungsverpflichtung bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist. Entsprechendes gilt für die Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen eines „Montagsautos“ zu stellen sind.

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