Höchstgrenzen für Roaminggebühren in der EU zulässig

16. Juni 2010
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Eigener Leitsatz:

Seit Ende 2008 werden die Roamingkosten in europäischen Mobilfunknetzen durch die Verordnung 717/2007 des Europäischen Parlaments reguliert. Alle ankommenden und abgehenden Anrufe wie auch Textnachrichten dürfen eine bestimmte preisliche Obergrenze nicht überschreiten. Der gemeinschaftliche Gesetzgeber sah sich dazu deswegen veranlasst, da zwischen den Mobilfunknetzbetreibern auf international-europäischer Ebene kaum wirksamer Wettbewerb vorherrschte und der Endkunde in seiner Rechnung mit hohen Aufschlägen rechnen musste. Die Richter am europäischen Gerichtshof entschieden nun, dass die Verordnung rechtmäßig ist. Insbesondere fördert sie in zulässiger Weise den Wettbewerb unter den Mobilfunkbetreibern und schützt den Verbraucher vor überhöhten Entgelten.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 08.06.2010

Az.: C-58/08

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 18. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 2008, in dem Verfahren

The Queen, auf Antrag von

Vodafone Ltd,

Telefónica O2 Europe plc,

T‑Mobile International AG,

Orange Personal Communications Services Ltd

g e g e n

Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform,

Beteiligte:

Office of Communications,

Hutchison 3G UK Ltd,

GSM Association,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung von …

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen von …

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Oktober 2009

folgendes

Urteil:

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 717/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2007 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG (ABl. L 171, S. 32).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den im Vereinigten Königreich, in der Europäischen Union und auf anderen internationalen Märkten tätigen Betreibern öffentlicher Mobilfunknetze Vodafone Ltd, Telefónica O2 Europe plc, T‑Mobile International AG und Orange Personal Communications Services Ltd einerseits und dem Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform (Minister für Wirtschaft, Unternehmen und Regelungsreform) andererseits über die Gültigkeit vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland erlassener Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung Nr. 717/2007.

Rechtlicher Rahmen:

Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste

Im Jahr 2002 erließ der Gemeinschaftsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 95 EG einen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (im Folgenden: Rechtsrahmen), damit für alle Übertragungsnetze und ‑dienste ein einheitlicher Rechtsrahmen gilt, der insbesondere neben Einzelrichtlinien aus der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33) besteht. Dieser Rahmen schafft einen Mechanismus, der es den nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) ermöglicht, bei Fehlen wirksamen Wettbewerbs auf einem relevanten Markt den Unternehmen im Bereich der elektronischen Kommunikation, die nach einer von diesen Behörden durchgeführten Analyse des relevanten Markts über beträchtliche Marktmacht verfügen, Vorabverpflichtungen aufzuerlegen.

Beschluss 2002/627/EG

Mit dem Beschluss 2002/627/EG der Kommission vom 29. Juli 2002 zur Einrichtung der Gruppe Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. L 200, S. 38) wurde eine Beratergruppe der NRB zu Fragen bezüglich elektronischer Kommunikationsdienste und ‑netze geschaffen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 dieses Beschlusses hat diese Gruppe (im Folgenden: GER) u. a. die Aufgabe, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften bei der Konsolidierung des Binnenmarkts für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste zu beraten und zu unterstützen.

Verordnung Nr. 717/2007

Nach Aufnahme öffentlicher Konsultationen mit den Betroffenen legte die Kommission am 12. Juli 2006 eine Folgenabschätzung der politischen Entscheidungsalternativen zum Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft (SEK[2006] 925, im Folgenden: Folgenabschätzung) vor. Diese Abschätzung diente als Grundlage für den am selben Tag vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 2002/21 (KOM[2006] 382 endg., im Folgenden: Vorschlag für eine Verordnung), der zum Erlass der Verordnung Nr. 717/2007 auf der Grundlage von Art. 95 EG führte.

Mit dieser Verordnung werden den Betreibern terrestrischer Mobilfunknetze Obergrenzen für Groß- und Endkundenentgelte für die Erbringung von Roamingdiensten in öffentlichen Mobilfunknetzen in Bezug auf Sprachanrufe zwischen den Mitgliedstaaten (im Folgenden: gemeinschaftsweite Roamingdienste) auferlegt.

Funktionsweise der Roamingdienste

Die Funktionsweise der Roamingdienste kann insbesondere im Hinblick auf die Definitionen in Art. 2 der Verordnung Nr. 717/2007 wie folgt beschrieben werden.

Bei den Roamingdiensten, die von den Betreibern von Mobilfunknetzen angeboten werden, handelt es sich um das Angebot an die Kunden, ihnen auch dann Dienste zu erbringen, wenn sie sich ins Ausland begeben, so dass sie in den Netzen anderer Mitgliedstaaten Anrufe tätigen und annehmen können.

Um Roamingdienste erbringen zu können, schließt der Betreiber eines Heimatnetzes spezielle Großkundenkaufverträge mit Betreibern von Netzen in anderen Mitgliedstaaten. Der örtliche Betreiber des von einem Kunden des Heimatnetzes besuchten Mitgliedstaats, mit dem der Heimatnetzbetreiber eine solche Vereinbarung geschlossen hat, leitet den Anruf an den Kunden. Bei dem Dienst, den das besuchte Netz dem Heimatnetz erbringt, handelt es sich um den „Roamingdienst auf Großkundenebene“.

Der Heimatanbieter ist ein Unternehmen, das für einen Roamingkunden entweder über das eigene Netz oder als Betreiber eines virtuellen Mobilfunknetzes oder als Wiederverkäufer terrestrische öffentliche Mobiltelefondienste bereitstellt. Bei dem Dienst, den ein solcher Anbieter den Roamingkunden erbringt, handelt es sich um den „Roamingdienst auf Endkundenebene“.

Die Roamingdienste auf Endkundenebene sind Teil der Vereinbarung oder des Mobilfunkvertrags, den der Kunde mit dem Heimatanbieter geschlossen hat, und werden als einer der zu dieser Vereinbarung oder diesem Vertrag gehörenden Dienste in Rechnung gestellt. Die Bedingungen für die Erbringung von Roamingdiensten auf Endkundenebene richten sich somit nach den geschlossenen Vereinbarungen oder Verträgen und den gegebenenfalls von der für den Heimatanbieter zuständigen NRB erteilten Auflagen.

Inhalt der Verordnung Nr. 717/2007

Zu den Preisen, die von den Nutzern öffentlicher Mobilfunknetze für Roamingdienste auf Endkundenebene gezahlt werden, wird im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 717/2007 festgestellt, dass „[d]as hohe Niveau der [verlangten] Preise … von den [NRB] ebenso wie von den Verbrauchern und den Organen der Gemeinschaft als besorgniserregend eingeschätzt [wird]. Die überhöhten Endkundentarife ergeben sich aus hohen Großkundenentgelten der ausländischen Netzbetreiber, in vielen Fällen aber auch aus hohen Endkundenaufschlägen des Heimatanbieters des Kunden. Preissenkungen bei den Großkundenentgelten werden oft nicht an den Endkunden weitergegeben. Einige Betreiber haben zwar vor kurzem Tarifsysteme eingeführt, die den Kunden günstigere Bedingungen und geringere Preise bieten, doch bestehen noch immer Anzeichen dafür, dass das Verhältnis zwischen Kosten und Entgelten nicht so ist, wie es auf Märkten mit wirksamem Wettbewerb der Fall wäre.“

Dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 717/2007 ist zu entnehmen, dass diese Verordnung in Bezug auf das gemeinschaftsweite Roaming den Rechtsrahmen ergänzt und flankiert, da dieser den NRB keine ausreichenden Instrumente an die Hand gegeben hat, um wirkungsvolle und entscheidende Maßnahmen im Bereich der Preisbildung bei gemeinschaftsweiten Roamingdiensten zu treffen.

Hierzu heißt es im sechsten Erwägungsgrund der Verordnung:

„… die Arbeiten zur Analyse der nationalen Großkundenmärkte für internationales Roaming, die von den [NRB] (sowohl allein als auch in der [GER]) durchgeführt wurden, [haben] deutlich gemacht, dass eine einzelne [NRB] bislang nicht in der Lage ist, wirksam gegen das hohe Niveau der Großkundenentgelte beim gemeinschaftsweiten Roaming vorzugehen, weil es im besonderen Fall des Auslandsroamings auch aufgrund seines grenzüberschreitenden Charakters schwierig ist, überhaupt Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu ermitteln.“

In den Erwägungsgründen 8 und 9 der Verordnung Nr. 717/2007 heißt es:

„(8) Darüber hinaus ist es den [NRB], die für die Wahrung und Förderung der Interessen der regelmäßig in ihrem Land ansässigen Mobilfunkkunden zuständig sind, nicht möglich, das Verhalten des Betreibers eines besuchten Netzes in einem anderen Mitgliedstaat zu kontrollieren, von dem aber jene Kunden bei der Nutzung der Dienste für internationales Roaming abhängen. Dieses Hindernis könnte auch die Wirksamkeit etwaiger Maßnahmen untergraben, die von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage ihrer verbleibenden Kompetenzen zum Erlass von Verbraucherschutzvorschriften ergriffen werden könnten.

(9) Dementsprechend stehen die Mitgliedstaaten unter dem Druck, Maßnahmen zur Senkung der hohen Auslandsroamingentgelte zu ergreifen, jedoch hat sich der Vorabregulierungsmechanismus, der … mit de[m] Rechtsrahmen … geschaffen wurde, in dieser Einzelfrage als unzureichend erwiesen, da er diese Behörden nicht in die Lage versetzt, die Interessen der Verbraucher entschlossen zu wahren.“

Aus den Erwägungsgründen 12 und 13 dieser Verordnung geht hervor, dass diese die einzigartigen Merkmale der Roamingmärkte berücksichtigt, weshalb außergewöhnliche Maßnahmen gerechtfertigt sind, die über die durch den Rechtsrahmen vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen.

Zu den Zielen der Verordnung Nr. 717/2007 wird in ihrem 14. Erwägungsgrund ausgeführt: „Regulatorische Verpflichtungen sollten sowohl auf der Endkunden- als auch der Großkundenebene auferlegt werden, um die Interessen der Roamingkunden zu wahren, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass sich eine Senkung der Großkundenentgelte für gemeinschaftsweite Roamingdienste nicht unbedingt in niedrigeren Endkundenpreisen niederschlägt, weil es dafür keine Anreize gibt. Andererseits besteht die Gefahr, dass durch Maßnahmen zur Senkung der Endkundenpreise ohne gleichzeitige Regelung der mit der Erbringung dieser Dienste verbundenen Großkundenentgelte das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinschaftsweiten Roamingmarktes empfindlich gestört werden könnte.“

Dem 16. Erwägungsgrund der Verordnung zufolge wird mit ihr „ein gemeinsamer Ansatz [eingeführt], um sicherzustellen, dass den Nutzern terrestrischer öffentlicher Mobilfunknetze, die auf Reisen innerhalb der Gemeinschaft das gemeinschaftsweite Roaming für Telefondienste in Anspruch nehmen, für abgehende oder ankommende Anrufe keine überhöhten Preise in Rechnung gestellt werden … Angesichts des grenzüberschreitenden Charakters der betreffenden Dienste, ist ein gemeinsamer Ansatz erforderlich, damit die Mobilfunkbetreiber einen einheitlichen, kohärenten und auf objektiven Kriterien beruhenden Rechtsrahmen erhalten.“

Der in der Verordnung Nr. 717/2007 vorgesehene Regulierungsansatz sollte, wie es in ihrem 19. Erwägungsgrund heißt, „dafür sorgen, dass die für das gemeinschaftsweite Roaming berechneten Endkundenentgelte den tatsächlich mit der Erbringung des Dienstes verbundenen Kosten besser entsprechen als bisher“.

Hierzu wird im 38. Erwägungsgrund der Verordnung ausgeführt: „Da [diese] Ziele … auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend in sicherer und harmonisierter Weise rechtzeitig verwirklicht werden können und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des [EG‑]Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden.“

Zum Gegenstand der Verordnung Nr. 717/2007 bestimmt Art. 1 Abs. 1:

„Mit dieser Verordnung wird ein gemeinsamer Ansatz eingeführt, … um zur Förderung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts und unter Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den Mobilfunkbetreibern ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und auch weiterhin Anreize sowohl für Innovation als auch für die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher zu bieten. …“

Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 717/2007 ist unter „Eurotarif“ „jeder Tarif, der die in Artikel 4 vorgesehenen Höchstentgelte nicht überschreitet, welche die Heimatanbieter für die Abwicklung regulierter Roaminganrufe in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel berechnen dürfen“, zu verstehen.

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung legt das durchschnittliche Großkundenentgelt fest, das der Betreiber eines besuchten Netzes dem Betreiber des Heimatnetzes eines Roamingkunden für die Abwicklung eines regulierten Roaminganrufs aus dem betreffenden besuchten Netz höchstens berechnen darf. Dieses Entgelt einschließlich u. a. der Kosten für Verbindungsaufbau, Transit und Anrufzustellung wird anfangs auf 0,30 Euro pro Minute festgelegt, sodann auf 0,28 Euro pro Minute ab 30. August 2008 und auf 0,26 Euro pro Minute ab 30. August 2009.

In Bezug auf die Endkundenentgelte verpflichtet Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 717/2007 die Heimatanbieter, allen ihren Roamingkunden für die Abwicklung eines regulierten Roaminganrufs einen Eurotarif anzubieten, der eine Obergrenze des Entgelts von anfangs 0,49 Euro pro Minute bei allen abgehenden Anrufen und 0,24 Euro pro Minute bei allen ankommenden Anrufen nicht übersteigen darf. Die Obergrenze des Entgelts pro Minute für abgehende Anrufe wird anschließend zunächst auf 0,46 Euro und dann auf 0,43 Euro gesenkt und diejenige für ankommende Anrufe auf 0,22 Euro, dann 0,19 Euro, und zwar jeweils ab 30. August 2008 und 30. August 2009. Nach Art. 4 Abs. 3 müssen alle Roaming-Bestandskunden bis 30. Juli 2007 Gelegenheit erhalten, sich von sich aus für diesen Tarif oder jeden anderen Roamingtarif zu entscheiden, und es muss ihnen ein Zeitraum von zwei Monaten eingeräumt werden, innerhalb dessen sie ihrem Heimatanbieter ihre Entscheidung mitteilen müssen.

Art. 6 der Verordnung legt den Heimatanbietern Informations‑ und Transparenzpflichten gegenüber ihren Roamingkunden auf.

Das Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 717/2007 und dem Rechtsrahmen ist in Art. 1 Abs. 3 und Art. 10 der Verordnung geregelt. Art. 1 Abs. 3 bestimmt:

„Diese Verordnung ist eine Einzelmaßnahme im Sinne von Artikel 1 Absatz 5 der Rahmenrichtlinie.“

Art. 10 der Verordnung Nr. 717/2007 lautet:

„Dem Artikel 1 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) wird folgender Absatz angefügt:

‚(5) Diese Richtlinie und die Einzelrichtlinien gelten unbeschadet etwaiger Einzelmaßnahmen, die zur Regulierung des Auslandsroaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft erlassen werden.‘“

Die Verordnung Nr. 717/2007 sieht ferner in Art. 11 Abs. 1 vor, dass die Kommission das Funktionieren dieser Verordnung überprüft und dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union spätestens am 30. Dezember 2008 darüber Bericht erstattet. Nach Art. 13 tritt die Verordnung am 30. Juni 2010 außer Kraft.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen:

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens haben beim High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court), Klage auf gerichtliche Überprüfung der Verordnung von 2007 über Mobilfunkroaming (Mobile Roaming Regulations 2007) erhoben, mit denen bestimmte Vorschriften der Verordnung Nr. 717/2007 im Vereinigten Königreich durchgeführt werden. In der Sache fechten sie die Gültigkeit der Verordnung Nr. 717/2007 aus drei Gründen an, nämlich wegen ungeeigneter Rechtsgrundlage, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips.

Der Beklagte des Ausgangsverfahrens, der Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform, ist der Ansicht, dass das Vorbringen der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und von GSM Association unzulässig und die Anfechtung der Gültigkeit der Verordnung unbegründet ist.

Das vorlegende Gericht hat die Klage zugelassen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Verordnung (EG) Nr. 717/2007 ganz oder teilweise ungültig, weil Art. 95 EG als Rechtsgrundlage ungeeignet ist?

2. Ist Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 717/2007 (in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 3, soweit sie sich auf den Eurotarif und den Eurotarif betreffende Verpflichtungen beziehen) ungültig, weil die Festsetzung einer Obergrenze für Endkundenroamingentgelte gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und/oder das Subsidiaritätsprinzip verstößt?

Zu den Vorlagefragen:

Zur ersten Frage

Nach ständiger Rechtsprechung müssen Maßnahmen nach Art. 95 Abs. 1 EG tatsächlich das Ziel verfolgen, die Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern (Urteile vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C‑491/01, Slg. 2002, I‑11453, Randnr. 60, sowie vom 2. Mai 2006, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C‑217/04, Slg. 2006, I‑3771, Randnr. 42). Zwar genügen die bloße Feststellung von Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften und die abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten oder von Wettbewerbsverzerrungen nicht, um die Wahl von Art. 95 EG als Rechtsgrundlage zu rechtfertigen, doch kann der Gemeinschaftsgesetzgeber ihn u. a. im Fall von Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften heranziehen, wenn diese Unterschiede geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen und sich auf diese Weise unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auszuwirken (Urteil vom 12. Dezember 2006, Deutschland/Parlament und Rat, C‑380/03, Slg. 2006, I‑11573, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung) oder zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen zu führen (Urteil vom 5. Oktober 2000, Deutschland/Parlament und Rat, C‑376/98, Slg. 2000, I‑8419, Randnrn. 84 und 106).

Art. 95 EG kann ferner herangezogen werden, um der Entstehung solcher Hindernisse für den Handel infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen. Allerdings muss ihr Entstehen wahrscheinlich sein und die fragliche Maßnahme ihre Vermeidung bezwecken (Urteile vom 12. Dezember 2006, Deutschland/Parlament und Rat, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 10. Februar 2009, Irland/Parlament und Rat, C‑301/06, Slg. 2009, I‑593, Randnr. 64; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, Randnrn. 60 bis 64)

Hat ein auf Art. 95 EG gestützter Rechtsakt bereits jedes Handelshemmnis auf dem von ihm harmonisierten Gebiet beseitigt, kann der Gemeinschaftsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein, diesen Rechtsakt den Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen (vgl. in diesem Sinne Urteil British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, Randnrn. 77 und 78).

Hierzu hat der Gerichtshof in Randnr. 43 des Urteils Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat entschieden, dass die Verfasser des EG-Vertrags mit dem Ausdruck „Maßnahmen zur Angleichung“ in Art. 95 EG dem Gemeinschaftsgesetzgeber nach Maßgabe des allgemeinen Kontextes und der speziellen Umstände der zu harmonisierenden Materie einen Ermessensspielraum hinsichtlich der zur Erreichung eines angestrebten Ergebnisses am besten geeigneten Angleichungstechnik insbesondere in den Bereichen einräumen wollten, die durch komplexe technische Eigenheiten gekennzeichnet sind.

Zudem kann sich der Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn die Voraussetzungen für die Heranziehung von Art. 95 EG als Rechtsgrundlage erfüllt sind, auf diese Grundlage stützen, auch wenn dem Verbraucherschutz bei den zu treffenden Entscheidungen maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. zum Schutz der öffentlichen Gesundheit Urteile vom 5. Oktober 2000, Deutschland/Parlament und Rat, Randnr. 88, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, Randnr. 62, und vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a., C‑154/04 und C‑155/04, Slg. 2005, I‑6451, Randnr. 30).

Im Licht aller dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Heranziehung von Art. 95 EG als Rechtsgrundlage für die Verordnung Nr. 717/2007 vorliegen.

Nach Art. 1 sowie den Erwägungsgründen 16 und 38 der Verordnung Nr. 717/2007 wird mit ihr ein gemeinsamer Ansatz eingeführt, damit den Nutzern terrestrischer öffentlicher Mobilfunknetze für gemeinschaftsweite Roamingdienste keine überhöhten Preise in Rechnung gestellt werden und die Mobilfunkbetreiber einen einheitlichen, kohärenten und auf objektiven Kriterien beruhenden Rechtsrahmen erhalten. Dadurch soll das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts gefördert werden, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und den Wettbewerb zwischen den Mobilfunkbetreibern aufrechtzuerhalten.

Wie u. a. aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 717/2007 und Nr. 1 der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung hervorgeht, war das Niveau der Endkundenentgelte der Dienste für Auslandsroaming zur Zeit des Erlasses dieser Verordnung hoch und das Verhältnis zwischen Kosten und Entgelten nicht so, wie es auf Märkten mit wirksamem Wettbewerb der Fall wäre. So ergaben sich die überhöhten Endkundenentgelte aus hohen Großkundenentgelten der ausländischen Netzbetreiber, in vielen Fällen aber auch aus hohen Endkundenaufschlägen der Heimatanbieter.

Außerdem geht daraus hervor, dass das hohe Niveau der Endkundenentgelte von den NRB, staatlichen Einrichtungen und Verbraucherschutzverbänden gemeinschaftsweit als anhaltendes Problem betrachtet wurde und die Versuche, dieses Problem innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens zu lösen, keine Senkung der Entgelte bewirkt hatten.

Insbesondere hatte der Rechtsrahmen, wie er sich aus den zur Zeit des Erlasses der Verordnung Nr. 717/2007 geltenden Vorschriften ergab, den NRB, wie den Erwägungsgründen 7 und 8 der Verordnung zu entnehmen ist, keine – im Hinblick auf die besonderen Merkmale der Roamingmärkte auf Großkundenebene und des grenzüberschreitenden Charakters der betroffenen Dienste – ausreichenden Instrumente zur Verfügung gestellt, um wirkungsvolle und entscheidende Maßnahmen insbesondere in Bezug auf die hohen Großkundenentgelte dieser Dienste zu treffen, von denen die Endkundenentgelte abhängen. Hierzu stellte der Gemeinschaftsgesetzgeber fest, dass die NRB Schwierigkeiten gehabt hätten, Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu ermitteln, und es ihnen nicht möglich gewesen sei, das Verhalten des Betreibers eines besuchten Netzes in einem anderen Mitgliedstaat zu kontrollieren, von dem aber die Kunden bei der Nutzung der Dienste für gemeinschaftsweites Roaming abhingen.

Vor diesem Hintergrund hielt es der Gemeinschaftsgesetzgeber, wie sich aus den Erwägungsgründen 4 und 12 der Verordnung Nr. 717/2007 ergibt, für erforderlich, die Regelungen des Rechtsrahmens zu ergänzen und zu flankieren, indem er auf der Grundlage eines anderen konzeptionellen Ansatzes diese Verordnung als Einzelmaßnahme der Vorabregulierung unter Berücksichtigung der einzigartigen Merkmale der Roamingmärkte erließ, um der Unzulänglichkeit dieses Rahmens abzuhelfen. Der Gesetzgeber führte hierzu im vierten Erwägungsgrund aus, dass der betreffende Rahmen den NRB keine ausreichenden Instrumente an die Hand gegeben habe, um wirkungsvolle und entscheidende Maßnahmen im Bereich der Preisbildung bei gemeinschaftsweiten Roamingdiensten zu treffen, und deshalb nicht das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für diese Dienste gewährleiste. Die betreffende Verordnung sei daher ein geeignetes Mittel, diesen Mangel zu beheben.

Ebenfalls in diesem Zusammenhang nahm der Gemeinschaftsgesetzgeber im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 717/2007 im Einklang mit den Ausführungen in Nr. 1 der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung auf die verbleibenden Kompetenzen der Mitgliedstaaten zum Erlass von Verbraucherschutzvorschriften Bezug und vertrat die Ansicht, dass die diesen Kontext kennzeichnenden Umstände die Wirksamkeit etwaiger von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieser Kompetenzen ergriffener Maßnahmen untergraben könnten.

Daraus schloss der Gemeinschaftsgesetzgeber im neunten Erwägungsgrund der Verordnung, dass die Mitgliedstaaten unter dem Druck gestanden hätten, Maßnahmen zur Senkung der hohen Endkundenentgelte für gemeinschaftsweite Roamingdienste zu ergreifen, was außerdem von der Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde.

Der Gemeinschaftsgesetzgeber sah sich demnach konkret einer Situation gegenüber, in der der Erlass nationaler Maßnahmen zur Senkung der hohen Endkundenentgelte für gemeinschaftsweite Roamingdienste mit Hilfe von Regeln für die Festsetzung der Endkundenentgelte wahrscheinlich erschien. Wie aus Nr. 1 der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung und Nr. 2.4 der Folgenabschätzung hervorgeht, hätten solche Maßnahmen zu einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften führen können.

Angesichts dieser Umstände und, wie bereits in Randnr. 38 des vorliegenden Urteils festgestellt, darauf bedacht, den Wettbewerb zwischen den Mobilfunkbetreibern aufrechtzuerhalten, entschied sich der Gemeinschaftsgesetzgeber zum Handeln, um den Maßnahmen zuvorzukommen, die die Mitgliedstaaten auf der Grundlage ihrer verbleibenden Kompetenzen auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes wahrscheinlich ergriffen hätten.

In Anbetracht der Funktionsweise der Roamingmärkte, wie sie in den Randnrn. 7 bis 11 des vorliegenden Urteils beschrieben worden ist, und angesichts der erheblichen Wechselwirkungen zwischen den Endkunden- und den Großkundenentgelten für Roamingdienste hätte eine heterogene Entwicklung nationaler Rechtsvorschriften, die nur auf die Senkung der Endkundenentgelte zielen, ohne gleichzeitig die mit der Erbringung gemeinschaftsweiter Roamingdienste verbundenen Großkundenentgelte zu regeln, spürbare Wettbewerbsverzerrungen verursachen und das ordnungsgemäße Funktionieren des Markts für gemeinschaftsweites Roaming empfindlich stören können, wie sich aus dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 717/2007 ergibt. In einer solchen Situation war der Gemeinschaftsgesetzgeber berechtigt, das in Randnr. 38 des vorliegenden Urteils festgestellte Ziel der Förderung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts zu verfolgen.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Verordnung Nr. 717/2007 tatsächlich bezweckt, die Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern, und auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassen werden konnte.

Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass ihre Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 717/2007 berühren könnte.

Zur zweiten Frage

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 717/2007 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Subsidiaritätsprinzip verstößt, weil sie nicht nur für die durchschnittlichen Großkundenentgelte pro Minute, sondern auch für die Endkundenentgelte Obergrenzen festsetzt und weil sie Pflichten zur Information über die Endkundenentgelte zugunsten der Roamingkunden vorsieht.

Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Nach ständiger Rechtsprechung gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und verlangt, dass die von einer Gemeinschaftsbestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (Urteil vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a., C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, Slg. 2005, I‑10423, Randnr. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit der Einhaltung dieser Voraussetzungen betrifft, hat der Gerichtshof dem Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten ein weites Ermessen in Bereichen zugebilligt, in denen seine Tätigkeit sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt und in denen er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen muss. Es geht somit nicht darum, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche war; sie ist vielmehr nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, Slg. 2001, I‑5689, Randnrn. 82 und 83, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, Randnr. 123, Alliance for Natural Health u. a., Randnr. 52, und vom 7. Juli 2009, S.P.C.M. u. a., C‑558/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 42).

Selbst wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber über eine solche Befugnis verfügt, ist er jedoch verpflichtet, seine Entscheidung auf objektive Kriterien zu stützen. Außerdem muss er bei der Beurteilung der mit verschiedenen möglichen Maßnahmen verbundenen Belastungen prüfen, ob die mit der gewählten Maßnahme angestrebten Ziele sogar beträchtliche negative wirtschaftliche Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2005, Tempelman und van Schaijk, C‑96/03 und C‑97/03, Slg. 2005, I‑1895, Randnr. 48, vom 15. Dezember 2005, Griechenland/Kommission, C‑86/03, Slg. 2005, I‑10979, Randnr. 96, und vom 12. Januar 2006, Agrarproduktion Staebelow, C‑504/04, Slg. 2006, I‑679, Randnr. 37).

Der Gerichtshof hat daher auf der Grundlage der oben genannten Kriterien zu prüfen, ob, wie insbesondere die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens geltend machen, die Verordnung Nr. 717/2007 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, weil sie sich nicht darauf beschränkt, die Obergrenze für das Großkundenentgelt festzusetzen, sondern auch Obergrenzen für Endkundenentgelte und Pflichten zur Information über die Endkundenentgelte zugunsten der Roamingkunden vorsieht.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission vor der Erarbeitung des Vorschlags für eine Verordnung eine umfassende Prüfung vorgenommen hat, deren Ergebnis in der in Randnr. 5 des vorliegenden Urteils erwähnten Folgenabschätzung zusammengefasst ist. Daraus ergibt sich, dass sie verschiedene Optionen in diesem Bereich untersucht hat, darunter die Regulierung nur der Endkundenentgelte, nur der Großkundenentgelte oder beider, und dass sie die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser verschiedenen Arten von Regulierungen sowie die Wirkungen der unterschiedlichen Modalitäten der Preisbildung bewertet hat.

Die Festlegung der Entgeltobergrenzen für die Erbringung von Roamingdiensten auf Endkundenebene mit Hilfe des in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 717/2007 vorgesehenen Eurotarifs soll u. a., wie sich insbesondere aus Art. 1 sowie den Erwägungsgründen 14 und 16 dieser Verordnung ergibt, dafür sorgen, dass den Nutzern öffentlicher Mobilfunknetze niedrigere Preise für diese Dienste in Rechnung gestellt werden, um die Verbraucher zu schützen.

Ferner geht insbesondere aus dem 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 717/2007 hervor, dass die Einführung des Eurotarifs eine bessere Ausrichtung der für das gemeinschaftsweite Roaming berechneten Endkundenentgelte an den tatsächlich mit der Erbringung dieser Dienste verbundenen Kosten bewirken sollte als bisher.

Wie sich aus Randnr. 39 des vorliegenden Urteils ergibt, war das Niveau des durchschnittlichen Endkundenentgelts für einen Roaminganruf in der Gemeinschaft zur Zeit des Erlasses der Verordnung Nr. 717/2007 hoch und das Verhältnis zwischen Kosten und Entgelten nicht so, wie es auf Märkten mit wirksamem Wettbewerb der Fall gewesen wäre. So betrug das durchschnittliche Endkundenentgelt für einen Roaminganruf seinerzeit 1,15 Euro pro Minute, d. h., wie aus der Zusammenfassung in der Folgenabschätzung hervorgeht, mehr als fünfmal so viel wie die tatsächlichen Kosten der Abwicklung des betreffenden Großkundendienstes.

Der in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 717/2007 vorgesehene Eurotarif liegt erheblich unter diesem Durchschnittsentgelt. Zudem orientieren sich die dort festgelegten Entgeltobergrenzen, wie Nr. 3 der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung zu entnehmen ist, an den entsprechenden Obergrenzen für Großkundenentgelte, um die Endkundenentgelte genauer an den Kosten der Anbieter auszurichten.

Unter diesen Umständen ist die in der betreffenden Bestimmung vorgenommene Einführung von Entgeltobergrenzen auf Endkundenebene als zum Schutz der Verbraucher gegen überhöhte Entgelte geeignet anzusehen.

Die Erforderlichkeit der streitigen Maßnahme wird damit bestritten, dass diese Maßnahme im Hinblick auf den intensiven Wettbewerb auf den Endkundenmärkten über das hinausgehe, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich sei. Ein weniger strenger und die Verhältnismäßigkeit besser wahrender Ansatz hätte darin bestanden, nur die Großkundenentgelte zu regulieren, dabei durch das freie Wirken des Wettbewerbs nach den Regeln von Angebot und Nachfrage gleichwohl eine Senkung der Endkundenentgelte zu erreichen und den NRB freizustellen, im Fall von Marktstörungen auf der Grundlage genau definierter Regulierungskriterien einzugreifen.

Insoweit geht insbesondere aus dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 717/2007 hervor, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber von der Feststellung ausgegangen ist, dass sich eine Senkung der Großkundenentgelte nicht unbedingt in niedrigeren Endkundenentgelten niederschlage, weil es dafür keine Anreize gebe.

Unter Bezugnahme auf die Begründung des Vorschlags für eine Verordnung, der dem Gemeinschaftsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung Nr. 717/2007 als Grundlage diente, machen das Parlament und die Kommission u. a. geltend, dass eine Regulierung nur des Markts für gemeinschaftsweite Roamingdienste auf Großkundenebene angesichts des mangelnden Wettbewerbsdrucks nicht sichergestellt hätte, dass die Betreiber eine Senkung der Großkundenentgelte an die Endkunden weiterreichen würden. Die Erfahrung habe gezeigt, dass eine Senkung der Großkundenentgelte nicht zwingend zu sinkenden Endkundenentgelten führe.

Der Rat hat hierzu erläutert, dass der Gesetzgeber eine Überwachung der Endkundenentgelte insbesondere deshalb für notwendig erachtet habe, weil in diesem spezifischen Bereich der Wettbewerb in Bezug auf die Endkundenentgelte hauptsächlich auf der Ebene des gesamten Paketangebots stattfinde und für die Mehrheit der Verbraucher das Roaming nur ein untergeordneter Bestandteil dieses Pakets sei, so dass es weder bei der Wahl des Betreibers noch bei der Entscheidung, ihn zu wechseln, eine entscheidende Rolle spiele.

Die Organe, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, haben darüber hinaus auf die Folgenabschätzung Bezug genommen, aus der hervorgeht, dass die Dynamik der Roamingmärkte als komplex und im Fluss begriffen angesehen wurde, so dass die Gefahr bestand, dass eine Senkung der Großkundenentgelte nicht an die Endkunden weitergegeben würde. Außerdem ist ihr zu entnehmen, dass es deshalb ratsamer wäre, zugleich die Endkundenentgelte zu regulieren. Eine solche Gefahr hat die GER im Übrigen in Nr. 3.12 ihrer Antwort vom 22. März 2006, die sie während der der Folgenabschätzung vorausgegangenen öffentlichen Konsultation erteilte, insbesondere für diejenigen Mitgliedstaaten eingeräumt, auf deren Märkten weniger Wettbewerb herrscht.

Zudem ist festzustellen, dass eine Regulierung nur der Großkundenentgelte keine unmittelbaren und sofortigen Wirkungen zugunsten der Verbraucher hervorgerufen hätte. Vielmehr konnte allein eine Regulierung der Endkundenentgelte ihre Lage unmittelbar verbessern.

Wie sich aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 717/2007 ergibt, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber ferner eingeräumt, dass die erlassenen Maßnahmen außergewöhnlichen Charakter hätten, der durch die einzigartigen Merkmale der Roamingmärkte gerechtfertigt sei.

Unter diesen Umständen und insbesondere im Hinblick auf das weite Ermessen, über das der Gemeinschaftsgesetzgeber in dem betreffenden Bereich verfügt und das wirtschaftliche Entscheidungen verlangt, bei denen er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen muss, durfte er berechtigterweise annehmen, dass eine Regulierung nur der Großkundenmärkte nicht dasselbe Ergebnis erzielen würde wie eine Regulierung der hier in Rede stehenden Art, die sowohl Großkunden‑ als auch Endkundenmärkte erfasst, und dass eine solche Regulierung deshalb erforderlich sei.

In Anbetracht der Bedeutung schließlich, die dem Ziel des Verbraucherschutzes im Rahmen von Art. 95 Abs. 3 EG zukommt, steht ein Eingriff auf einem dem Wettbewerb unterliegenden Markt, der zeitlich begrenzt ist und die Verbraucher unverzüglich vor überhöhten Entgelten schützt, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, selbst wenn er möglicherweise negative wirtschaftliche Folgen für einzelne Betreiber hat, in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Ziel.

Daher ist festzustellen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber dadurch, dass er in Art. 4 der Verordnung Nr. 717/2007 zusätzlich zu den Obergrenzen für Großkundenentgelte Obergrenzen für Endkundenentgelte erlassen hat, nicht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten hat. Das Gleiche gilt für die in Art. 6 Abs. 3 dieser Verordnung vorgesehene Informationspflicht, da diese Bestimmung die praktische Wirksamkeit der Regulierung der Endkundenentgelte verstärkt und deshalb durch das Ziel des Verbraucherschutzes gerechtfertigt ist.

Folglich verstoßen die Art. 4 und 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 717/2007 nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Zum Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Subsidiaritätsprinzip in Art. 5 Abs. 2 EG niedergelegt ist und in dem dem Vertrag beigefügten Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit konkretisiert wird; danach wird die Gemeinschaft in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. Das betreffende Protokoll stellt außerdem in seiner Nr. 5 Leitlinien für die Prüfung der Frage auf, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Zu Gesetzgebungsakten bestimmen die Nrn. 6 und 7 des Protokolls, dass die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft nicht über das erforderliche Maß hinausgehen und bei Maßnahmen der Gemeinschaft so viel Raum für nationale Entscheidungen bleiben sollte, wie dies im Einklang mit dem Ziel der Maßnahme und den Anforderungen des Vertrags möglich ist.

Ferner heißt es in Nr. 3 des Protokolls, dass das Subsidiaritätsprinzip nicht die Befugnisse in Frage stellt, über die die Gemeinschaft aufgrund des Vertrags entsprechend der Auslegung des Gerichtshofs verfügt.

Zu Art. 95 EG hat der Gerichtshof entschieden, dass das Subsidiaritätsprinzip Anwendung findet, wenn sich der Gemeinschaftsgesetzgeber auf diese Rechtsgrundlage stützt, da sie ihm keine ausschließliche Zuständigkeit für die Regelung der wirtschaftlichen Tätigkeiten im Binnenmarkt verleiht (Urteil British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, Randnr. 179).

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in dem Bestreben, wirksamen Wettbewerb zwischen den Mobilfunkbetreibern aufrechtzuerhalten, mit dem Erlass der Verordnung Nr. 717/2007 einen gemeinsamen Ansatz eingeführt hat, um insbesondere das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu fördern und es dadurch den Betreibern zu ermöglichen, in einem einheitlichen und kohärenten Rechtsrahmen tätig zu werden.

Wie sich aus dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung ergibt, bestehen erhebliche Wechselwirkungen zwischen den Endkunden- und den Großkundenentgelten für Roamingdienste, so dass jede Maßnahme, die nur auf die Senkung der Endkundenentgelte zielt, ohne gleichzeitig die mit der Erbringung gemeinschaftsweiter Roamingdienste verbundenen Großkundenentgelte zu regeln, das ordnungsgemäße Funktionieren des Markts für gemeinschaftsweites Roaming empfindlich hätte stören können. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat daraus gefolgert, dass sein Handeln einen gemeinsamen Ansatz auf der Ebene sowohl der Großkunden‑ als auch der Endkundenentgelte verlangte, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für solche Dienste zu fördern.

Infolge dieser Wechselwirkungen durfte der Gemeinschaftsgesetzgeber berechtigterweise annehmen, dass sein Handeln auch einen Eingriff auf der Ebene der Endkundenentgelte umfassen müsste. Aufgrund der Wirkungen des mit der Verordnung Nr. 717/2007 eingeführten gemeinsamen Ansatzes konnte das mit ihr verfolgte Ziel demnach besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden.

Art. 4 und Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 717/2007 sind daher nicht wegen Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip ungültig.

Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass ihre Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Art. 4 und Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 717/2007 berühren könnte.

Kosten:

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer)

für R e c h t erkannt:

Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 717/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2007 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG berühren könnte.

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