Tonträger-Sampling die Zweite
Amtlicher Leitsatz:
Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ist bei der Benutzung fremder Tonaufnahmen ausgeschlossen, wenn es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. November 2008 – I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 Metall auf Metall I).
Bundesgerichtshof
Urteil vom 13.12.2012
Az.: I ZR 182/11
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2012 durch die Richter …
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg – 5. Zivilsenat – vom 17. August 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe „Kraftwerk“. Diese veröffentlichte im Jahre 1977 einen Tonträger, auf dem sich unter anderem das Musikstück „Metall auf Metall“ befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels „Nur mir“, den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur in zwei Versionen eingespielt hat. Diese Musikstücke befinden sich auf zwei im Jahre 1997 erschienenen Tonträgern.
Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ elektronisch kopiert („gesampelt“) und dem Titel „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene Rhythmussequenz selbst einzuspielen. Sie meinen, die Beklagten hätten damit ihre Rechte als Tonträgerhersteller und ausübende Künstler verletzt. Hilfsweise stützen sie sich auf die Verletzung des Urheberrechts des Klägers zu 1, der den Titel komponiert und die Nutzungsrechte in den von ihnen gemeinsam betriebenen Musikverlag eingebracht habe. Äußerst hilfsweise leiten sie ihre Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz her.
Die Kläger haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2007, 3). Auf die Revision der Beklagten hat der Senat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urteil vom 20. November 2008 – I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 – Metall auf Metall I). Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen (GRUR-RR 2011, 396). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten seien den Klägern zur Unterlassung, zum Schadensersatz, zur Auskunftserteilung und zur Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung verpflichtet, weil sie die Tonträgerherstellerrechte der Kläger an der Aufnahme „Metall auf Metall“ verletzt hätten. Das den beiden Aufnahmen des Titels „Nur mir“ durchgängig unterlegte Schlagzeugsample sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Takten 19 und 20 der Aufnahme „Metall auf Metall“ entnommen worden. Die Beklagten könnten sich nicht in entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG auf ein Recht zur freien Benutzung der Tonaufnahme berufen. Die Kläger hätten nachgewiesen, dass die Beklagten in der Lage gewesen wären, die übernommene Rhythmussequenz selbst herzustellen.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig und insbesondere hinreichend bestimmt.
Ein Kläger, der ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet, verstößt zwar gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt genug zu bezeichnen, wenn er dem Gericht im Wege der alternativen Klagehäufung die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt (BGH, Beschluss vom 24. März 2011 – I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 6 bis 12 – TÜV I; Urteil vom 19. April 2012 – I ZR 86/10, GRUR 2012, 1145 Rn. 17 = WRP 2012, 1392 Pelikan). Geht der Kläger aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt (vgl. zum Urheberrecht BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 – I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 Rn. 17 = WRP 2007, 996 – Staatsgeschenk). Im Streitfall liegen danach insofern drei unterschiedliche Streitgegenstände vor, als die Kläger ihr Begehren auf ihr Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller, auf ihr Leistungsschutzrecht als ausübende Künstler und auf das Urheberrecht des Klägers zu 1 am Musikwerk stützen. Ein weiterer Streitgegenstand liegt insofern vor, als die Kläger ihre Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz herleiten.
Ein Kläger kann jedoch dem Bestimmtheitsgebot noch in der Revisionsinstanz nachkommen, indem er durch Angabe der Reihenfolge, in der er die Rechte aus den verschiedenen Klagegründen geltend macht, von der alternativen zur eventuellen Klagehäufung übergeht (vgl. BGHZ 189, 56 Rn. 13 – TÜV I; BGH, GRUR 2012, 1145 Rn. 23 – Pelikan). Die Kläger haben in der Revisionsinstanz klargestellt, dass sie ihre Ansprüche in erster Linie auf ihr Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller, hilfsweise auf ihr Leistungsschutzrecht als ausübende Künstler, weiter hilfsweise auf das Urheberrecht des Klägers zu 1 am Musikwerk und äußerst hilfsweise auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz stützen.
II. Den Klägern stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 97 Abs. 1 UrhG aF), auf Auskunftserteilung (§ 242 BGB) und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung (§ 98 UrhG aF) zu.
1. Die Beklagten haben in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger aus § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG eingegriffen, indem sie dem von den Klägern hergestellten Tonträger im Wege des Sampling zwei Takte einer Rhythmussequenz des Titels „Metall auf Metall“ entnommen und diese dem Stück „Nur mir“ unterlegt haben. Durch die Verwendung der fremden Tonaufnahme bei der Herstellung des eigenen Tonträgers und das anschließende Inverkehrbringen dieses Tonträgers haben sie in das ausschließliche Recht der Kläger eingegriffen, den von ihnen hergestellten Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 8 bis 18 – Metall auf Metall I).
2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagten sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger nicht mit Erfolg auf das Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen können, weil es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene Rhythmussequenz selbst herzustellen.
a) Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. Die Vorschrift ist hier nicht unmittelbar anwendbar, weil sie nach ihrem Wortlaut die Benutzung des Werkes eines anderen voraussetzt; die Regelung ist jedoch im Falle der Benutzung eines fremden Tonträgers grundsätzlich entsprechend anwendbar (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 20 f. – Metall auf Metall I). Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG scheidet nach der Rechtsprechung des Senats allerdings unter anderem dann aus, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 23 – Metall auf Metall I). An dieser Einschränkung des Rechts zur freien Benutzung eines fremden Tonträgers hält der Senat trotz der von der Revision und im Schrifttum geäußerten Bedenken fest (kritisch Schack, JZ 2009, 475, 476 f.; Stieper, ZUM 2009, 223, 225; Hoeren, MMR 2009, 257, 258; Lindhorst, GRUR 2009, 406, 409; Röhl, K&R 2009, 172, 174 f.; ders., K&R 2011, 660 f.; Oebbecke, Der „Schutzgegenstand“ der verwandten Schutzrechte, Diss. Köln 2011, S. 306 ff.).
Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG ist es, Freiraum für eine schöpferische Auseinandersetzung mit bestehenden Werken zu schaffen (Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 24 UrhG Rn. 1; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 24 UrhG Rn. 2) und damit eine kulturelle Fortentwicklung zu ermöglichen. Dem liefe es zuwider, wenn zwar der Urheber eine freie Benutzung seines Werkes hinnehmen müsste, der Tonträgerhersteller aber eine freie Benutzung des das Werk enthaltenden Tonträgers verhindern könnte. Muss selbst der Urheber eine Beschränkung seines Urheberrechts hinnehmen, ist auch dem Tonträgerhersteller eine Einschränkung seines Leistungsschutzrechts zuzumuten (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 21 – Metall auf Metall I, mwN).
Aus dem Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 UrhG, eine Fortentwicklung des Kulturschaffens zu ermöglichen, ergibt sich allerdings nicht nur der Grund, sondern auch eine Grenze für eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung. Ist derjenige, der die auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, imstande, diese selbst herzustellen, stehen die Rechte des Tonträgerherstellers einer Fortentwicklung des Kulturschaffens nicht im Wege. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in seine unternehmerische Leistung keine Rechtfertigung (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 23 – Metall auf Metall I).
aa) Die unterschiedlichen rechtlichen Maßstäbe, die danach für die freie Benutzung von Musikwerken einerseits und Tonträgern andererseits gelten, stehen nicht im Widerspruch zum Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. zum Gleichheitssatz BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 16/11, NJW 2012, 2719, 2720 mwN). Die im Vergleich zur freien Benutzung von Werken nach § 24 Abs. 1 UrhG zusätzliche Voraussetzung, dass der Entlehnende die Tonaufnahme nicht selbst herzustellen vermag, ist im Blick darauf gerechtfertigt, dass das Urheberrecht am Musikwerk und das Leistungsschutzrecht am Tonträger unterschiedliche Schutzgegenstände haben (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 16 Metall auf Metall I, mwN).
Das Urheberrecht schützt das Werk als persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) und weist dem Urheber das ausschließliche Recht zu dessen Verwertung zu (§ 15 UrhG). Wer ein fremdes Werk zu eigenem Schaffen benutzen möchte, kann sich dem Erfordernis einer Einwilligung des Urhebers nicht dadurch entziehen, dass er zunächst dieses Werk reproduziert und sodann die Reproduktion zur Grundlage seines Schaffens macht. Bereits die Reproduktion stellt als körperliche Festlegung der geistigen Schöpfung eine nur mit Einwilligung des Urhebers zulässige Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und damit Verwertung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) des Werkes dar. Wer ein fremdes Werk zu eigenem Schaffen verwenden und seine Schöpfung ohne Zustimmung des Urhebers verwerten möchte, ist dazu nur berechtigt, wenn die Voraussetzungen einer freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG vorliegen. Ihm kann daher nicht entgegengehalten werden, er sei auf das Recht zur freien Benutzung des fremden Werkes nicht angewiesen, weil er zu einer Reproduktion dieses Werkes und zur Benutzung dieser Reproduktion in der Lage sei.
Schutzgegenstand des § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist nicht der Tonträger oder die Tonfolge selbst, sondern die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 13 – Metall auf Metall I, mwN). Wer auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, ist deshalb – soweit diese keinen Urheberrechtsschutz genießen – aus rechtlichen Gründen nicht daran gehindert, sie selbst einzuspielen (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 17 – Metall auf Metall I, mwN). Die Fortentwicklung des Kunstschaffens kann durch die Ausübung des Tonträgerherstellerrechts daher nur behindert werden, wenn eine Reproduktion der Tonaufnahme aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Ist eine Reproduktion der Tonaufnahme möglich, ist eine Beeinträchtigung der kulturellen Fortentwicklung grundsätzlich ausgeschlossen und eine Einschränkung des Tonträgerherstellerrechts durch das Recht zur freien Benutzung nicht gerechtfertigt.
bb) Die Revision macht weiter ohne Erfolg geltend, der Senat stelle bei der entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG auf Klangfragmente andere Anforderungen als bei der entsprechenden Anwendung dieser Bestimmung auf Laufbilder, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gebe.
Der Senat hat in den von der Revision herangezogenen Entscheidungen allerdings ausgeführt, bei der entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG auf Laufbilder gälten grundsätzlich keine anderen Anforderungen als bei der unmittelbaren Anwendung auf Werke (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 I ZR 42/05, GRUR 2008, 693 Rn. 25 = WRP 2008, 1121 – TV-Total) und komme es nicht auf die Erforderlichkeit der Übernahme an (BGH, Urteil vom 13. April 2000 – I ZR 282/97, GRUR 2000, 703, 704 = WRP 2000, 1243 – Mattscheibe). Diese Ausführungen betreffen allerdings – anders als hier – Fallgestaltungen, in denen sich das neue Werk mit der benutzten Vorlage nach Darstellung des Entlehnenden kritisch auseinandersetzt und die Fragestellung, ob das neue Werk zu dem aus der Vorlage Entlehnten einen so großen inneren Abstand hält, dass es als ein selbständiges Werk anzusehen ist (vgl. BGH, GRUR 2000, 703, 704 Mattscheibe; GRUR 2008, 693 – TV-Total). Ob in einer vergleichbaren Fallgestaltung möglichweise ähnliche Überlegungen für die Übernahme von Tonfolgen zu gelten haben, ist offen und braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.
cc) Entgegen der Ansicht der Revision ist es auch im Blick darauf, dass das Sampling von Musiksequenzen als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen ist, nicht nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geboten, der Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG bei durch Sampling von Tonfolgen geschaffenen Kunstwerken zu einem weiteren Anwendungsbereich zu verhelfen als bei nichtkünstlerischen Musikwerken. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantiert die Freiheit der Betätigung im Kunstbereich umfassend. Die Kunstfreiheit ist dabei zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Die Schranken ergeben sich aus den Grundrechten anderer Rechtsträger wie der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, die den Schutz des geistigen Eigentums und hier insbesondere des Leistungsschutzrechts des Tonträgerherstellers erfasst. Auch das Eigentum ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet, sondern gebietet im Bereich des Urheberrechts lediglich die grundsätzliche Zuordnung der vermögenswerten Seite dieses Rechts an den Rechtsinhaber. Sachgerechte Maßstäbe für die Grenzen ergeben sich beispielsweise aus den Schrankenbestimmungen der §§ 44a ff. UrhG und der Vorschrift des § 24 UrhG. Bei der Anwendung dieser Regelungen sind die Schranken des Grundrechtsbereichs der einen Partei gegenüber dem der anderen Partei zu konkretisieren. Dabei kann die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung es verlangen, solchen Bestimmungen im Wege der Auslegung zu einem Anwendungsbereich zu verhelfen, der für Kunstwerke weiter ist als bei nichtkünstlerischen Werken (vgl. zu § 51 Nr. 2 UrhG aF BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 1 BvR 825/98, GRUR 2001, 149, 151 f. – Germania 3).
Bei der danach vorzunehmenden Interessenabwägung kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Verwendung von Samples in der Musikbranche mittlerweile weit verbreitet ist und sich die entlehnende Bezugnahme zu einer eigenen Stilrichtung entwickelt hat. Diese tatsächliche Entwicklung gebietet es jedoch – entgegen der Auffassung der Revision – auch bei einer kunstspezifischen Betrachtung nicht, dass Musikproduzenten bei ihrem künstlerischen Schaffen sich die durch § 85 Abs. 1 UrhG geschützte wirtschaftliche (organisatorisch-unternehmerische) Leistung der Tonträgerhersteller ohne deren Einwilligung und damit ohne Vergütung zu eigen machen dürfen, wenn es ihnen möglich ist, die begehrte Tonfolge ohne Eingriff in deren Rechte selbst herzustellen. Zum einen ist in diesem Fall keine unangemessene Behinderung der kulturellen Fortentwicklung zu befürchten. Zum anderen lässt sich der Kunstfreiheit kein Schutz des – unter Umständen auch von eigenen wirtschaftlichen Interessen geprägten – künstlerischen Schaffens zu denkbar günstigsten wirtschaftlichen Konditionen auf Kosten unternehmerischer Leistungen Dritter entnehmen.
dd) Soweit für die Beteiligten – wie die Revision geltend macht – Unsicherheit bei der Beurteilung besteht, ob die Übernahme einer Tonfolge in entsprechender Anwendung von § 24 Abs. 1 UrhG gestattet ist, ist dies hinzunehmen. Diese Unsicherheit können entlehnende Musikproduzenten dadurch vermeiden, dass sie die entsprechenden Rechte von den Tonträgerherstellern der Originalaufnahme erwerben, die Tonaufnahme selbst herstellen oder aber wenn ihnen dieser Aufwand als zu hoch und wirtschaftlich nicht tragbar erscheint – von einer Übernahme ganz absehen (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 17 Metall auf Metall I).
b) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die vom Berufungsgericht herangezogenen Maßstäbe zur Beurteilung der Frage, ob es möglich ist, eine Tonfolge selbst einzuspielen.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Beurteilung, ob es möglich gewesen wäre, die Tonfolge selbst einzuspielen, sei – bezogen auf den Zeitpunkt der Entnahme der fremden Tonaufnahme – auf die Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten eines durchschnittlich ausgestatteten Musikproduzenten abzustellen. Ein Nachbau der fremden Tonaufnahme sei bereits dann möglich, wenn es einem solchen Musikproduzenten gelinge, eine dem Original gleichwertige Tonaufnahme herzustellen. Eine – im naturwissenschaftlichen Sinne – vollständige Identität des Nachbaus mit dem Original sei nicht erforderlich. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Nachbau aus der Sicht des Musikproduzenten von seinen Abnehmern – hier also den Käufern eines Tonträgers aus dem Genre „Hip-Hop“ – als gleichwertig angesehen werde. Dabei sei auf die Auffassung eines mit musikalischen Fragen einigermaßen vertrauten und hierfür aufgeschlossenen Hörers abzustellen. Der Nachbau sei mit dem Original nicht isoliert, sondern nur im musikalischen Verwendungszusammenhang zu vergleichen. Unterschiede, die im direkten Vergleich wahrnehmbar seien, sich im musikalischen Zusammenhang aber nicht auswirkten, seien vom Musikproduzenten hinzunehmen.
bb) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei auf die subjektive Einschätzung des entlehnenden Musikproduzenten in Bezug auf die Erheblichkeit der Unterschiede zwischen Original und Nachbau und auf dessen individuelle musikalische oder technische Fähigkeit zur Reproduktion abzustellen. Die Frage, ob die Ausschließlichkeitsrechte des Tonträgerherstellers im Allgemeininteresse einer Fortentwicklung des Kulturschaffens einzuschränken sind, ist nur nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Andernfalls wäre ein unerfahrener oder unfähiger Produzent zur Verwertung einer fremden Tonfolge eher berechtigt als ein erfahrener und fähiger Produzent (vgl. LG Hamburg, ZUM-RD 2010, 399, 410).
cc) Die Revision macht weiter ohne Erfolg geltend, anders als das Berufungsgericht angenommen habe, sei eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG nur dann ausgeschlossen, wenn ein identischer Nachbau der übernommenen Tonfolge möglich sei. Soweit ein gleichwertiger Nachbau möglich ist, gibt es keinen sachlichen Grund für eine Übernahme der fremden Tonfolge. Unterschiede des Nachbaus gegenüber dem Original, die bei objektiver Betrachtung eines durchschnittlichen Rezipienten nicht ins Gewicht fallen, sind daher vom Musikproduzenten hinzunehmen. Will der Übernehmende diese Unterschiede vermeiden, so steht es ihm frei, die Einwilligung des Herstellers der originalen Tonaufnahme einzuholen.
c) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach diesen Maßstäben wären die Beklagten im Jahre 1997 in der Lage gewesen, einen Nachbau der aus „Metall auf Metall“ entnommenen Sequenz selbst herzustellen, der im musikalischen Zusammenhang des Stücks „Nur mir“ dem Original gleichwertig gewesen wäre. Zu dieser Überzeugung ist das Berufungsgericht insbesondere aufgrund eines Vergleichs zwischen dem Original der Tonaufnahmen und den von den Zeugen H. und L. hergestellten Nachbauten sowie einer Würdigung der Aussagen dieser Zeugen gelangt. Die dagegen gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.
aa) Dem Berufungsgericht kann entgegen der Ansicht der Revision nicht die Sachkunde zur Beurteilung der Gleichwertigkeit der Aufnahmen abgesprochen werden.
Das Berufungsgericht hat angenommen, seine Mitglieder zählten zu dem durch die Tonaufnahme angesprochenen Rezipientenkreis und seien mit musikalischen Fragen einigermaßen vertraut und hierfür aufgeschlossen. Die Revision hält dem vergeblich entgegen, es sei zweifelhaft, ob die Mitglieder des Berufungssenats zu Käufern oder Hörern von Musikstücken des Genres „Hip-Hop“ zählten, das ein Phänomen der Jugendkultur darstelle. Der Umstand, dass es sich bei „Hip-Hop“ um ein solches Phänomen handeln mag, besagt nicht, dass Musikstücke dieses Genres nur von Jugendlichen gehört werden. Es gibt daher keinen Grund für die Annahme, der mit musikalischen Fragen einigermaßen vertraute und hierfür aufgeschlossene Berufungssenat habe nicht beurteilen können, ob der Nachbau dem Original aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist.
bb) Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend dargelegt, weshalb es von einer sehr hohen Ähnlichkeit von Original und Nachbau ausgegangen sei.
Das Berufungsgericht hat die von den Zeugen H. und L. hergestellten Nachbauten im Rahmen der Beweisaufnahme zunächst isoliert im taktweisen Wechsel mit den entsprechenden Sequenzen des Originals und sodann im musikalischen Zusammenhang mit dem Intro des Titels „Nur mir“ angehört. Es hat angenommen, der Nachbau des Zeugen H. , der durch Hammerschläge auf eine Schubkarre und Schläge auf ein Zinkregal in Verbindung mit einem aus einer Klang-Bibliothek ausgewählten fertigen Sample hergestellt worden sei, weise bereits für sich genommen eine sehr hohe Ähnlichkeit mit der originalen Rhythmussequenz auf. Dies gelte sowohl für den Grundrhythmus als auch für die Tonhöhe und den Klang der Metallschläge. Im musikalischen Zusammenhang seien die ohnehin geringfügigen Unterschiede kaum noch wahrnehmbar. Dies gelte auch für den vom Zeugen H. ausschließlich aus fertigen Samples hergestellten Nachbau. Bei dem vom Zeugen L. erstellten Nachbau sei der Grundrhythmus in Takt und Klang identisch. Die Metallschläge seien zwar im Takt identisch, aber in Tonhöhe und Klang nicht so dicht am Original wie die Nachbauten des Zeugen H. . Gleichwohl seien sie dem Original immer noch sehr ähnlich. Im musikalischen Zusammenhang wirkten sich die Unterschiede im Klang der Metallschläge selbst für einen aufmerksamen und aufgeschlossenen Hörer nicht aus.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen hinreichend deutlich erkennen, auf welche Weise und aus welchen Gründen es zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Nachbauten dem Original gleichwertig sind. Soweit die Revision musikalische Unterschiede zwischen dem Original und den Nachbauten geltend macht, setzt sie ihre eigene Beurteilung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung, ohne dabei einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.
cc) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht hätte durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H. und seiner Glaubwürdigkeit haben müssen und seine Aussage und seinen Nachbau daher nicht verwerten dürfen.
Das Berufungsgericht hat die Aussage des Zeugen H. als glaubhaft erachtet, er habe bei Anfertigung des Nachbaus nicht gewusst, welche Gegenstände die Gruppe „Kraftwerk“ zur Erzeugung der Metallschläge bei der Aufnahme von „Metall auf Metall“ benutzt habe; auch der Kläger zu 1 habe dies nicht mehr gewusst, als er mit ihm im Anschluss an die Anfertigung des ersten Gutachtens im Jahre 2010 darüber gesprochen habe. Das Berufungsgericht hat angenommen, es gebe daher keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Zeugen H. bei der Anfertigung des Nachbaus spezielles Insiderwissen zur Verfügung gestanden habe.
Die Revision macht ohne Erfolg geltend, aus dem Umstand, dass die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 14. Juni 1999 detailliert vorgetragen hätten, wie sie die Rhythmusfigur im Jahre 1976 in ihrem Studio mit Röhren, Stäben, Ketten, Hämmern, Metallflächen und Stahlblechen erzeugt hätten, folge, dass die Aussage des Zeugen H. nicht zutreffen könne. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger zu 1 dem Zeugen H. sein noch vorhandenes Wissen mitgeteilt und der Zeuge H. dieses Insiderwissen bei seinem Nachbau verwertet habe. Das Berufungsgericht hätte seine Aussage und seinen Nachbau daher nicht verwerten dürfen.
Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Kläger in ihrem Schriftsatz vom 14. Juni 1999 zur Erzeugung der Rhythmusfigur übersehen hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, angesichts der vielfältigen metallischen Gegenstände, mit denen die Gruppe „Kraftwerk“ Klänge – auch innerhalb des Stückes „Metall auf Metall“ – erzeugt habe, sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger zu 1 im Jahre 2010, als der Zeuge H. den Nachbau erstellt habe, nicht mehr gewusst habe, mit welchen Gegenständen gerade die hier fraglichen Metallschläge erzeugt worden seien, widerspricht entgegen der Ansicht der Revision auch nicht der Lebenserfahrung. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass eine Person, die sich nach 23 Jahren (hier im Jahr 1999) noch an bestimmte Umstände erinnern konnte, auch nach 34 Jahren (hier im Jahr 2010) noch an diese Umstände erinnern musste. Vielmehr entspricht es der Lebenserfahrung, dass das Erinnerungsvermögen mit zunehmendem Lebensalter abnimmt und die Erinnerung an konkrete Umstände mit zunehmendem Zeitabstand verblasst.
dd) Das Berufungsgericht ist schließlich im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, dass den Beklagten die Übernahme der Rhythmussequenz nicht deshalb gestattet ist, weil der Nachbau dieser Sequenz nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einen Zeitraum von zwei Tagen in Anspruch genommen hätte.
Eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG ist – wie ausgeführt – bei der Benutzung fremder Tonaufnahmen ausgeschlossen, wenn es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist. Dagegen kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob dem Musikproduzenten die Herstellung einer solchen Tonaufnahme zumutbar ist. Anderenfalls wären mit einem großen zeitlichen und finanziellen Aufwand hergestellte Originaltonaufnahmen weniger geschützt als Originaltonaufnahmen, die mit einem geringerem Aufwand hergestellt worden und daher leichter zu reproduzieren sind. Es ist daher unerheblich, ob ein Aufwand von zwei Tagen für den Nachbau der Rhythmussequenz – wie das Berufungsgericht angenommen hat – angesichts des Umstandes zumutbar war, dass die übernommene Sequenz einen wesentlichen Bestandteil des rhythmischen Grundgerüsts des von den Beklagten produzierten Titels „Nur mir“ darstellt.
C. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 08.10.2004 – 308 O 90/99 –
OLG Hamburg, Entscheidung vom 17.08.2011 – 5 U 48/05 –