Hauptmieter einer Wohngemeinschaft haftet nicht für illegales Filesharing der Untermieter
Landgericht Köln
Urteil vom 14.03.2013
Az.: 14 O 320/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund dieses Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerinnen gehören zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern und sind als solche Inhaber ausschließlicher Verwertungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen nationaler und internationaler Künstler.
Der Beklagte war Inhaber eines Internetanschlusses bei der U2 AG.
Von den Klägerinnen wurde die Y Gesellschaft zum Schutz geistigen Eigentums mbH (Y GmbH) mit den Ermittlungen von Rechtsverletzungen beauftragt, die über Filesharingsysteme begangen werden.
Am 15. November 2007 stellten die Klägerinnen Strafantrag. Im Rahmen der von der Staatsanwaltschaft München vorgenommenen Ermittlungen wurde von dem Internet-Serviceprovider U2 AG die Auskunft erteilt, dass um 19:16.51 Uhr die IP-Adresse ##### dem Anschluss des Beklagten zugewiesen gewesen sei. Dazu legen die Klägerinnen die Providerauskunft der U2 AG (Anlage K4, Blatt 96 der Akte) vor.
Mit Anwaltsschreiben vom 9. April 2008 (Anlage K5) mahnten die Klägerinnen den Beklagten ab. Mit Schreiben vom 18. April 2008 bat der Beklagte um Fristverlängerung, da er seine rechtlichen Möglichkeiten in Erfahrung bringen müsse und das Aufforderungsschreiben durch Postnachsendeauftrag erhalten habe. Darauf reagierten seine jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21. April 2008 (Anlage K7, Blatt 104 der Akte) und gaben – unter anderem – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung für den Beklagten ab.
Mit Schreiben vom 30. April 2012 (Anlage K8, Blatt 107 der Akte) teilte der Beklagte damit, dass 3 volljährige Personen den Internetanschluss des Beklagten genutzt hätten und mangels WLAN-Anschlusses keine weiteren Personen die Möglichkeit gehabt hätten, auf den Internetanschluss zu zugreifen.
Die Klägerinnen behaupten, dass am 14. November 2007 um 19:16.51 Uhr mitteleuropäischer Zeit unter der IP-Adresse ##### mittels einer Filesharing-Software, die auf dem Gnutella-Protokoll basiert, 522 Audio-Dateien zum Download verfügbar gemacht wurden. Die dazugehörenden Aufnahmen „Freunde bleiben“ der Künstlergruppe „Revolverheld“ und „Zeit für Optimisten“ der Künstlergruppe „Silbermond“ seien zu Beweissicherungszwecken aus diesem Gesamtangebot stichprobenartig heruntergeladen und nach Durchführung eines Hörvergleichs von dem Online-Ermittler Z als mit der Originalaufnahme übereinstimmend festgestellt worden. Dazu legen die Klägerinnen Bildschirmausdrucke vor, die mit Ansichten aus der Filesharing-Software „Bearshare“ 522 Audiodateien zeigen. Auf die Anlage K1 (Blatt 49 ff. der Akte) wird Bezug genommen. Ferner legen die Klägerinnen Auszüge aus der Protokolldatei „Capturefile.cap“ als Anlage K2 (Blatt 65 der Akte) vor und behaupten dazu, dass diese von der Y GmbH mittels der Paket-Filter-Software Wireshark erstellt worden seien und damit die gesamte beim Download der vorgenannten Musikaufnahmen stattgefundenen Kommunikation des von der Y GmbH genutzten Computers und des Computers, welcher auf Beklagtenseite mit dem Internet verbunden gewesen sei, enthalte. Die Ermittlungen seien von der Y GmbH per Hand erfolgt. Sie legen ergänzend für die beiden Downloads der Titel „Freunde bleiben“ von Revolverheld und „Zeit für Optimisten“ von Silbermond weitere Ausdrucke über den Download aus der Software Bearshare vor (Anlage K 10, Blatt 189 der Akte).
Die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen seien über einen Computer am Internetanschluss des Beklagten begangen worden. Der Internetanschluss des Beklagten sei unter der angegebenen IP-Adresse ##### am 14. November 2007 um 10:40 Uhr bis zum 15. November 2007 um 10:40 Uhr online gewesen. Die Klägerinnen sind nach der Vernehmung der Zeugen der Auffassung, dass die zu ihren Gunsten bestehende tatsächliche Vermutung der Begehung des Beklagten als Anschlussinhaber zwar entkräftet sei, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Tatbegehung durch den Zeugen N naheliege, der Beklagte aber dennoch als Internetanschlussinhaber und Hauptmieter nach den Grundsätzen der Haushaltsvorstandshaftung hafte.
Sie haben in der Anspruchsbegründung zunächst 100 Musikaufnahmen der 522 Musikaufnahmen aufgelistet ordnen diese jeweils den einzelnen Klägerinnen zugeordnet. Als Beleg dafür, dass die Klägerinnen insoweit aktivlegitimiert sind, legen sie Ausdrucke aus der Katalogdatenbank www.Media-cat.de der Q GmbH vor (Anlage K3, Blatt 67 ff. der Akte). Die Q-Datenbank diene gerade zur Standardisierung der Daten hinsichtlich der Rechteinhaberschaft. Darüber hinaus seien die Klägerinnen bei legalen Anbietern von MP3-Musikdateien innerhalb eines so genannten ID3-Tags unter der Rubrik Copyright bezeichnet, so dass gemäß § 10 Abs. 1, Abs. 3 UrhG die Vermutung der Urheberschaft der Klägerin bestehe. Mit Schriftsatz vom 8. März 2013 haben die Klägerinnen führe 300 weitere Titel unter Vorlage der entsprechenden Auszüge aus der Q Datenbank ihre Rechtsinhaberschaft vorgetragen.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass ihnen für 15 auf Blatt 22 der Anspruchsbegründung (Blatt 44 der Akte) aufgelistete Musikdateien ein Schadensersatzanspruch von jeweils 200 EUR zustehe. Ferner machen sie einen Kostenerstattungsanspruch für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten geltend und begehren bei einem zu Grunde gelegten Streitwert von 200.000,00 EUR Anwaltskosten von 2380,80 EUR.
Die Klägerinnen beantragen,
1. den Beklagten zu verurteilen,
a) an die Klägerin zu 2) 1.800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14. August 2012, Blatt 115) zu zahlen;
b) an die Klägerin zu 3) 200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14. August 2012, Blatt 115) zu zahlen;
c) an die Klägerin zu 4) 1000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14. August 2012, Blatt 115) zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen zu gleichen Teilen einen Betrag in Höhe von 2380,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14. August 2012, Blatt 115) zu zahlen.
der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, er sei zwar Hauptmieter der Wohnung in der P-Str. in Potsdam gewesen, habe jedoch in der Zeit zwischen dem 1. September 2007 und dem 31. Oktober 2008 dauerhaft in C gewohnt, wozu er einen diesbezüglichen Mietvertrag (Anlage B 1, Blatt 158 der Akte) vorlegt. Er sei dort am M-Institut für Polar- und Meeresforschung angestellt gewesen, um Arbeiten zur Erstellung seiner Diplomarbeit ausführen zu können. In der Woche vom 12. November 2007 bis 16. November 2007 habe er keinen Urlaub gehabt, wozu er ein Schreiben des Instituts vom 21. Mai 2012 (Anlage B2, Blatt 162 der Akte) vorlegt. Sein einziger Rechner, ein Desktop-PC, habe sich in dieser Zeit ebenfalls in C befunden. Wenn der Beklagte sich einmal zu Besuch in Potsdam befunden habe, sei dies ausschließlich an Wochenenden der Fall gewesen. Zum Beweis dafür, dass er sich in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum angeblichen Tatzeitpunkt am 14. November 2007 um 19:16.51 Uhr in C aufgehalten habe, legt er ferner den Screenshot einer E-Mail vor, die der Beklagte am selben Tag um 17:37.24 Uhr von der Instituts-Adresse an seine private E-Mail-Adresse gesandt habe (Anlage B 3, Blatt 163 der Akte).
Die Wohnung sei von den Herren F, N und A bewohnt gewesen, wobei die beiden Letzteren auch vor und nach dem Aufenthalt des Beklagten in C die Mitbewohner des Beklagten gewesen seien. Den Zeugen sei es gestattet gewesen, den Internetanschluss des Beklagten über ein kabelgebundenes LAN-Netzwerk zu nutzen. Diesbezüglich seien alle 3 jeweils bei ihrem Einzug vom Beklagten ausdrücklich dahingehend belehrt worden, keine Filesharing-Software auf den Rechnern in der WG zu benutzen und ein Up- und downloaden von urheberrechtlich geschützten Dateien zu unterlassen.
Es sei davon auszugehen, dass die Ermittlungen der Y GmbH fehlerhaft seien. Das Zutreffen der Ermittlungen bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen.
Selbst wenn man davon aus gehen wolle, dass die Ermittlungen zutreffend seien, sei die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten in mehrfacher Hinsicht entkräftet. Dies gelte zunächst wegen seiner längerfristigen Abwesenheit. Darüber hinaus hätten seine Mitbewohner ebenfalls die Möglichkeit zur Nutzung des Internetanschlusses gehabt und damit läge eine ernsthafte Möglichkeit einer abweichenden Geschehensablaufs vor.
Die Klägerinnen hätten auch ihre Sachbefugnis nicht nachgewiesen. Es werde auch mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerinnen die ausschließlichen Online-Verwertungsrechte hätten. Die Angaben in der Katalogdatenbank von Q würden mit Nichtwissen bestritten.
Auch der Höhe nach sei der Anspruch mit 200 EUR je Titel nicht zutreffend beziffert.
Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten hätten die Klägerinnen ebenfalls nicht. Die Voraussetzungen an eine wirksame Abmahnung seien bereits nicht erfüllt. Im Übrigen hätten die Klägerin auch keine Aufwendungen gehabt, da die Prozessbevollmächtigten gar nicht abgerechnet hätten. Dazu bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen, dass die Klägerinnen mit ihren Prozessbevollmächtigten eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vereinbart hätten.
Der Streitwert von 50.000 EUR pro Klägerin sei viel zu hoch.
Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 20. Dezember 2012 (Blatt 207 der Akten) durch Vernehmen der Zeugen F, N und A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 31. Februar 2013 (Blatt 228 ff. der Akten) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Köln örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 32 ZPO. Die Verletzungshandlung ist überall dort begangen, wo das urheberrechtlich geschützte Werk öffentlich zugänglich gemacht wird, ein Download also erfolgen kann. Insoweit besteht Begehungsgefahr jedenfalls auch im Bezirk des Landgerichts Köln, da das Angebot in Filesharing-Netzwerken bestimmungsgemäß bundesweit – und damit auch in Köln – erfolgt.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Nach den Umständen in der Wohnung in der P-Str. in Potsdam und dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht die Kammer davon aus, dass der Beklagte die behauptete Rechtsverletzung weder selbst begangen noch an ihr als Teilnehmer beteiligt war. Ferner war er für sie auch nicht als Störer verantwortlich. Gegen ihn bestehen daher keine Ansprüche der Klägerinnen auf Schadensersatz gemäß § 97 UrhG, § 832 BGB oder § 823 BGB noch Ansprüche auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten (§§ 683, 670 BGB).
Im Einzelnen:
a) Ein Anspruch aus §§ 97, 19a UrhG scheidet aus, da der Beklagte nach den gegebenen Umständen nicht selbst Täter der behaupteten Urheberrechtsverletzung war und an dieser auch nicht als Teilnehmer beteiligt war.
Zwar sind die Klägerinnen Inhaber der Nutzungsrechte an den von ihnen in der Anspruchsbegründung im Einzelnen aufgelisteten 15 Titeln und damit aktivlegitimiert. Dies ist auch angesichts des Bestreitens der Beklagten festzustellen, ohne dass hierfür eine Darlegung der jeweiligen Rechtekette durch die Klägerinnen erforderlich wäre. Dies ergibt sich durch die von den Klägerinnen vorgelegten Auszüge bezüglich dieser Titel aus der Datenbank Q, dem zentralen Einkaufskatalog für den Handel, in dem sie entsprechend aufgeführt sind. Die Eintragung in dieser Datenbank stellt nach der Rechtsprechung der Kammer ein erhebliches Indiz für die Rechteinhaberschaft dar (vergleiche dazu etwa auch OLG Köln, Entscheidungen vom 22. Juli 2011, Az. 6 U 208/10 und 6 W 78/11, sowie Urteil vom 23. März 2012, 6 U 67/11). Ähnlich verhält es sich mit den ID3-Tags, die zwar keine Vermutung gemäß § 10 Abs. 3 UrhG begründen, jedoch gleichwohl ein starkes Indiz für die Rechtsinhaberschaft darstellen (vergleiche insoweit auch OLG Köln, Urteil vom 17. August 2012 – 6 U 208/10, Seite 5). Sie löst die Obliegenheit aus, konkrete Zweifel an der Aktivlegitimation der dort ausgewiesenen Unternehmen anzuführen, und führt dazu, dass die Rechtekette an den einzelnen Titeln nur dann von Klägerseite dargelegt werden muss, wenn der als Verletzer in Anspruch Genommene über ein pauschales Bestreiten hinaus konkret vorträgt, es handele sich bei dem beanstandeten Titel um eine abweichende Version oder ihm seien Nutzungsrechte an dem Titel von dritter Seite angeboten worden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23. März 2012, 6 U 67/11). An einem solchen Vortrag fehlt es.
Die Kammer geht ferner von einem ordnungsgemäßen Ermittlungsvorgang durch die Y GmbH aus. Denn insofern haben die Klägerinnen Bildschirmausdrucke als Anlage K1 vorgelegt, die Ansichten aus der Filesharing-Software „Bearshare“ mit der Auflistung der streitgegenständlichen 522 Audiodateien zeigen. Ferner belegen die als Anlage K2 vorgelegten Auszüge aus der Protokolldatei „Capturefile.cap“ sowie die Ausdrucke der Downloadfenster ebenfalls aus der Software „Bearshare“ betreffend die beiden Testdownloads der Titel „Freunde bleiben“ von Revolverheld und „Zeit für Optimisten“ von Silbermond (Anlage K 10) das öffentliche Zugänglichmachen über die angegebenen IP-Adresse #####. Und ausweislich der als solcher gegenüber der Staatsanwaltschaft München unstreitig erteilten Auskunft der U2 AG (Anlage K4) war der Internetanschluss, dem die IP-Adresse ##### zugewiesen war, am 14. November 2007 um 10:40 Uhr bis zum 15. November 2007 um 10:40 Uhr online gewesen und handelte es sich um den Anschluss des Beklagten in der P-Str. in Potsdam. Das diesbezügliche Bestreiten des Beklagten ist unerheblich, da er keinerlei Anhaltspunkte vorträgt, die diese detaillierten und in sich stimmigen Angaben erschüttern könnten. Vor diesem Hintergrund ist das Bestreiten zu unbestimmt und daher unerheblich.
Dennoch scheidet eine täterschaftliche Haftung des Beklagten aus. Gegen den Beklagten spricht zwar im Ausgangspunkt die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzung begangen worden ist (vergleiche BGH, Urteil vom 12. Mai 2010, I ZR 121/08, Sommer unseres Lebens).
Allerdings ist die darauf aufbauende tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten im vorliegenden Fall erschüttert, als nach den Umständen und insbesondere nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass der Beklagte zum Tatzeitpunkt nicht in Potsdam war und auch keine Möglichkeit des Zugriffs auf den dortigen Internetzugang hatte, der Internetzugang vielmehr von den Zeugen F, A und N genutzt wurde. Jedenfalls aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte zwar Hauptmieter der Wohnung in der P-Str. in Potsdam war, die Wohnung aber vollständig von den 3 Zeugen bewohnt wurde und der Beklagte sich zum streitigen Zeitpunkt dort nicht aufhielt. Dies haben alle 3 Zeugen bestätigt; vor allem ergibt sich aus den Zeugenaussagen auch, dass sämtliche Zimmer in der Wohnung von den 3 Zeugen belegt waren, insbesondere das frühere Zimmer des Beklagten vom dem Zeugen F mit seinen eigenen Möbeln einschließlich des Computers bewohnt wurde, während der Beklagte am M-Institut für Polar- und Meeresforschung in C seinen regelmäßigen Aufenthalt hatte, wie auch der vorgelegte Mietvertrag ausweist. Hinzukommt, dass der Beklagte durch die Bestätigung seines damaligen Arbeitgebers (Anlage B2) belegt hat, am streitgegenständlichen Tag, einem Mittwoch, keinen Urlaub gehabt zu haben, was stark dafür spricht, dass er sich auch in C und nicht im weit entfernten Potsdam aufgehalten hat.
Dies sehen inzwischen auch die Klägerinnen so.
Dafür, dass der Beklagte als Anstifter oder Gehilfe an der Tat eines Dritten beteiligt gewesen sein könnte und aus diesem Grunde auf Schadensersatz haften würde, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich; jedenfalls fehlt es am Vorsatz des Beklagten hinsichtlich der Haupttat durch einen der 3 Zeugen in Potsdam. Selbst wenn der Beklagte – wofür Anhaltspunkte fehlen – allgemein gewusst und gebilligt hätte, dass einer der 3 Zeugen den Internetzugang zur Teilnahme an Peer-to-Peer-Netzwerken nutzte, ergab sich daraus noch nicht, dass er von den konkret in Rede stehenden Rechtsverletzungen Kenntnis hatte.
b) Der Beklagte haftet auch nicht nach § 832 BGB wegen der Verletzung von Aufsichtspflichten auf Schadensersatz. Denn eine Aufsichtspflicht im Sinne von § 832 Abs. 1 BGB traf den Beklagten hinsichtlich der 3 Zeugen nicht. Auch eine vertragliche Verpflichtung über die Führung der Aufsicht über die 3 Zeugen hat der Beklagte jedenfalls gegenüber den Klägerinnen nicht übernommen. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus dem Untermietverhältnis zwischen den Zeugen und dem Beklagten, da dieses im Verhältnis zu den Klägerinnen keine Rechtswirkungen entfaltet. Gegen einen entsprechenden Bindungswillen des Beklagten im Verhältnis zu den Klägerinnen spricht, dass es vor den streitgegenständlichen Vorgängen keine Berührungspunkte zwischen den Parteien und damit keinen Anlass für die Übernahme einer solchen Aufsichtsverpflichtung gerade gegenüber den Klägerinnen gab.
c) Schließlich haftet der Beklagte auch nicht auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Haftung als Haushaltsvorstand. Zwar kommt eine solche Haftung nach der Rechtsprechung der Kammer in Betracht, wenn der Anschlussinhaber Mitgliedern seines Haushalts den Zugang zu dem Internetanschluss gewährt, ohne die ihn in diesem Falle als Haushaltsvorstand treffenden Aufsichtspflichten zu genügen. Eine derartige Haftung scheidet im vorliegenden Fall jedoch bereits deshalb aus, weil die 3 Zeugen nicht Mitglieder des Haushalts des Beklagten waren. Wie bereits dargelegt hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Beklagte überhaupt nicht mehr in der Wohnung in der P-Str. in Potsdam wohnte, sondern allein die 3 Zeugen die Wohnung nutzen. Nach der insoweit gut nachvollziehbaren Darstellung der Zeugen gab es kein Zimmer, in dem der Beklagte hätte unterkommen können, sondern er hat vielmehr bei seiner ebenfalls in Potsdam lebenden Mutter beziehungsweise bei Freunden übernachtet, wenn er sich in Potsdam aufhielt.
d) Der Beklagte haftet auch nicht als Inhaber des Internetanschlusses für die streitbefangenen Urheberrechtsverletzungen unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung oder unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht.
Zu den Grundlagen der Störerhaftung, die im vorliegenden Fall anzuwenden sind, kann auf die Ausführungen im Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Mai 2012 – 6 U 239/11 – wie folgt Bezug genommen werden:
Als Störer kann analog § 1004 BGB bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 [Rn. 45] – Kinderhochstühle im Internet). Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH, GRUR 2004, 438 [442] – Feriendomizil I). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenem eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 19] – Sommer unseres Lebens; GRUR 2011, 1038 = WRP 2011, 1609 [Rn. 20] – Stiftparfüm; vgl. BGH [V. Zivilsenat], GRUR 2011, 321 [Rn. 15]). Eine Prüfpflicht kann bereits mit Inbetriebnahme einer technischen Einrichtung entstehen, setzt dann aber eine schon dadurch eintretende Gefährdung absoluter Rechtsgüter Dritter voraus (vgl. BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 24] – Sommer unseres Lebens; BGH [V. Zivilsenat], GRUR 2011, 321 [Rn. 16]).
Eine solche Prüf- und Kontrollpflicht nimmt die Kammer in Bezug auf die Überlassung eines Internetanschlusses an minderjährige Kinder an. Die Überlassung des Internetanschlusses an minderjährige Kinder begründet – nicht zuletzt auch als Ausfluss elterlicher Aufsichtspflicht – die Verpflichtung des überlassenden Anschlussinhabers, das Kind über die Wahrung von Rechten Dritter und insbesondere über das Verbot an der Teilnahme von illegalen Filesharing-Netwerken im Internet zu belehren und ggf. das Verhalten des Kindes auf die Einhaltung dieser Vorgaben hin zu kontrollieren. Gleichfalls geht die Kammer grundsätzlich auch bei volljährigen Kindern im Haushalt des Anschlussinhabers davon aus, dass bei Überlassung des Anschlusses an diesen Maßnahmen zu ergreifen sind, um Rechtsverletzungen bei der Nutzung des Internets entgegenzuwirken, wiederum insbesondere im Rahmen des Anbietens von urheberrechtlich geschützten Dateien in Filesharing-Netwerken (vergleiche auch OLG Köln, Beschluss vom 4. Juni 2012 – 6 W 81/12).
Allerdings bestehen nicht in jedem Fall Prüfungs- oder Belehrungspflichten. In der Rechtsprechung insbesondere auch des Oberlandesgerichts Köln (vergleiche etwa Urteil vom 16. Mai 2012 – 6 U 239/11) ist anerkannt, dass keine anlasslose Prüf- und Kontrollpflicht des Anschlussinhabers gegenüber seinem Ehegatten, der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebt, besteht. Ebenso wenig ist in einem solchen Fall eine Belehrung des Ehegatten angezeigt.
Nach Auffassung der Kammer bestehen auch keine anlasslosen Prüfungs- und Belehrungspflichten des Hauptmieters gegenüber seinen Untermietern, die nicht in seinem Haushalt wohnen. Prüfungs- und Kontrollpflichten vor Ort könnte der Hauptmieter, der die Räumlichkeiten und den Internetanschluss vollständig an die Untermieter überlässt, nicht erfüllen, wollte er nicht die im Rahmen des Mietverhältnisses geschuldete Unverletzlichkeit der Privatsphäre des Mieters verletzen. Auch eine gesonderte Belehrung ist grundsätzlich nicht erforderlich, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für eine mögliche Verletzung bestehen. Denn aus dem Untermietverhältnis folgen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten der Untermieter, die auch die ordnungsgemäße und rechtmäßige Nutzung des Internetanschlusses umfassen, die ihnen im Rahmen des Untermietverhältnisses gestattet war.
In Anwendung dieser Grundsätze scheidet eine Haftung des Beklagten für Verletzungshandlungen durch einen der 3 Zeugen über den Internetanschluss in der P-Str. in Potsdam aus. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte wusste oder annehmen musste, die Zeugen oder auch nur einer von ihnen würden über den Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen, die er durch zumutbare Maßnahmen verhindern konnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass es auch noch nach der Abmahnung der Klägerinnen zu Urheberrechtsverstößen unter Benutzung des Internetzugangs gekommen ist. Aufgrund der diesbezüglichen vertraglichen Verpflichtung der 3 Zeugen gegenüber dem Beklagten bedurfte es daher keiner gesonderten Belehrung über die rechtmäßige Benutzung des Internets.
Hinzu kommt im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass es sich bei dem Beklagten und den 3 Zeugen um eine Gruppe von ungefähr gleichaltrigen Studenten gehandelt hat. Es ist von den Klägerinnen nicht vorgetragen oder sonst erkennbar, dass der Beklagte gegenüber den 3 Zeugen einen Informationsvorsprung hinsichtlich der Benutzung und der Gefahren des Internets hatte, so dass er kraft überlegenen Wissens verpflichtet gewesen wäre, eine Belehrung auszusprechen, wie dies etwa im Verhältnis der sorgepflichtigen Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern der Fall ist. Vielmehr waren alle 4 Personen etwa gleich alt, befanden sich in einer ähnlichen Lebenssituation und war es letztlich nur dem Zufall geschuldet, dass der Beklagte Hauptmieter der Wohnung war und die 3 Zeugen als Untermietern in die Wohnungsgemeinschaft eingezogen sind und diese vorübergehend, insbesondere zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im November 2007, ohne den Beklagten gebildet habe.
Eine Ummeldung des Internetanschlusses (auf wen der 3 Zeugen?) für die Zeit seiner Abwesenheit musste der Beklagte wegen der vertraglichen Bindung der Zeugen ebenfalls nicht vornehmen. Es ist ein legitimes Interesse des Beklagten, dass er Hauptmieter blieb und so für die von ihm beabsichtigte Rückkehr nach Potsdam abgesichert war.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte die 3 Zeugen jeweils vor oder bei dem Einzug über ein Verbot der Nutzung von illegalen Filesharingsystemen belehrt hat, auch wenn die Kammer in Würdigung der Aussagen der 3 Zeugen daran durchaus Zweifel hätte. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, dass vieles für die Täterschaft des Zeugen N spricht, worauf die Klägerinnen im Schriftsatz vom 8. März 2013 ebenfalls hingewiesen haben.
Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig. Die Klägerinnen können ggf. die Zeugen selbst in Anspruch nehmen, nachdem der Beklagte die Wohnungssituation offenbart und die 3 Zeugen als die Wohnungsinhaber benannt hat.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 5380,80 EUR