Störerhaftung für Filesharing wird durch Tod des Ehemanns nicht ausgeschlossen

12. August 2014
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Beschluss des LG Köln vom 21.01.2011, Az.: 28 O 482/10

Die Inhaberin eines Internetanschlusses ist verpflichtet, den Internetanschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen dahingehend zu schützen, dass dieser nicht für Rechtsverletzungen im Internet missbraucht wird. Die Anschlussinhaberin haftet als Störerin sogar dann, wenn mit dem Ehemann diejenige Person bekannt ist, welche die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung als Täter begangen hat und dieser bereits verstorben ist.

Landgericht Köln

Beschluss vom 21.01.2014

Az.: 28 O 482/10

Tenor

Der Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten vom 20.08.2010 wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte gerichtlich auf Unterlassung, Schadensersatz und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch.

Die Klägerin produziert und vermarktet Computerspiele, darunter auch das Computerspiel „Z: ZZ“. Auf der DVD und dem DVD-Umschlag wird die Klägerin als Rechteinhaberin hinter dem Copyright-Vermerk genannt.

Am 04.11.2009 um 07:48:03 Uhr stellte die von der Klägerin mit der Erfassung von Urheberrechtsverstößen beauftragte Firma M AG fest, dass ein Nutzer unter der IP-Adresse #### das Computerspiel „Z: ZZ“ mittels der Filesharing Software eMule 0.49c“ im Internet öffentlich zugänglich machte. Der Internetzugangsprovider teilte der Klägerin auf die Regelungsanordnung des Landgerichts Köln (31 OH 477/09) die Kontaktdaten der Beklagten als Inhaberin der IP-Adresse mit.

Mit Schreiben vom 03.03.2010 und 16.04.2010 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte lehnte ihre Einstandspflicht mit Schreiben vom 14.03.2010 ab.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15.07.2010 Klage erhoben mit den Anträgen,

1. der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu untersagen, das Computerspiel „Z: ZZ“ ohne Zustimmung der Klägerin im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen bzw. Dritten zu ermöglichen, dass das Computerspiel „Z: ZZ“ im Internet über ihren Anschluss der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, insbesondere im Rahmen der Teilnahme an so genannten Peer-to-Peer Netzwerken.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.161,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 600,00 seit dem 16.03.2010, im Übrigen seit dem 30.04.2010 zu zahlen.

Die Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Klage.

Die Beklagte behauptet, sie habe die Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Zu dem angegebenen Zeitpunkt habe auch ihr Ehemann den Internet-Zugang genutzt. Da dieser am 21.04.2010 verstorben ist, habe sie den Sachverhalt nicht mehr mit ihm erörtern können. Die Beklagte bestreitet, dass die Firma M AG den Rechtsverstoß im Internet festgestellt habe. Bei der Abmahnung der Klägerin handele es sich um eine Routineabmahnung, für die keine Rechtsanwaltsgebühren verlangt werden könnten.

II.

Die beabsichtigte Rechtsverteidigung der Beklagten gegen die Klageforderungen hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn die Einwendungen der Beklagten gegen die geltend gemachten Ansprüche sind nicht erheblich.

1. Klageantrag zu 1)

Das von der Klägerin vertriebene Computerspiel genießt als Computerprogramm gemäß § 69a UrhG urheberrechtlichen Schutz, so dass die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 UrhG die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet verlangen kann; §§ 69 c Nr. 4, 19a UrhG.

Die Klägerin ist sowohl auf der DVD als auch auf dessen Umschlag durch einen Copyright-Vermerk als Inhaberin ausschließlicher Rechte ausgewiesen, so dass von Rechts wegen die Rechtsinhaberschaft zu ihren Gunsten vermutet wird; §§ 69a Abs. 4, 10 Abs. 3 UrhG.

Die Beklagte haftet als Störerin im Sinne des § 97 Abs. 1 UrhG für die rechtswidrige Zugänglichmachung des Computerprogramms der Klägerin im Internet. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand steht fest, dass die Rechtsverletzung vom Internetanschluss der Beklagten am 04.11.2009 um 07:48:03 Uhr begangen wurde. Der Beklagten wurde am 04.11.2009 durch ihren Internetprovider die IP-Adresse #### zugewiesen. IP-Adressen werden für die Dauer der Nutzung des konkreten Internetzugangs nur jeweils einer Person zugewiesen.

Als Störer jeder in Anspruch genommen werden, der in irgendeiner Weise willentlich oder adäquat kausal zur Rechtsverletzung beigetragen hat. Den Inhaber eines Internetanschlusses trifft die Pflicht, den Internetanschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen hinreichend dahin gehend zu schützen, dass dieser nicht für Rechtsverletzungen im Internet missbraucht werden kann (BGH NJW 2010, 2061 – „Sommer unseres Lebens“). Dies gilt entgegen der Auffassung der Beklagten auch dann, wenn kein konkreter Anlass für einen Missbrauch durch Dritte bestanden hat (BGH a.a.O.). Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie ihrem Ehemann Auflagen für die Nutzung des Internets und der Nutzung von Filesharing-Software gemacht hätte. Eine solche Anweisung hätte der Beklagten aber als Anschlussinhaberin oblegen (vgl. Urteil des OLG Köln vom 23.12.2009, Az. 6 U 101/09, m.w.N.). Die Beklagte hat sich außerdem lediglich dahin gehend eingelassen, dass ihr Internetzugang durch sie bzw. ihren verstorbenen Ehemann benutzt worden sei. Sie hat nicht vorgetragen, dass sich auf dem für den Internetzugang genutzten Computer weder das streitgegenständliche Computerspiel noch eine Filesharing-Software befunden hat. Vor diesem Hintergrund erscheint auch das Bestreiten der Beklagten, dass die Firma M eine entsprechende Rechtsverletzung festgestellt hat, nicht hinreichend substantiiert.

Auch die für einen Unterlassungsanspruch obligatorische Wiederholungsgefahr als materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BVerfG NJW 2000, 1209; BGH NJW 1995, 132) ist gegeben. Sie wird durch die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung indiziert (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 41 m.w.N.).

2. Klageantrag zu 2)

Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von EUR 1.160,80 beanspruchen.

Die Klägerin ist berechtigt, von der Beklagten Schadensersatz für das öffentliche Zugänglichmachen des streitgegenständlichen Computerspiels in Höhe von EUR 510,00 zu verlangen; § 97 Abs. 2 UrhG. Wird ein geschütztes Werk von einer bestimmten IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugewiesen war, so spricht weiter eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGH NJW 2010, 2061 – „Sommer unseres Lebens). Dieser Darlegungslast genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Die Beklagte hat nicht dazu Stellung genommen, ob auf ihrem Computer eine Filesharing-Software installiert ist und ob die Datei auf ihrem Computer gespeichert ist.

Die Klägerin kann gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG ihren Schaden anhand einer sog. Lizenzanalogie berechnen. Der Verletzer hat dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten (Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 61 m.w.N.). Die geltend gemachte Höhe der Lizenzgebühren von EUR 510,00 dürfte die übliche Höhe einer ordnungsgemäßen Lizenz nicht überschreiten; § 287 ZPO.

Die Klägerin kann von der Klägerin gemäß § 97a Abs. 1 UrhG auch die Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten für die Abmahnung der Beklagten in Höhe von EUR 651,80 geltend machen. Die Inanspruchnahme eines Anwalts zur Abmahnung des Rechtsverletzers zählt zu den erforderlichen Kosten der Rechtsverfolgung (Dreier/Schulze, 3. Aufl. 2008, § 97a UrhG Rn. 13). Es handelt sich nicht um eine routinemäßige Abmahnung für eine Vielzahl gleichgelagerte (Bagatell-)Fälle, sondern um die Verfolgung eines individuellen Rechtsverstoßes im Internet.

Der Berechnung der vorgerichtlichen Kosten liegt zutreffend ein Gegenstandswert von EUR 10.000,00 zugrunde, so dass von der Beklagten gemäß VV Nr. 2300 RVG eine 1,3 Geschäftsgebühr (= EUR 631,80) nebst einer Auslagenpauschale gemäß VV Nr. 7002 RVG von EUR 20,00 an die Klägerin zu erstatten ist.

Die Zinsforderungen der Klägerin sind aufgrund der Abmahnschreiben der Klägerin vom 03.03.2010 und 16.04.2010 gemäß §§ 286, 288 ZPO begründet.

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