Störerhaftung der Eltern bei Filesharing

12. August 2014
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Beschluss des OLG Düsseldorf vom 03.04.2009, Az.: 6 W 20/09

a) Eltern müssen ihre Kinder vor den Gefahren urheberrechtsverletzender Internet-Aktionen aufklären. Für eine bestehende elterliche Störerhaftung ist es unschädlich zu behaupten, man selbst habe überhaupt nicht gewusst, dass im Internet die regelmäßig rechtsverletzende Möglichkeit des Filesharings besteht. Es ist Eltern vielmehr zumutbar, sich über die mögliche Nutzung des Internets und die dort bestehenden Gefahren zu informieren und ihre Kinder über ein dahingehendes Verbot zu belehren.

b) Der Streitwert bei öffentlicher Zugänglichmachung von PC-Software (im Fall: Brockhaus Enzyklopädie) beträgt 15.000 Euro.

Oberlandesgericht Köln

Beschluss vom 03.04.2009

Az.: 6 W 20/09

 

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 28. Zivil-kammer des Landgerichts Köln vom 10.02.2009 insoweit aufgehoben, als die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen den Klageantrag zu 2) in einer dem Betrag von 861,00 € übersteigenden Höhe verweigert worden ist, und zwar mit der Maßgabe, dass die Prozesskostenhilfe nicht wegen hinreichender Erfolgsaussicht versagt werden darf.

2. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin macht wegen urheberrechtswidriger Nutzung der Software „Brockhaus multimedial Premium“, an welcher ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen, Unterlassungs- und Zahlungsansprüche gegen die Beklagte geltend. Die Software wurde unter dem Internetanschluss der Beklagten im Rahmen eines P2P-Netzwerks (einer Tauschbörse) im Wege des Filesharing zum Download bereitgestellt. Als Schadensersatz beansprucht die Klägerin 200,00 € im Wege der Lizenzanalogie und Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 25.000,00 €.

Das Landgericht Köln hat der Beklagten Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung versagt. Dagegen wendet sie sich mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Sie bestreitet die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und ihre Passivlegitimation unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung; sie meint, über die damit verbundenen grundsätzlichen Fragen dürfe jedenfalls nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden. Die geltend gemachten Ersatzansprüche hält sie für überhöht.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig (§§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO), aber nur hinsichtlich eines Teils der Abmahnkosten begründet; im Übrigen war sie zurückzuweisen, weil ihre Rechtsverteidigung ohne Aussicht auf Erfolg ist (§ 114 S. 1 ZPO). Auf die ausführlichen und zutreffenden Erwägungen des Landgerichts im angefochtenen Beschluss und in seiner Entscheidung über die Nichtabhilfe nimmt der Senat Bezug. Das Beschwerdevorbringen gibt insgesamt und im Hinblick auf den Teilerfolg der Beschwerde nur Anlass zu folgenden erläuternden Bemerkungen:

1. Das bestimmungsgemäße Verbreitungsgebiet des in einem P2P-Netzwerk allen anderen Tauschbörsenteilnehmern angebotenen deutschsprachigen Multimedia-Lexikons umfasst ganz Deutschland, so dass (auch) der Gerichtsstand Köln gegeben ist (§ 32 ZPO; vgl. BGH GRUR 2005, 431 [432] – HOTEL MARITIME). Dass die Klägerin ihr Wahlrecht (§ 35 ZPO) rechtsmissbräuchlich ausgeübt haben könnte, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich; insbesondere ist die Auswahl eines Gerichts, das dem eigenen Rechtsstandpunkt gewogen erscheint, nicht sittenwidrig.

2. Ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch (§§ 69a, 19a, 97 Abs. 1 S. 1 UrhG) besteht gegen die Beklagte auch nach ihrem eigenen Vorbringen, weil sie für die streitgegenständliche Rechtsverletzung als Störerin (analog § 1004 BGB) haftet. Sie hat den Internetzugang eröffnet und damit willentlich und adäquat kausal zu der Rechtsverletzung beigetragen; auch die für eine Störerhaftung erforderliche Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten (vgl. nur BGH, GRUR 2008, 702 [Rn. 50] – Internet-Versteigerung III) ist zu bejahen.

Mit der Beschwerde wird vorgetragen, die Tochter der Beklagten habe bestritten, die Datei heruntergeladen zu haben. Sollte dies so zu verstehen sein, dass die Beklagte nicht wisse, wer ihren Internetanschluss genutzt habe, läge bereits deshalb das Unterlassen zumutbarer Kontrollmaßnahmen auf der Hand, denn der Anschlussinhaber muss sich zumindest vergewissern, wer seinen Anschluss nutzt. Angesichts ihres weiteren Vortrags will sich die Beklagte aber wohl darauf berufen, dass sie die von ihrer minderjährigen Tochter – mit dem Herunterladen und zeitgleichen Anbieten des Lexikons in der Tauschbörse – begangene Rechtsverletzung durch zumutbare Prüfungs- und Überwachungsmaßnahmen nicht habe verhindern können. Die Einlassung, dass allenfalls ihre 13-jährige Tochter das Lexikon heruntergeladen haben könne, nachdem sie sich – wie in der Klageerwiderung dargelegt – von einem Schulkameraden das Tauschbörsen-Programm eMule habe installieren lassen, ist aber als unerheblich anzusehen, und zwar sogar auf der Grundlage derjenigen in der Judikatur bisher vertretenen Auffassung, welche die geringsten Anforderungen an eine zumutbare Kontrolle minderjähriger Internetnutzer durch die Sorgeberechtigten stellt.

Während zum Teil eine Überwachung minderjähriger Familienangehöriger auch ohne konkreten Verdacht gefordert und dem Sorgeberechtigten zugemutet wird, mittels technischer Maßnahmen – etwa durch Einrichtung von Benutzerkonten mit beschränkten Nutzungsbefugnissen oder durch die Installation von Firewalls, die die Nutzung von Filesharing-Software verhindern – die Teilnahme des Kindes oder Jugendlichen an sogenannten Tauschbörsen zu unterbinden (OLG Hamburg, Beschluss vom 10.05.2006 – 5 W 61/06; LG Hamburg, Beschluss vom 21.04.2006 – 308 O 139/06), hält die erwähnte liberalere Auffassung lediglich eine einführende, im Einzelfall insbesondere vom Alter und dem Grad der Vernunft des Kindes abhängige Belehrung für notwendig (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2007 – 11 W 58/07; LG Mannheim, Urteil vom 29.09.2006 – 7 O 62/06).

Die Beklagte – die hierzu allein hätte Angaben machen können – hat dagegen nicht einmal ansatzweise vorgetragen, was sie unternommen haben will, um ihre 13 Jahre alte Tochter, bei der noch nicht ohne weiteres eine entsprechende eigene Einsicht erwartet werden konnte, vor den Gefahren urheberrechtsrelevanter Internet-Aktionen zu warnen. Sie kann sich insoweit nicht darauf berufen, selbst nicht gewusst zu haben, dass man aus dem Internet etwas herunterladen kann. Denn bei der Störerhaftung geht es nicht um das individuelle Verschulden des potentiellen Störers, sondern darum, ob aufgrund von nach objektiven Kriterien vorzunehmenden Zumutbarkeitserwägungen dem als Störer in Anspruch Genommenen Prüfungs- und Überwachungspflichten hinsichtlich des unmittelbar rechtswidrig handelnden Täters zuzumuten sind. Nach diesem objektiven Maßstab war hier zu fordern, dass die Beklagte – wenn sie überhaupt die Installation des Tauschbörsen-Programms auf dem Computer durch einen Schulkameraden ihrer Tochter zuließ – sich selbst und ihre Tochter über die bei einer Nutzung dieses Programms drohenden Gefahren einschließlich der Möglichkeit von Urheberrechtsverletzungen unterrichtete. Zumindest dem – sich nach ihrem eigenen Vorbringen über mehrere Stunden erstreckenden – Herunterladen großer Dateien im Rahmen der Tauschbörse, deren gleichzeitige Bereitstellung für andere Tauschbörsenteilnehmer zu Rechtsverletzungen führen konnte, hätte sie auf diese Weise entgegenwirken können und müssen.

3. In Bezug auf die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche kann sich die Beklagte dem Grunde nach vom Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung (§ 832 BGB) nicht entlasten, weil sie – wie ausgeführt – nicht einmal vorgetragen hat, überhaupt irgend eine Belehrung ihrer Tochter vorgenommen oder veranlasst zu haben. Die Höhe der als Schadensersatz verlangten Lizenzgebühr ist angemessen.

Hinreichende Aussicht ist der Rechtsverteidigung allerdings nicht abzusprechen, soweit sie sich gegen die Höhe des Abmahnkostenersatzes (unter Schadensersatzgesichtspunkten nach § 249 BGB und unter dem Aspekt der auftragslosen Geschäftsführung gemäß §§ 683, 670 BGB; § 97a UrhG n.F. ist noch nicht anwendbar) wendet. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war zwar erforderlich; Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung müssen Abmahnungen nicht selbst aussprechen (BGH, GRUR 2008, 928 f. – Abmahnkostenersatz; GRUR 2008, 996 [1000] – Clone-CD). Der Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch in Höhe von 25.000,00 € ist aber zu hoch bemessen. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes ist nicht nur auf das Wertinteresse des Gläubigers, sondern auch auf die Angriffsintensität abzustellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass keine täterschaftliche Begehung, sondern lediglich eine Störerhaftung der Beklagten vorliegt, bei der die generalpräventiven Gesichtspunkte zurücktreten, so dass ein Gegenstandswert von 15.000,00 € ausreichend erscheint.

Legt man eine 1,0 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zu Grunde, die auch für ein Serienschreiben in einem nicht ganz einfach gelagerten Fall angemessen wäre, ergibt sich insoweit ein Betrag von 566,00 € (statt 686,00 €). Gegen die für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Ermittlungsverfahren geltend gemachte Pauschalgebühr von 75,00 € und die Kommunikationspauschale von 20,00 € ist nichts zu erinnern.

Eine Ermäßigung der gerichtlichen Festgebühr für das Beschwerdeverfahren ist angesichts des geringen Teilerfolgs nicht veranlasst; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt, § 127 Abs. 4 ZPO.

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