Die Schokolade „Baronette“ darf in Deutschland nicht vertrieben werden

07. Januar 2015
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Zwei Schokoladenstückchen, die schräg aufeienander liegen. Urteil des OLG Köln vom 15.08.2014, Az.: 6 U 9/14

Wird die besondere Form und Anordnung einer Schokoladen-Tafel dreidimensional markenrechtlich geschützt, so kann in ihrer Nachahmung eine Markenrechtsverletzung gesehen werden. Die Schokoladen-Tafel „Baronette“ besteht ebenso wie die Schokoladen-Tafel „Schogetten“ aus 18 Einzelstücken, die in einer 3x6-Tafel angeordnet sind und in der Form der Einzelstücke nahezu identisch sind. Nicht nur diese Tatsache, sondern auch, dass der Verkehr durch die besondere Gestaltung die Schokoladen mit „Schogetten“ in Verbindung bringt, sprechen für eine Verwechslungsgefahr der beiden Produkte. Das Produkt „Baronette“ darf als unzulässige Nachahmung in Deutschland nicht mehr vertrieben werden.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 15.08.2014

Az.: 6 U 9/14

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 12.12.2013 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 242/13 – wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zu 75 % dem Beklagten und zu 25 % der Klägerin auferlegt.

Dieses Urteil und das des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leisten. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsgebots zu Ziff. 1a) 750.000,00 €, bezüglich des Unterlassungsgebots zu Ziff. 1b) 250.000,00 € sowie im übrigen für den Beklagten 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages und für die Klägerin 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin stellt die Schokolade „Schogetten“ her. Diese wird in Deutschland seit 1962 in der für Tafelschokolade typischen rechteckigen 100g-Packung vertrieben, allerdings in 18 Einzelstücken mit der Anordnung 3 x 6. Die Einzelstücke weisen eine quadratische Grundfläche von ca. 24 x 24 mm auf. Ihre Seitenflächen verjüngen sich nach oben mit doppelter Konizität und leicht abgerundeten Kanten. Auf der Oberfläche trägt das Stück eine sternförmige Ornamentik. Die Stücke werden nach dem Öffnen der aus einer Pappschachtel und Silberfolie bestehenden Verpackung auf einem weißen Karton-Schieber präsentiert.

Die Klägerin ist Inhaberin zweier im Jahr 1995 für Schokoladenwaren, auch mit Füllungen, kraft Verkehrsgeltung eingetragener deutscher dreidimensionaler Marken; die Marke DE 39504819 gibt die Form des einzelnen Schokoladenstücks wieder, die Marke DE 39504820 die aus 18 Stücken bestehende Tafel. Die Klägerin ist zudem Inhaberin entsprechender IR-Marken.

Der Beklagte stellt in Polen unter der Bezeichnung „Baronetta“ Schokolade her, die in rechteckigen 100g-Packungen mit insgesamt 18 Einzelstücken in der Anordnung 3 x 6 vertrieben werden. Die Einzelstücke weisen eine quadratische, ca. 24 x 24 mm große Grundfläche auf, bei der sich die Seitenflächen nach oben mit doppelter Konizität und leicht abgerundeten Kanten verjüngen. Die Oberfläche der Stücke ist mit 9 diagonal gesetzten parallelen Linien gestaltet. Die Stücke werden nach dem Öffnen einer Folien-Verpackung in einer flachen braunen Plastikschale präsentiert und liegen jedes für sich in einer kleinen Wanne. Der Beklagte ist Inhaber eines am 27.10.2011 angemeldeten und eingetragenen Geschmacksmusters für dieses Design. Auf den Verpackungen seines Produktes sind jeweils zwei Einzelstücke sowie zusätzlich ein Einzelstück in einem Kreis abgebildet.

Der Beklagte hat auf der internationalen Süßwarenmesse in Köln im Jahr 2012 die „Baronetta“-Tafeln in verschiedenen Geschmackssorten präsentiert. Die Klägerin hatte hiergegen unter dem 25.01.2012 eine einstweilige Verfügung (31 O 39/12) erwirkt, den Antrag aber nach einem Widerspruch des Beklagten zurückgenommen. Der Beklagte hat anschließend seinerseits mit Schreiben vom 03.06.2013 die Klägerin aufgefordert, bis zum 13.07.2013 auf Unterlassungsansprüche zu verzichten, andernfalls eine negative Feststellungsklage angedroht und angekündigt, die Markenrechte anzugreifen.

Daraufhin hat die Klägerin, die der Ansicht ist, die Gestaltung der Einzelstücke des Beklagtenprodukts, deren Anordnung zu einer 100g-Tafel und deren Abbildung auf der Verpackung verletzten ihre Markenrechte, im vorliegenden Verfahren vor dem Landgericht Köln Unterlassungsklage erhoben, gestützt in erster Linie auf die beiden deutschen Marken, hilfsweise auf die beiden IR-Marken und äußerst hilfsweise auf unlautere Nachahmung wegen Rufausbeutung. Die Klägerin hat von der GfK im Mai/Juni 2012 in Deutschland eine Verkehrsumfrage zur Bekanntheit und Verkehrsgeltung eines „neutralisierten“ Schogetten-Stücks (ohne den auf der Oberfläche eingeprägten Stern) vornehmen lassen sowie im Oktober 2013 eine Verkehrsbefragung zur Verbraucherwahrnehmung des Baronetta-Stücks.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

a) Schokoladenprodukte in Form einer rechteckigen 100g-Tafel, bestehend aus 3 x 6 = 18 Einzelstücken, wobei das Einzelstück eine quadratische Grundfläche von 24 x 24 mm aufweist, sich dessen Seitenflächen nach oben mit einer doppelten Konizität verjüngen, dessen Kanten leicht gerundet sind und die Oberfläche parallele Linien aufweist – wie nachstehend wiedergegeben (Tafel und Einzelstück) – in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu besitzen, einzuführen und/oder zu bewerben oder in der Bundesrepublik Deutschland anbieten, in den Verkehr bringen, einführen und/oder bewerben zu lassen:

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b) das Schokoladenprodukt „Baronetta“ in den nachfolgend wiedergegebenen Geschmackssorten mit der Darstellung eines Einzelstücks, wie in Antrag 1.a) beschrieben, und/oder in zusätzlichen Geschmackssorten zu bewerben, wie nachstehend wiedergegeben:

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Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, es liege keine Rechtsverletzung vor. Schon auf den – zudem völlig unterschiedlich gestalteten – Verpackungen werde deutlich, dass die Schokoladenstückchen unterschiedlich seien. Die Stücke der Klägerin seien höher als sein Produkt und hätten weichere Kanten sowie eine andere Farbe. Der Stern, der auf dem Schokoladenstück der Klägerin aufgedruckt sei und in der Werbung der Klägerin prominent herausgestellt werde („der Stern am Schokoladenhimmel“), fehle bei seinem Produkt, das stattdessen Schraffierungen aufweise. Auch die Innenansicht nach dem Öffnen der Verpackungen unterscheide sich hinreichend. Hinzu komme, dass die Marken der Klägerin mangels Unterscheidungskraft und Verkehrsgeltung in vielen Ländern nicht eingetragen worden seien. Im Übrigen hat der Beklagte auf das seiner Ansicht nach dem Produkt der Klägerin ähnliche wettbewerbliche Umfeld verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 12.12.2013 stattgeben und dem Beklagten untersagt, in Deutschland Schokoladenprodukte in der angegriffenen Form – rechteckige 100 g Tafel, bestehend aus 3 × 6 = 18 konkret beschriebenen Einzelstücken – zu vertreiben sowie auch das Schokoladenprodukt „Baronetta“ mit der Darstellung eines solchen Einzelstücks zu bewerben. Die streitgegenständlichen Schokoladenformen verletzten die Rechte der Klägerin aus den für Schokoladenprodukte geschützten deutschen Marken und seien mit den durch die deutschen Klagemarken geschützten Formen verwechselbar.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung wiederholt der Beklage sein Begehren aus erster Instanz auf Abweisung der Klage. Er rügt den Klageantrag als unzulässig und trägt zu seiner Ansicht nach bestehenden Rechtsfehlern bei der Bewertung der Schutzrechtslage, der Verwechslungsgefahr, der Kennzeichnungskraft sowie der Inbezugnahme der Verkehrsumfrage vor.

Der Beklagte beantragt,

das am 12. Dezember 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Köln (31 O 242/13) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

wobei sie ihr Klagebegehren nunmehr in erster Linie auf die Marke DE 39504819 stützt, dann hilfsweise auf die Marke DE 39504820, anschließend hilfsweise auf die IR-Marken sowie schließlich höchst hilfsweise auf §§ 3, 4 Nr. 9 b) UWG. Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

1. Die Klägerin hat aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG einen Anspruch darauf, dem Beklagten den Vertrieb von Schokoladenprodukten in Form einer rechteckigen 100 g Tafel, bestehend aus 3 × 6 = 18 Einzelstücken, in der im Klageantrag zu Zif. 1a) wiedergegebenen konkreten Verletzungsform zu untersagen. Der Beklagte hat dadurch, dass er im Jahr 2012 auf der internationalen Süßwarenmesse in Köln sein Schokoladenprodukt Baronetta präsentiert und mit seinem Gesamtverhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass er mit diesem Produkt in Deutschland auf den Markt drängt, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin ein Zeichen benutzt, das wegen seiner Ähnlichkeit mit der Marke DE 39504819 und der Identität der Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen birgt. Hinsichtlich der Bewerbung des Produktes liegt Wiederholungsgefahr vor; bezüglich des Anbietens und des Inverkehrbringens der Ware ist aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 03.06.2013 jedenfalls von Erstbegehungsgefahr auszugehen.

a) Der Rüge des Beklagten, der Klageantrag zu 1a) vermischte in unzulässiger Weise zwei verschiedene Unterlassungsbegehren, nämlich das Verbot des Produkts „Schokoladentafel“ mit dem Verbot der Einzelstücke, kann nicht beigetreten werden. Gegenstand des Klageantrags zu 1a) ist das Produkt des Beklagten „in Form einer … Tafel“, die mit „bestehend aus … Einzelstücken …“ näher beschrieben wird. Der Klageantrag nimmt ferner Bezug auf die konkrete Verletzungsform – „… wie nachstehend wiedergegeben (Tafel und Einzelstück) …“ -, wobei die Einzelabbildungen Seite 4 und 5 der Klageschrift die Schokoladenstücke, aus denen sich die „Tafel“ zusammensetzt, lediglich näher illustrieren, ohne selbst eine eigene, zweite Verletzungsform wiederzugeben. Dies führt im Ergebnis zu einer Begrenzung des Streitgegenstandes, so dass der in der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2014 erhobenen Forderung des Beklagten, das Unterlassungsgebot müsse, wenn es entsprechend der Erklärung der Klägerin primär nur noch auf die Marke DE 39504819 / „Einzelstück“ und nicht auch auf die Marke DE 39504820 / „Tafel“ gestützt werde, statt für „Schokoladenprodukte“ für die „Schokoladenstücke“ ausgesprochen werden, schon deshalb nicht gefolgt werden kann, weil eine solche Formulierung über den Klageantrag hinausginge.

b) Die Klägerin ist Inhaberin der deutscher dreidimensionalen Marke DE 39504819 (im Folgenden: Klagemarke), durch die die Form des Schogetten-Stücks geschützt wird. Die eingetragene Klagemarke ist in Kraft und entfaltet damit Schutzwirkung. Ob sie – z.B. aus Gründen, an denen Eintragungsversuche der Klägerin auf europäischer Ebene nach dem Berufungsvorbringen in einer Reihe von Ländern gescheitert sind – gelöscht werden könnte, ist für das vorliegende Verfahren ebenso ohne Belang wie die Tatsache, dass die Klägerin den auf der Oberseite des Stücks befindlichen Stern ebenfalls hat schützen lassen. Der Schutzumfang der Klagemarke ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht auf den Stern beschränkt, sondern umfasst die dreidimensionale Form als solche.

Der Beklagte kann die Schutzwirkung der Klagemarke auch nicht mit der Behauptung ganz oder teilweise in Frage stellen, die Schogetten-Form sei produktionsbedingt und/oder verstehe sich von selbst, da Schokoladen-Einzelstücke immer mit den Fingern greifbar sein müssten. Die Unrichtigkeit diese Behauptung wird durch das von ihm selbst in Bezug genommene wettbewerbliche Umfeld (s.u.) widerlegt. Schokolade kann in nahezu jede beliebige Form gegossen werden, und die äußere Gestaltung der Schogetten beruht auch nicht auf einer grifftechnischen Notwendigkeit.

c) Die mit dem Klageantrag zu 1a) angegriffene „Tafel“ setzt sich aus 18 Einzelstücken zusammen. Sowohl die Einzelstücke als auch ihre Gruppierung zu 18 Stücken verletzen die Klagemarke. Eines speziellen Markenschutzes für die 3×6-Tafel-Anordnung als solcher bedarf es nicht, um ein Verbot der konkret angegriffenen Verletzungsformen zu erzielen.

d) Die Feststellung des Landgerichts, dass der Beklagte die Einzelstücke markenmäßig, d.h. so benutzt hat, dass der Verkehr die Warengestaltung auch als einen Herkunftshinweis versteht, greift der Beklagte mit der Berufung nicht an. Sie ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes zutreffend, dass der Verkehr nach der Lebenserfahrung die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasst, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht und deren besondere Form darum eher diesem Umstand als der Absicht zugeschrieben werden wird, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (vgl. EuGH GRUR Int 2006, 842 Rn. 25 – Form eines Bonbons II; BGH GRUR 2005, 414 [416] – Russisches Schaumgebäck; GRUR 2007, 780 Rn. 26 – Pralinenform I; GRUR 2010, 1103 Rn. 30 – Pralinenform II).

Die Form des angegriffenen Produkts des Beklagten wird hier nämlich von dem Verkehr nicht nur als ästhetisches Stilmittel und Variante des Üblichen wahrgenommen, sondern sie wird aufgrund ihrer Singularität von dem Durchschnittsverbraucher selbst ohne Vornahme einer Prüfung und ohne besondere Aufmerksamkeit als Herkunftshinweis aufgefasst. Dies kann der Senat, dessen Mitglieder zu dem angesprochenen Verkehrskreis zählen, aus eigener Sachkunde beurteilen. Das Produkt des Beklagten hat eine ganz individuell gestaltete Form, die es weder als traditionelles Stückchen einer üblichen Tafelschokolade (nach Vorwegnahme des Vorgangs, der sonst dem Verbraucher zufällt, wenn er diese an den dafür vorgesehenen Teilungslinien in Stücke bricht) ausweist, die aber auch nicht (trotz Höhe und Einzelportionierung) das Aussehen einer Praline hat. Insoweit fällt es aus dem aus Verbrauchersicht Gebräuchlichen bei der Gestaltung von Tafelschokolade heraus.

Dass der angesprochen Durchschnittsverbraucher von der Form der Ware auf deren Herkunft schließt, wird durch die von der Klägerin vorgelegte Verkehrsbefragung der GfK zur Verbraucherwahrnehmung bezüglich des Schokoladenstücks des Beklagten bestätigt, nach der 71,5 % aller – bei Waren des Massenkonsums den repräsentativen Ausschnitt aus der Gesamtbevölkerung bildenden (s. BGH GRUR 2010, 1103, juris-Tz. 45 – Pralinenform II) – Befragten das Stück mit einem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Marke verbinden.

Die Verkehrsbefragung ist zwar als Privatgutachten zunächst Parteivortrag, gleichwohl im vorliegenden Verfahren verwertbar, da der Beklagte dem darin enthaltenen detaillierten und schlüssigen Tatsachenvorbringen nicht konkret entgegengetreten ist. Sein pauschales Bestreiten der Ergebnisse der Befragungen genügt nicht. Dem Senat ist aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass die GfK ein wissenschaftlich anerkanntes Institut ist, das nach gängigen empirischen Grundsätzen arbeitet. Soweit der Beklagte eine suggestive, für dreidimensionale Marken seiner Ansicht nach ungeeignete Fragestellung rügt und vorträgt, die Ergebnisse seien hierdurch vorprogrammiert, hätte es einer konkreten Auseinandersetzung mit der Methodik und dem Inhalt der Gutachten bedurft. Es ist weder vom Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich, warum die offenen, neutral formulierten und systematisch aufeinander abgestimmten Fragen

(1. Sie sehen hier die Abbildung eines Schokoladenstücks, das aus der Verpackung herausgenommen wurde, von verschiedenen Seiten. … Was fällt Ihnen alles zu diesem Schokoladenstück ein? …

2. … Verbinden Sie das gezeigte Produkt mit irgendeinem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Marke?

3. [bei Ja zu Ziff. 2] Können Sie mir den Namen dieses Unternehmens oder dieser Marke sagen? …

4. [bei Nein zu Ziff. 2] … Sie sehen hier eine Reihe von Namen. Vielleicht können Sie mir jetzt ein Unternehmen oder eine Marke benennen, mit der Sie das gezeigte Produkt verbinden? …

5. [falls zu Ziff. 1, 3 oder 4 „Ludwig Schokolade“, „Schogetten“ oder „Trumpf“ genannt wurde] Warum verbinden Sie das gezeigte Produkt mit „Ludwig Schokolade“, „Schogetten“ oder „Trumpf“ ? Wie kommen Sie darauf? Bitte geben Sie mir Ihre Antwort so detailliert und genau wie möglich. …

6. Kaufen oder verwenden/essen Sie Schokoladenware? …“)

geeignet sein sollen, zu einem bestimmten, für die Klägerin günstigen Ergebnis zu gelangen. Die Fragen gehen nicht unzulässigerweise (s. BGH GRUR 2007, 780, juris-Tz. 37 – Pralinenform I; BGH GRUR 2010, 1103, juris-Tz. 33 – Pralinenform II) davon aus, dass die Gestaltung herkunftshinweisend ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten führen die Vorlage einer Ware sowie die Frage nach deren Herkunft auch keineswegs naturgemäß zu nur einem bestimmten Hersteller.

Dass die angegriffene dreidimensionale Form des Schokoladenstücks dem Verbraucher erstmals im Stadium des Produktverzehrs begegnet, steht der markenmäßigen Nutzung nicht entgegen. Auch eine im Zeitpunkt der Kaufentscheidung für den Verbraucher noch nicht unmittelbar erkennbare, weil verpackte Formmarke kann herkunftshinweisend und damit markenmäßig benutzt werden, wenn sie als solche im Stadium des Verbrauchs der Ware wahrgenommen wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1103, juris-Tz. 29 – Pralinenform II, m.w.N.). Im übrigen ist das angegriffene Schokoladenstück vorliegend bereits auf den Verpackungen abgebildet. Zudem ist davon auszugehen, dass der Verbraucher eine Tafel Schokolade regelmäßig nicht sofort ganz verzehrt, so dass er über einen längeren Zeitraum hinweg und nicht nur in einem kurzen Moment zwischen dem Auspacken und dem Verzehr der Ware Gelegenheit hat, die Form als solche wahrzunehmen.

e) Zwischen dem beanstandeten Schokoladenprodukt des Beklagten und der Klagemarke besteht Verwechslungsgefahr i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei eine Wechselwirkung zwischen der Kennzeichnungskraft der Klagemarke, der Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren besteht, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. nur BGH GRUR 2013, 833, Rz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria m. w. N.).

Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist als jedenfalls durchschnittlich zu bewerten.

Für Marken, die – wie hier – aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen sind, kann regelmäßig von einer originär mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden (s. BGH GRUR 2007, 780, juris-Tz. 35 – Pralinenform I; BGH GRUR 2010, 1103, juris-Tz. 40 – Pralinenform II).

Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist nicht feststellbar. Die vom Beklagten angeführten Produkte des wettbewerblichen Umfeldes sind der Klagemarke entweder nicht hinreichend ähnlich oder im deutschen Markt nicht hinreichen präsent:

– Die „Milka Amavel Konditorei – Nuss Torte“ besteht aus sechs zusammenhängenden, rechteckigen, relativ großen Stücken und nicht aus mundgerecht vorportionierten Einzelstücken.

– Bei der „Ja! Rahm-Mandel“-Schokolade, der „Trumpf Aero“-Schokolade und der „Milka Alpenmilch Schokolade Haselnuss“ handelt es sich jeweils um Schokoladen in der üblichen Tafelform.

– „Nestlé – Die Weiße“ ist ebenfalls eine Schokoladentafel, die von dem klassischen Modell nur durch die ungewöhnlichere Anordnung von 3 x 6 Stücken abweicht; durch diese Gruppierung wird keine Ähnlichkeit mit der Klagemarke erreicht.

– Die „Ritter Sport“- Schokolade in der Mini-Form und die „Ice Cubes Schokolade“ sind zwar jeweils Einzelstücke mit quadratischer Grundform, aber deutlich anderen Proportionen und einer anderen Flächen- und Kantengestaltung als die Klagemarke. Das Schogetten-Stück wirkt aufgrund seiner doppelten Konizität und den stark abgerundeten Kanten kissenartigweich, die beiden Vergleichsprodukte dagegen würfelartighart.

– Das „Lindt-Chocoletti“-Schokoladenstück ist der Klagemarke zwar ähnlich, diese Schokolade wird nach dem unwiderlegten Vortrag der Klägerin in Deutschland jedoch nicht bzw. nicht in nennenswertem Umfang vertrieben. Soweit der Beklagte vorträgt, das Produkt könne in Deutschland über das Internet bezogen werden, fehlt es an den erforderlichen Angaben zum Benutzungsumfang; der Beklagte hat nicht vorgetragen, in welchen Mengen die „Lindt-Chocoletti“ hier veräußert werdenund welcher Umsatz dadurch erzielt wird. Allein aus einem Verweis auf einen einzigen Online-Händler wird dies nicht deutlich.

Ob die Kennzeichnungskraft der Klagemarke im Hinblick auf die Ergebnisse der Verkehrsbefragung der GfK für das neutralisierte Schokoladenstück der Klägerin sowie den für das Produkt in seiner Gesamtaufmachung vorgetragenen Umsatzzahlen und Werbeaufwendungen sogar eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zukommt, kann dahinstehen, da auch bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft aufgrund der bestehenden Warenidentität sowie einer hohen Zeichenähnlichkeit nach der gebotenen Gesamtabwägung in jedem Fall Verwechslungsgefahr gegeben ist.

Die Schokoladenstücke der Klägerin und des Beklagten sind in der äußeren Form nahezu identisch. Nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin sind die – produktionsbedingt noch geringfügig variierenden – Maße wie folgt:

Schogetten Baronetta

Höhe 11,3 mm 10,9 mm

Seitenlänge 24,3 mm 24,9 mm.

Ein Unterschied in der Gestaltung der Kanten ist nicht erkennbar. Die Stücke unterscheiden sich lediglich im Oberflächendesign, wobei der „Stern“ entgegen der Ansicht des Beklagten nicht den Gesamteindruck prägt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf ihre Einzelheiten. Hier ist in erster Linie die typische, weiche Schogetten-Form als solche prägend. Dass die Oberfläche der Schogetten grafisch gestaltet ist, tritt dahinter bereits deutlich zurück, und die Einzelheiten des Ornaments sind für den Erinnerungseindruck kaum noch von Bedeutung. Auf die Werbung der Klägerin mit dem „Stern am Schokoladenhimmel“ kann der Beklagte in diesem Zusammenhang nicht abstellen, zumal die Klägerin unwiderlegt vorgetragen hat, diesen Slogan schon seit mehr als 20 Jahren nicht mehr zu verwenden.

Aus der nach der Gesamtabwägung bestehenden Verwechslungsgefahr führen die unterschiedlichen Produktaufmachungen der Parteien nicht heraus. Nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2007, 780, juris-Tz. 38 – Pralinenform I) ist es schon im Ansatz verfehlt, darauf abzustellen, ob eine Verwechslungsgefahr durch die Verpackung ausgeschlossen werden kann. Der Markenschutz richtet sich gegen die Benutzung identischer oder verwechslungsfähiger Zeichen als solche, so dass es auf außerhalb der Kennzeichnung liegende Begleitumstände bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich nicht ankommt. Im Übrigen besteht im konkreten Fall aufgrund der nahezu identischen Übernahme der typischen Schogetten-Form selbst bei einer unübersehbaren Herstellerangabe die Gefahr, dass beim Verbraucher der Eindruck erweckt wird, die Ware stamme aus einem mit der Klägerin zumindest wirtschaftlich verbundenen Unternehmen.

f) Die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass das für den Beklagten eingetragene Geschmacksmuster an der Verletzung der Klagemarke nichts ändert, weil eine Warenform geschmacksmusterrechtlich geschützt sein und gleichwohl das Markenrecht eines anderen verletzen kann (vgl. BGH GRUR 2003, 519, juris-Tz. 53 – Knabberbärchen), wird vom Beklagten mit der Berufung – zu Recht – nicht angegriffen.

2. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dem Beklagten die Werbung mit der Darstellung eines Einzelstücks in der mit dem Klageantrag zu 1b) beanstandeten konkreten Verletzungsform zu untersagen. Wie oben dargelegt, verletzt das „Baronetta“-Schokoladenstück die Klagemarke, so dass es dem Beklagten auch untersagt ist, in Deutschland das angegriffene Zeichen auf der Aufmachung / Verpackung seiner Ware anzubringen, § 14 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist seine Verpackung durch die Abbildungen der Einzelstücke mit geprägt und dessen abweichende Oberflächengestaltung im Vergleich zur Klagemarke – Linien statt Stern – nicht ausreichend, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Auch der Ansicht des Beklagten, eine zweidimensionale Abbildung des Schokoladenstücks sei mit einer dreidimensionalen Formmarke nicht verwechslungsfähig, kann nicht beigetreten werden. Der Verbraucher ist es gewohnt, sich aus Werbeabbildungen eine Vorstellung von dem beworbenen Produkt in seiner dreidimensionalen Form zu machen.

3. Da das Unterlassungsbegehren bereits durch die in erster Linie geltend gemachte Klagemarke gedeckt ist, bedarf es keiner Entscheidung über die Hilfsanträge.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat dadurch, dass sie ihr Unterlassungsbegehren in zweiter Instanz nicht mehr kumulativ auf die beiden deutschen Marken DE 39504819 und DE 39504820, sondern vorrangig auf die Klagemarke DE 39504819 und hilfsweise auf die Marke DE 39504820 gestützt hat, die Klage teilweise zurückgenommen. Insoweit ist sie verpflichtet, anteilig Kosten zu tragen. Für die Kostenquote ist neben der Teilklagerücknahme allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ihr Klageziel vollständig erreicht hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

IV.

In Abänderung der Beschlüsse des Landgerichts vom 12.12.2013 und des Senats vom 22.04.2014 wird der Streitwert für das Verfahren wie folgt festgesetzt:

Für die erste Instanz sowie für das Berufungsverfahren bis zur Teilklagerücknahme am 25.07.2014 beträgt der Streitwert 1.000.000,00 €, danach 750.000,00 €.

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