Pippi-Langstrumpf-Kostüm

22. Januar 2014
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Urteil des BGH vom 17.07.2013, Az.: I ZR 52/12

a) Ein einzelner Charakter eines Sprachwerks (hier: Pippi Langstrumpf) kann selbständigen Urheberrechtsschutz genießen. Dies setzt voraus, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Allein die Beschreibung der äußeren Gestalt einer handelnden Figur oder ihres Erscheinungsbildes wird dafür in aller Regel nicht genügen.

b) Für die Abgrenzung der verbotenen Übernahme gemäß § 23 UrhG von der freien Benutzung im Sinne von § 24 Abs. 1 UrhG kommt es auf die Übereinstimmung im Bereich der objektiven Merkmale an, durch die die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt wird. Für eine nach § 23 UrhG verbotene Übernahme eines Charakters ist es mithin nicht ausreichend, dass eine Abbildung (hier: Abbildung von Personen in Karnevalskostümen) lediglich einzelne äußere Merkmale der literarischen Figur übernimmt. Diese Elemente mögen zwar die äußere Gestalt der Romanfigur prägen. Sie genügen aber für sich genommen nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur zu begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.

c) Wird aus den angegriffenen Abbildungen deutlich, dass sich die abgebildeten Personen für Karnevalszwecke nur als die literarische Figur verkleiden und somit lediglich in ihre Rolle schlüpfen wollen, spricht dies für die Annahme eines inneren Abstands zum Werk und damit für eine freie Benutzung gemäß § 24 Abs. 1 UrhG.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 17.07.2013

Az.: I ZR 52/12

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2013 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24. Februar 2012 aufgehoben.

Die Klage wird, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist, abgewiesen.

Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt für sich in Anspruch, Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen Schaffen der verstorbenen Autorin Astrid Lindgren zu sein.

Astrid Lindgren war Verfasserin der „Pippi-Langstrumpf“-Romane. Darin beschrieb sie das äußere Erscheinungsbild der Hauptfigur der „Pippi Langstrumpf“ wie folgt:

Ihr Haar hatte dieselbe Farbe wie eine Möhre und war in zwei feste Zöpfe geflochten, die gerade vom Kopf abstanden. Ihre Nase hatte dieselbe Form wie eine ganz kleine Kartoffel und war völlig von Sommersprossen übersät. Unter der Nase saß ein wirklich riesig breiter Mund mit gesunden weißen Zähnen. Ihr Kleid war auch ziemlich merkwürdig. Pippi hatte es selbst genäht. Es war wunderschön gelb; aber weil der Stoff nicht gereicht hatte, war es zu kurz, und so guckte eine blaue Hose mit weißen Punkten darunter hervor. An ihren langen dünnen Beinen hatte sie ein Paar lange Strümpfe, einen geringelten und einen schwarzen. Und dann trug sie ein paar schwarze Schuhe, die genau doppelt so groß waren wie ihre Füße.

Die Beklagte betreibt die P. -Supermärkte. Sie warb im Januar 2010 für Karnevalkostüme mit den nachfolgend abgebildeten Fotografien:

Die Abbildungen waren bundesweit in Verkaufsprospekten mit einer Auflage von 16,2 Millionen Exemplaren, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt. Für einen Zeitraum von elf Tagen waren sie zudem auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite www.p. .de abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt 15.675 Stück zu Preisen von 5,99 € für das Kinderkostüm und 9,99 € für das Erwachsenenkostüm verkaufte.

Die Klägerin hat behauptet, Astrid Lindgren habe ihr mit Überlassungsvertrag vom 26. März 1998 sämtliche urheberrechtlichen Nutzungsrechte an all ihren Werken, insbesondere an den von ihr geschaffenen Pippi-Langstrumpf-Romanen, übertragen. Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur „Pippi Langstrumpf“ verletzt, die für sich genommen urheberrechtlichen Schutz genieße. Die Beklagte habe sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt. Darin liege eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Ihr stehe daher Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 50.000 € zu. Darüber hinaus stützt die Klägerin ihr Klagebegehren hilfsweise auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 9 UWG sowie auf §§ 823, 826 BGB. Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 50.000 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, die Figur der Pippi Langstrumpf könne für sich genommen keinen Urheberrechtsschutz genießen. Jedenfalls liege eine freie Benutzung vor, weil die Kombination von äußeren Merkmalen, Eigenschaften und Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf bei den angegriffenen Abbildungen nicht übernommen worden sei.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Köln, ZUM 2011, 871). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Köln, ZUM-RD 2012, 256). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Sie sei berechtigt, die in Rede stehenden Ansprüche geltend zu machen, weil sich aus dem Überlassungsvertrag vom 26. März 1998 ergebe, dass die Nutzungsrechte an dem künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren auf die Klägerin übertragen worden seien. Die Figur der Pippi Langstrumpf genieße Urheberrechtsschutz als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Sie sei eine einmalige Figur, die sich aufgrund ihrer Wesenszüge und ihrer äußeren Merkmale von den bis dahin bekannten Figuren deutlich abhebe. Die von der Beklagten verwendeten Abbildungen zur Bewerbung der Kostüme seien als abhängige Bearbeitungen der Figur „Pippi Langstrumpf“ gemäß § 23 UrhG anzusehen, weil die eigen-schöpferischen Züge der Pippi Langstrumpf darin deutlich sichtbar seien und es sich nicht um neue und eigenständige Werke handele. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auch der Höhe nach zu. Die von der Klägerin vorgelegte Lizenzvereinbarung mit einem dritten Handelsunternehmen betreffe einen vergleichbaren Fall und stelle daher eine geeignete Grundlage für die nach § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung dar.

B. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG nicht zuerkannt werden.

I. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die (ausschließlichen) urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Werken Astrid Lindgrens durch den Überlassungsvertrag vom 26. März 1998 erworben hat.

1. Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung im Hinblick darauf, ob gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist. Leidet die tatrichterliche Auslegung an solchen revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehlern, bindet sie das Revisionsgericht nicht. Bei der Auslegung sind in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Weiter gilt das Gebot der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung und der Berücksichtigung des durch die Parteien beabsichtigten Zwecks des Vertrags (BGH, Urteil vom 17. März 2011 – I ZR 93/09, GRUR 2011, 946 Rn. 17 f. = WRP 2011, 1302 – KD, mwN).

2. Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht zutreffend angewendet. Die von ihm vorgenommene Vertragsauslegung hält den Angriffen der Revision stand.

a) Nach dem für Altverträge gemäß Art. 28 Abs. 1 EGBGB aF zugrunde zu legenden Vertragsstatut ist für die Auslegung des Überlassungsvertrages schwedisches Recht anwendbar (vgl. Katzenberger in Schricker/Loewenheim, UrhR, 4. Aufl., Vor §§ 120 ff. Rn. 160; Ulmer, Das Immaterialgüterrecht, S. 56). Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht gegen gesetzliche Auslegungsgrundsätze des schwedischen Vertragsrechts verstoßen hätte, sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht geltend gemacht.

b) Auch im Übrigen lässt das Berufungsurteil weder Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen, noch leidet die Auslegung des Berufungsgerichts unter Verfahrensfehlern.

aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht vom Wortlaut der Ziffer 3.1 ausgegangen. Danach überlässt die Verkäuferin dem Käufer zur Verfolgung des in Ziffer 2.1 angegebenen Zwecks das Geschäft und die zu diesem gehörenden Aktiva, Verträge, Rechte und Pflichten. Unter den Begriff der „Rechte“ lassen sich zwanglos die im Streitfall relevanten urheberrechtlichen ausschließlichen Nutzungsrechte fassen.

bb) Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend den in Ziffer 2.1 näher beschriebenen und in Ziffer 3.1 ausdrücklich in Bezug genommenen Vertragszweck berücksichtigt. Dort ist festgehalten, dass der Vertrag die Überlassung des gesamten Gewerbebetriebs betrifft, der auf dem literarischen Schaffen der Verkäuferin basiert. Ferner wird dort erwähnt, dass das ausgeübte literarische Schaffen der Verkäuferin vor bald zwanzig Jahren aufgehört hat, die Aktivitäten daher im Wesentlichen aus der Verwaltung der Urheberrechte und den damit zusammenhängenden Tätigkeiten besteht und man sich deshalb sowohl aus praktischen als auch wirtschaftlichen Erwägungen heraus veranlasst gesehen hat, diese Geschäftsaktivitäten in eine selbständige Einheit zu überführen. Dieser Zweckbeschreibung lässt sich der klare Wille der Vertragsparteien entnehmen, die Astrid Lindgren zustehenden Rechte aus ihrem literarischen Schaffen vollständig auf die Klägerin zu übertragen. Anhaltspunkte dafür, dass die hier maßgebenden Verwertungsrechte bei der Verkäuferin verbleiben sollten, finden sich dort nicht. Auch die Revision bringt Abweichendes nicht vor.

cc) Das Berufungsgericht hat ferner im Ergebnis zutreffend angenommen, dass Ziffer 5.1 keine abweichende Auslegung zu entnehmen ist.

In dieser mit „Überlassung immaterieller Rechte“ überschriebenen Regelung heißt es auszugsweise wie folgt:

Die Verkäuferin überlässt unwiderruflich die zu den Geschäftsaktivitäten der Verkäuferin gehörenden Rechte gem. Anlage 1 sowie darüber hinaus die zum Geschäftsbetrieb der Verkäuferin gegenwärtig hinzukommenden Rechte, welche aufgrund eines Versehens in der genannten Anlage möglicherweise nicht aufgeführt sind.

Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Berechtigung der Klägerin sei deshalb nicht nachgewiesen, weil in der Anlage 1 zum Überlassungsvertrag vom 26. März 1998 die Figur der Pippi Langstrumpf nicht ausdrücklich aufgeführt werde.

Entgegen der Auffassung der Revision setzt die vertragliche Einräumung von Nutzungsrechten zugunsten der Klägerin nicht voraus, dass die Figur der Pippi Langstrumpf in der Anlage 1 zum Überlassungsvertrag besonders er-wähnt ist. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, ergibt sich bereits aus dem Überlassungsvertrag selbst eine umfassende Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Werken Astrid Lindgrens zugunsten der Klägerin. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen gemäß Ziffern 3.1 und 5.1 sowie dem in Ziffer 2.1 beschriebenen Vertragszweck. Danach dient dieser Vertrag dazu, den gesamten Geschäftsbetrieb der Autorin, der im Wesentlichen aus der Verwaltung von Urheberrechten bestand, auf die Klägerin zu übertragen. Zu diesem Zweck sollten sämtliche Aktiva, Verträge und Rechte (Ziffer 3.1) einschließlich der zu diesem Geschäftsbetrieb gehörenden immateriellen Rechte (Ziffer 5.1) der Klägerin überlassen werden. Wie sich ohne weiteres aus der Regelung der Ziffer 5.1 ergibt, beschränkt sich die Einräumung zeitlich, inhaltlich und räumlich unbeschränkter ausschließlicher Nutzungsrechte nicht allein auf die in der Anlage 1 aufgeführten Werke. Dies folgt aus der Regelung in Ziffer 5.1, Halbsatz 2, wonach auch diese Rechte übertragen werden sollen, die „aufgrund eines Versehens in der genannten Anlage möglicherweise nicht aufgeführt sind“. Diese Formulierung kann, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, bei verständiger Würdigung und vor dem Hintergrund des Vertragszwecks nur dahin ausgelegt werden, dass mit dem Überlassungsvertrag ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte an sämtlichen von Astrid Lindgren geschaffenen Werken eingeräumt werden sollten.

Aus der Formulierung „gegenwärtig hinzukommende Rechte“ ergibt sich nichts anderes. Damit sind entgegen der Auffassung der Revision erkennbar nicht Rechte an etwaigen nach Abschluss des Überlassungsvertrags entstan-denen Werken gemeint. Die Vertragsparteien und damit die Autorin selbst sind ausweislich der Erklärung in Ziffer 2.1 vielmehr übereinstimmend davon ausgegangen, dass das aktive literarische Schaffen von Astrid Lindgren vor „bald zwanzig Jahren aufgehört“ hat. Angesichts dessen hätte die Klausel, wie sie die Beklagte verstehen will, jedenfalls in Bezug auf die urheberrechtlichen Nutzungsrechte überhaupt keinen Anwendungsbereich. Im Übrigen stünde ein solches Verständnis von einer auf einzelne in der Anlage aufgeführten Rechte beschränkten Rechtseinräumung auch im offenen Widerspruch zu dem Zweck des Überlassungsvertrages, der erkennbar die umfassende Übertragung sämtlicher vermögenswerten Positionen aus dem literarischen Schaffen von Astrid Lindgren zum Gegenstand hat. Dass es trotz alledem im Interesse der Autorin gelegen hat, die im Streitfall maßgebenden Nutzungsrechte bei sich zu behalten, macht auch die Revision nicht geltend.

dd) Soweit die Revision geltend macht, die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung stehe im Widerspruch zu dem von der Klägerin vorgelegten Testament Astrid Lindgrens, vermag sie damit nicht durchzudringen. Ein solcher Widerspruch ist nicht erkennbar. Es ist schon nichts dafür ersichtlich, dass sich Astrid Lindgren auf Grundlage ihres Testaments vom 16. Dezember 1997 in ihrer Verfügungsbefugnis im Hinblick auf spätere Rechtsgeschäfte über urheberrechtliche Nutzungsrechte an ihrem Werkschaffen selbst beschränkt haben sollte. Auch ist nicht erkennbar, dass zu dem „übrigen Eigentum“, wie es im Testament heißt, die in Rede stehenden Rechte überhaupt zählen. Abweichendes bringt auch die Revision nicht vor.

3. Auf die weiteren Rügen der Revision im Hinblick auf die durch das Berufungsgericht vorgenommene Würdigung der auf den Vervielfältigungsstücken angebrachten ©-Vermerke kommt es vorliegend nicht an. Dabei handelt es sich erkennbar um eine lediglich ergänzende, nicht selbständig tragende Begründung. Das Berufungsgericht ist vielmehr mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Berechtigung bereits durch Vorlage des mit Astrid Lindgren geschlossenen Überlassungsvertrages nachgewiesen hat.

II. Das Berufungsgericht ist weiterhin ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die von Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern geschaffene Figur der Pippi Langstrumpf als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG Urheberrechtsschutz genießt.

1. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass bei Werken der Literatur im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG nicht nur die konkrete Textfassung oder die unmittelbare Formgebung eines Gedankens urheberrechtlich schutzfähig ist. Auch eigenpersönlich geprägte Bestandteile und formbildende Elemente des Werkes, die im Gang der Handlung, in der Charakteristik und Rollenverteilung der handelnden Personen, der Ausgestaltung von Szenen und in der „Szenerie“ des Romans liegen, genießen Urheberrechtsschutz (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1999 – I ZR 65/96, BGHZ 141, 267, 279 – Laras Toch-ter, mwN; Loewenheim in Schricker/Loewenheim aaO § 2 Rn. 85).

Neben der Fabel, dem Handlungs- und Beziehungsgeflecht der Charaktere eines Romans, können entgegen der Auffassung der Revision auch einzelne Charaktere des Sprachwerks selbständigen Urheberrechtsschutz genießen. Für bildliche Darstellungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist ein solcher isolierter Figurenschutz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits anerkannt. Dieser beschränkt sich nicht auf die konkreten zeichnerischen Darstellungen in verschiedenen Körperhaltungen mit der jeweils gleichbleibenden und der das Äußere in schöpferischer Weise prägenden Elemente. Schutz genießen auch die allen Einzeldarstellungen zugrundeliegenden Charaktere als solche, wenn diese sich durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen auszeichnen, somit zu besonders ausgeprägten Persönlichkeiten geformt sind und in den Geschichten jeweils in einer bestimmten charakteristischen Weise auftreten (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1993 I ZR 263/91, BGHZ 122, 53, 56 f. Alcolix; Urteil vom 11. März 1993 I ZR 264/91, GRUR 1994, 191, 192 – Asterix-Persiflagen; Urteil vom 8. Juli 2004 – I ZR 25/02, GRUR 2004, 855, 856 = WRP 2004, 1293 – Hundefigur).

2. Diese Grundsätze gelten für in Sprachwerken im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschaffene Personen gleichermaßen (vgl. Axel Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 2 UrhG Rn. 102; Loewenheim in Schricker/Loewenheim aaO § 2 Rn. 85 aE; aA wohl Erdmann, WRP 2002, 1329, 1334). Auch hier ist es wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat aus Rechtsgründen nicht ausgeschlossen, dass einzelnen fiktiven Charakteren selbständiger Urheberrechtsschutz zukommt. Vergleichbar dem Figurenschutz bei Darstellungen der bildenden oder angewandten Kunst kann auch eine literarische Beschreibung im geistigen Auge des Lesers ein ebenso deutliches „Bild“ von einer handelnden Figur schaffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit den Mitteln der Sprache gerade die prägenden Charaktereigenschaften einer fiktiven Person wesentlich differenzierter als mit den Mitteln der bildenden Kunst dargestellt werden können. Insoweit kann eine detaillierte Beschreibung der Charaktereigenschaften eine mit den Mitteln der Sprache nur begrenzt konkretisierbare Darstellung des Äußeren der Person ohne weiteres ausgleichen.

Dieser Schutz einer fiktiven Person kann auch unabhängig vom konkreten Beziehungsgeflecht und dem Handlungsrahmen bestehen, wie sie in der Fabel des Romans ihren Ausdruck gefunden haben. Zwar gewinnen die in einer Erzählung handelnden Personen ihr charakteristisches Gepräge zumeist erst durch ihre Handlungen und Interaktion mit anderen dargestellten Personen. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass sich die darin zum Ausdruck gelangen-de Persönlichkeit verselbständigt, wenn ihre typischen Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen in variierenden Handlungs- und Beziehungszusammen-hängen – insbesondere bei Fortsetzungsgeschichten – regelmäßig wiederkehren.

Voraussetzung für den isolierten Schutz eines fiktiven Charakters ist es demnach, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Allein die Beschreibung der äußeren Gestalt einer handelnden Figur oder ihres Erscheinungsbildes wird dafür in aller Regel nicht genügen.
3. Nach diesem Maßstab hat das Berufungsgericht der von Astrid Lindgren geschaffenen und in zahlreichen Erzählungen ausgestalteten Figur der Pippi Langstrumpf zutreffend einen urheberrechtlichen Schutz zugesprochen.

Das Berufungsgericht hat die beachtliche Schöpfungshöhe der Figur der Pippi Langstrumpf aufgrund der besonderen eigenschöpferischen Kombination der charakteristischen Merkmale der Romanfigur angenommen und sich dabei zutreffend nicht nur auf die im Tatbestand wiedergegebene detaillierte Beschreibung ihres Äußeren gestützt, sondern die Schutzfähigkeit der Person der Pippi Langstrumpf auch mit den ihr eigenen Wesenszügen und ihren Lebensumständen begründet. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts stünden das Äußere von Pippi Langstrumpf sowie die wegen des Todes der Mutter und der Abwesenheit des Vaters erbärmlich wirkenden Lebensumstände in krassem Kontrast zu den übrigen Merkmalen der Figur. So sei sie stets fröhlich, sehr vermögend, verfüge über übermenschliche Kräfte, sei von ausgeprägter Furcht- und Respektlosigkeit, die mit Fantasie und Wortwitz gepaart sei. Astrid Lindgren sei es gelungen, eine einmalige Figur zu schaffen, die ihre charakteristischen Wesenszüge durch alle Geschichten unverkennbar beibehalte und die sich von den bis dahin bekannten Figuren deutlich abhebe. Diese von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen lassen keine Rechtsfehler erkennen.

III. Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die angegriffenen Abbildungen stellten gemäß § 23 UrhG eine abhängige Bearbeitung der von Astrid Lindgren geschaffenen Figur der Pippi Langstrumpf dar.

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass von der Schutzfähigkeit der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf die Frage zu unterscheiden sei, ob die bildliche und damit auf das Äußere beschränkte Darstellung der Figur eine urheberrechtswidrige Bearbeitung der Romanfigur sein könne. Dies sei zu bejahen.

Astrid Lindgren habe das Äußere der Figur „Pippi Langstrumpf“ so detailliert beschrieben, dass bei der Übertragung in ein Bild nur ein geringer Gestaltungsspielraum verbleibe. In einem solchen Fall sei die Übernahme auch der Charakterzüge einer Romanfigur nicht erforderlich. Diese seien in einer bildlichen Darstellung naturgemäß nicht erkennbar. Es könne deshalb genügen, dass eigenschöpferische Elemente eines literarischen Werks übernommen worden seien, die sich auf die Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes beschränkten, wenn sich darin hinreichende schöpferische Züge zeigten, und zugleich das neue Werk nur in geringem Umfang eigenschöpferische Züge aufweise, die das Werk daher nicht prägten.

So liege es auch im Streitfall. In den angegriffenen bildlichen Darstellungen würden die eigenschöpferischen Züge der Romanfigur sichtbar gemacht, ohne dass der Schöpfer des Bildwerks seinerseits erhebliche eigenschöpferische Beiträge leisten müsse. Farbe und Form der Haare sowie die Sommersprossen seien der literarischen Vorlage entnommen. Die bestehenden Abweichungen im Erscheinungsbild – statt nur eines Strumpfes seien beide geringelt, das kurze Kleid sei einfarbig grün statt gelb, darunter sei ein wie die Strümpfe geringeltes Hemd zu erkennen – seien lediglich als Modifikationen der Figur unter Beibehaltung ihres Stils zu bewerten. Es ergebe sich ein „kunterbunter“ Gesamteindruck, der von modischem Selbstbewusstsein geprägt sei.

Unerheblich sei, dass die abgebildeten Personen nicht Pippi Langstrumpf seien, sondern diese nur darstellten. Der Gedanke, dass ein beliebiges Mädchen in die Rolle der Pippi Langstrumpf schlüpfe, sei bereits in der Erzählung angelegt. Gerade Kinderbücher zielten darauf ab, dass sich der junge Leser mit dem Protagonisten der Erzählung identifiziere. Auch Verkleidungen lägen dabei nicht fern.

2. Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht geprüft, ob die angegriffenen Abbildungen als eine abhängige Bearbeitung gemäß § 23 UrhG oder aber eine freie Benutzung im Sinne von § 24 Abs. 1 UrhG zu qualifizieren sind. Im Streitfall stellt sich die Frage, ob die Abbildungen in den Werbeunterlagen der Beklagten eine Vervielfältigung der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf in veränderter Form darstellen. Die Zulässigkeit einer solchen umgestaltenden Vervielfältigung beurteilt sich nach § 23 UrhG (vgl. Loewenheim in Schricker/Loewenheim aaO § 16 Rn. 8, § 23 Rn. 3 mwN).

b) Für die Frage, ob die Übernahme gestalterischer Elemente eine abhängige Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG darstellt oder ob es sich um eine freie Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG handelt, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Eine freie Benutzung setzt – wie das Berufungsgericht noch zutreffend angenommen hat – voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen. In der Regel ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge im neuen Werk zurücktreten, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint (BGHZ 122, 53, 60 – Alcolix; BGHZ 141, 267, 280 – Laras Tochter; Urteil vom 20. März 2003 – I ZR 117/00, BGHZ 154, 260, 267 – Gies-Adler, mwN; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010 – I ZR 12/08, GRUR 2011, 134 Rn. 33 – Perlentaucher).

Eine freie Benutzung ist aber nicht nur dann anzunehmen, wenn die aus dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge in dem neuen Werk in einem eher wörtlichen Sinn verblassen und demgemäß in diesem so zurücktreten, dass das ältere in dem neuen Werk nur noch schwach in urheberrechtlich nicht mehr relevanter Weise durchschimmert. Vielmehr kann der für eine freie Benutzung erforderliche Abstand zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werks – selbst bei deutlichen Übernahmen gerade in der Formgestaltung – auch dann gegeben sein, wenn das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des älteren Werkes einen so großen inneren Abstand hält, dass es seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist. Auch in einem solchen Fall kann davon gesprochen werden, dass die entlehnten individuellen Züge des älteren Werkes im neueren Werk „verblassen“ (BGHZ 122, 53, 60 f. – Alcolix; BGHZ 141, 267, 280 f. – Laras Tochter; BGHZ 154, 260, 268 – Gies-Adler). Auf den inneren Abstand kommt es vor allem bei Fallgestaltungen an, in denen eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem älteren Werk es erfordert, dass dieses und seine Eigenheiten, soweit sie Gegenstand der Auseinandersetzung sind, im neuen Werk erkennbar bleiben. Die häufigste Fallgestaltung dieser Art ist die Parodie. Bei ihr kommt der innere Abstand in einer antithematischen Behandlung zum Ausdruck. Zwingend ist dies jedoch nicht. Ein innerer Abstand kann vielmehr auch auf andere Weise hergestellt werden (vgl. BGHZ 122, 53, 60 f. – Alcolix; BGH, GRUR 1994, 191, 194 Asterix-Persiflagen, BGHZ 141, 267, 281 – Laras Tochter; BGHZ 154, 260, 268 – Gies-Adler; GRUR 2011, 134 Rn. 34 – Perlentaucher).

Da nach den dargelegten Grundsätzen der Abstand maßgebend ist, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält, kommt es auf die Übereinstimmung im Bereich der objektiven Merkmale an, durch die die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt wird (BGH, Urteil vom 26. September 1980 – I ZR 17/78, GRUR 1981, 267, 269 – Dirlada, mwN). Es ist deshalb durch Vergleich der sich gegenüberstehenden Werke zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werkes übernommen worden sind. Maßgebend dabei ist ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1998 I ZR 81/96, BGHZ 139, 68, 77 – Stadtplanwerk; Urteil vom 13. April 2000 – I ZR 282/97, GRUR 2000, 703, 704 = WRP 2000, 1243 – Mattscheibe; GRUR 2004, 855, 857 – Hundefigur).

c) Diesen rechtlichen Maßstäben trägt die Beurteilung durch das Berufungsgericht nicht hinreichend Rechnung.

aa) Allerdings ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 UrhG nicht bereits deshalb vorliegen, weil eine Übertragung eines Werkes in eine andere Werkart immer als freie Bearbeitung zu werten sei. Vielmehr ergibt sich aus § 23 Satz 2 UrhG, dass auch in den Fällen einer Übertragung eines Werkes in eine andere Werkart eine unfreie Bearbeitung vorliegen kann. Entgegen der Ansicht der Revision stellt auch eine Übertragung eines Sprachwerks in die Werkkategorie der bildenden oder angewandten Kunst nicht in jedem Fall eine freie Benutzung des Sprachwerks dar. Maßgebend ist keine an der Werkart orientierte rein formelle Betrachtung. Eine solche berücksichtigt nicht hinreichend, dass die Wesenszüge der Werkarten nicht stets grundverschieden sind, sondern deren gestalterische Wesenszüge und Ausdrucksformen unter Umständen übertragbar sind (vgl. Axel Nordemann in Fromm/Nordemann aaO §§ 23, 24 UrhG Rn. 39; Loewenheim in Schricker/Loewenheim aaO § 24 Rn. 23). So liegt es auch, wenn eine literarische Figur gemäß der Beschreibung ihrer Eigenschaften – wie im Streitfall – durch eine Abbildung visualisiert wird. Es kommt vielmehr auch bei einer Benutzung des Werks durch eine andere Werkgattung auf die Übereinstimmungen im Bereich der objektiven Merkmale an, durch welche die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt wird.

bb) Dagegen ist die Annahme des Berufungsgerichts, auch die bildliche und damit allein auf das Äußere beschränkte Darstellung der Figur könne eine urheberrechtswidrige Bearbeitung der Romanfigur sein, nicht frei von Rechts-fehlern. Das Berufungsgericht hat insoweit nicht hinreichend beachtet, dass es bei der Feststellung des für eine freie Benutzung erforderlichen Abstands auf die Übereinstimmung im Bereich der objektiven Merkmale ankommt, welche die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmen.

(1) Für eine selbständige urheberrechtliche Schutzfähigkeit einer literarischen Person reicht die bloße Beschreibung ihrer äußerlichen Gestalt nicht aus. Wie dargelegt, setzt ein Schutz der Figur als solche vielmehr voraus, dass die-se durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben wird, sie somit zu besonders ausgeprägten Persönlichkeiten geformt ist und in der Geschichte jeweils in einer bestimmten charakteristischen Weise auftritt (vgl. BGHZ 122, 53, 56 f. – Alcolix; BGH, GRUR 1994, 191, 192 – Asterix-Persiflagen; GRUR 2004, 855, 856 – Hundefigur).

Für eine nach § 23 UrhG verbotene Übernahme eines Charakters ist es mithin nicht ausreichend, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die angegriffenen Abbildungen lediglich die Haare in Farbe und Form, die Sommersprossen und den Kleidungsstil der Pippi Langstrumpf übernehmen. Diese Elemente mögen zwar die äußere Gestalt der Romanfigur prägen. Sie genügen aber für sich genommen nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pipi Langstrumpf zu begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.

(2) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unschwer zu erkennen ist, dass die abgebildeten Personen Pippi Langstrumpf darstellen. Eine abhängige Bearbeitung ist nicht schon dann anzunehmen, wenn das neue Werk auf das ältere deutlich Bezug nimmt. Gerade bei Werken, die sehr bekannt sind, genügen meist nur geringe Andeutungen, insbesondere in Bezug auf äußere Merkmale, um einen deutlichen Bezug zu dem älteren Werk herzustellen. Es ist dann im Einzelfall zu prüfen, ob mit einer solchen Bezugnahme bereits die Übernahme eigenpersönlicher Merkmale verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1957 I ZR 83/56, BGHZ 26, 52, 57 – Sherlock Holmes; BGHZ 122, 53, 59 – Alcolix; BGH, GRUR 1994, 191, 194 – Asterix-Persiflagen; GRUR 2004, 855, 856 – Hundefigur). Vorliegend entsteht das vollständige und insoweit urheberrechtlich relevante Bild von der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf erst durch eine gedankliche Verknüpfung des Betrachters mit den prägenden Charaktereigenschaften der Figur, wie sie in der überragend bekannten literarischen Vorlage ausgestaltet, aber in den Abbildungen nicht erkennbar sind.

(3) Im Streitfall kommt hinzu, dass aus den angegriffenen Abbildungen deutlich wird, dass sich die abgebildeten Personen erkennbar für Karnevals-zwecke nur als Pippi Langstrumpf verkleiden und somit lediglich in ihre Rolle schlüpfen wollen. Damit wird nur ein äußerst unvollkommener Bezug zur literarischen Figur hergestellt, der zudem mit der erkennbaren Spannung zwischen realer Person und dargestellter Person spielt. Dadurch wird ein hinreichender innerer Abstand zur Romanvorlage Astrid Lindgrens geschaffen, weil für den Betrachter klar erkennbar ist, dass die abgebildete Person nicht Pippi Langstrumpf ist (vgl. zur erkennbar fehlenden Personengleichheit bereits BGHZ 26, 52, 57 – Sherlock Holmes).

(4) Auf den Umstand, dass die angegriffenen Abbildungen eine Reihe von äußeren Merkmalen (kartoffelförmige Nase, riesig breiter Mund, gelbes Kleid, sichtbare blaue Hose mit weißen Punkten, verschieden gestaltete Strümpfe, viel zu große schwarze Schuhe) der literarischen Gestalt der Pippi Langstrumpf nicht zeigen und eine der Abbildungen kein Mädchen, sondern eine verkleidete junge Frau wiedergibt, kommt es nach alledem nicht mehr an.

IV. Da sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, war es aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

V. Im Hinblick auf den geltend gemachten urheberrechtlichen Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG sind keine weiteren Feststellungen zu erwarten. Die Sache ist insoweit zur Endentscheidung reif. Daher kann der Senat insoweit in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist insoweit abzuweisen (§ 301 Abs. 1 ZPO).

Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – aber keinerlei Feststellungen zu den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Ansprüchen aus ergänzendem Leistungsschutz gemäß §§ 3, 4 Nr. 9, § 9 UWG sowie aus §§ 823, 826 BGB getroffen. Insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 10.08.2011 – 28 O 117/11 –
OLG Köln, Entscheidung vom 24.02.2012 – 6 U 176/11 –

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